The Right Kind of Wrong - Jennifer Bright - E-Book + Hörbuch

The Right Kind of Wrong Hörbuch

Jennifer Bright

4,3

Beschreibung

Die Jubelausgabe mit Bonuskapitel und mehr Spice: Die Forbidden-Love-Romance von Jennifer Bright Zoes Leben könnte perfekt sein. Sie hat sich aus den Fesseln ihres Ex-Partners gelöst und lebt zusammen mit ihrer besten Freundin Kate im Herzen Londons. Wären da nicht ihre inneren Dämonen und der Druck ihrer Eltern, die ihr jeden Tag die Luft zum Atmen nehmen. Als Kates neuer Freund Noah vorübergehend bei ihnen einzieht, ist Chaos vorprogrammiert. Obwohl ihr Aufeinandertreffen alles andere als reibungslos verläuft, fühlt sich Zoe mit der Zeit dank Noahs Hilfe freier, lebendiger und mutiger als jemals zuvor. Zoe weiß, dass Noah tabu ist, und trotzdem knistert es zwischen ihnen gewaltig. Zwischen Sehnsucht und Schuldgefühlen steht Zoe bald vor einer Entscheidung, die alles verändern könnte: Freundschaft oder Liebe? Tropen: Forbidden Love, Forced Proximity, Best Friend's Ex Meinungen zum Buch: Dieses Buch regt einen mit jeder Seite zum Nachdenken an. (Rezensentin Belli auf NetGalley) Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung. The Right Kind of Wrong ist für mich wirklich ein kleines Highlight geworden. Ich hoffe noch mehr Geschichten von Jennifer Bright lesen zu können. (Kerstins WortMelodie - Buchblog)

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Zeit:12 Std. 18 min

Veröffentlichungsjahr: 2019

Sprecher:Dagmar Bittner

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Tanja8306

Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Mit sehr viel Gefühl geschrieben! Tiefgründig ausgearbeitete Charaktere. Sehr zu empfehlen
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The Right Kind of Wrong

Jennifer Bright, geboren 1993, ist schon seit ihrer Kindheit begeistert von Büchern. Dieser Leidenschaft verleiht sie nicht nur durch das Schreiben eigener Romane Ausdruck, sondern ist unter dem Namen wortgetreu auch als Bloggerin und Booktuberin unterwegs.

Zoes Leben könnte perfekt sein. Sie hat sich aus den Fesseln ihres Ex-Partners gelöst und lebt zusammen mit ihrer besten Freundin Kate im Herzen Londons. Wären da nicht ihre inneren Dämonen und der Druck ihrer Eltern, die ihr jeden Tag die Luft zum Atmen nehmen. Als Kates neuer Freund Noah vorübergehend bei ihnen einzieht, ist Chaos vorprogrammiert. Obwohl ihr Aufeinandertreffen alles andere als reibungslos verläuft, fühlt sich Zoe mit der Zeit dank Noahs Hilfe freier, lebendiger und mutiger als jemals zuvor. Zoe weiß, dass Noah tabu ist, und trotzdem knistert es zwischen ihnen gewaltig. Zwischen Sehnsucht und Schuldgefühlen steht Zoe bald vor einer Entscheidung, die alles verändern könnte: Freundschaft oder Liebe?

Jennifer Bright

The Right Kind of Wrong

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 1. Auflage März 2020© Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117 Berlin 2025Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an [email protected]: Favoritbüro, MünchenTitelabbildung: shutterstock/ © Pawaris Pattano09Autorenfoto: © privatEbook powered by pepyrusISBN 978-3-95818-472-5

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Epilog

BONUSKAPITEL

Leseprobe: Almost isn't enough. Whispers by the Sea

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

Meine nackten Füße tragen mich über das dunkle Parkett unserer sonnendurchfluteten Dreizimmerwohnung. Nur mit einem weißen Top und einem Slip bekleidet, schleppe ich mich in die Küche, um mir meinen morgendlichen Kaffee zu machen.

Kate sitzt in ihrem rosa Schlafanzug am Küchentisch und schiebt sich ein Stück Pancake in den Mund. Ihre schulterlangen blonden Haare stehen in alle Richtungen ab, sodass sie den Anschein erweckt, als hätte sie es gerade mit einem Bären aufgenommen und den Kampf haushoch gewonnen.

»Möchtest du auch welche, Zoe?« Sie deutet auf den leeren Teller ihr gegenüber und die dampfende Einhorntasse mit schwarzem Kaffee.

Womit habe ich sie bloß verdient? Breit grinsend setze ich mich auf den Stuhl und genieße den ersten Schluck Kaffee. Purer Balsam für die Seele.

»Wie geht’s dir?« Kate sieht mich mit diesem besorgten Gesichtsausdruck an, der mir verrät, dass sie mir noch immer nicht glaubt, dass ich über die Trennung von meinem Ex hinweg bin. Ja, es war schwer, vor vier Wochen einen Schlussstrich zu ziehen, und doch war dieser bitter nötig gewesen.

»Du musst mich das nicht jeden Morgen fragen. Es war die richtige Entscheidung. Ich habe schon so lange an der Beziehung gezweifelt. Matthews Lüge war nur die Kirsche auf der Torte.« Ich nippe achselzuckend an meinem Kaffee.

»Die Europareise war immer dein Traum. Und dieser Mistkerl wusste das ganz genau«, schimpft Kate, bevor sie sich den nächsten Pancake nimmt.

»Das Witzigste an der ganzen Sache ist einfach, dass ich ihm mehrmals gesagt habe, dass wir auch warten können, bis er mit dem Medizinstudium fertig ist«, erkläre ich und verstärke den Griff um meine Tasse. »Viel hat ja nicht mehr gefehlt. Und was macht er? Verspricht mir, ein Urlaubssemester zu nehmen, und tut so, als hätte er es schon längst beantragt.«

Heiße Wut steigt in mir auf. Mein Knie wippt unterm Tisch auf und ab, während ich daran zurückdenke. Natürlich habe ich mein Urlaubssemester sofort beantragt, und es hat nicht lange gedauert, bis es von der Uni genehmigt wurde. Voller Vorfreude habe ich mich an die Planung gesetzt. Unterkünfte und Routen rausgesucht.

Kate schüttelt ungläubig den Kopf. »Wie konnte dieser Mistkerl glauben, dass die Sache mit einem Blumenstrauß und einem einfachen Sorry geregelt ist?«

»Ich kann wirklich froh darüber sein, ihn abgeschossen zu haben. Wenn ich so darüber nachdenke, dass er mir am Ende für alles die Schuld in die Schuhe geschoben hat, werde ich wieder richtig wütend.«

»Gaslighting vom Feinsten! Drecksack!«

»Arschkröte«, schiebe ich hinterher.

»Klappstuhl!«, schreit Kate.

»Was?«

»Das hat Dad immer gesagt, wenn jemand kein Rückgrat hatte.« Für einen kurzen Moment sehen wir uns in die Augen, bis wir zu lachen beginnen.

»Klappstuhl ist meine neue Lieblingsbeleidigung.«

»Wir sollten eine Party feiern, dass du diesen Klappstuhl los bist. Jetzt mal im Ernst. Ihr wart sowieso viel zu verschieden«, beteuert Kate, und ich denke an all die Zeichen, die mir schon früher hätten auffallen müssen.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, würden wir seit einem Jahr zusammenwohnen, nächstes Jahr heiraten, danach das erste von drei Kindern zeugen und in einem schicken Reihenhaus am Rande Londons leben.

Ich selbst sehe mich in zwei Jahren auf der Suche nach dem großen Abenteuer ohne Verpflichtungen und den Moment genießend auf irgendeiner Insel am Strand liegen.

Er ernährt sich stets gesund und macht um jedes Fast-Food-Restaurant einen großen Bogen, während ich für eine fettige Pizza töten würde.

Er lebt für seinen Job. Ich lebe für die Freiheit.

Er macht regelmäßig Sport. Ich bin froh, wenn ich mich einmal im Jahr zum Joggen aufraffen kann.

Er sieht zu meinen erfolgreichen Eltern auf. Ich verachte sie.

Er möchte in London alt werden. Ich möchte mal hier und mal dort wohnen.

Er ist ein Ordnungsfreak. Ich bin eine Chaotin.

Unsere Träume sind so weit voneinander entfernt, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich unsere Wege trennen. Und vielleicht haben wir es beide auch von Anfang an gewusst. Gewusst, dass wir kein Für immer sind.

»Lass uns lieber das Thema wechseln«, sage ich und lehne mich zurück.

Plötzlich fängt Kate an, bis über beide Ohren zu grinsen, während sie mit ihren kurzen Haaren spielt. Nervös rutscht sie auf ihrem Stuhl hin und her. »Ich habe dir doch vor ein paar Monaten von meinem neuen Freund erzählt.«

Dass vor ein paar Monaten in Wahrheit erst vier Wochen her ist, versuche ich mit zusammengepressten Lippen für mich zu behalten. Kate hatte noch nie ein gutes Zeitgefühl. Eine Woche gleicht in ihrer Welt einem halben Jahr. »Ja, ich erinnere mich. Aber jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.«

Sie hüpft von ihrem Stuhl auf und stellt den leeren Teller mit einem lauten Klirren in die Spüle. Mit dem Rücken zu mir sagt sie: »Er fängt im kommenden Semester an, hier zu studieren. Das bedeutet, er zieht nach London, und wir können uns jeden Tag sehen. Ich kann es kaum abwarten. Allerdings gibt es da ein klitzekleines Problem.« Mit ihren Rehaugen sieht sie mich unschuldig über ihre Schulter hinweg an und klimpert mit den Wimpern. »Er muss morgen aus seiner Wohnung in Liverpool raus. Aber er hat hier noch nichts gefunden. Du weißt ja selbst, wie überlaufen der Wohnungsmarkt in London ist. Leider kennt er in der Stadt auch niemanden außer mir, und da habe ich ihm angeboten, erst einmal bei uns zu wohnen.« Die Worte sprudeln nur so aus ihr heraus, und es wundert mich, dass sie bei diesem Tempo überhaupt noch Luft bekommt.

»Aber du weißt schon, dass wir hier gemeinsam wohnen? Wieso fragst du mich nicht erst, bevor du so etwas über meinen Kopf hinweg entscheidest?«

Ich bin viele spontane Schnapsideen von ihr gewohnt, aber wie stellt sie sich das vor? Diese Wohnung ist viel zu klein für noch einen Mitbewohner, und er kann auf gar keinen Fall das Wohnzimmer in Beschlag nehmen.

Mit einer schnellen Bewegung dreht sie sich wieder zu mir. »Es tut mir leid, Süße. Aber ich wusste, dass du sowieso Ja sagen würdest. Du hast doch ein Herz für mittellose Studierende.«

Bisher habe ich ihren neuen Freund noch nicht kennengelernt, weil sie sich immer nur in Liverpool getroffen haben. Meine Freundin ist eine Person, die sich von einer Beziehung in die nächste stürzt. Das war schon immer so. Sie wechselt ihre Freunde schneller, als ich Glaubst du nicht, Single zu sein würde dir auch mal guttun sagen kann.

Kate hat Angst, allein zu sein. Sie mag es, zu wissen, dass Nachrichten mit Herzsmileys darauf warten, von ihr beantwortet zu werden. Sie mag es, nachts in ihrem Bett zu telefonieren und mit einem Ich liebe dich am Ohr einzuschlafen. Sie mag es, sich diese romantischen Komödien anzuschauen, die immer mit einem Happy End enden.

Ein wenig verstehe ich ihre Angst vor dem Alleinsein. Auch ich habe vor der Trennung mehr als einmal das Pro und das Kontra abgewogen. Ich bereue es nicht, dass ich Matthew kennen- und lieben gelernt habe. Ich bereue es aber auch nicht, mich von ihm getrennt zu haben.

Das laute Klirren von Besteck reißt mich aus meinen Gedanken. Kate steht an der Spüle und beginnt, das Geschirr abzuwaschen.

»Okay, hör zu. Dein toller Freund kann natürlich fürs Erste bei uns unterkommen. Aber er wird in deinem Zimmer schlafen und nicht unser Wohnzimmer für sich beanspruchen. Außerdem will ich einen geregelten Plan, damit meine ich den Küchendienst, Badzeiten und all das andere Zeug, was anfällt, wenn man sich einen dritten Mitbewohner ins Haus holt. Hoffentlich bringt der Streuner keine Flöhe mit.« Ich nehme mir das Tuch zum Abtrocknen und stelle mich mit einem leichten Schubser in Kates Seite neben sie.

»Ich habe die beste Freundin der Welt.« Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und spült weiter die Teller und Tassen ab.

Lächelnd werfe ich das Geschirrtuch auf ihren Kopf und versperre ihr damit die Sicht. Ihr Lachen erfüllt den kompletten Raum, und ich kann ihr nicht böse sein.

Ich weiß nicht, woran es lag, aber es brauchte nur wenige Tage, bis ich begriff, wie viel mir dieser blonde Wirbelwind bedeuten würde. Sie ist mehr als eine Freundin. Mehr als eine beste Freundin. Sie ist die Familie, die ich nie hatte. Sie teilt mit mir, wie es nur eine Schwester kann. Sie ist so fürsorglich wie eine Mutter und so stolz wie ein Vater. Und wenn ich eines weiß, dann, dass ich für sie dasselbe bin. Familie.

Während ihr Lachen noch nachhallt, werfe ich einen Blick auf die Uhr über der Küchentür.

»Oh, Mist!« Schnell lege ich das Geschirrtuch auf den Tresen und trockne mir die feuchten Hände an meinem Shirt ab.

»Was ist los?«

»Ich habe ganz vergessen, dass ich in einer Stunde einen Termin bei der Agentur habe. Sie haben ein neues Projekt für mich«, erkläre ich.

»Also machst du dort doch weiter?« Kate runzelt die Stirn.

»Lieber schreibe ich neben dem Studium Artikel über Dating-Apps oder ein neues Enthaarungsprodukt, als auf das Geld zu verzichten.«

Sie nickt. »Verstehe. Ich bleibe dir und deinen Artikeln auf jeden Fall treu ergeben.«

»Ich muss mich echt beeilen. Wann genau kommt dein Freund? Ach, und wie heißt er noch mal? Nate? Niclas? Nathaniel?«

Ohne jegliche Vorwarnung klatscht sie mir das nasse Geschirrtuch ins Gesicht, welches langsam an mir hinunterrutscht und anschließend auf dem Boden landet. »Du dumme Nuss. Du weißt genau, wie er heißt. Ich habe dir seinen Namen schon hundertmal genannt. Noah. Gegen Abend müsste er hier sein.« Sie grinst. »Jetzt beeil dich lieber. Du solltest echt duschen, du siehst fürchterlich aus.«

»Ich habe dich auch lieb.« Mit einem Kopfschütteln verlasse ich die Küche und hoffe, dass ich es noch rechtzeitig zu meinem Termin schaffe. Auch wenn ich für mein Chaos bekannt bin, so hasse ich es, zu spät zu kommen und mir irgendeine dumme Ausrede einfallen lassen zu müssen, die einem sowieso keiner abkauft.

Auf dem Weg ins Badezimmer versuche ich, den Gedanken zu verdrängen, dass ich mir bald meine heiligen vier Wände mit einem ungebetenen Gast teilen muss. Ich kann für Kate nur hoffen, dass ihr neuer Freund nicht so eine Vollkatastrophe ist wie ihr letzter. Ich liebe Kate wirklich, aber sie hat trotz ihres guten Herzens ein echtes Gespür dafür, sich die falschen Männer auszusuchen.

Kapitel 1

»Der Artikel muss allerspätestens in zwei Wochen bei dem Kunden eingehen«, erklärt mir Lauren, meine Ansprechpartnerin in der Vermittlungsagentur Peak & Paper.

Es ist einem Zufall zu verdanken, dass ich vor einem halben Jahr, mitten in meinem zweiten Semester, an diesen Job gekommen bin. Eine Kommilitonin hat eine Arbeit von mir überflogen, als sie mir aus der Tasche gefallen war, und mich gefragt, ob ich gern mit dem Schreiben etwas dazuverdienen würde. Sie gab mir die Kontaktdaten von Lauren, und weil wir uns sofort verstanden haben, konnte ich gar nicht anders, als diesen Job anzunehmen. Da mir das Arbeiten in einem Café überhaupt keinen Spaß bereitet hatte, kam diese Möglichkeit wie gerufen, und ich machte drei Kreuze, als ich endlich kündigen und bei Peak & Paper anfangen konnte.

Meine Eltern waren immer davon ausgegangen, dass ich in ihre Fußstapfen treten und eines Tages ihre Praxis für Schönheitschirurgie übernehmen würde. Dass ich mit Medizin absolut nichts am Hut haben möchte, war und ist ihnen noch immer ein Dorn im Auge. Hätte Grandpa mir nicht immer wieder gesagt, dass ich mein eigenes Leben an die erste Stelle setzen muss, dann hätte ich mich vielleicht von meiner Mutter bequatschen lassen.

»Das kriege ich hin«, antworte ich Lauren, die mich erwartungsvoll anschaut. Ich soll doch tatsächlich für ein Frauenmagazin einen Beitrag darüber schreiben, wie schnell man als junge Frau an die Telefonnummer eines Mannes kommt. Wow. Dass ich diesen Artikel schwachsinnig finde, so wie die letzten auch schon, behalte ich für mich.

Sie überreicht mir die E-Mail-Adresse, an die ich meinen fertigen Beitrag senden soll, und erhebt sich auch schon von ihrem kupferroten Stuhl. »Ich muss zum nächsten Termin. Es hat mich gefreut, dich wiederzusehen, Zoe. Ich melde mich, sobald ich noch etwas Passendes für dich habe.«

Etwas Passendes. Wie kommt sie nur immer auf die Idee, dass all diese Themen zu mir passen würden? Es ist nicht so, dass ich noch nie den Mund aufgemacht hätte. Jedoch hat man mir deutlich zu verstehen gegeben, dass sich Artikel über das Reisen und verschiedene Kulturen schlechter verkaufen lassen.

Mit einem kräftigen Händedruck verabschieden wir uns voneinander, und sie begleitet mich aus ihrem Büro.

Ich will gerade in den Bus steigen, da überlege ich es mir anders und entscheide mich kurzerhand dafür, einen Abstecher ins Hatchards zu machen, den ältesten Buchladen Londons. Die Wahrscheinlichkeit, dort noch ein signiertes Exemplar vom neuen Stephen-King-Werk zu ergattern, ist ziemlich gering, da die erste Auflage online bereits ausverkauft ist.

Meine Liebe zu Büchern fing dank meines Grandpas früh an. Mit vierzehn habe ich dann einen Blog erstellt, in dem es nur um das Lesen ging. Die einzige freie Zeit, die mir zum Erstellen der Posts blieb, waren die späten Abendstunden. Nach dem Unterricht an einer der renommiertesten Privatschulen Londons folgte ein straffer Zeitplan. Klavier-, Ballett- und anschließend Geigenstunden. Jeden Tag. Von Montag bis Sonntag.

Eine meiner Followerinnen war Kate, und das, obwohl sie höchstens fünf Bücher im Jahr liest. Unter fast jeden Post von mir schrieb sie einen Kommentar, bis wir irgendwann Handynummern austauschten und von da an jeden Tag in Kontakt standen. Es hat mindestens ein Jahr gedauert, bis wir uns das erste Mal getroffen haben. Meine Mutter hatte mir jegliches Ausgehen untersagt. Das Haus verlassen durfte ich nur zu Terminen, die sie in meinen Kalender eingetragen hatte.

Kate war der erste und bisher einzige Mensch, mit dem ich mich sofort verbunden gefühlt habe. Es ist meinem Grandpa zu verdanken, dass wir uns damals getroffen haben. Er hat meine Mutter davon überzeugt, dass ich Zahnschmerzen hätte und er mit mir zum Arzt gehen müsse. Doch in Wahrheit hat er mir viel Spaß mit Kate gewünscht und mir den Rücken freigehalten.

Die Buchhandlung hat eine eher unscheinbare Außenfassade, doch sobald ich den Laden betrete, fühlt es sich an, wie nach Hause zu kommen. Dieser Ort hat etwas Magisches an sich, mit den dunklen Bücherregalen, die vom Boden bis zur Decke reichen, dem gemütlichen Licht, den Gemälden an der Wand und dem Stein- und Teppichboden.

Zielstrebig gehe ich die Treppe hinauf, um zu den Thrillern zu gelangen. Sofort entdecke ich den scheinbar leeren Aufsteller zu dem neuen Buch, das seit einigen Tagen erhältlich ist. Mit hängenden Schultern, aber einem kleinen Funken Hoffnung in mir trete ich näher heran und bleibe wie erstarrt stehen, als ich einen großen Mann sehe, der gerade nach der letzten signierten Ausgabe greift.

Er trägt einen schwarzen Mantel, schwarze Jeans und schwar­ze Boots. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich davon ausgehen, dass wir tiefsten Winter haben.

Meine Füße stecken in weißen Chucks, und mein Kleid, welches mir bis zu den Knien reicht, schreit mit seiner gelben Farbe und den weißen Gänseblümchen förmlich nach Sommer.

Ich betrachte das Profil des Mannes genauer, beobachte ihn dabei, wie er gebannt den Klappentext des Buches liest. Was mir sofort ins Auge fällt, sind seine Haare. Sie sind etwas länger, sodass er sie sich im Nacken zu einem winzigen Zopf gebunden hat. Einige der braunen Haarsträhnen scheinen sich aus dem Haargummi befreit zu haben und fallen ihm ins Gesicht, wodurch ich seine Augen nicht sehen kann. Durch die Haare erinnert er mich leicht an Tarzan, auch wenn ich zugeben muss, dass er deutlich attraktiver ist als der Mann, der mit den Affen aufgewachsen ist. Seine Nase ist weder zu klein noch zu groß, die Lippen voll und geschwungen, doch was besonders heraussticht, sind seine Kieferpartie und die Wangenknochen. Als hätte jemand das perfekte Bild eines Mannes gezeichnet.

Plötzlich ziehen sich seine Mundwinkel nach oben und entblößen ein tiefes Grübchen in der Wange. Ich kenne den Klappentext in- und auswendig und frage mich, was er daran so amüsant findet. Mir fällt keine Stelle ein, bei der einem auch nur ansatzweise nach Lachen zumute wäre.

Ich mache gerade einen Schritt auf ihn zu, als er das Buch aus der Hand legt, um sein Handy aus den Jeans zu holen und es sich ans Ohr zu halten. Ohne groß darüber nachzudenken, ergreife ich meine Chance, bin mit vier großen Schritten bei ihm, lächle höflich und schnappe mir das Buch.

»Ich rufe dich gleich zurück«, ertönt seine raue Stimme hinter mir, bevor er mir sanft auf die Schulter tippt, als ich gerade dabei bin, einen lautlosen Abgang zu machen.

Für einen Moment überlege ich mir, das Buch fest an meine Brust zu drücken und einfach loszurennen. In meiner Vorstellung klingt das um einiges lässiger, als es aussehen würde. Also entscheide ich mich dafür, mich lächelnd umzudrehen und das Unschuldslamm zu spielen.

Obwohl ich mit meinen knapp einen Meter siebzig nicht unbedingt klein bin, überragt mich der Mann deutlich. Sekundenlang stehe ich regungslos vor ihm und starre in seine grünen Augen, die von dunklen Wimpern umrahmt sind. Verdammt, er sieht viel zu gut aus. Vielleicht sollte ich schon hier und jetzt mit der Recherche zu meinem Artikel beginnen.

»Ja bitte?« Meine Stimme ist mir selbst fremd, so sanft spreche ich die zwei Wörter aus.

»Sie haben sich da gerade mein Buch gegriffen«, stellt er nüchtern fest.

»Haben Sie es gekauft?« Ich verstärke meinen Griff um das letzte signierte Stephen-King-Buch. Natürlich könnte ich mir auch eine Ausgabe ohne Signatur kaufen. Aber das will ich nicht. Ich will dieses Buch.

»Nein.« In seinem Gesicht lässt sich rein gar nichts ablesen. Rastet er gleich aus? Fängt er an zu lachen und überlässt mir das Buch? Wird er eine Diskussion beginnen? Ich habe absolut keine Ahnung, da er weder lächelt noch böse guckt.

»Dann gehört es Ihnen auch nicht.« Erhobenen Hauptes gehe ich in Richtung der Treppen, ohne auf eine Erwiderung von ihm zu warten.

Noch bevor ich die Stufen nach unten erreiche, stellt sich der Mann direkt vor mich und blockiert mir mit seinen breiten Schultern den Weg.

»Sie haben in der Ecke gestanden, mich beobachtet und die erstbeste Gelegenheit genutzt, um mir das Buch vor der Nase wegzuschnappen«, unterstellt er mir. Dass er damit recht hat, behalte ich lieber für mich. Wobei mich schon interessieren würde, wie er das bemerken konnte, während er so vertieft in den Klappentext schien.

»Ich hatte das Buch zuerst in der Hand, und ich hätte es auch gekauft, wäre ich nicht durch einen Anruf dabei gestört worden«, fügt er noch hinzu.

»Was meinen Sie, wie viele Leute dieses Buch schon in der Hand hatten? Trotzdem hat es ihnen nicht gehört.« Ich grinse triumphierend.

Mein Blick fällt auf seine vollen Lippen, und ich frage mich, ob sie so weich sind, wie sie aussehen. Sein rechter Mundwinkel bewegt sich leicht nach oben.

»Richtig. Deshalb sieht es auch schon so mitgenommen aus.« Seine Worte verunsichern mich. Sofort schaue ich mir die Ausgabe etwas genauer an. Tatsächlich hat der Umschlag des Buches einen Knick, und am Buchrücken ist ein tiefer Kratzer. Mist!

»Oh, schauen Sie mal.« Der Mann zeigt an mir vorbei in Richtung der Regale. »Wir brauchen uns gar nicht weiter zu streiten, da kommt Nachschub.«

Sofort schaue ich über die Schulter nach hinten – nur um nichts zu sehen. Schneller, als ich schalten kann, zieht er mir das Buch aus den Händen und geht damit die Treppen hinunter. Ich kann gar nicht reagieren, so geschockt stehe ich am Treppenansatz. Das ist gerade nicht wirklich passiert, oder?

»Hey!«, rufe ich ihm hinterher und kriege dafür einige böse Blicke von den Menschen um uns herum zugeworfen. »Warten Sie! Geben Sie mir mein Buch wieder.« Schnellen Schrittes folge ich ihm zur Kasse.

Sein Lächeln wirkt wie eingemeißelt, und würde ich diesen Mann gerade nicht zutiefst verachten, würde ich mich zu ihm hingezogen fühlen.

»Wie war das? Solange man es nicht gekauft hat, gehört es einem auch nicht. Ich weiß nicht, was Sie gleich machen, aber ich werde mir jetzt dieses Buch kaufen. Mein Buch.«

»Sie …« Fieberhaft suche ich nach den richtigen Worten, um sie ihm an den Kopf zu werfen. »Sie Klappstuhl!«

Er steht am Tresen und zieht sein Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche. »Wow. Also Klappstuhl hat mich nun wirklich noch niemand genannt.« Sein Schmunzeln lässt mich rot werden.

Brennende Wut steigt in mir auf. Ich wusste, dass es schwer werden würde, hier noch ein signiertes Exemplar zu finden. Doch jetzt schnappt mir ernsthaft so ein arroganter Kerl auch noch die letzte Ausgabe vor der Nase weg?

»Sie haben mich angelogen«, stelle ich klar, während er der Verkäuferin seine Karte reicht und damit offiziell im Besitz meines Buches ist.

Er nimmt die Papiertüte entgegen und geht in Richtung des Ausgangs. Seine Schultern sind gerade, das Kinn ist erhoben, und die Selbstsicherheit und Zufriedenheit zeigen sich in jeder Faser seines Körpers.

Ich möchte ihn gerade noch einmal anschnauzen, als er stehen bleibt und sich zu mir umdreht. Das Tageslicht fällt ihm seitlich ins Gesicht, was seine Konturen nur noch deutlicher hervorhebt. Er hält mir demonstrativ die Tüte hin, um mir zu zeigen, dass dies nun sein Buch ist, wobei mir zwei schlichte silberne Ringe auffallen. Den einen trägt er am Mittelfinger und den anderen am kleinen.

»Vielleicht haben Sie Glück und werden in einem anderen Buchladen fündig.«

Bei seinen Worten fällt mir die Kinnlade runter, und mit offenem Mund starre ich ihn an. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Gesicht vor Wut gerade rot anläuft, weil ich zu explodieren drohe. »Sie verdammtes Arschloch!«, beschimpfe ich ihn, weil mir gerade nichts anderes einfällt.

»Ihnen auch noch einen schönen Tag, Sommersprosse.« Er dreht mir den Rücken zu und verschwindet im Trubel der Menschenmenge.

Eine Stunde lang bin ich von Buchhandlung zu Buchhandlung gelaufen. Vergebens. Das Einzige, das ich mir gekauft habe, ist die verführerisch duftende Pizza, die ich gerade unser Treppenhaus hochtrage. Wenn mich etwas über meine enttäuschende Ausbeute hinwegtrösten kann, dann diese wunderschöne Versuchung in meinen Händen.

Voller Vorfreude sprinte ich, immer zwei Stufen nehmend, nach oben. Eine meiner vielen nervigen Macken, wie meine Mutter meine Angewohnheiten bezeichnet. Wenn man sie fragt, ist das ein großes Verbrechen an der Würde einer Dame. Mit sieben durfte ich mir das zum ersten Mal anhören.

Ich kann es kaum abwarten, mich in meine Wohlfühlklamotten zu werfen und die Pizza zu genießen. Nach diesem miserablen Tag habe ich mir die auch wirklich verdient.

Im dritten und damit obersten Stockwerk angekommen, krame ich in meiner Tasche nach dem Haustürschlüssel, der an einem kleinen Stoffteddy aus meiner Kindheit hängt. Das einzige Überbleibsel, mit dem ich etwas Positives verbinde. Ich habe ihn mit acht von meinem Grandpa bekommen.

Ich lasse den Schlüssel auf die Kommode fallen, lege die Pizzaschachtel ab und ziehe mir die Chucks von den Füßen. Mit dem Haargummi, das bis gerade eben noch an meinem Handgelenk war, bändige ich vor dem Spiegel im Flur meine gewellte Mähne in einem unordentlichen Dutt.

Der himmlische Duft meiner fettigen Mahlzeit steigt mir in die Nase, während ich mit der einen Hand den Pizzakarton balanciere und mit der anderen versuche, meinen BH-Verschluss zu öffnen.

Ein Räuspern lässt mich ruckartig zusammenfahren, und die Pizza fällt mit einem Knall zu Boden. »Fuck!«, fluche ich, weil der ganze Belag vom Teig gerutscht ist und ich mein Essen nun vergessen kann.

Ich kneife meine Augen zusammen, während ich mich in Richtung der Geräuschquelle drehe, denn in mir macht sich eine leise Vorahnung breit. Tief einatmend öffne ich die Lider und blicke zu unserem Sofa.

Kate sitzt auf der Armlehne, ihre kleine Hand verschlungen mit der großen eines hochgewachsenen jungen Mannes, der … Moment mal! Das ist doch … Das kann nicht wahr sein! Auf meinem Sofa sitzt das Arschloch von vorhin.

Meine beste Freundin kommt auf mich zu und hilft mir, die Überreste meines Essens vom Boden zu fischen. »Du bist mir eine Pizza schuldig«, lasse ich sie wissen. »Das ist also … wie hieß er noch mal? Nate?« Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Kurz überlege ich, ob ich ihn rausschmeißen könnte. Doch dann fällt mir wieder ein, dass es sich nicht um irgendeinen Arsch, sondern um den neuen Freund von Kate handelt.

Ich blicke über ihre Schulter und schaue mir den Mann noch einmal genauer an. Es besteht kein Zweifel, dieses selbstgefällige Grinsen würde ich überall wiedererkennen. Unsicher darüber, ob ich Kate von meiner Begegnung mit ihm erzählen soll, behalte ich es erst einmal für mich. Sie soll nicht glauben, dass ich ihren neuen Partner wieder nicht leiden kann. Vor ein paar Wochen, als sie mir zum ersten Mal von ihm erzählt hat, habe ich ihr noch versprochen, dass ich dieses Mal nicht so negativ an die Sache rangehen werde.

»Aber sag mal, Kate, du hast gar nicht erwähnt, dass er wie Tarzan aussieht«, flüstere ich ihr zu.

Ihr Blick verfinstert sich, und ich bin der festen Überzeugung, dass sie mir jeden Moment die Käsereste ins Gesicht pfeffern wird. Erst als auch Kates Freund mich anstarrt, bemerke ich, dass ich gerade wohl ein wenig zu laut gesprochen habe.

»Also erstens, Zoe, sein Name ist Noah. Und zweitens … zweitens gibt es nicht. Du bist einfach nur …« Bei ihren unbeholfenen Worten beginne ich zu kichern.

»… ein richtiger Klappstuhl?« Ich lächle sie versöhnlich an.

»Einer von der übelsten Sorte!«

Am liebsten würde ich ihr sagen, dass dieser Titel schon für ihren Freund vorgesehen ist, doch das verkneife ich mir lieber.

Der Mann, der es sich bis eben auf meinem Sofa bequem gemacht hat, überwindet nun mit nur wenigen Schritten die Distanz zwischen uns und geht ebenfalls in die Hocke. Kurz treffen sich unsere Blicke, und ich schaue einen Moment zu lange in seine grünen Augen. Zu dritt knien wir vor den erbärmlichen Resten meiner Pizza.

»Kate hat viel von dir gesprochen, aber wie charmant ihre beste Freundin ist, hat sie mir verschwiegen.« Sein rechter Mundwinkel zuckt nach oben, als er mir seine Hand zur Begrüßung entgegenstreckt. Ein leises, fast schon zurückhaltendes Lachen von Kate ertönt, und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich annehmen, sie hat sich mit ihm gegen mich verschworen.

Da er mich begrüßt, als hätten wir uns nie zuvor gesehen, entscheide auch ich mich dafür, über unseren kleinen Vorfall erst einmal Stillschweigen zu bewahren.

Genervt nehme ich die Schachtel in die Hände und schmeiße sie schweren Herzens in den Müll. Ich bleibe ein paar Sekunden an der Spüle stehen und seufze.

Aus dem Wohnzimmer ertönt mein Name, und auch wenn ich gerade am liebsten durch das Küchenfenster verschwinden würde, setze ich mich den beiden gegenüber in den gelben Sessel. Als wäre es nicht genug, so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung, erblicke ich auch noch die Tüte aus dem Hatchards auf dem Beistelltisch. Heute Nacht werde ich ihm das Buch wegnehmen, es in mein Regal stellen und ihm das Geld dafür hinlegen. Ha! Das ist ein guter Plan. Hätte er es mir nicht direkt aus den Händen gerissen, wäre es sowieso meins gewesen.

Ich beobachte, wie Kate erzählt, wie wir uns kennengelernt haben, und Noah ihr gebannt dabei zuhört. Innerlich verfluche ich mich für den Gedanken in der Buchhandlung, mich an sein schönes Lächeln gewöhnen zu können. Den Freund der besten Freundin sollte man nun wirklich alles andere als attraktiv finden. Doch sein Charakter macht es mir leicht, über dieses unverschämt gute Aussehen hinwegzusehen.

Noah hat seinen Mantel abgelegt und trägt ein weißes T-Shirt, was mir einen Blick auf seine Tattoos ermöglicht. Auf seinem Oberarm erkenne ich eine detailreiche Schlange. Sie bildet mit ihrem Körper einen Kreis und verschlingt ihren eigenen Schwanz. Unter dem Ärmel seines Shirts, auf der Innenseite seines Oberarms, kann ich ein Wort erkennen, aber nicht entziffern, was genau dort steht. Eine Rose ziert seinen Unterarm und noch so einige weitere Motive.

Bei der Vorstellung, wie höllisch so was wehtun muss, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Aber ich muss zugeben, dass seine Tattoos wirklich schön sind, und … Ehe ich meinen Gedankengang zu Ende führen kann, herrscht auf einmal Totenstille, und beide schauen mich mit großen Augen an.

»Seit wann findest du Tattoos schön?« Kate sieht mich gleichzeitig fragend und amüsiert an.

Dass diese Tattoos schön anzusehen sind, habe ich jetzt nicht wirklich laut gesagt, oder? Nein, nein, nein! Das darf nicht wahr sein!

Mit hochgezogener Augenbraue schaut mich Noah eindringlich an. Auch er kann sich offenbar ein leises Lachen nicht verkneifen. Hätte ich mich nicht schon daran gewöhnt, dass ich meine Gedanken öfter mal laut ausspreche, würde mir jetzt womöglich die Röte ins Gesicht schießen.

»Schön ist das falsche Wort. Ich finde die Motive nur … interessant.«

»Wie dem auch sei.« Kate verdreht grinsend die Augen. »Hast du morgen Nachmittag schon was vor? Wir könnten eine Kleinigkeit essen gehen, damit ihr euch besser kennenlernen könnt.«

Ich glaube nicht, dass wir uns näher kennenlernen wollen. Das, was ich von ihm kennengelernt habe, reicht mir. Wenn ich Glück habe, findet er innerhalb weniger Tage eine eigene Wohnung, und ich kann ihm die nächste Zeit, so gut es geht, aus dem Weg gehen.

»Das wird leider nichts. Ich habe heute einen neuen Auftrag bekommen. Da muss ich unbedingt dran arbeiten. Außerdem habe ich Grandpa versprochen, diese Woche vorbeizuschauen.«

Kates enttäuschtes Gesicht zu sehen, ertrage ich nicht lange, weshalb ich mich kurzerhand von ihnen verabschiede und beschließe, für den restlichen Tag nicht mehr aus meinem Zimmer zu kommen.

Kapitel 2

Schemenhaft nehme ich die Sonnenstrahlen wahr, die durch die dünnen weißen Vorhänge in mein Zimmer und auf mein Gesicht fallen, als mich die Sirene eines Krankenwagens durch die geschlossenen Fenster hindurch weckt. Langsam, aber sicher breitet sich die Wärme auf meinem gesamten Körper aus, während ich mit geschlossenen Augen auf der Suche nach meiner Decke bin.

Gähnend kuschle ich mich wieder ein und drehe mich zur Wand, die mit unzähligen Bildern von Sprüchen, Menschen, Orten und allem, was mich sonst noch bewegt, beklebt ist. Als Kate und ich hier eingezogen sind, hat sich jede von uns ein Visionboard gebastelt. Wir haben unsere Ziele, Träume und Wünsche zusammengefasst und in Form von Bildern festgehalten. Meine beste Freundin hat lediglich ihre Pinnwand beklebt, während ich die halbe Wand neben meinem Bett bedeckt habe.

Das Verlangen nach einer großen Tasse Kaffee befördert mich schließlich aus den Federn. Schnell greife ich nach einem grauen T-Shirt meiner Lieblingsband Imagine Dragonsund ziehe es mir über. Meine Haare habe ich gestern Abend zu einem hohen Dutt gebunden, der nun, einige Stunden und eine Mütze Schlaf später, tief in meinem Nacken sitzt und nur noch die Hälfte meiner Haare bändigt.

Wie jeden Morgen tragen mich meine Füße durch das Wohnzimmer bis in die Küche. Die verschlossenen Fenster verraten mir, dass Kate noch schläft. Es wundert mich, dass sie noch nicht wach ist, schließlich ist sie eine waschechte Frühaufsteherin. Und das liegt nicht nur an ihrem Job im Café. Selbst im Urlaub oder an freien Tagen steht sie zu einer unmenschlich frühen Zeit auf.

Auf Zehenspitzen versuche ich, an das oberste Regal über der Spüle zu gelangen, um mir eine Tasse zu greifen, als mich plötzlich eine raue Stimme fast zu Tode erschreckt.

»Guten Morgen.«

Sofort fällt die Tasse aus meiner Hand und zersplittert in ihre Einzelteile. Na super. Nicht nur, dass dies bis eben meine Lieblingstasse gewesen ist. Nein, ich hatte auch noch verdrängt, dass Kate und ich nicht mehr allein hier wohnen.

Ihre Ex-Freunde haben für gewöhnlich nie bei uns übernachtet, meistens ist sie mit zu ihnen gegangen, und ich hatte unsere komplette Wohnung für mich. An solchen Abenden habe ich entweder die Bude geputzt und dabei laut Musik gehört, oder ich habe einen Filmmarathon durchgezogen, den ich mit Kate sonst nicht machen kann, da sie sich niemals Thriller oder Horrorfilme ansehen würde.

Mit brodelnder Wut im Bauch drehe ich mich der Stimme entgegen und stemme meine Hände demonstrativ in die Hüften. In einer schwarzen Jogginghose, die an den Knöcheln eng zuläuft, und einem weißen T-Shirt steht er an den Türrahmen gelehnt und beobachtet mich mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. »Vielleicht hätte mich jemand vorwarnen sollen, dass Kates beste Freundin Zelda halb nackt durch die Wohnung läuft.«

»Zelda? Im Ernst?« Offenbar hat er nicht vergessen, dass ich ihn gestern Nate genannt habe. »Wie dem auch sei, Tarzan. Du hast gerade meine Lieblingstasse zerbrochen und somit am frühen Morgen meinen Tag ruiniert. Herzlichen Glückwunsch!«

Lass dir jetzt bloß nicht anmerken, wie unangenehm diese Situation ist, Zoe.Du gehst jetzt ganz lässig an ihm vorbei in dein Zimmer und ziehst dir gefälligst etwas an, das deine nackten Beine bedeckt.

Ich steige über die Splitter am Boden und schreite an ihm vorbei. Gerade als ich erleichtert aufatmen möchte, höre ich ihn leise lachen. »Das hässliche Teil war deine Lieblingstasse?«

Kurz vor meinem Zimmer drehe ich mich um und verenge meine Augen. Er ist gerade dabei, die Einzelteile aufzuheben, als ich sage: »Ja, ich liebe Möpse. Übrigens ist das Kehrblech unter der Spüle. Viel Spaß beim Auffegen.« Mit einem Knall schmeiße ich die Tür hinter mir zu.

Was mich fast noch wütender macht als meine kaputte Tasse, ist die Tatsache, dass er den neuen Stephen King gestern Abend natürlich nicht im Wohnzimmer hat liegen lassen. Mitten in der Nacht bin ich aufgestanden und habe die halbe Wohnung auf den Kopf gestellt, um dieses blöde Buch zu finden. Er muss es gestern Abend mit in Kates Zimmer genommen haben.

Schnell ziehe ich mir eine lockere Hose an und binde meine orangefarbenen Haare, die andere wohl als rot bezeichnen würden, zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen, während ich wieder ins Wohnzimmer trete.

Mit einem meiner Bücher in der Hand hat es sich Noah auf dem grauen Sofa bequem gemacht. Die langen Beine lässt er gemütlich über die Seitenlehne baumeln, als würde er sich wie zu Hause fühlen. Beim Näherkommen fällt mir auf, dass es sich um eines meiner absoluten Lieblingsbücher handelt. Eine in die Jahre gekommene Ausgabe von Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde. Die riesige Monstera wirft einen Schatten auf Noahs Gesicht. Wir haben die Pflanze liebevoll Sebastian getauft und sie uns zum Einzug gekauft. Seither gedeiht sie und ist um das Dreifache gewachsen.

»Kate ist arbeiten. Sie wurde viel zu früh angerufen und gefragt, ob sie eher kommen kann. Welches Café macht denn bitte um sechs am Morgen auf?«, fragt er mich mit rauer, noch immer verschlafener Stimme, ohne seinen Blick von den Seiten abzuwenden.

»Sehr viele«, antworte ich ihm.

Ich kann es nicht fassen, dass Kate mich am ersten Tag mit diesem Tassenmörder allein lässt. Hätte sie ihn nicht mitnehmen können?

Gemütlich schlendere ich an Noah vorbei in die Küche.

»Kaffee steht auf dem Tisch«, ruft er mir nach.

Und tatsächlich. Vor meiner Nase steht frisch gekochter Kaffee, in meiner zweitliebsten Tasse. Ein zufriedenes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, und voller Vorfreude greife ich mir die Einhorntasse.

Mit der pinkfarbenen Tasse in der Hand, bei der an der Seite ein glitzerndes weißes Horn absteht, setze ich mich neben ihn aufs Sofa, schalte den Fernseher ein und folge nur halbherzig den Nachrichten.

»Wusste ich es doch, dass du deinen Kaffee schwarz trinkst. Passt zu dir. Und lass mich raten, nach Möpsen sind Einhörner deine liebsten Tiere.« Das Wort Tiere betont er sarkastisch und grinst mich breit an.

»Schwarz wie meine Seele, du hast es erfasst. Und nein, Einhörner stehen erst an dritter Stelle, davor kommen Affen. Aber das sind sicher auch deine Lieblingstiere, schließlich bist du mit ihnen aufgewachsen, Tarzan.«

Ich habe mit einem weiteren blöden Spruch von ihm gerechnet, doch stattdessen beginnt er nur zu lachen. Dabei streift mein Blick wieder diese unfassbar tiefen Grübchen, die ich schon in der Buchhandlung bemerkt habe.

Einige Minuten tue ich so, als würde ich dem Fernsehsprecher zuhören, während Noah weiter in dem Buch liest. Aus irgendeinem Grund brauche ich immer Hintergrundgeräusche. Sei es der Fernseher oder Musik. Selbst wenn ich lese, schreibe oder an Hausarbeiten sitze.

»Du solltest nach Wohnungen Ausschau halten, anstatt dich an meinem Bücherregal zu bedienen.« Noch bevor ich den Satz beende, fällt mir mein schnippischer Tonfall auf. Wäre Kate jetzt hier, würde sie mich definitiv mit einem bösen Blick bestrafen.

»Während du noch deinen Schönheitsschlaf gehalten hast, habe ich tatsächlich einen Besichtigungstermin vereinbart.« Er legt das Buch beiseite und dreht sich in meine Richtung.

»Das ist ja großartig«, antworte ich, und die Freude, die ich dabei empfinde, ist nicht einmal gespielt. Je schneller er eine Wohnung findet, desto eher bin ich ihn los und habe mein Reich wieder für mich.

Seinem Blick nach zu urteilen, scheint auch er sich über diese Möglichkeit zu freuen, und wenn ich ihn so kindlich lächeln sehe, vergesse ich fast, dass er mich gestern noch zur Weißglut gebracht und gerade eben meine Tasse kaputt gemacht hat.

Ich sollte Kate zuliebe etwas aufgeschlossener sein. Nach ihrer letzten Beziehung hatten wir eine kleine Auseinandersetzung, weil sie mir vorgeworfen hat, ich gäbe ihren Freunden nie eine faire Chance. Zunächst hatte ich ihre Aussage für Unfug gehalten und das vehement abgestritten, bis mir selbst bewusst wurde, dass sie recht hat.

»Kate hat mir erzählt, wie ihr euch kennengelernt habt. Aber trotzdem weiß ich nichts über dich. Vielleicht sollte ich mich über die freche Person, bei der ich vorübergehend wohne, informieren.« Seine grünen Augen sind nun vollkommen auf mich fokussiert. Sein Blick ist so intensiv, dass ich das Gefühl bekomme, es würde ihn tatsächlich interessieren, wer ich bin und was ich zu sagen habe.

»Du möchtest also meine Lebensgeschichte hören, ja? Wo fange ich da bloß an?«, frage ich in sarkastischem Ton. »Mein Name ist nicht Zelda. Wobei ich nichts dagegen hätte, so einen berühmten Namen zu haben. Das wäre kreativer als Zoe. Meine Eltern haben mich so genannt, weil sie fest damit gerechnet haben, einen Jungen zu bekommen. Da kann man ihnen keinen Vorwurf machen, die Ärztin hatte ihnen genau das gesagt, und – Überraschung …« Ich hebe theatralisch meine Arme in die Luft. »Es flutschte ein Mädchen raus. Aus Joe wurde dann kurzerhand Zoe.«

Sein Blick lockert meine Zunge und lässt mich mehr erzählen, als ich vermutlich sollte. »Ich bin hier in London geboren und aufgewachsen. Bis vor eineinhalb Jahren habe ich noch in demselben Café wie Kate gearbeitet, aber ich habe ziemlich schnell gemerkt, dass mir das gar keinen Spaß macht. Also habe ich gekündigt und einen Job angenommen, der zu meinem Studium passt.«

Bevor ich meinen Monolog weiterführen kann, unterbricht er mich. »Lass mich raten. Du bist eine Journalismus-Studentin, das passt hervorragend zu deiner großen Klappe.«

»Hey!«, rufe ich und werfe eins der bunten Kissen nach Noah. »Das stimmt zwar, aber das hat dir mit Sicherheit Kate verraten. Nun gut, ich studiere also seit zwei Jahren Journalismus, liebe Möpse, Affen und Einhörner. Was gibt es noch über mich zu sagen?« Ich überlege länger, als mir lieb ist, denn so viel ist da nicht. Wen interessiert es, ob ich Klavier und Geige spiele, dass ich fließend Spanisch spreche oder dass ich Ballett tanzen kann, es aber hasse.

Wir sitzen uns beide im Schneidersitz gegenüber.

»Der wichtigste Mensch in meinem Leben ist deine Freundin. Nicht meine Eltern. Versteh mich nicht falsch, ich bin dankbar dafür, dass sie mich gezeugt haben, und ich erscheine auch bei jedem Weihnachtsessen und sonst jeder Feier, für die ich gerade keine Ausrede parat habe.«

Ich mache eine Pause, um Luft zu holen. Eigentlich möchte ich an dieser Stelle meine ausschweifende Rede über mein Leben beenden, doch Noah scheint noch immer nicht genug gehört zu haben. »Darf ich fragen, wieso du nicht so gut auf deine Eltern zu sprechen bist?«

»Ich passe einfach nicht in ihre Welt.« Lässig zucke ich mit den Schultern, als wäre es ganz normal, dass man sich nicht mit seinen Eltern versteht. »Sie haben sich gewünscht, dass ich etwas Wichtiges wie Medizin studiere. Besonders mein Vater hat immer davon geträumt, eines Tages seine chirurgische Praxis an seinen Sohn zu übergeben.« Ich lasse meine Hände auf die Knie klatschen. »Habe ich schon erwähnt, dass er nie einen Sohn bekommen hat, sondern nur eine enttäuschende Tochter?«

Beinahe erwarte ich, ein Grinsen oder wenigstens ein zartes Lächeln in Noahs Gesicht zu sehen. Stattdessen guckt er mich mit einer Miene an, die ich nicht deuten kann. Er hat seine Augenbrauen leicht zusammengezogen, sodass eine tiefe Falte zwischen ihnen entstanden ist.

»Wie dem auch sei, ich will mich nicht über ihr Geld beschweren, schließlich zahlen sie mir meine Miete und die Studiengebühren.« Ich lege den Kopf in den Nacken und schließe für einen Moment meine Augen. Mir ist bewusst, was er jetzt von mir hält. Eine verwöhnte Göre, die mit ihren Eltern nicht klarkommt und dennoch ihr Geld dankend entgegennimmt. Ich habe es mir einfach gemacht, und dessen bin ich mir auch bewusst.

»Du hättest noch erwähnen sollen, dass du unfassbar viel redest.« Endlich erscheint ein Schmunzeln auf seinen Lippen, und er fährt sich mit der Hand durch das braune Haar, welches er heute nicht zu einem Zopf gebunden trägt. Stattdessen hängen ihm seine Haare, die weder glatt noch wirklich lockig sind, wild über die Schultern.

Ich möchte ihm sagen, dass ich alles andere als eine Quasselstrippe bin, behalte diese Tatsache dann aber doch für mich, da ich selbst nicht so recht weiß, wieso ich ihm so viel über mich erzählt habe. Ohne auf seine Worte einzugehen, nehme ich mir den Kaffee vom Beistelltisch und nippe genüsslich daran.

»Du bist dran«, lasse ich ihn erwartungsvoll wissen.

»Puh, da gibt es nicht wirklich viel zu erzählen. Was du vielleicht als Allererstes wissen solltest, ist mein Name, den du dir offensichtlich nicht merken kannst oder willst. Noah. Nicht Nate und auch nicht Tarzan. Ich bin in Liverpool aufgewachsen und habe mich erst vor Kurzem für das Studium in Kunstgeschichte entschieden. Vorher bin ich einfach nur von einem Tag in den nächsten gestolpert, ohne ein wirkliches Ziel vor Augen.«

Ich habe nicht geglaubt, dass er Jura oder Ähnliches studiert. Aber mit Kunstgeschichte hätte ich auch nicht gerechnet. Und das, obwohl er diese typische Aura hat, die Künstler immer umgibt. Seien es Musiker, Maler, Dichter oder Autoren.

»Ich würde gerne noch weiter mit dir plaudern, aber ich sollte mich langsam für die Besichtigung fertig machen.« Er bringt seine Tasse in die Küche. Es wundert mich, dass er sie dort nicht einfach stehen lässt, sondern gleich abwäscht. »Wünsch mir Glück.«

Ehe er in Kates Zimmer verschwinden kann, zeige ich ihm beide Daumen, die ich fest zusammendrücke. »Möge die Macht mit dir sein.«

Kapitel 3

Es ist eine Woche vergangen, seit aus unserer Zweier-WG eine Dreier-WG geworden ist. Noahs Besichtigungstermin war leider ein Reinfall. Man hat ihm sofort gesagt, dass die Wohnung nur an Paare zu vergeben ist. Seither hat er noch nichts anderes Bezahlbares gefunden, das nicht kilometerweit von seiner Uni entfernt ist.

Zu Beginn hatte ich wirklich meine Bedenken. Ich habe mir vorgestellt, wie unsere Wohnung zu der reinsten Liebesoase mutiert, und hatte Angst, es könnte nervig und chaotisch werden mit den beiden. Doch all meine Sorgen waren umsonst.

Wir haben die letzten Tage ständig aufeinandergehockt, waren essen, im Kino oder im Park spazieren. Komischerweise fühle ich mich überhaupt nicht wie das fünfte Rad am Wagen.

Zwar habe ich es noch immer nicht geschafft, Noah dieses verdammte Buch zu entwenden, trotzdem würde ich so weit gehen, zu behaupten, dass sich die Wogen zwischen ihm und mir geglättet haben. Was nicht bedeutet, dass ich aufgebe.

Noah ist ganz anders als befürchtet, überhaupt kein Vergleich zu Kates Ex-Freunden. Er lässt nie irgendwas liegen, sein Geschirr wäscht er immer sofort ab. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann muss ich mir sogar eingestehen, dass ich noch immer der größte Chaot in dieser Wohnung bin.

»Gehen wir heute Abend in den Club?«, fragt Kate uns. Wir sitzen alle am Küchentisch und trinken einen Matcha Latte. Kate kommt nur selten mit leeren Händen von der Arbeit. Das ist mit Abstand das Beste an ihrem Job. Fast jeden Tag bringt sie leckeres Gebäck mit nach Hause. Heute waren es die unwiderstehlichen Blaubeermuffins, von denen ich gerade den zweiten verdrücke.

Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie Kate mir von der Reaktion ihrer Eltern erzählt hat, als sie ihnen sagte, dass sie in einem Café arbeitet und später mal selbst eins eröffnen möchte. Genauso wie meine gingen auch ihre Eltern immer davon aus, dass sie eines Tages etwas »Anständiges« studieren würde. Der Unterschied zwischen unseren Eltern besteht nur darin, dass ihre Kates Entscheidung akzeptieren und sie glücklich sehen wollen.

»Ich muss mich dieses Wochenende sowieso unter Leute mischen, um meinen Artikel schreiben zu können.« Die letzten Tage war mir nicht danach, irgendwelche Männer anzusprechen und nach ihrer Nummer zu fragen.

»Es ist so lange her, dass ich dich flirten gesehen habe. Kann es kaum abwarten.« Die Vorfreude in Kates Stimme ist kaum zu überhören, als sie in die Hände klatscht. »Dann mache ich mich mal fertig.«

»Jetzt schon? Wann willst du denn im Club sein?«, fragt Noah überrascht, woraufhin ich mir ein Lachen nicht verkneifen kann.

»Klar, für das gute Aussehen muss was getan werden. Ich dachte, wir könnten so gegen acht oder neun losfahren.« Voller Elan springt sie vom Stuhl, sodass er leicht ins Wanken gerät. »Komm, Süße. Lass uns schauen, was wir anziehen.«

An der Hand zieht sie mich aus der Küche in Richtung ihres Zimmers. Ich blicke nach hinten zu Noah und zucke mit den Schultern. »Es kann sich nur um Stunden handeln.«

In ihrem Reich angekommen, reißt sie ihren riesigen Kleiderschrank auf und beginnt damit, wie wild Klamotten auf ihr Bett zu schmeißen. »Zu dunkel. Zu knallig. Zu lang. Zu kurz. Zu alt. Zu spießig. Zu aufreizend. Wir sollten wirklich mal wieder shoppen gehen.«

Mit einem Seufzer setze ich mich im Schneidersitz auf den Boden, da ihr Bett bereits keinen freien Platz mehr bietet. Ich schnappe mir eines der unzähligen Kleidungsstücke und werfe es nach ihr. »Du hast mehr als genug Klamotten. Zieh dir einfach irgendein Kleid an, du siehst in allem gut aus.«

»Was wirst du denn anziehen? Darf ich dich schminken? Bitteeeeeee!« Sie schiebt ihre Unterlippe vor und klimpert mit den Wimpern.

Reflexartig beginne ich den Kopf zu schütteln. »Ich glaube, ich ziehe meinen roten Body an, zusammen mit schwarzen Jeans. Und nein, darfst du nicht. Nachdem ich das letzte Mal aussah wie eine Barbie-Puppe, lasse ich dich nie wieder an mein Gesicht.«

Sofort beginnen wir beide zu lachen. Vor einigen Wochen waren wir feiern. Nachdem ich mich von Matthew getrennt hatte, hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, mich den Männern förmlich anzupreisen. Bevor wir das Haus verlassen haben, hat sie verschiedene Brauntöne auf mein Augenlid aufgetragen und sie so miteinander verblendet, dass es nahezu perfekt aussah. Jede Unreinheit wurde mit einer Schicht Foundation abgedeckt. Meine Wangen hat sie konturiert und ihr liebstes Rouge aufgetragen. Dazu den passenden Lippenstift. Das Endergebnis war wirklich schön. Das Problem dabei war nur, dass es an mir wie eine Maske wirkte. Das war einfach nicht ich. Kate hat es sofort eingesehen, als wir mich gemeinsam im Spiegel betrachtet haben.

Alles, was ich üblicherweise benutze, ist Wimperntusche. Wenn wir mal ausgehen, trage ich gerne einen dünnen Lidstrich und roten Lippenstift auf. Das war es dann aber auch schon.

»Ich sollte Noah fragen, welches Kleid er schöner findet.« In der einen Hand hält sie ein schlichtes blaues Kleid hoch und in der anderen ein tief ausgeschnittenes rosafarbenes.

Ich wühle in dem Klamottenhaufen und ziehe mein Lieblingskleid heraus. Es ist recht eng anliegend. Am Rücken befindet sich eine Schleife, die das Kleid oben zusammenhält und darunter einen freien Blick auf ihre nackte Haut bietet, ohne dabei zu aufreizend zu wirken.

»Nimm ihm doch nicht die Vorfreude, gleich das Ergebnis zu sehen. Ich bin mir sicher, dieses hier würde ihm gefallen.« Ich stehe auf und halte ihr das Kleid von hinten vor den Körper. Gemeinsam schauen wir in den großen Standspiegel, und noch bevor sie etwas erwidern kann, füge ich hinzu: »Es ist schön, dich so zu sehen. Du bist glücklich, oder?«

Ihr Gesicht färbt sich leicht rot, und sie beginnt zu grinsen. »Ja, ich denke schon. Bin zwar noch weit davon entfernt, ihn die Liebe meines Lebens zu nennen, aber ein paar Schmetterlinge flattern bereits in meinem Bauch herum. Manchmal wundert es mich selbst, dass ich mich in ihn verknallt habe. Er ist zwar unfassbar heiß, aber wir sind auch sehr verschieden. Noah ist so gar nicht wie meine Ex-Freunde.«

»Gott sei Dank«, unterbreche ich sie, woraufhin sie mir ein schiefes Lächeln schenkt.

»Wir haben nicht einmal dieselben Interessen. Während ich meine Wochenenden mit Party verbringe, hockt er lieber zu Hause und liest. Ich bin laut, er ist ruhig. Aber vielleicht ist er endlich der eine, der sich nicht als Arschloch entpuppt.«

»Das hoffe ich auch, von Arschlöchern hattest du jetzt definitiv genug.«

Sie nickt. »Hol deine Sachen rüber, und dann machen wir uns zusammen fertig.«

Ich gehorche aufs Kommando und stürme zurück in das Wohnzimmer. Noah sitzt mittlerweile auf dem Sofa mit einem Buch in der Hand und scheint die Ruhe selbst zu sein. Seine Augen sind starr auf das Gedruckte gerichtet.

»Und was ziehst du nachher an? Schwingst du dir einen Stofffetzen um die Hüften und legst dir eine Liane um den Hals?«

Er scheint nicht mitbekommen zu haben, dass ich aus Kates Zimmer getreten bin, da er bei meinen Worten leicht zusammenzuckt. Kopfschüttelnd verdreht er die Augen und legt das Buch beiseite. »Du bist doch echt nicht mehr normal.«

Die Vorstellung des von mir beschriebenen Outfits bringt mich zum Lachen. Obwohl der Tarzanwitz langsam ausgelutscht ist, kann ich es mir nicht verkneifen, ihn manchmal so zu nennen und damit aufzuziehen. »Ich finde mich auch großartig«, rufe ich, hole in Windeseile meine Klamotten aus dem Schrank, der halb so groß ist wie der von Kate, und geselle mich wieder zu ihr.

»Meinst du, du könntest Noah die Haare schneiden? Ich glaube, wenn er weiß, dass du auch meine schneidest, hat er kein Problem damit«, meint sie plötzlich und blickt zu mir auf, während sie ihr hellblondes Haar immer wieder durch das Glätteisen zieht.

»Wieso willst du, dass ich seine Haare schneide?« Ehrlich gesagt finde ich längere Haare an Männern auch nur selten attraktiv, doch ihm steht es.

»Ich habe nichts gegen die Haare.« Sie schaltet das Glätteisen aus und legt es beiseite. »Denke aber, dass ihm kurze besser stehen würden.«

Ich versuche, mir Noah mit kurzen Haaren vorzustellen, kriege aber kein klares Bild vor Augen. Trotzdem willige ich ein, sie ihm zu schneiden, wenn er es möchte.

Während ich den roten, eng anliegenden Body überziehe, frage ich mich, ob es wirklich eine gute Idee ist, im Club einen Body zu tragen. So wie ich mich kenne, werde ich nach zwei Flaschen Bier alle paar Minuten aufs Klo rennen.

»Das willst du wirklich anziehen?«, hat mich meine Mutter mal gefragt, als ich zu einer ihrer Gartenpartys ein rotes Kleid getragen habe. »Du kannst mit deinen rötlichen Haaren keine roten Klamotten tragen, Kind. Das sieht fürchterlich aus.«

Am liebsten würde ich ihr jetzt und hier ins Gesicht schreien, dass ich alles anziehen kann, was ich will.

»Du hast lange nichts mehr von deinen Eltern gehört, oder?«, fragt Kate und fährt mir mit den Fingern durch das gewellte Haar, das mir bis zum Bauchnabel reicht. Kein Thema, über das ich jetzt gern sprechen würde. Als ich letzte Woche meinen Grandpa besucht habe, waren sie zum Glück arbeiten. Julia, die Pflegerin meines Großvaters, hat mich zu ihm gelassen. Seit seinem Unfall vor einigen Jahren sitzt er in einem Rollstuhl.

»Zum Glück. Beschwör den Teufel bitte nicht herauf. Es gleicht einem Wunder, dass ich seit fast zwei Monaten nicht mehr kontaktiert wurde.« Vielleicht haben sie auch einfach vergessen, dass dort draußen ihre Tochter rumläuft.

Innerhalb von zehn Minuten bin ich fertig geschminkt und lege mich auf den Klamottenberg, der sich noch immer auf Kates Bett stapelt. Ich betrachte die Zimmerdecke und beginne mich langsam zu freuen, mal wieder so richtig aus dem Haus zu kommen und zu tanzen.

»Dann wissen sie noch nichts von eurer Trennung?«, hakt Kate nach.

Meine Eltern interessieren sich nicht für mein Privatleben, und dafür bin ich ihnen auch dankbar. Aber Matthew? Ihn lieben sie. Für sie ist er der perfekte Schwiegersohn, und mein Vater hat sicher schon Pläne geschmiedet, ihm eines Tages seine Praxis zu übergeben.

»Nein, sie wissen es nicht«, antworte ich ihr.

»Du siehst toll aus«, höre ich Noah sagen, als Kate vor mir ihr Zimmer verlässt. Noah trägt wie jeden Tag schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Ich frage mich, wie man in einem so schlichten Outfit so gut aussehen kann.

Ein leises Räuspern verlässt Kates Lippen. Als keiner von uns darauf reagiert, räuspert sie sich erneut – diesmal nur noch lauter. Wir schauen sie beide an.

»Willst du dich nicht umziehen?« Ihre Stimme ist so leise, dass sie beinahe als Flüstern durchgehen könnte. Was soll er sich denn ihrer Meinung nach anziehen? Anstelle des dunklen T-Shirts vielleicht doch lieber ein weißes?

»Nein«, antwortet er lässig und zieht sich das dünne Haarband vom Handgelenk, um sich die wilde Mähne aus dem Gesicht zu einem kleinen Zopf am Hinterkopf zu binden.

»Wo du gerade dabei bist, deine Haare zu bändigen. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, sie dir schneiden zu lassen?«

Er hält in der Bewegung inne, und bevor er überhaupt antworten kann, erzählt Kate ihm stolz, dass ich regelmäßig ihre Haare schneide und sie jedes Mal zufrieden mit dem Ergebnis ist. Sie hört gar nicht mehr auf, ihm die Vorteile einer Kurzhaarfrisur aufzuzählen.

Noah kratzt sich ratlos im Nacken und sieht mich mit großen Augen an. Sehe ich da etwa Angst? Aus irgendeinem Grund kann ich mir nicht vorstellen, dass es überhaupt etwas gibt, wovor er Angst hat. Ich weiß nicht genau, woran das liegt. Vielleicht an seinem ewigen und ansteckenden Lächeln und der Unbeschwertheit, die er immer ausstrahlt.

»Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meinen langen Haaren. Alle paar Monate schneide ich mir selbst die Spitzen. Als Kind hat mir eine ältere Dame ins Ohr geschnitten. Das scheint mich bis heute geprägt zu haben«, antwortet Noah und sieht dann skeptisch zu mir. »Und du meinst, du kommst mit diesem Gestrüpp klar?«

Ich gehe auf ihn zu und drehe ihn um, sodass er mit dem Rücken zu mir steht. Ich löse das Zopfgummi und wuschle durch seine Haare. Sie sind dick und weich wie Seide. Es wäre fast schon zu schade, sie abzuschneiden.

»Ja, das sollte ich hinkriegen. Traurig ist nur, dass ich dich danach nicht mehr Tarzan nennen kann.«

Das Lachen meiner besten Freundin erfüllt den Raum, und gemeinsam quetschen wir uns in unser kleines Badezimmer. Kate legt ihm ein großes Handtuch um die Schultern und reicht mir die Schere.

»Wie hätte der Herr es denn gerne?« Noch bevor er mir antworten kann, gibt mir Kate genaue Anweisungen. Durch den Spiegel schaue ich in Noahs grüne Augen. Ein wenig zu lang. Ein wenig zu intensiv. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Sein Blick macht mich nervös. Mit einem Nicken gibt er mir zu verstehen, dass er mit Kates Vorschlag einverstanden ist. Sofort reiße ich meine Augen von ihm los und beginne mit meiner Arbeit. Ich stehe hinter Noah, der es sich auf dem Hocker vor dem Waschbecken bequem gemacht hat, während Kate auf der Toilette sitzt.

Meine Finger gleiten durch sein Haar, und mit der Schere arbeite ich mich langsam vor, sodass eine Strähne nach der anderen zu Boden fällt. Es kostet mich all meine Überwindung, nicht wieder in den Spiegel – in das satte Grün seiner Augen – zu schauen. Denn obwohl nichts dabei ist, obwohl es etwas ganz Normales ist, fühlt es sich plötzlich alles andere als das an.

Nach einigen Minuten lege ich die Schere zufrieden beiseite. Es ist immer wieder erstaunlich, was so ein Haarschnitt alles bewirken kann und wie sehr er einen Menschen optisch verändert.

Seine Haare sind nun oben etwas länger. Kate hatte zwischenzeitlich gefragt, ob ich die Seiten nicht komplett abrasieren könnte. Noah schien von dieser Idee gar nicht begeistert zu sein, und wir haben uns darauf geeinigt, die Seiten mit Übergang auf sechs Millimeter zu rasieren.

Zuvor habe ich geglaubt, dass Noahs längere Haare seinem Gesicht schmeicheln. Doch wenn ich ihn mir jetzt so ansehe, fällt mir wieder auf, wie messerscharf seine Kieferpartie ist. Er sieht verboten gut aus.

»Das ist gar nicht mal so schlecht, Sommersprosse«, sagt er schließlich und fährt sich mehrmals mit der Hand durch das volle Deckhaar. »Ich springe schnell unter die Dusche, und dann können wir los. An mir kleben überall Haare.« Lachend scheucht er uns aus dem Badezimmer.

Kapitel 4

Wir sind seit fünf Minuten im Auto, da umklammert Kate Noahs Arm und schmachtet ihn an. »Du siehst jetzt so gut aus.«

»Sah ich vorher so beschissen aus?« Noah schenkt ihr ein schelmisches Grinsen. Als Antwort drückt sie ihre Lippen auf seine, was mich dazu bringt, meinen Blick vom Rückspiegel abzuwenden.