The Shieldmaid - Jens Schumacher - E-Book

The Shieldmaid E-Book

Jens Schumacher

0,0

Beschreibung

Ein Krieger der Waräger Garde kehrt nach langer Zeit in seine Heimat zurück, doch nichts ist mehr so wie es einmal war. Ein Sturm verschlägt Björn an eine fremde Küste und er wird nicht als Freund empfangen. Geschwächt fügt er sich vorerst seinem Schicksal, plant aber schon insgeheim seine Flucht. Doch plötzlich ist die Siedlung in Gefahr, wird er seine Chance nutzen und fliehen, oder haben die Götter ein anderes Schicksal für Ihn bestimmt. "The Shieldmaid" ist der erste Band einer drei teiligen Wikinger Geschichte. Band 2 ist "Die Reise des Björn" ein Prequel zu Band 1 und der Abschluss bildet Band 3 "Das Ende einer Ära". Die Bänder sind in sich abgeschlossen, Band 2 wird Ende 2021, Anfang 2022 erscheinen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 205

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



The Shieldmaid

TitelVorwortKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14

Titel

The Shieldmaid

Teil 1

Jens Schumacher

Impressum

Impressum

The Shieldmaid Teil 1

eBook-Ausgabe: August/2021

Text: ©Jens Schumacher

Umschlag: ©Copyright by Melanie Popp/MP-Buchcoverdesign & mehr

Bildquelle: @jon_chica, @piolka, @Bourbon-88/depositphotos.com

Illustrationen: ©Diana Muchner

Buchsatz: Melanie Popp/MP-Buchcoverdesign & mehr

Korrekturlesen: Jana Wittmann

Verlag: Jens Schumacher, Talstr. 13a, 65510 Hünstetten

Druck: epubli, ein Service der neopubli GmbH, Berlin Printed in Germany

Alle Rechte vorbehalten.

Jede Verwertung bedarf der schriftlichen Genehmigung des Autoren. Das gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Verwertung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektrischen Systemen. Personen und Handlung sind frei erfunden. Die Geschichte ist fiktiv, orientiert sich aber an geschichtlichen Ereignissen.

Vorwort

Die Entdeckung

Insel Björkö Schweden 1878

Im Jahre 1878 bemerkten Archäologen auf der schwedischen See-Insel Björkö eine leichte Vertiefung im Boden. Von der Neugier gepackt gruben sie dort nach den Überresten von Birka, das Anfang des 8. Jahrhunderts als eine der größten Wikingersiedlungen überhaupt galt. Manche Archäologen berichteten, dass sie während der Grabungen die Menschen von damals noch hörten, wie sie arbeiteten, wie sie Ware verkauften, wie sie kämpften, weinten, lachten und feierten.

Über die nächsten Jahrzehnte sollte der Boden mehr als 3000 Gräber freigeben, rund 1100 wurden bis heute mit großer Sorgfalt geöffnet und untersucht. Doch spektakulärer als die Leiche in Grab Bj 581 sollte kaum ein Fund werden. Es herrschte große Aufruhr, als die Ausgräber ein Kammergrab fanden, das dazu beitrug, unser Bild vom Wikingerkrieger zu prägen. In der 3,5 Meter x 1,80 Meter großen Kammer lag in gekrümmter Haltung ein Skelett. Der Leichnam war mit seinen Waffen beerdigt worden. Zu seiner Linken lag ein mächtiges Langschwert, in seiner rechten Hand hielt er eine nicht minder schwere Kampfaxt.

Nicht nur ein Speer, mehrere Pfeile, ein Messer, zwei Schilde und ein paar Steigbügel komplettierten das persönliche Arsenal dieser offenkundig nicht unwichtigen Person. Man hatte sie dazu noch zusammen mit zwei Pferden beerdigt. Eine Stute und ein Hengst lagen in einer kleinen Koppel am Fußende des Grabes gedrängt, als Grabbeigabe geopfert. Dieser Fund war damals eine Sensation und beschäftigte die Wissenschaftler viele Jahre.

139 Jahre lang galt die Leiche aus Grab Bj 581 als mächtiger Wikingerkrieger, der viele Schlachten anführte und gewann. Der Reichtum und die Vollständigkeit der Ausrüstung, schlussfolgerten zahlreiche Wissenschaftler, sei ein Zeugnis dafür, dass der Bestattete von hohem Rang war - mindestens ein hochrangiger militärischer Anführer. Er war bestattet worden, als solle er gleich wieder auferstehen und auf seinen Schlachtrossen reitend in den Kampf ziehen, so dachte man bis ins Jahr 2017.

Stockholm, Schweden 2017

Je weiter die Zeit voranschritt, desto mehr Untersuchungen waren möglich. Im Jahre 2017 nahmen Wissenschaftler eine Gen-Sequenzierung durch und mit ihr kam eine neue, unglaubliche Sicherheit: Dieser angebliche Krieger aus Grab Bj 581, war nicht das, was man 139 Jahre lang dachte. Ein zehnköpfiges Forschungsteam der Universität Stockholm berichtete in dem Fachblatt „American Journal of Physical Anthropology“, dass in dem Grab kein männlicher Krieger bestattet wurde. Im Grab Bj 581 befand sich definitiv eine Frau.

Was vor Jahrzehnten noch für Irritationen gesorgt hätte, weckte nun unter den Wissenschaftlern eher pure Begeisterung. Seit Langem ist bekannt, dass Frauen in der oft martialischen Organisation der Wikingergesellschaft hohe Ränge begleiten konnten. Es ist auch bekannt, dass es „Wikinger-Shieldmaiden" gab. Das alles kann man in den überlieferten Sagen und Legenden der Wikinger hier und da lesen.

Selbst in Serien werden diese Shieldmaiden verehrt, zum Beispiel in der Serie „Vikings“. Die Shieldmaiden Tori oder Lagerta waren tapfere, aufrechte und loyale Kriegerinnen, die für ihr Volk und ihre Familie kämpften. Doch im Zuge der Christianisierung veränderte sich die Rolle der Frau fast auf der ganzen Welt. Nachdem die letzten Heiden niedergemetzelt und zwangsbekehrt wurden, bestand die Rolle der Frau fortan darin, Kinder zu bekommen. Sie sollten sich um die Erziehung und den Haushalt kümmern, dazu kochen, putzen und sich ihrem Gemahl unterwerfen.

Das wurde jahrelang so weitergeführt, bis tief in die Neuzeit. Eines Tages standen mutige Frauen auf und begannen, wieder für Ihre Rechte zu kämpfen. Sie appellierten auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit, so wie es früher vor vielen Hundert Jahren schon einmal war.

Dies ist ihre Geschichte – die Geschichte der Shieldmaid aus Grab Bj 581.¹

_______________________

¹ Schweden: Wikinger-Krieger von Birka war eine Frau - DER SPIEGEL

Kapitel 1

Ein langer Weg

Ein kalter Wind bläst über das Land, hoher Schnee bedeckt die Landschaft und zeugt von einem langen und eisigen Winter, der noch nicht einmal in vollen Zügen eingetroffen ist. Die Seen sind zugefroren und die Wälder von kahlen Bäumen besetzt. Wenn man ganz still ist und genau hinhört, hört man nichts, – nur das Pfeifen des Windes. Das sind die Töne des Winters.

Ein Treck von Händlern und Gauklern hat sich im Jahre 873 in einem kleinen friesischen Dorf zur Rast eingefunden. Seit Tagen sind sie in der eisigen Kälte unterwegs, die Bärte und ihre Umhänge sind von Eis besetzt. Nun sonnen sie sich direkt vor einem großen Feuer in der Wärme, aber alle wissen, dass sie bald wieder aufbrechen müssen. Ihr Weg führt sie nach Südosten, ihr Ziel ist der Orient, wo der Handel blüht und wo ein Geschäft das nächste jagt.

Viele Händler sehen dort ihre einzige Chance, um wichtige Kontakte zu knüpfen und genug Geschäfte zu machen, um durchs Jahr zu kommen. Die meisten sind nur darauf aus, ihre Familie ernähren zu können und ihnen ab und an etwas bieten zu können. Andere wiederum sehen nur den Profit. Sie wollen alles, was ihnen in die Finger kommt und scheuen auch nicht davor zurück, über Leichen zu gehen, wenn sie etwas haben wollen. Aber um all das zu erreichen, ist den Männern klar, dass ihr Vorhaben eine Reise ins Ungewisse ist, denn viele Gefahren und Herausforderungen liegen auf ihrem Weg.

Ein großer Händler sitzt gedankenversunken am Feuer, er ist der wohlhabendste im Treck. Mit weit aufgerissenen Augen stiert er in die Flammen und geht die weitere Reise in Gedanken durch. Er weiß, dass es nicht leicht sein wird, dennoch ist er sehr optimistisch. Schließlich hat er eine starke Truppe, die hinter ihm steht und alle wissen, was sie wollen. Um ihn herum tobt das pure Leben. Bis jetzt noch, denkt er sich. Kaum ist sein Becher leer, wird von einer Magd Met nachgeschenkt. Männer und Frauen lachen und amüsieren sich. Kinder rennen umher und wirken sorgenlos auf ihn.

Er reibt sich den langen Bart. „Wenn ihr alle wüsstet“, nuschelt er und nimmt einen Schluck aus seinem Becher zu sich. Sorge breitet sich in ihm aus, denn er war sich sicher, dass viele Einwohner den strengen Winter nicht überleben werden. Als sie hier ankamen, kam ihm zu Wort, dass das Dorf wohl eine sehr schlechte Ernte hatte – das sind keine guten Voraussetzungen für einen Winter.

Nach einer langen Zeit reißt er sich von den Flammen los und lässt seinen Blick durch die ganzen Leute schweifen, dabei fällt ihm ein kräftiger Bauernjunge nicht weit von ihm entfernt auf. Der Junge gewinnt sofort seine Aufmerksamkeit, er sitzt bei seinen Eltern und seinen drei Geschwistern und nimmt gerade ein Mahl zu sich. Der Händler ist sich sicher, dass ihm dieser Bursche in ein paar Jahren wertvolle Dienste erweisen würde, soweit seine Eltern auf einen Handel mit ihm eingehen werden.

Der Junge scheint auf den ersten Blick bei bester Gesundheit zu sein. Ganz im Gegenteil zu seinen drei Geschwistern, die kaum etwas auf den Rippen haben. Der Händler vermutet, dass sie wohl den Winter nicht überleben werden, vor allem der Säugling, der an der Brust seiner schmalen und ausgelaugten Mutter saugt.

„He, Bauer“, ruft der Händler und winkt den verwundert dreinblickenden Mann zu sich. „Komm her, ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen.“ So beginnt er ein langes Gespräch mit dem Bauer. Der Händler weiß, wie und mit welchen Worten er seine Kunden überzeugen kann. Er versteht etwas von seinem Tun und ist sich sicher, dass er auch diesen Mann einen guten Handel vorschlagen kann.

Ein paar Stunden später zieht der Treck weiter, mit unter ihnen der Bauernjunge im Wagen des Händlers. Er konnte also den Vater des Jungen mit einer Ziege, einem Bock und drei Hühnern überzeugen und er konnte ihm auch vermitteln, dass damit das Überleben der Familie über den Winter gesichert sei.

Der Händler muss zugeben, dass es keine einfache Geburt war und dass der Bauer seinen Jungen zu Beginn des Gespräches auf keinen Fall hergeben wollte, doch je länger der Händler auf ihn einsprach, desto mehr gab er nach.

Als der Händler den Jungen in den Wagen hebt, erfährt er, dass sein Name Björn ist. Der Abschied von seinen Eltern und seinen Geschwistern fällt ihm sehr schwer. In den Augen seiner Eltern ist Trauer und Dankbarkeit zugleich zu sehen. Trauer, weil sie ihren Sohn verlieren, Dankbarkeit, weil sie nun wissen, dass sie den Rest der Familie durch den Winter bringen können.

Björn blickt mit Tränen in den Augen aus dem Planwagen und winkt seiner Familie zu, so lange, bis sie sich in ihrem Haus zurückziehen. Es ist das Haus, in dem Björn geboren und aufgewachsen ist. Es ist das Haus, das ihm Schutz, Wärme und Ruhe geboten hat, und es ist das Haus, welches er vermutlich nie wieder in seinem Leben sehen wird.

Er schnieft und wischt sich mit der Hand über die Nase. Mittlerweile hat es angefangen zu schneien und am Horizont macht sich schon die Dunkelheit bemerkbar. Björn beobachtet, wie sein Heimatdorf mit jedem Schritt der Pferde immer kleiner wird, und er lässt es sich nicht nehmen, seinem alten Leben so lange nachzusehen, bis es hinter einem Hügel verschwindet.

***

Viele Jahre sind seither vergangen, aber Björn kam es teilweise so vor, als wäre das alles erst gestern gewesen. In den vergangenen Jahren gab es kaum einen Tag, an dem er nicht an seine Familie dachte, und es gab kaum eine Nacht, in der er nicht von dem schrecklichen Abschied träumte. Zwar ist er mittlerweile ein starker Mann geworden, aber der Schmerz des Verlustes sitzt noch immer tief in seinem Herzen.

An manchen Tagen verurteilt er seine Familie dafür, dass sie ihn damals für Essen eintauschten, aber größtenteils kann er verstehen, warum sie so gehandelt haben. Er würde es heute wahrscheinlich nicht anders tun. Björn erging es in den letzten Jahren nicht schlecht.

Wie ein König sitzt er mit erhobenem Haupt auf seinem Pferd. Ein prächtiges Tier, wie er es gerne nennt. Genauso eindrucksvoll ist auch er gekleidet. Seinen hohen Status als Krieger verrät der robuste Lederwams mit einem Kettenhemd, dazu ein Helm, den er schützend auf seinem Kopf trägt. Neben einem Langschwert besitzt er eine Streitaxt und Pfeil und Bogen. Björns Reise war lang, voller Abenteuer, Schmerz und Entbehrung, aber auch voller Liebe, Glück und Freude, aber das ist eine andere Geschichte.

In seinen Gedanken geht er noch einmal den Abend durch, als er seine Heimat das letzte Mal aus der Ferne sah. Mit einem traurigen Blick starrt er nun auf die Ruinen seiner Siedlung. Nicht mehr als Trümmer sind von seiner alten Heimat übriggeblieben.

Ein kleines Lächeln zeigt sich auf seinen schmalen Lippen, als er hinter den Ruinen das Meer erblickt. Wie damals, als er noch ein kleiner Junge war, hört er das Rauschen und spürt den frischen Seewind auf seiner Haut. Er schließt kurz die Augen und denkt an die Fischausflüge mit seinem geliebten Vater zurück. Björn ist endlich daheim, nach so einer langen Zeit.

In seinen Augen sammeln sich Tränen. Wäre er nicht allein, würde er behaupten, dass es an dem frischen Wind liegt, aber es liegt mehr an dem traurigen Anblick, der sich ihm bietet. Wie konnte es nur so weit kommen? Er reibt sich die Augen, steigt mit einem lauten Seufzen von seinem Pferd ab und bindet es an einen einsamen Baum fest, der schon, seit er denken konnte, auf diesem Hügel steht.

Björn muss sich unbedingt Erleichterung verschaffen. Es ist immer ein Risiko, sein Geschäft im Freien zu verrichten, darum macht er es so, wie er es einst von einem großen Krieger der Waräger Garde am Hof des Kaisers von Byzanz lernte. „Stoße dein Schwert neben dich in den Boden, damit du genau sehen kannst, was hinter dir passiert, aber achte darauf, dass du nicht das vergisst, was vor dir und um dich herum passiert. Du musst immer überall deine Augen haben.“

Harald, so war der Name des Kriegers, stieß sein Schwert in den Boden, deutete mit dem Zeigefinger auf seine Augen, anschließend auf die Umgebung. „Man weiß nie, ob irgendwo ein Vagabund lauert, um dich zu ermorden oder um dich auszurauben.“ Er nickte. „Und achte darauf, dass der Wind von hinten kommt, denn meist stinken diese Bastarde so dermaßen, dass man sie riecht, bevor man sie hört.“

Solche lebensnotwendigen Ratschläge nimmt sich Björn sehr zu Herzen und zu seinem Glück brennen sich diese gleich in sein Gehirn, sodass er sie nicht mehr vergisst. Björn hat den ganzen Tag schon ein mulmiges Gefühl. Seit seiner letzten Rast im Tal, einen halben Tagesritt von seiner Siedlung entfernt, bekommt er das Gefühl nicht los, dass ihn jemand verfolgt. Aber dank seiner guten Ausbildung kann er solche Wahrnehmungen sehr gut verstecken.

Der Tag ist trist und eine gewisse Melancholie liegt über der Gegend, als er sein lang ersehntes Geschäft erledigt. Plötzlich tritt eine unheimliche Stille ein, welche Björn einen kalten Schauder über den Rücken jagt.

„Hier stimmt etwas nicht“, murmelt er, runzelt die Stirn und schluckt laut. Sein Pferd wiehert leise und wird nervös. Sein Blick schwenkt schnell nach links, dann nach rechts. Er nimmt ein Knacken wahr, vielleicht von einem Tier, aber vielleicht auch von einem Menschen. Er kann es nicht erkennen.

Drei Atemzüge später erfasst er einen bestialischen Gestank, kurz darauf einen Schatten in seinem Langschwert, das er in den Boden gerammt hatte. Björn wird mit einem Mal klar, dass er nicht mehr allein ist.

Im selben Moment hört er einen lauten Kampfruf des Angreifers. Anschließend nimmt er eine Axt wahr, die direkt auf seinen Kopf zu saust. Björns Reflexe sind sehr gut, mit einer schnellen Bewegung nach vorne, greift er nach seinem Schwert.

Kurz darauf dreht er sich herum. Dadurch, dass seine Hose heruntergezogen ist, kann von einer Leichtigkeit und Schnelligkeit nicht die Rede sein. Schon erblickt er den stinkenden Angreifer direkt über sich, in seinen Augen ist Hass und Zorn niedergeschrieben.

Björn zögert nicht, er holt mit seinem Schwert aus, trifft ihn jedoch nur leicht an der Schulter. Der Angreifer lacht hämisch und beugt sich über Björn. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen. Björn überkommt Ekel, als er die faulenden Zähne sieht und ihm ein verwesender Geruch entgegenkommt. Bevor der Mann zu Wort kommt, hebt Björn seinen Oberkörper und schlägt seinen Kopf mit voller Wucht gegen den des Angreifers. Diesmal ist es für ihn ein Leichtes, ihn abzuwehren. Der Mann jault auf, torkelt nach hinten und landet genau in Björns Scheißhaufen.

„Warum jetzt?“, flucht Björn. „Nicht einmal in Ruhe kacken kann man.“ Mit einem eleganten Satz springt er auf und zieht sich schnell die Hose hoch. Plötzlich vernimmt er noch einen zweiten Mann, der mit einem Knüppel bewaffnet völlig verdutzt einen Meter vor ihm steht. Björn atmet schwer. „Im Ernst? Noch einer?“ Er fackelt nicht lange. Um einen langen und unnützen Hin- und Herkampf zu vermeiden, holt er mit seinem Schwert aus. Die lange und scharfe Klinge trennt den Kopf sauber von den Schultern des Mannes ab.

Schon als Björn ihn sah, war sein Todesurteil gesprochen, er hatte gar keine Chance zu reagieren oder sich zu wehren. Während der Kopf fällt, sieht man in dem Gesicht noch immer den Ausdruck der Fassungslosigkeit. Man erkennt, dass der zweite Angreifer enttäuscht von diesem misslungenen Angriff ist und man merkt, wie er seiner Beute nachtrauert. Schon allein das Pferd hätte ihnen lange eine sorglose Zeit beschert.

Sobald der Kopf auf dem Boden aufschlägt, klappt der Mund des Mannes zu. Jetzt hat er auch keine Sorgen mehr, denkt sich Björn.

Der Angreifer, der sich erst eine Weile in Björns Kacke suhlt, bevor ihm ein Aufstehen gelingt, steht nun mit seiner Axt bewaffnet vor ihm. „Das hättest du nicht tun sollen“, sagt er durch zusammengebissen Zähnen. Sein Brustkorb hebt und senkt sich vor Aufregung, Angst und Zorn. „Du wirst jetzt sterben.“

Björn weiß, dass das ein leeres Versprechen ist und er weiß, dass der Angreifer gegen ihn keine Chance hat. Das erkannte er schon, als er von seinem Kopfstoß nach hinten fiel, als hätte ihn ein Katapult erwischt. Außerdem redet er viel zu viel.

Bei einem Kampf sollte man eher Taten sprechen lassen und diese Aussage setzt Björn jetzt um. Ehe der Mann mit seiner Axt zum Schlag ausholt, stößt er ihm sein Schwert in den Bauch. Die Bewegungen des Mannes erstarren sofort, mit großen Augen starrt er Björn an. Er will etwas sagen, aber der Schwall Blut, der aus seinem Mund kommt, verhindert dies.

Björn zeigt keinerlei Reue. Ganz im Gegenteil, das Töten mancher Menschen bereichert ihn. Als er seine Klinge im Körper des Mannes dreht und herauszieht, fällt der Meuchelmörder nach vorne, mit seinem Gesicht landet er erneut in dem Scheißhaufen. Er schnappt nach Luft, hustet und hechelt wie ein alter Hund. Mit einem kräftigen Tritt in den Nacken bricht Björn ihm das Genick, damit endlich wieder Ruhe herrscht. Er atmet tief durch und ist etwas genervt von der verpesteten Luft, die sonst so frisch ist.

In der kurzen Zeit des Kampfes ist sein Pferd ruhig geblieben. Schließlich hat Azzam schon mehrere Kämpfe miterlebt, auf ihn konnte und kann sich Björn immer verlassen. Er ist ein wahrer Freund. Azzam ist arabisch und heißt Entschlossen. Björn hat ihn einst geschenkt bekommen und er ist das Einzige, was ihm geblieben ist, neben all den Sachen, die er mit sich führt.

Bevor Björn wieder aufsteigt, um ein geeignetes Lager für die Nacht zu suchen, blickt er ein letztes Mal auf die zwei Angreifer. Sie werden jetzt hier liegen bleiben, wilde Tiere werden sich holen, was sie brauchen, der Rest wird mit der Zeit verrotten.

Unbeeindruckt wischt er sich die Klinge am Ärmel ab und steckt sie in die Scheide, anschließend bindet er Azzam los, steigt auf und reitet Richtung seiner alten Heimat. Björn verliert keinen Gedanken mehr an die zwei Männer. So ist das Leben, so war es schon immer und so wird es wahrscheinlich immer bleiben.

Bei der Siedlung angekommen, hält er am Eingang an und starrt über die ganzen Trümmer. Er kann noch immer nicht fassen, dass das alles ist, was von seiner Vergangenheit übriggeblieben ist. Am meisten belastet ihn, dass er nicht weiß, was mit seiner Familie geschehen ist, ob sie überhaupt noch leben und ob er sie jemals wieder sehen wird.

Am Horizont zeichnen sich erste Gewitterwolken ab und es wird nicht mehr lange dauern, bis ein kräftiger Schauer eintrifft. Mit einem Kloß im Hals und Schmerzen im Herzen, fordert er Azzam freundlich auf, weiterzulaufen.

Vorsichtig lenkt er seinen treuen Freund durch die Trümmer, bis er auf ein Haus trifft, das nicht völlig zerfallen ist. Wenn er sich recht erinnert, war das die Unterkunft von einem Fischer, den sein Vater sehr gut kannte.

Björn beschließt, hier sein Nachtlager aufzuschlagen. Mit einem Sprung landet er sicher mit beiden Beinen auf dem Boden. Im Anschluss führt er Azzam in die Hütte und bindet ihn an einem stabilen Pfosten fest.

Danach sammelt er Holz und entzündet ein Feuer, damit sie in der Nacht nicht frieren müssen. Kaum entfacht die erste Flamme, schon beginnt es wie aus Eimern zu schütten, Donner und Blitz erleuchten die Landschaft. Björn holt aus seiner Satteltasche einen Hasen, den er schon am frühen Morgen für sein Abendessen erlegt hatte, und hängt ihn über das Feuer. Der Duft vom gebratenen Fleisch lässt ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Nach seinem Mahl gesellt er sich zu Azzam und lehnt sich zufrieden gegen die Wand, sodass seine Augen auf den Eingang gerichtet sind. Zwar greifen Tiere Menschen nur sehr selten an, aber man weiß schließlich nie. Außerdem kann er nicht wissen, ob sich hier in der Nähe noch weitere Vagabunden aufhalten.

Zu seinem Glück ist die alte Hütte noch gut in Schuss und hält den Regen fern. Seine Nacht ist ziemlich unruhig. Viele Erinnerungen kommen wieder hoch, teilweise nur in Stücken, aber er hat das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein. Wie gerne wünscht er sich jetzt, die Stimmen seiner Eltern zu hören und die Liebe seiner ganzen Familie zu spüren.

Ein beschissenes Zuhause, kalt und nass, denkt er sich. So will er seine Siedlung auf keinen Fall in Erinnerung behalten. Nach langem Hin- und Herwälzen findet er irgendwann einen ruhigen Schlaf, Azzam wacht die ganze Nacht über ihn.

***

Der nächste Tag zeigt, wie schnell sich das Wetter am Meer ändern kann. Björn schlendert gemütlich am Strand entlang, Azzam hat er zum Grasen auf einer Weide abgestellt. Die Sonne strahlt fröhlich am Himmel und schenkt ihm etwas Wärme, ein laues Lüftchen streichelt seine Haut.

Nicht weit entfernt, entdeckt er mit einem Lächeln im Gesicht ein Boot. Björn zögert nicht und geht darauf zu. „Wie in alten Zeiten, beim Fischen“, sagt er und stellt sich vor, er würde zu seinem Vater sprechen.

Er zieht den kleinen Karren ins Wasser und paddelt los, es ist heute ein Leichtes, über die kleinen Wellen zu kommen. Die See ist ruhig und fast leise, von dem Gewittersturm der letzten Nacht ist nichts mehr zu erkennen. Nach einer Weile holt er die Paddel ins Boot und gönnt sich den letzten Schluck Wein aus seinem Beutel, den er mit sich führt. Dann seufzt er laut und legt sich hin, seine Hände verschränkt er unter seinem Hinterkopf.

Für eine kurze Zeit sieht er in den blauen Himmel, ab und an fliegen ein paar Wolken vorbei. Das kleine Boot bewegt sich sanft im Wasser, sodass Björn in einen ungewollten und langen Schlaf fällt.

Dabei bemerkt er nicht, dass die einsetzenden Gezeiten das Boot schnell hinausziehen und dass sich aus den kleinen, harmlosen Wolken ein dunkles Wolkenband entwickelt, welches schnell näherkommt. Erst als der Wind einsetzt und das Schaukeln des Bootes heftiger wird, erwacht Björn aus seinem tiefen Schlaf.

Jedoch ist es schon zu spät.

Erschrocken richtet er sich auf und sieht sich hektisch um. Vor ihm grummelt der Himmel und Blitze zucken in den Wolken. Die See wird unruhig und lauter, der Wind frischt immer mehr auf. Die Küste ist noch nicht aus seinem Blickfeld, aber für den Moment unerreichbar, denn der einsetzende Sturm und die Gezeiten des Meeres machen ein Umkehren unmöglich.

Sein erster Gedanke gilt Azzam. Er ist sehr froh darüber, dass er ihn nicht angebunden hat, so kann er seinen Weg gehen, sollte Björn von seinem kleinen Bootsausflug nicht mehr zurückkehren.

Plötzlich setzt Starkregen ein, Björn hat nicht einmal eine Möglichkeit, sich davor zu schützen. Jeder Tropfen trifft ihn wie ein Nadelstich ins Gesicht. Er schreit auf und wird wütend. Wie konnte er sich nur so verlieren und einfach einschlafen?

Der Wind wird immer stärker, die hohen Wellen spielen mit dem kleinen Boot und schaukeln es heftig hin und her. Mit aller Kraft klammert Björn sich an die Sitzbank der Bootsmitte fest. Der starke Regen macht es ihm unmöglich, die Augen noch offen zu halten.

Er erschrickt und flucht laut, als das Boot von einer Böe erfasst wird und fast gekentert wäre. Soll das nun sein Ende sein? Soll er in seiner Heimat auf dem Grund des Meeres ein Ende finden?

Björn hat sich seinen Tod etwas anders vorgestellt. Er ist ein Krieger und wollte auch so sterben, auf dem Schlachtfeld, während eines Kampfes. Er hat schon viel in seinem bisherigen Leben erlebt, dabei waren Freud und Leid immer nahe beieinander. Aber so unrühmlich will er auf keinen Fall sterben.

Björn beißt die Zähne zusammen, als er von einer weiteren Böe fast aus dem Boot gerissen wird. Auf einmal kommen ungewollt Erinnerungen von Harald Sigurdarson, dem Kommandanten der Waräger in Byzanz, in ihm hoch. Er befand sich einmal ganz genau in der gleichen Situation wie Björn jetzt.

Er stand in seinem schaukelnden Boot und kämpfte mit dem Sturm. „Nein, heute nicht, ihr Götter, heute nicht“, schrie er gen Himmel. „Nein, heute nicht, die Götter haben noch Großes mit mir vor.“ Harald Sigurdarson überlebte diesen Sturm. Björn bezweifelt, dass ihm das auch gelingen wird. Mit der Zeit spürt er, dass seine Kräfte langsam nachlassen, also bindet er sich mit einem Seil in der Mitte des Bootes fest, denn die Gefahr, dass er von einer Böe oder einer großen Welle weggerissen wird, ist viel zu groß.

Sollte er sterben und untergehen, dann nur zusammen mit diesem verdammten Boot. Björn kann zwar schwimmen, aber bei diesem starken Wellengang wird seine Kraft schnell aufgebraucht sein. Sein Schicksal liegt nun nicht mehr in seinen Händen, es liegt nun in den Händen der Götter.

Denn ihm stehen diesmal keine Menschen gegenüber, die er mit purer Kraft und seinen Waffen bezwingen kann. Nein, hier und jetzt sind die Naturgewalten seine Gegner und diese sind mächtiger als alles andere.

Kapitel 2

Fremder

Irgendwann wird es schwarz um ihn herum, dunkler als jede Nacht. Er weiß, dass der Sturm noch um ihn wütet, er weiß, dass er das nicht überstehen wird, er weiß, dass es zu spät ist. Björn merkt mit jedem Atemzug, dass seine Kraft nachlässt und dass er keine Energie mehr für den Kampf gegen den Tod aufbringen kann. Es ist hoffnungslos, er erkennt, dass es keinen Sinn mehr macht, um sein Leben zu kämpfen. Nie hätte er sich jemals ausgemalt, dass er so schnell aufgeben würde, jedoch war ihm nicht bewusst, wie lange er schon versucht, gegen diese furchtbare Naturgewalt anzukommen.

Björn merkt, dass ihm langsam alles egal ist und dass sein Griff um das Holz leichter wird. Bald wird ihn eine Boe oder eine Welle mitreißen und er wird auf dem Grund des Meeres versinken. Das laute Pfeifen des Windes, die Kälte auf seiner Haut und das starke Rauschen der Wellen verschwinden mit jedem Atemzug mehr und mehr. Bald ist es ganz leise um ihn herum und Björn genießt diese Ruhe. Er hat es geschafft, er ist dem Sturm entkommen und kann nun entspannt seine Reise nach Walhalla antreten.

Aber er merkt ganz schnell, dass etwas nicht stimmt. Er ist wie gefangen – gefangen im Nirgendwo und dennoch kommt von irgendwo ein kleiner Lichtschein her. Zuerst war er ganz klein, jetzt wird er immer größer, heller und wärmer und er kommt immer näher auf ihn zu. Bevor ihn der Schein erreicht, reißt er plötzlich die Augen auf. Björn sieht nichts als blendendes Licht und ehe er seine Gedanken sammeln kann, dreht er sich schnell auf die Seite und erbricht erst einmal den halben Ozean auf dem Sand.