The Slow Lane - Sascha Haselmayer - E-Book

The Slow Lane E-Book

Sascha Haselmayer

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Beschreibung

Der langsame Weg führt schneller zum Ziel Oftmals neigen wir dazu, schnelle und vermeintlich einfache Lösungen zu suchen. Doch selten ist der schnellste Weg auch langfristig erfolgsversprechend. Die Wahrheit ist, dass man nachhaltige Erfolge, die auch gesellschaftliche Veränderungen bewirken, nur durch langsames sowie bewusstes Handeln erzielt. Der Sozialunternehmer Sascha Haselmayer teilt seine Erkenntnisse aus vielen Jahren der Praxis und liefert dazu praktische Tipps für mehr Gelassenheit und Achtsamkeit bei unternehmerischen Maßnahmen. Anhand seines erprobten 5-Schritte-Prozesses zeigt er, wie es gelingt, aufmerksam zuzuhören, unkonventionelle Optionen zu erkunden und kreative Lösungen für Probleme zu finden. Und sich so nebenbei dem hektischen Alltag zu entziehen. Haselmayer plädiert dafür, die »Slow Lane«, also die Kriechspur, zu wählen, um langfristig positive Veränderungen zu erzielen, die allen zugutekommen. Sein Buch ist ein Aufruf dazu, den langsameren Weg zu wählen und trotzdem Erfolg zu haben!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 314

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SASCHA HASELMAYER

THE SLOW LANE

Warum zu schnelle Lösungen oft scheitern und wie man nachhaltigen Wandel herbeiführt

SASCHA HASELMAYER

THE SLOW LANE

Warum zu schnelle Lösungen oft scheitern und wie man nachhaltigen Wandel herbeiführt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Wichtiger Hinweis:

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

1. Auflage 2024

© 2024 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

© 2022 by Sascha Haselmayer. All rights reserved.

Die 1. Originalausgabe erschien 2023 Berrett-Koehler Publishers, Inc., Oakland, CA, USA unter dem Titel The Slow Lane. Veröffentlicht wurde die deutsche Ausgabe in Absprache mit Maria Pinto-Peuckmann, Literarische Agentur, World Copyright Promotion, Kaufering, Deutschland

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Übersetzung: Jordan Wegberg

Redaktion: Christiane Otto

Umschlaggestaltung: Marc Fischer

Umschlagabbildung: Brent Coulter/shutterstock

Satz: inpunkt[w]o, Wilnsdorf (www.inpunktwo.de)

eBook by tool-e-byte

ISBN Print 978-3-86881-955-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96267-560-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96267-561-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.redline-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Julia, Sofia, Olivia, Currito und Mochi

Inhalt

Geleitwort

Vorwort

Einleitung: Langsam ist das neue Schnell

Die bitterste Medizin der Finanzkrise: unser überstürztes Handeln

Die Slow Lane und die Kühnheit des Empowerment

1 Die Dringlichkeit aushalten

Das langsame Wettrennen gegen die Zeit

Spaltung: Der Verlockung des Bösen widerstehen

Die heimische Krise in den Griff bekommen

Schlechte und gute Langsamkeit

2 Zuhören

Erleuchtung auf der Cally

Was ist deine Lieblingsfarbe? Blau oder Blau?

Die Slow-Lane-Regierung

Wie Vertrauen in Mode kommt

3 Die Handlungsmacht teilen

Für einen sorgen heißt für eine Million sorgen

Wie Albina ein Land auf den Kopf stellte, indem sie seinem Müll zuhörte

Eine Lösung für, eine Lösung mit

Soziale Vorstellungskraft ist die Liebe, die wir schenken

4 Neugier fördern

Lernen Sie die Zombies kennen

50 Jahre zu spät für alles

Verwandlung eines Zombies? Wunderbare Bürokratie

Vier Arten, die Neugier zu fördern

5 Technologie als Befähiger nutzen

Alle Register ziehen

Eine App oder gar nichts?

Die Technologie der Zuwendung

Hey, Techies, geht auf die Slow Lane!

6 Die Demokratie heilen

Der Tag, an dem ich Yuraima kennenlernte, lehrte mich alles Wissenswerte

Un∙schätz∙bar: Wertvoll über alle Maßen

Und der Gewinner ist: die Demokratie

7 Ihre Slow Lane

Den Weg zu neuen (unbequemen) Antworten finden

Nun ziehen Sie es durch – auf allen Ebenen

Der Wandel ist schwierig und langsam. Genießen Sie es!

Fazit: Wo und wie man anfangen sollte

Halten Sie die Dringlichkeit aus, um alle Formen des Zuhörens gedeihen zu lassen

Von hier aus wird sich Ihnen der Weg erschließen

Diskussionsleitfaden

Danksagung

Über den Autor

Anmerkungen

Geleitwort

»Gras wächst nicht schneller, wenn man an ihm zieht.« Dieser Satz ging uns immer wieder durch den Kopf, als wir Sascha Haselmayers Buch lasen. Es trägt den Titel The Slow Lane, und man könnte Sascha als Fahrradfahrer vor sich sehen, der die Welt langsamer erkundet als die Menschen, die auf der »Fast Lane« vorbeirauschen. Doch es passiert viel mehr: Als erfolgreicher Sozialunternehmer und Vater beschreibt Sascha, warum das Streben nach schnellen Lösungen (»quick fixes«) nicht zu sozialer und ökologischer Gerechtigkeit führt. Und ebenso wenig zu einem Familienleben, wie er es sich wünscht. Stattdessen bietet er uns eine Alternative an, die einiges Umdenken erfordert: die »Slow Lane«.

Wir sind Kolleginnen von Sascha bei Ashoka. Unsere Organisation unterstützt seit über 40 Jahren Menschen in aller Welt, die es sich zur Aufgabe machen, Probleme und Ungerechtigkeiten in Gesellschaft und Umwelt nachhaltig zu lösen. Sie sind dabei enorm erfolgreich: Ihre Lösungen erreichten allein im Jahr 2021 über 650 Millionen Menschen. Auf der Suche nach ihrem Erfolgsgeheimnis wurde für uns immer wieder ein Muster deutlich: Gesellschaftlicher Wandel ist nur dann nachhaltig, wenn alle Menschen ihn mitgestalten können.

Und das, beschreibt Sascha, braucht Zeit. Es braucht Zeit – ausgerechnet in unserer schnelllebigen Welt, in der Nachrichten und Entscheidungen in einem unerbittlichen Tempo fließen. Ob Aktivist*innen, Unternehmer*innen oder Journalist*innen, die Worte »jetzt« und »schnell« sind für sie alle positiv besetzt und stehen für Entschlusskraft, Motivation und Energie. Auch in unserer Arbeit bei Ashoka fühlen wir uns oft von der Dringlichkeit gesellschaft-licher Probleme überwältigt und sind versucht, nach schnellen Lösungen zu suchen. Wie gut, dass wir in diesen Momenten einen Kollegen wie Sascha an unserer Seite haben, der uns in angenehmer Hartnäckigkeit daran erinnert, dass es neben einspurigen Schnellstraßen eben auch die »Slow Lane« gibt.

Die »Slow Lane« zu beschreiten, ist für viele von uns ungewohnt. Umso hilfreicher ist es, dass Sascha fünf Prinzipien etabliert, die die nötige Haltung und das Handwerkszeug greifbar machen: Dringlichkeit aushalten können, zuhören, Handlungsmacht teilen, Neugier fördern und Technologie als Befähiger nutzen. Mit diesen Prinzipien beschreibt Sascha auch ein Menschenbild. Ihnen liegt die Überzeugung zugrunde, dass Menschen grundsätzlich gemeinwohlorientiert und verantwortungsbewusst sind und voller Ideen stecken. Dass Menschen sich also ausgesprochen gut und gerne einbringen, wenn sie ernsthaft und angemessen einbezogen werden – sei es in der Familie, am Arbeitsplatz oder in der Politik. Diese Perspektive birgt auch einen Schlüssel für eine lebendige und funktionierende Demokratie – ein Schlüssel, der uns allen in der Hand liegt. So bieten Saschas fünf Prinzipien der Slow Lane nicht nur eine Anleitung für das persönliche Wachstum oder organisatorische Effizienz, sondern auch ein entscheidendes Konzept für politische und soziale Erneuerung.

Wir laden Sie ein, an Saschas Gedanken teilzuhaben; an den Geschichten, die er rund um den Globus gesammelt hat. Sie werden sehen, dass Sie in den unterschiedlichsten Situationen ihres Lebens immer wieder an diese Geschichten erinnert werden und sich darin bestärkt fühlen, auf der Slow Lane unterwegs zu sein – wir sprechen da aus Erfahrung.

Judit Costa und Katharina Hinze

Partnerinnen, Ashoka Deutschland

Vorwort

Wir leben in einer Welt der schnellen Lösungen. Im Geschäftsleben, in Regierung und Gesellschaft feiern wir die Unternehmensgründer, Hacker und Disruptoren, die dem Wandel durch Abkürzungen beizukommen versuchen. Sie vermitteln den Eindruck, dass jedes Problem durch eine waghalsige, oftmals technische Lösung behoben werden kann. Doch wie die letzten Jahrzehnte wiederholt gezeigt haben, sind diese schnellen Lösungen nichts weiter als eine Illusion. Wie sich herausstellt, gibt es keine technische Maßnahme gegen Klimawandel, Ungerechtigkeit, Diskriminierung, Verschmutzung oder zunehmende Ungleichbehandlung. Und doch glorifizieren wir weiterhin die Vordenker, die uns Lösungen versprechen. Ich bezeichne dieses Phänomen als Fast Lane.

Im geschäftlichen Bereich beschert die Fast Lane uns Unternehmen wie Facebook, die über Hasspostings hinwegsehen, um schneller zu Marktdominanz zu gelangen. In der Politik bringt sie uns Entscheider, die ihre »Führungsrolle« bekräftigen, indem sie in Krisenzeiten schnelle Lösungen erzwingen, so etwa die Sparmaßnahmen, die im Anschluss an die weltweite Finanzkrise von 2007/2008 Millionen Menschen in Armut stürzten. Und zu Hause vergiftet die Fast Lane unsere Beziehungen. Eltern reduzieren das Leben ihrer Kinder auf ein Wettrennen um die Spitzenplätze und rechtfertigen damit sämtliche zu diesem Zweck nötigen Mittel. Auf der Fast Lane folgen Führungskräfte aller gesellschaftlichen Schichten demselben Muster: schnell handeln, indem die Stimmen anderer unterdrückt werden, und mit Entschlossenheit Macht ausüben. Doch anstelle des versprochenen Fortschritts sorgt dieses Verhalten für einen Strudel zuneh-mender Ungleichheit und Spaltung, der unsere dringlichsten Probleme ungelöst lässt.

Ich halte mich für ein Produkt der Fast Lane. Als ich aufwuchs, definierten meine Eltern Erfolg ausschließlich finanziell sowie durch unsere Fähigkeit, anderen überlegen zu sein. Letztlich führte meine tiefe Sehnsucht nach gesellschaftlichem Wandel mich von der Fast Lane weg, weil sie einfach nicht dazu taugte, echte Veränderungen zu schaffen. Von dort aus stolperte ich regelrecht auf die Slow Lane.

Zwanzig Jahre lang war ich ein Mann schneller Lösungen gewesen. Ich reiste um die Welt, um Behörden und Gemeinden dabei zu helfen, ihre Probleme schneller zu lösen. Doch wohin ich auch ging, die Realität vor Ort versuchte, mich etwas gänzlich anderes zu lehren. Ein Besuch in einem berüchtigten Londoner Gefängnis 2014 war nötig, um mir die Augen für das zu öffnen, was ich schon die ganze Zeit gesehen hatte: dass Verlangsamung und Zuhören die schnellsten Methoden sind, um die Welt zu verändern. Und so sah ich nun direkt vor meinen Augen am unwahrscheinlichsten aller Orte den gesellschaftlichen Wandel stattfinden. Er fand statt, weil Kevin Reilly, der Gefängnisgouverneur, die Bescheidenheit besaß, auf eine Krise nicht damit zu reagieren, dass er die Dinge schnell in Ordnung bringen wollte. Stattdessen besaß er die Bescheidenheit, die Gefangenen um Hilfe zu bitten bei der Lösung der Probleme der Gefangenen – etwas, das in der 172-jährigen Geschichte des Gefängnisses nie vorgekommen war. Diese einfache, aber kontraintuitive Reaktion ließ das, was ich in der Welt gesehen hatte, sich wie Puzzlestücke ineinanderfügen. Die Slow Lane kam in mein Blickfeld.

Die Slow Lane ist rings um uns herum in Aktion. Vor allem besteht sie aus Initiativen für gesellschaftlichen Fortschritt. Solche Initiativen haben ein drängendes Bedürfnis nach Veränderung, um Ungerechtigkeiten wie das dysfunktionale Bewährungssystem Großbritanniens zu beheben oder die chronische Obdachlosenquote in amerikanischen Städten. Doch anders als auf der Fast Lane entscheiden sich diese Initiativen, die komplizierten Stimmen anderer nicht auszublenden, um etwas zu erreichen. Vielmehr schaffen sie jene Form von vertrauensvollen Gesprächen, die Menschen zusammenbringen. Das ist es, was diese Initiativen scheinbar verlangsamt und es leicht macht, sie gänzlich zu übersehen in einer Welt, die großes, entschlossenes Handeln feiert. Doch diese Langsamkeit ist unglaublich produktiv, denn sie befähigt selbst die am stärksten Benachteiligten, aktive Mitgestalter des Wandels zu werden. Im Laufe der Zeit kann dieses gesellschaftliche Kapital zu jenen explosiven und transformativen Veränderungen führen, die ein kaputtes System durch neue Gesetze, Einstellungen, Verhaltensweisen oder Ökonomien grundlegend ersetzen.

Erfolgreiche Slow-Lane-Initiativen halten sich an fünf allgemeine Prinzipien. Sie müssen die Dringlichkeit aushalten (Nr. 1), also akzeptieren, dass sie selbst in Zeiten der Krise mit dem Tempo des Vertrauens agieren müssen, statt übereilt zu handeln. Sie sind hervorragende Zuhörer (Nr. 2) und gehen mit der Bescheidenheit zu Werke, die Vertrauen aufbaut und Herz wie Geist für transformative neue Ideen öffnet. Dazu müssen Slow-Lane-Initiativen auch die Handlungsmacht teilen (Nr. 3), das heißt, dass sie Möglichkeiten der Führung und der Mitwirkung für jeden bieten, selbst für die am wenigsten Vorbereiteten. Und im Gegensatz zur allgemeinen Einschätzung, dass inklusive Initiativen nicht wendig oder einfallsreich seien, zeigt sich, dass Slow-Lane-Initiativen in sehr hohem Maße die Neugier fördern (Nr. 4) und innovieren, indem sie sich Inspirationen in der Wissenschaft, der Kunst oder bei anderen Initiativen holen. So erhalten sie ihre Flexibilität aufrecht, sich kreativ an wechselnde Umstände anzupassen. Erfolgreiche Slow-Lane-Initiativen nutzen die Technologie als Ermöglicher (Nr. 5), stellen sie in den Dienst ihrer Mission des gesellschaftlichen Wandels und haben eine neue Leitlinie geschaffen, die sich den Dominanzspielen der traditionellen Technologie-Start-ups verweigert.

Diese Erkenntnisse sind nicht nur für Menschen wertvoll, die am gesellschaftlichen Wandel beteiligt sind. Selbst im intimen Rahmen unseres häuslichen Lebens stehen wir vor denselben Herausforderungen. Befähigen wir unsere Kinder, indem wir zunehmend darauf vertrauen, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen? Oder suchen wir Zuflucht in dem, was die bewährte Elternrolle zu sein scheint: sie zum Ausstechen anderer zu drängen und nach den Regeln der Fast Lane zu spielen? Hier werden unsere Kompromisse viel deutlicher, denn wir müssen mit der Komplexität umgehen, vertrauens-voll und bedingungslos zu lieben oder wohlmeinende Diktatoren zu werden, die wie Helikopter um ihre Sprösslinge herumschwirren, damit sie in einer Fast-Lane-Welt Erfolg haben. Auch zu Hause können wir uns dazu entscheiden, an den Slow-Lane-Prinzipien festzuhalten. Die Dringlichkeit aushalten, zuhören, die Handlungsmacht teilen und Neugier fördern – diese Vorgehensweisen helfen uns nicht nur, unsere Kinder zu ertüchtigen, sondern bereiten sie auch auf eine Slow-Lane-Welt vor. Wie sich zeigt, bietet die Slow Lane Lektionen in jedem Maßstab: für mich, meine Familie, meine Arbeit, meine Gemeinschaft, meine Initiative, mein Unternehmen und meine Regierung.

Dieses Buch bietet eine zeitgemäße Reaktion auf unsere zunehmende Krisenhaftigkeit und Frustration angesichts unserer Unfähigkeit, etwas zu bewirken und Dinge zu verändern. Ich habe The Slow Lane für Menschen geschrieben, die etwas erreichen wollen. Dazu gehören soziale Unternehmensgründer und Menschen, die zu einer Initiative oder Gemeinschaft gehören. Und wie ich in Kapitel 7 berichte, gehören dazu auch die Millionen Entrepreneure, die ihre Unternehmen gegründet haben, um etwas zu verändern. Öffentliche Bedienstete gehören dazu, Menschen in Behörden oder gewählte Entscheidungsträger. Und es gehören Menschen dazu, die sich kümmern und zu Hause etwas bewirken wollen, in ihren Familien, bei ihren Freunden, in ihren Gemeinden oder in der Gesellschaft. The Slow Lane bietet eine ganzheitliche Alternative und führt die Dinge zusammen, statt die Welt in einzelne Themen wie soziale Innovation, Elternschaft, behördliche Innovation, das Ökosystem der Philanthropie, Aktivismus oder wirtschaftliche Inklusion aufzuteilen. Das Buch erklärt, wie die Bemühungen von Millionen Menschen aus all diesen Bereichen zusammenfließen – und wie unser neuer Weg aussieht. Wo die Fast Lane unsere Familien, Gemeinschaften, Stellen, Wirtschaft und Politik durchdrungen hat, bietet die Slow Lane neue Einstellungen und Vorgehensweisen, mit deren Hilfe sich jene Veränderung und Zukunft erzielen lassen, auf die wir alle hoffen. Wo andere gern Teile der Gesellschaft gegeneinander ausspielen, indem sie die Regierung, die Sozialgesellschaft oder das Business verteufeln, findet The Slow Lane eine gemeinsame Basis, angefangen bei der inneren Arbeit und Motivation, die dem sinnvollen Wandel den Weg ebnen.

Ich hatte das Glück, in diesen unterschiedlichen Welten leben und arbeiten zu dürfen, daher biete ich an, Ihnen als Lotse zur Slow Lane von innen heraus zu dienen. Als sozialer Unternehmer habe ich Initiativen und Firmen gegründet und Seite an Seite mit weltweit führenden Innovatoren in Verwaltung, Philanthropie, Gesellschaft und Business gearbeitet. Ich habe in den Gemeinschaften gelebt und gearbeitet, über die ich schreibe. Und als Bürger und Elternteil habe ich tagtäglich darum gerungen, meine Position zu finden. All das ermöglicht mir unmittelbare Einblicke, die den Geschichten in diesem Buch weitere Nuancen hinzufügen. Meine Geschichten belegen, dass man keine übermenschlichen Fähigkeiten benötigt, um auf der Slow Lane mitzumachen, sondern, dass sie aus Menschen besteht, die mit denselben Entscheidungen, Zweifeln und Rückschlägen kämpfen wie wir alle. Ich freue mich, Ihnen diese Geschichten zu erzählen, und hoffe, dass sie den Keim für neue Erkenntnisse und Ideen legen.

Einleitung Langsam ist das neue Schnell

Wer hastet, kommt nicht weit.

Laotse1

Als 2007/2008 die weltweite Finanzkrise einsetzte, wohnte ich in Barcelona. Drei Jahrzehnte lang war Spanien ein Musterbeispiel für wirtschaftliches Wachstum und Erfolg in Europa gewesen. Jetzt traf es das Land schwer. Wie überall fühlten auch Spaniens Politiker sich genötigt, rasch zu handeln.

Die bitterste Medizin der Finanzkrise: unser überstürztes Handeln

Überfordert durch den Zusammenbruch und die Komplexität des Finanzsystems gaben die spanischen Regierungspolitiker dem Druck und den Ratschlägen internationaler Wirtschafts- und Finanzexperten nach. Sie gelangten zu dem Schluss, dass die Ordnung sich nur dann wiederherstellen ließe, wenn Milliarden Euro investiert würden, um die Banken zu retten, die anderenfalls die gesamte Wirtschaft gefährdeten. Immer wieder verordneten Führungskräfte das, was als »bittere Medizin« bekannt wurde: Die Regierung müsse strikte Sparmaßnahmen durchführen, was höhere Steuern und massive Einschnitte bei öffentlichen Dienstleistungen mit sich brachte, um für die Bankenrettung aufkommen zu können. Ihr Ziel war es, den Finanzmärkten und der Europäischen Union als großer Geldgeberin zu versichern, dass Spanien weiterhin die Zinsen für seine wachsenden Schulden bezahlen könne.

Die bittere Medizin, ein Produkt des übereilten Wunsches, Führungsstärke zu zeigen und rasch zum Normalzustand zurückzukehren, brachte nur wenig Linderung. Die Arbeitslosenquote stieg von 8 Prozent im Jahr 2007 auf 21 Prozent bis zum Jahr 2011. Im selben Zeitraum verdreifachte sich die Zahl derjenigen, die in extremer Armut lebten. Jahr für Jahr verloren Millionen weitere Menschen ihre Arbeit und waren auf immer weniger Sozialleistungen angewiesen. Durch die Sparmaßnahmen wurden Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen eingeschränkt. Spanien wurde zum Land mit der größten Ungleichheit in Europa. Junge Menschen gehörten zu den am stärksten Betroffenen und konnten sich keine Lebensgrundlage schaffen. Als die Jugendarbeitslosigkeit im Jahr 2011 die 50-Prozent-Marke überschritt, brachen Proteste aus.

An einem Morgen im Mai, als ich meine Töchter zur Schule brachte, stolperten wir über ein neu errichtetes Protestcamp auf der Plaza Catalunya, der wichtigsten Handelszone von Barcelona. Über Nacht hatten dort, inspiriert vom Arabischen Frühling, 200 Protestierende Zelte und Baumhäuser aufgestellt. Die Besetzung des Platzes, die zeitgleich auch von Aktivisten in Madrid vorgenommen wurde, hatte zwei Ziele. Die Regierung sollte gezwungen werden, denjenigen zuzuhören, die von den Sparmaßnahmen am stärksten betroffen waren. Und es sollte ein neuer Raum geschaffen werden, damit Menschen sich treffen und ihre eigenen Zukunftsideen entwickeln konnten. Die Aktivisten bezeichneten sich als indignados (also Entrüstete, Erboste), und ihr Zorn richtete sich gegen Politiker, Funktionäre, Experten und die Wirtschaft im Allgemeinen.

Aus Frustration darüber, nicht angehört zu werden, schlossen sich bis 2015 mindestens sieben Millionen Spanier dem Protest der indignados an, das sind rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zu Beginn hatte diese Bewegung noch keine klare Vision oder einen Plan für die Zukunft. Sie erwuchs aus einem Teil der Bürgerschaft, die innerhalb Europas als die am wenigsten politisch engagierte galt. Doch die führungslose Bewegung entwickelte eine Agenda und wurde zu einer maßgeblichen politischen Kraft. Bei den Kommunalwahlen 2015 verdrängte sie in vier der fünf größten Städte die Bürgermeister aus etablierten Parteien von ihren Plätzen. In Barcelona wurde Ada Colau zur Bürgermeisterin gewählt, Aktivistin und Vorsitzende einer neuen politischen Partei namens Barcelona En Comú. Sie verweigerte die Privilegien und Hinterzimmermauscheleien ihrer Vorgänger und bestand stattdessen darauf, alle offiziellen Versammlungen öffentlich auf der Straße abzuhalten. Ihre Botschaft war klar: Ich höre euch zu.

Vier Jahre später, nämlich 2019, zeigten die landesweiten Wahlergebnisse in Spanien, wie weit die politische Verwandlung fortgeschritten war: Die Sozialistische Partei und die Volkspartei, die jahrzehntelang 97 Prozent der Stimmen unter sich aufgeteilt hatten, mussten nun die Hälfte ihrer Wähler an Neulinge abtreten, deren Wurzeln in den Protestbewegungen lagen. Als 2020 endlich eine Regierung gebildet wurde, musste ein spanischer Premierminister zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren die Macht mit einem Koalitionspartner teilen. Dieser Partner war Unidas Podemos, eine der Parteien, die sich aus Protest gegen die bittere Medizin gegründet hatte.

Überall indignados

Wie in Spanien hatte die Finanzkrise auf der ganzen Welt Menschen in die Arbeitslosigkeit gestürzt. Und wie in Spanien hatten die Ausgabenkürzungen ihre Sicherheitsnetze beschädigt. Um die Wirtschaft wiederzubeleben und ihre Einsparmaßnahmen auszugleichen, wurden die Regierungen aktiv und druckten Geld in Billionenhöhe, um billige Geschäftskredite bereitstellen zu können. Das schien zu funktionieren. Wie versprochen begann die Wirtschaft, sich zu erholen. Doch in diesem ökonomischen Wachstum verbarg sich dieselbe zunehmende Ungleichheit, die Spanien heimgesucht hatte. Die Arbeitslöhne blieben gering, auch wenn die Unternehmensgewinne und die Aktienkurse in die Höhe schossen. Das Vertrauen in Experten und Institutionen schwand, da die Menschen aus der Arbeiter- und der Mittelschicht sich durch das, was sich mehr und mehr als Rettungsaktion für die Reichen entpuppte, betrogen fühlten. Innerhalb von fünf Monaten verbreitete sich die Occupy-Bewegung, eine antikapitalistische Protestbewegung, deren Vorgehen unmittelbar von den Platzbesetzungen der indignados in Barcelona und Madrid inspiriert war, in nahezu 1000 Städten in 82 Ländern.2

Eine gefährliche Überzeugung machte sich breit: Man konnte den Regierungen nicht vertrauen, dass sie die Bedürfnisse der Allgemeinheit über die der Banken und Kreditgeber stellte. Frustration und Misstrauen schufen einen fruchtbaren Boden für Populismus, Verschwörungstheorien und eine identitäre Politik, die weitaus radikalere Lösungen mit weitreichenden Konsequenzen versprach. In Spanien stellten die Anti-Sparmaßnahmen-Parteien ein bequemes, aus zwei Parteien bestehendes politisches Establishment auf den Kopf. In Großbritannien war es das Brexit-Referendum vom Juni 2016, das die Nation erschütterte. Drauf folgte Donald Trumps Wahlgewinn im November desselben Jahres. Diese Ereignisse kennzeichneten nicht nur eine merkliche Hinwendung zu Protest und Populismus, sondern in vielen Ländern auch eine Abwendung von der Wahrheit.

Die isländische Alternative

Ich bin kein Wirtschaftswissenschaftler. Aber ich glaube, es hätte sich viel Leid ersparen lassen, wenn führende Politiker nicht übereilt gehandelt, sondern sich die Zeit genommen hätten, denjenigen zuzuhören, die von ihren umfassenden Rettungsplänen betroffen waren. Island hat gezeigt, wie ein solcher alternativer Weg hätte aussehen können. Die isländische Regierung entschied sich während der Finanzkrise, den Bürgern Priorität vor den Banken einzuräumen. Statt den Forderungen von Experten und Kreditgebern nachzugeben, die Banken zu retten und zum »Normalzustand« zurückzukehren, tat Island etwas, das in Spanien für undenkbar gehalten wurde: Es ließ die Banken untergehen. Anstelle von Sparmaßnahmen erließ Island höhere Steuern für Spitzenverdiener und baute zugleich die Sozialleistungen aus, um die soziale Ungerechtigkeit zu verringern.3 Und statt 2010 überstürzte Maßnahmen zu ergreifen, berief der isländische Präsident ein Referendum ein, ob für ausländische Bankenschulden gebürgt werden sollte.4 Die Bürgerschaft wurde auch aufgerufen, sich am Entwurf einer neuen Verfassung zu beteiligen. Zugegeben, ein solches Zuhören ist einfacher in einem kleinen Land mit nur 330.000 Einwohnern.

Doch das Vorgehen zahlte sich aus: Island erholte sich weitaus schneller als erwartet. Die Jugendarbeitslosigkeit in Island erreichte 2010 ihren Höhepunkt mit 15 Prozent und sank bis 2016 auf 6 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien erzielte ihren Spitzenwert vier Jahre später, nämlich 2014, mit 55,5 Prozent und lag 2021 immer noch bei schmerzlichen 33 Prozent. Entschleunigen und Zuhören half Island nicht nur dabei, die Belastung für die Bürger zu mindern, sondern sorgte auch für eine raschere Erholung. Ich bezeichne das gern als die Dividende der Langsamkeit.

Die falsche Fixierung auf rasche Lösungen

Wenn ich den Zeitraum nach der Finanzkrise von 2007/2008 betrachte, erkenne ich ein einfaches Muster. Immer wenn Menschen an der Macht – sei es bei Geschäftlichem, im Aktivismus, in der Politik oder zu Hause – nach schnellen Antworten suchen, erzeugen sie Spaltung und Misserfolge. Unser Streben nach rascheren Verbesserungen hält uns im Hamsterrad gefangen. Über 20 Jahre lang war es meine Aufgabe, dieses Hamsterrad am Laufen zu halten – um die Welt zu reisen und anderen zu sagen, wie sie Probleme schneller beheben können. Erst als ich mich der Langsamkeit öffnete, entdeckte ich eine andere Methode. Ich fing an, rings um mich herum Gemeinschaften zu bemerken, die unsere wirklich drängendsten Probleme viel besser lösen konnten. Immer wieder gewannen diese langsam Agierenden das Spiel um die Umsetzung kühner Ideen, indem sie zuhörten, Vertrauen aufbauten und andere geduldig stärkten. Je mehr ich über sie erfuhr, desto mehr lernte ich ihr Vorgehen zu schätzen.

Ich nenne es die Slow Lane.

Die Slow Lane und die Kühnheit des Empowerment

In einer Welt, die nur schnelle Lösungen befürwortet, wird die Slow Lane leicht übersehen. Doch die schnellen Lösungen, die unsere Führungskräfte in der Wirtschaft, in der Regierung oder sogar zu Hause bieten, laufen oft darauf hinaus, dass sie mehr schaden als nutzen. Auf der Slow Lane begegnete ich Menschen, deren Lösungen ein Problem nicht einfach bloß überdeckten, sondern auch auf die Ungerechtigkeiten und kaputten Systeme abzielten, die ihm eigentlich zugrunde lagen. Es handelt sich um eine komplexe Vorgehensweise, gleichzeitig anspruchsvoll in ihrer Vision und zutiefst entschlossen, sich die Zeit für unsere chaotischen menschlichen Bedürfnisse zu nehmen. Das Ergebnis ist ein wahrhaft transformativer und inklusiver Fortschritt.

Die Fast Lane: maßgeschneidert für Dominanz

Ich will kurz noch mal daran erinnern, wie die Fast Lane funktioniert: Rings um uns herum geschehen viele Dinge schnell. Amazon liefert binnen eines Tages. Viele Apps verschaffen uns unmittelbare Vorteile. Neue Lösungen scheinen aus dem Nichts zu kommen, und innerhalb weniger Jahre sind sie überall! Hinter dieser Geschwindigkeit steht ein einfaches Geheimnis: Fokus auf rasche Lösungen und die Vermeidung von allem, was verlangsamt. Das ist die Methode der Fast Lane. Das ist der Grund, warum Menschen, die keine Kreditkarte bekommen, kein Uber nehmen können. Tesla-Fahrzeuge verkaufen sich schnell, weil sie für Reiche sind. Facebook sieht über Beleidigungen oder Falschmeldungen auf seiner Plattform hinweg, um schneller zu wachsen.

Doch was uns entschleunigen würde, sind oft die harten Tatsachen über Ungerechtigkeiten oder Ungleichheiten in unserer Gesellschaft. Die Fast Lane mag darin glänzen, um diese Themen herum zu manövrieren, vertieft damit aber nur die Gräben, die zwischen uns klaffen. Eine ähnliche Dynamik zeigt sich in der Politik, wenn Regierungsvertreter ihre »Führung« durch übereilte schnelle Lösungen zementieren, die letztlich Millionen Menschen schaden, statt sich um jene zu kümmern, die unmittelbar davon betroffen sind. Es ist ein ständiger Kreislauf, in dem ein Problem durch die Schaffung eines anderen gelöst wird. Dominanz bedeutet, eine mächtige, kontrollierende oder herrschende Position gegenüber anderen zu behaupten. Die Fast Lane ist das Produkt einer Gesellschaft, die Dominanz als Erfolg feiert. Deshalb messen wir Fortschritt hauptsächlich mit dem Maßstab der Fast Lane. Steve Jobs erfand das iPhone, Jeff Bezos baute Amazon auf, Elon Musk rief umwälzende Elektrofahrzeuge und Weltraummissionen ins Leben. Warum kommen uns diese Personen als Erstes in den Sinn? Warum glauben wir, dass so der Wandel aussieht: Heldengeschichten von Umwälzungen und Dominanz? Indem sie uns ihre Ideen überstülpen, brechen diese Visionäre unweigerlich mit den Werten, die uns in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen wichtig sind. Und wenn Erfolg dasselbe ist wie Dominanz, werden sie nicht jedes Mal Schnelligkeit und Automatisierung wählen statt Inklusion und echte Gespräche und damit die Gräben zwischen uns vertiefen? Die Fast Lane ist einfach nicht dazu gemacht, ein Instrument wahren Wandels zu sein.

Die Slow Lane: Wandel im Tempo des Vertrauens

Als ich die Arbeit von User Voice im Pentonville Prison kennenlernte, einem berüchtigten Londoner Gefängnis, fügte sich für mich eins zum anderen. User Voice ist eine gemeinnützige Organisation, die Gefangenen und entlassenen Straffälligen Möglichkeiten bereitstellt, ihre Haft- und Bewährungsbedingungen zu verbessern. Das ist alles andere als eine Fast-Lane-Lösung. User Voice lässt ehemalige Strafgefangene in Gefängnisse gehen, um herauszufinden, was Gefangene wirklich brauchen. Das gelingt ihnen, weil man ihnen vertraut. Mir wurde klar, dass User Voice genau in die entgegengesetzte Richtung der Fast Lane unterwegs war und genügend entschleunigte, um sorgfältig jene Art von vertraulichen Gesprächen zu ermöglichen, die Menschen zusammenbringen, bis ihre Bedürfnisse erfüllt sind. Es ist ein Musterbeispiel dafür, wie wir mit den vielen Bedürfnissen und Problemen umgehen können, die von der Fast Lane übersehen werden. Diese Form der Langsamkeit ist ein Zeichen von Fürsorge, von echter Inklusion, von fehlender Angst vor dem Umgang mit Menschen. Und es ist genau dieses menschliche Chaos, das Techniker und Wagniskapitalgeber hassen. Aber es funktioniert.

Die Slow Lane ist groß. Sie besteht aus Millionen von Gemeinschaften und Initiativen, und am besten versteht man sie, wenn man beobachtet, wie sie funktionieren. Ich spreche in diesem Buch meist von »Initiativen«, aber technisch gesehen können sie zahlreiche Formen haben: Non-Profits, soziale Unternehmen, Gemeinschaften, Netzwerke, Projekte, Bündnisse, Gruppen, Partnerschaften, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Stiftungen. Das gemeinnützige User Voice zum Beispiel initiierte eine Bewegung, die Strafgefangene, Ex-Strafgefangene, ihre Familien, Spendengeber, Gesundheitsdienstleister, Gefängnisse und ihre Verwaltungen zusammenbringt, um das Ziel des Haft- und Bewährungssystems besser zu erreichen: die erfolgreiche Rehabilitation. So wie User Voice hat jede Initiative auf der Slow Lane ihren spezifischen Zweck – die Vision eines Wandels, durch den ein gesellschaftliches Problem oder Anliegen gelöst werden kann.

Slow-Lane-Visionen können irritierend wagemutig wirken. So war es 1970 zum Beispiel unvorstellbar für ein gleichgeschlechtliches Paar, in Minnesota zu heiraten. Seinerzeit wurde die Homosexualität noch von der American Psychiatric Association in ihrem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders als Geisteskrankheit eingestuft.5 Und doch bildete sich eine Slow-Lane-Bewegung mit der Vorstellung von gleichberechtigter Eheschließung, die im selben Jahr zu einem vorhersehbar erfolglosen Versuch einer legalen Heirat von Jack Baker und Michael McConnell führte.6 Als Vorreiter mussten sie sich den Weg bis zum Verfassungsgericht erkämpfen – und verloren. Aber sie hatten den Ball ins Rollen gebracht, und 45 Jahre später, im Jahr 2015, entschied das höchste amerikanische Gericht, dass alle Staaten die gleichgeschlechtliche Ehe zulassen müssen.

Zahllose Initiativen auf der Slow Lane verfolgen heute solche scheinbar verwegenen Ziele. In diesem Buch werden einige der lehrreichsten Geschichten vorgestellt. Zusammen bieten sie uns einen Ausblick auf eine spannende neue Zukunft. Doch diese Kühnheit und Hartnäckigkeit ist keine Spielerei. Sie ist eine dringliche Erinnerung an all die Arbeit, die noch vor uns liegt. Slow-Lane-Gemeinschaften existieren, weil der Status quo für so viele untragbar bleibt.

Die lange Geschichte der Langsamkeit

Seit Tausenden von Jahren kennt man die Gefahren des übereilten Handelns. Philosophen, Religionen und volkstümliche Erzählungen warnen uns vor zu schnellen Entscheidungen. Viele warnen uns vor der Arroganz, die mit der Schnelligkeit einhergeht. Der altgriechische Geschichtenerzähler Aesop schuf die Fabel »Die Schildkröte und der Hase«, die im Laufe der Zeit zahllose Variationen hervorgebracht hat, in denen ein Langsamer (die Schildkröte) einen arroganten Sprinter (den Hasen) besiegt. In Aesops Geschichte macht der zuversichtliche Hase während des Rennens ein langes Nickerchen, weshalb die langsame und beständige Schildkröte schneller ankommt. Die Bedeutung ist doppelsinnig. Ist es eine Warnung vor Überheblichkeit oder die Botschaft, dass Ausdauer und Stetigkeit sich durchsetzen? In einigen Varianten der Geschichte wird der Sieg durch Tricks errungen, etwa im Grimm’schen Märchen »Der Hase und der Igel«, in dem der Igel seine ähnlich aussehende Ehefrau an der Ziellinie aufstellt. Der ungläubige Hase verlangt immer wieder Revanche-Rennen, bis er schließlich vor Erschöpfung tot zusammenbricht.

Ich selbst bin erst recht spät zur Langsamkeit gekommen und habe diesen Geschichten nie allzu viel Beachtung geschenkt. Doch als ich die Slow Lane zu erkennen begann, war es Denisa Livingston, eine Freundin und Gesundheitsaktivistin in der Navajo Nation, die mir die Slow-Food-Bewegung näherbrachte. Ich war schon als Teenager auf Slow Food aufmerksam geworden, als ich an einem Restaurant vorbeikam, in dessen Fenster ein Schild hing: »Hier kein Fast Food, nur Slow Food!« In meiner Vorstellung hatte ich das als vornehme kulinarische Alternative zu Fast Food einsortiert. Doch Denisa weckte meine Neugier, und ich machte mich schlau über die Slow-Food-Bewegung. Sie hatte sich zu einer weltweiten Gemeinschaft mit Hunderttausenden Mitgliedern entwickelt, die sich nicht nur für gutes Essen und Wein einsetzten, sondern auch für saubere Nahrungsmittel (also gesund für Mensch und Umwelt). Und für faire Nahrungsmittel, was sich auf die Behandlung der Menschen bezog, die an ihrem Produktions- und Verarbeitungsprozess beteiligt sind. Slow Food, so erfuhr ich bald, ist eine ganz ei-gene Slow-Lane-Bewegung. Ausgehend von einer regionalen Erzeugerlobby in Italien hat sie sich im Laufe von 35 Jahren zu einer weltweiten Bewegung für Menschen-, Wirtschafts- und Umweltrechte entwickelt. Die Art von Bewegung, die heute eine nützliche Plattform selbst für Aktivistinnen wie Denisa ist, die sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung einsetzen. Slow Food ist nur die bekannteste von zahlreichen Initiativen, die sich für Langsamkeit einsetzen, darunter in der Medizin, in Kinofilmen, in Städten (Cittaslow-Netzwerk), in der Mode, in der Technologie und beim Reisen.7

Daniel Kahnemans Bestseller Schnelles Denken, langsames Denken aus dem Jahr 2011 bot noch eine weitere reizvolle Perspektive.8 Ich konnte damit die Fast Lanes und Slow Lanes zurückverfolgen zur Dichotomie zwischen zwei in unserem Gehirn verankerten Denksystemen: Das eine ist schnell, instinktiv und emotional, das andere langsamer, abwägender und logischer. Der Psychologieprofessor Kahnemann erklärt viele irrationale Handlungen in der Gesellschaft, im Geschäftsleben, in der Wirtschaft und beim Militär damit, wie wenig Mühe uns schnelles Agieren kostet. Langsam zu denken, so zeigt er, erfordert viel mehr Anstrengung und Energie. Und die Leute neigen dazu, das, wann immer möglich, zu vermeiden. Diese Erkenntnis ist so grundlegend, dass sie das Gebiet der Wirtschaftswissenschaften für immer veränderte. Kahneman wies nach, dass Menschen sich durch schnelles Denken nicht zu ihrem eigenen Besten rational verhalten. Genau wie die Macher schneller Lösungen auf der Fast Lane fortwährend unerwünschte Ergebnisse produzieren. Für diese Arbeit hat er 2002 den Nobelpreis erhalten.

Die fünf Prinzipien der Slow Lane

Nachdem ich während der letzten 20 Jahre über 100 Slow-Lane-Initiativen untersucht habe, stellte ich fest: Was die Slow Lane wirklich eint, ist nicht, was diese Initiativen tun, sondern wie sie Veränderungen angehen. Um die negativen Effekte der Fast Lane zu vermeiden, halten diese Slow-Lane-Anhänger an einer Reihe von Prinzipien fest, die ihr Handeln bestimmen. Meine Forschungen ergaben fünf Slow-Lane-Prinzipien, die sich als universell und zeitlos erwiesen. Bei den in diesem Buch erwähnten Beispielen werden Sie sie immer wieder erkennen. Die Prinzipien sind simpel, können jedoch von Menschen, Initiativen, Unternehmen, Organisationen und sogar Behörden auf vielfältige Weise umgesetzt werden.

Slow-Lane-Prinzip Nr. 1: Die Dringlichkeit aushalten.

Opfern Sie nicht Inklusion, Partizipation oder Nachhaltigkeit, nur um rasch zu handeln. Die Slow Lane strebt danach, Lösungen für alle zu finden, ganz nach dem alten Slogan »Nothing about us without us« der Aktivisten für Menschen mit Behinderungen in den 90er-Jahren in aller Welt. Genau das hat Island getan, als es während der Finanzkrise von 2007/2008 dem Drang widerstand, die alte Ordnung wiederherzustellen, und stattdessen die Bürger dazu aufrief, ihre Verfassung zu überarbeiten. Die Dringlichkeit auszuhalten, heißt zu wissen, dass übereiltes Handeln uns nicht schneller voranbringt.

Slow-Lane-Prinzip Nr. 2: Zuhören.

Heucheln Sie nicht. Handeln Sie bescheiden und im Wissen um die Grenzen Ihrer Zuhörfähigkeiten. Wie Sie zuhören, zeigt, ob Sie andere als gleichberechtigte Mitwirkende behandeln wollen. User Voice durchbrach die toxische Machtdynamik des Bewährungssystems, indem ehemalige Strafgefangene rekrutiert wurden, die das Zuhören übernahmen. Diese Art des Zuhörens ist entscheidend, um ein Vertrauen zu schaffen, das Herzen und Einstellungen bewegen kann, aus dem sich Neues entwickeln kann und das die Menschen auf lange Sicht bei der Stange hält.

Slow-Lane-Prinzip Nr. 3: Die Handlungsmacht teilen.

Zwingen Sie anderen Ihre Antworten nicht auf. Schaffen Sie ein Umfeld, in dem selbst die am wenigsten Vorbereiteten sich wohlfühlen können und über die Kapazität, die Fähigkeit und die Macht verfügen, frei zu entscheiden, ob sie mitmachen, etwas beisteuern und ihre Macht ausüben wollen. User Voice stellt Strafgefangene ein und bildet sie aus, um ihnen ein Mitspracherecht bei ihrer Rehabilitation zu geben. Auf der Slow Lane wird Empowerment mit Geduld und Sorgsamkeit ausgeübt, das heißt, die Menschen werden da abgeholt, wo sie stehen, und jeder kann jederzeit mitmachen.

Slow-Lane-Prinzip Nr. 4: Neugier fördern.

Legen Sie sich nicht auf eine einzige Antwort fest. Neugier macht die Slow Lane inklusiver und lässt transformative Visionen entstehen. Neugier lässt uns unsere vorgefertigten Meinungen ablegen und öffnet uns für neue Ideen. Neugier ermöglicht es uns auch, außerhalb unserer unmittelbaren Realität nach Inspiration zu suchen – zum Beispiel bei der Wissenschaft oder bei anderen Initiativen. Ohne Neugier wäre User Voice vielleicht eine Bewegung von Aktivisten für die Rechte von Gefängnisinsassen geworden, die gegen Haftanstalten arbeitet und sich aus frustrierten Gefangenen und ihren Angehörigen zusammensetzt. Stattdessen eröffnete ihre gelebte Erfahrung und Forschung Möglichkeiten, mit Gefängnisleitungen zu arbeiten, um Verbesserungen für alle herbeizuführen. Neugier hilft Initiativen dabei, die Flexibilität zu bewahren, um Gemeinsamkeiten zu finden.

Slow-Lane-Prinzip Nr. 5: Technologie als Befähiger nutzen.

Nutzen Sie Technologie nicht, um andere zu beherrschen. Entwickeln Sie stattdessen starke menschliche Werte, Grundsätze und Verhaltensweisen, die durch Technologie befähigt werden können. Erfolgreiche Slow-Lane-Initiativen haben das Drehbuch der Technik neu geschrieben, um dem Wachstumsgedanken etwas entgegenzusetzen, der komplexe menschliche Bedürfnisse auf das reduziert, was Programmierer für handhabbar halten. Technik auf der Slow Lane ist für alle da und verwendet kreative neue Methoden, um das Beste in menschlichen Beziehungen zum Vorschein zu bringen.

Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit der Frage, wie sehr verschiedene Missionen die Slow-Lane-Prinzipien auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten haben, zum Beispiel in den Bereichen Kindererziehung, Datenerfassung und Technologie, bei der Erbringung von Sozialleistungen, in der Gemeindeentwicklung und Gesundheitsvorsorge oder im Abfallmanagement. Die Slow-Lane-Prinzipien finden so breite Anwendung, weil sie Gemeinschaften die Freiheit geben, jede beliebige Mission zu verfolgen. Sie ermöglichen eine Vielfalt des Denkens und der Zielsetzungen. Sie schaffen zudem jene Art menschlicher Dynamik, die uns von Natur aus guttut, und lassen uns Dinge verändern, ohne anderen dabei zu schaden. Die Slow-Lane-Prinzipien machen uns widerstandsfähiger angesichts zahlloser Herausforderungen und verlockender Möglichkeiten. Beim Eintauchen in die Geschichten dieses Buches entdecken wir die wunderbaren und vielfältigen Weisen, auf die diese Prinzipien Anwendung gefunden haben. Das ist umso bemerkenswerter, als die Slow Lane keine festgeschriebene Ideologie, kein Manifest, kein Gesetz und keine Regularien hat. Sie hat sich als Vorgehensweise etabliert, weil sie funktioniert und sich für so viele Menschen selbstverständlich anfühlt.

Schnell hat nicht geklappt – Zeit für die Slow Lane

Wir haben eine Phase sehr schwieriger Erschütterungen unseres Lebens hinter uns, unserer Wirtschaft, unserer Demokratien und unserer Umwelt. Dadurch hat die Slow Lane nur an Bedeutsamkeit gewonnen. Für die Finanzkrise von 2007/2008 konnten weder Krieg noch Naturkatastrophen verantwortlich gemacht werden. Sie beruhte gänzlich auf menschlichem Handeln und legte eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung offen, die vielen ungerecht vorkam, weil sie unter behördlichen Sparmaßnahmen, Kürzungen der Sozialleistungen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten litten. Nachdem sie jahrzehntelang an eine Fast-Lane-Welt der Erfindungen, Märkte und des Wachstums geglaubt hatten, begannen viele Menschen nun, ihre Grenzen zu erkennen. Für die Probleme in unserem Miteinander bietet sie keine Lösungen. Da scheint es nur passend, dass dieser Zeitraum gekrönt wurde von einer weltweiten Pandemie, der Besorgnis über zunehmenden Rassismus und einem wirtschaftlichen Zusammenbruch, der die Schwächsten am härtesten getroffen hat.

Immer mehr Menschen suchen nach Alternativen. Sie wollen aus dem endlosen Kreislauf von Spaltung und Ungleichheit ausbrechen. Die Slow Lane bietet eine vielversprechende Alternative. Sie optimiert das, was wir als echten gesellschaftlichen Fortschritt begreifen: Fürsorge, Respekt, Inklusion, Gerechtigkeit, Neugier, Menschlichkeit. Sie bietet Raum für Kreativität, Engagement und einen Unternehmergeist, der als Fundgrube für soziale Vorstellungskraft dient. Die Slow-Lane-Prinzipien, die Millionen einzelner beweglicher Teile miteinander verbinden, sind nicht neu, sondern das Produkt uralter Weisheit. Ihre übergeordnete Idee ist einfach: Ein bedeutsamer gesellschaftlicher Wandel ist möglich, und wir können ein Problem lösen, ohne ein anderes zu schaffen. Daher ist es nicht überraschend, dass die Slow Lane ein System von überwältigenden Ausmaßen ist. Millionen von Menschen, Organisationen, Unternehmen und Behörden sind heutzutage auf der Slow Lane aktiv.

Wir können die Slow-Lane-Prinzipien in der Privatheit des Familienesstischs ebenso anwenden wie bei der Arbeit, bei unserem geschäftlichen Handeln oder wenn wir uns öffentlich zu Wort melden. Mich persönlich hat das Miterleben dieser Prinzipien in ihrer Umsetzung dazu gebracht, mich zu öffnen, zuzuhören und darauf zu vertrauen, dass andere das Richtige tun. Anfangs war das nicht leicht. Ich bin mit strikten Fast-Lane-Werten großgeworden, und wie viele Unternehmensgründer habe ich die Gewohnheit entwickelt, Krisen auszulösen, um meinen Vorstellungen Dringlichkeit zu verleihen. Was könnte denn wichtiger sein?