Tiberius und Germanicus - Sonja Nadolny - E-Book

Tiberius und Germanicus E-Book

Sonja Nadolny

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Beschreibung

Magisterarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Weltgeschichte - Frühgeschichte, Antike, Note: 1,0, Technische Universität Berlin (Institut für Geschichte), Sprache: Deutsch, Abstract: Am 10. Oktober 19 n. Chr. starb Germanicus Caesar mit nur 34 Jahren im syrischen Antiochia. Sein überraschender Tod löste im gesamten Römischen Reich eine Welle der Trauer und der Verzweiflung aus. Die öffentliche Erregung steigerte sich noch aufgrund der rätselhaften Umstände, unter denen Germanicus zu Tode kam. Die Menschen waren davon überzeugt, dass sein Tod keines natürlichen Ursprungs gewesen sei, und ein Verantwortlicher war bald gefunden: Tiberius, Princeps und Adoptivvater des Getöteten, habe ihn ermorden lassen. Sein Motiv war eindeutig, denn mehrmals schon habe er sein Missfallen gegenüber Germanicus kaum verbergen können. Die Ermordung des Germanicus stellt den Höhepunkt einer Reihe von Vorwürfen dar, die Tacitus gegen den Kaiser vorbringt und die die Grundlage seiner negativen Tiberius-Darstellung ausmachen. Sie ist geprägt durch einen Princeps, der sich angeblich durch tyrannische Willkür und niederste Gefühle leiten lässt. Dem Bild des ränkeschmiedenden, verschlossenen und ewig misstrauischen Tiberius stellt Tacitus die leuchtende Heldengestalt des Germanicus kontrastiv gegenüber. Germanicus, leutselig und beliebt bei Volk und Soldaten, hat mehr als irgendein anderer unter dem Hass und der Eifersucht des Kaisers zu leiden und fällt diesen letzten Endes zum Opfer. Doch wie war es tatsächlich um die Beziehung zwischen Tiberius und Germanicus bestellt? Wurde Tiberius in seinem Verhalten gegenüber Germanicus wirklich allein durch Eifersucht und Misstrauen getrieben und war Germanicus ausschließlich Opfer eines tyrannischen Princeps? Waren die Verhältnisse genau umgekehrt? Oder finden sich Argumente, die ein differenzierteres Bild vom Verhältnis beider Männer nahe legen, die Existenz eines Konflikts gar generell in Frage stellen? Diesen Fragen gilt es im Folgenden auf den Grund zu gehen. Im Mittelpunkt meiner Untersuchung werden die wichtigsten Etappen und Ereignisse im Verhältnis zwischen Tiberius und Germanicus stehen. Ausgehend von Tacitus’ Bericht ist in einer Analyse der Meuterei am Rhein, der Germanienfeldzüge und der Orient-Mission des Germanicus danach zu fragen, ob Unstimmigkeiten zwischen beiden Männern bestanden und, wenn ja, worauf diese zurückzuführen sind. Dabei gilt es, trotz einseitigen und tendenziösen Quellenmaterials auf eine möglichst ausgewogene Bewertung der Tiberius-Germanicus-Beziehung zu schließen. Eine Untersuchung der Vorwürfe, denen Tiberius nach dem Tod des Germanicus ausgesetzt war, schließt die Arbeit ab.

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INHALTSVERZEICHNIS

 

EINLEITUNG

1. DIE ADOPTION DES GERMANICUS DURCH TIBERIUS

2. DIE MEUTEREI AM RHEIN 14 N. CHR.

2.1 Die Loyalitätsfrage

2.2 Die Unterdrückung der Meuterei

2.2.1 Germanicus’ Maßnahmen zur Unterdrückung der Meuterei

2.2.2 Die Unterdrückung der Meuterei bei Tacitus und die Reaktion des Tiberius

3. DIE GERMANIEN-FELDZÜGE DES GERMANICUS 15-16 N. CHR.

3.1 Feldzüge und Abberufung aus Sicht des Tacitus

3.2 Kritische Bewertung der Darstellung des Tacitus

3.3 Der Brief des Tiberius an Germanicus Tac. ann. 2,26

3.4 Die Kriegführung des Germanicus und des Tiberius im Vergleich

3.4.1 Exkurs: Die Germanien-Feldzüge des Tiberius 9-13 n. Chr.

3.4.2 Die Feldzüge des Germanicus unter dem Aspekt der tiberianischen Kriegführung

3.5 Die Befehlsverweigerung des Germanicus

4. DIE ORIENT-MISSION DES GERMANICUS 17-19 N. CHR.

4.1 Die Berufung Pisos zum Statthalter in Syrien 17 n. Chr.

4.1.1 Die Berufung Pisos in den Quellen

4.1.2 Tiberius’ Gründe für die Berufung Pisos

4.2 Die Ägyptenreise des Germanicus 19 n. Chr.

5. DER TOD DES GERMANICUS

5.1 Andeutungen und Gerüchte: Die Schuldfrage bei Tacitus

5.2 Tiberius, der Mörder des Germanicus?

FAZIT

BIBLIOGRAPHIE

a. Quellen

b. Literatur

 

EINLEITUNG

 

Am 10. Oktober 19 n. Chr. starb Germanicus Caesar mit nur 34 Jahren im syrischen Antiochia. Sein überraschender Tod löste im gesamten Römischen Reich eine Welle der Trauer und der Verzweiflung aus.[1] So initiierte die Bevölkerung Roms, ohne die Beschlüsse des Senats abzuwarten, ein spontanes iustitium: Alle öffentlichen Aktivitäten wurden eingestellt, die Märkte verlassen, und die Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück.[2] Sueton berichtet gar, dass an Germanicus’ Todestag Steine gegen die Tempel geschleudert und Altäre der Götter umgestürzt wurden. Einige Leute warfen die Laren auf die Straße und Kinder, die an diesem Tag zur Welt gekommen waren, wurden ausgesetzt.[3]

 

Die öffentliche Erregung steigerte sich noch aufgrund der rätselhaften Umstände, unter denen Germanicus zu Tode kam.[4] Diese öffneten Gerüchten und Verdächtigungen Tür und Tor. Die Menschen waren davon überzeugt, dass sein Tod keines natürlichen Ursprungs gewesen sei, und ein Verantwortlicher war bald gefunden: Tiberius, Princeps und Adoptivvater des Getöteten, habe ihn ermorden lassen. Sein Motiv war eindeutig, denn mehrmals schon habe er sein Missfallen gegenüber Germanicus kaum verbergen können.[5] „…es missfalle eben den Herrschenden das leutselige Wesen der Söhne,[6] und aus keinem anderen Grund seien sie beseitigt worden, als weil sie darauf hingearbeitet hätten, das römische Volk durch Rückgabe der Freiheit rechtlich auf die gleiche Stufe zu stellen.“[7]

 

Die Ermordung des Germanicus stellt den Höhepunkt einer Reihe von Vorwürfen dar, die Tacitus gegen den Kaiser vorbringt und die die Grundlage seiner negativen Tiberius-Darstellung ausmachen. Sie ist geprägt durch einen Princeps, der sich angeblich durch tyrannische Willkür und niederste Gefühle leiten lässt.[8] Dem Bild des ränkeschmiedenden, verschlossenen und ewig misstrauischen Tiberius stellt Tacitus die leuchtende Heldengestalt des Germanicus kontrastiv gegenüber.[9] Germanicus, leutselig und beliebt bei Volk und Soldaten, hat mehr als irgendein anderer unter dem Hass und der Eifersucht des Kaisers zu leiden[10] und fällt diesen letzten Endes zum Opfer.

 

Dieses Schwarz-Weiß-Portrait bestimmt nicht nur die erhaltene Überlieferung, sondern hat auch die Forschung stark beeinflusst. Kaum ein Autor blieb unberührt vom Germanicus-Lob des Tacitus,[11] und seine Wertung wurde häufig unkritisch übernommen.[12] Dies liegt zum einen daran, dass eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema durch das fast völlige Fehlen einer parallelen Überlieferung erschwert wird. Denn die „Annalen“ sind die einzige Quelle, die sich ausführlich mit dem Verhältnis zwischen Tiberius und Germanicus auseinandersetzt.[13] Zum anderen war Tacitus’ Wertung vielen Autoren sehr willkommen, bot sich mit der Idealisierung des Germanicus doch die Möglichkeit, der Niedertracht des Kaisers etwas entgegen zu setzen.[14]

 

Der kritiklose Umgang mit den Quellen hat vor allem in der jüngeren Forschung dazu geführt, dass sich immer mehr Autoren der „Ehrenrettung“ des Tiberius verpflichtet fühlten. Resultat davon war eine tiberiusfreundliche Auslegung des Tacitus, der anhand seiner eigenen Aussagen gegen seine Überzeugungen verwendet wurde.[15] Weitgehende Interpretationen meinen gar, „von irgendwelchen Gegensätzen oder Mißstimmungen zwischen Germanicus und Tiberius [sei] nicht das geringste zu bemerken.“[16] Wieder andere behaupten, Germanicus sei von Tacitus als potentieller Tyrann gezeichnet worden, während Tiberius lediglich Opfer seiner Gutgläubigkeit und seines schwierigen Charakters gewesen sei.[17]

 

Doch welche dieser Auslegungen ist glaubwürdig und wie war es tatsächlich um die Beziehung zwischen Tiberius und Germanicus bestellt? Wurde Tiberius in seinem Verhalten gegenüber Germanicus wirklich allein durch Eifersucht und Misstrauen getrieben und war Germanicus ausschließlich Opfer eines tyrannischen Princeps? Waren die Verhältnisse genau umgekehrt? Oder finden sich Argumente, die ein differenzierteres Bild vom Verhältnis beider Männer nahe legen, die Existenz eines Konflikts gar generell in Frage stellen?

 

Diesen Fragen gilt es im Folgenden auf den Grund zu gehen. Im Mittelpunkt meiner Untersuchung werden die wichtigsten Etappen und Ereignisse im Verhältnis zwischen Tiberius und Germanicus stehen. Ausgehend von Tacitus’ Bericht ist in einer Analyse der Meuterei am Rhein, der Germanienfeldzüge und der Orient-Mission des Germanicus danach zu fragen, ob Unstimmigkeiten zwischen beiden Männern bestanden und, wenn ja, worauf diese zurückzuführen sind. Dabei gilt es, trotz einseitigen und tendenziösen Quellenmaterials auf eine möglichst ausgewogene Bewertung der Tiberius-Germanicus-Beziehung zu schließen. Eine Untersuchung der Vorwürfe, denen Tiberius nach dem Tod des Germanicus ausgesetzt war, schließt die Arbeit ab.

 

1. DIE ADOPTION DES GERMANICUS DURCH TIBERIUS

 

Folgt man Tacitus, wurde Tiberius’ Beziehung zu Germanicus von der Angst des Kaisers vor einem Rivalen dominiert.[18] Misstrauen und Neid waren ein Resultat der Furcht vor dem jüngeren und beliebteren Konkurrenten.

 

Der Ursprung dieser Angst ist vermutlich schon in der Regierungszeit des Augustus anzusetzen: Germanicus erfreute sich der besonderen Gunst des ersten Princeps und wurde von ihm mit bedeutenden Aufgaben bedacht.[19] Unter anderem durfte er die Magistraturen schon vor der gesetzlichen Zeit übernehmen und wurde für seine frühen Verdienste auf dem Schlachtfeld und in der Politik mit vielfachen Auszeichnungen belohnt.[20] Tiberius hingegen musste stets um die Anerkennung des Augustus kämpfen. Obwohl politisch durch eine beachtliche Karriere aufgewertet, brachte der Kaiser seine Vorbehalte gegenüber Livias Sohn durch dessen Zurücksetzung immer wieder zum Ausdruck.[21]

 

Dies wird vor allem in der Nachfolgepolitik des Augustus deutlich. Sein Ziel war, die neu geschaffene Herrschaftsform des Prinzipats dauerhaft in der domus Augusta zu verankern.[22] Diesem Prinzip folgend, hatte Augustus immer wieder versucht, seine Stellung an einen direkten Nachkommen seiner Linie weiterzugeben. Mehrmals musste er sich nach einem neuen Erben umsehen, da sein designierter Nachfolger verstarb.[23] Sein letzter Ausweg war die Berufung des Tiberius, den er am 26. Juni 4 n. Chr. adoptierte.[24] Diese Adoption hatte jedoch einen bitteren Beigeschmack, da sie an eine Bedingung geknüpft war: Tiberius wurde gezwungen, seinerseits seinen Neffen Germanicus zu adoptieren, „obwohl in der Familie des Tiberius ein jugendlicher Sohn lebte“.[25]