Tiergestützte Interventionen in Hilfekontexten Sozialer Arbeit - Katrin Schnegelberger - E-Book

Tiergestützte Interventionen in Hilfekontexten Sozialer Arbeit E-Book

Katrin Schnegelberger

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Beschreibung

Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Frankfurt University of Applied Sciences, ehem. Fachhochschule Frankfurt am Main, Sprache: Deutsch, Abstract: Tiere werden in der Praxis Sozialer Arbeit bereits seit über 200 Jahren in den unterschiedlichsten Formen eingesetzt, vor allem bei Kindern sowie bei alten und behinderten Menschen. „In Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe werden zunehmend Tiere wie Esel, Pferde oder auch Lamas gehalten, um Kindern und Jugendlichen förderliche Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Schulen bieten Projekte mit Schulhunden an“. Des Weiteren werden Tiere im Rahmen von Freizeitprogrammen für Kinder angeboten, wie in Form von Reiterhöfen und auch für behinderte Menschen gibt es zahlreiche Angebote. Assistenztiere sollen den Alltag von Menschen mit Behinderung erleichtern, so z. B. Blindenführhunde oder Behindertenbegleithunde. Die Praxis wird in der Wissenschaft der Fachdisziplin Soziale Arbeit jedoch nicht zum Thema gemacht und bedient sich daher anderen Wissenschaftsdisziplinen, was zur Folge hat, dass „ein eigenständiger sozialarbeitswissenschaftlicher Fachdiskurs“ nicht entstehen kann. Der Fokus in dieser Arbeit wird auf tiergestützte Interventionen gelegt, die in der Sozialen Arbeit Anwendung finden bzw. vermehrt finden könnten, denn ein Großteil tiergestützter Arbeit ist therapeutisch angelehnt und tiergestützte Pädagogik, die meist bei Kindern und Jugendlichen angewandt wird, deckt nur einen kleinen Teilbereich der Möglichkeiten Sozialer Arbeit ab. Tiergestützte Interventionen sind Maßnahmen, die unter Einbezug eines Tieres erfolgen (s. Kap. 1.3). Das Klientel ist sehr breit gefächert und überschneidet sich mit dem Klientel, das auch zum Großteil in der Sozialen Arbeit zu finden ist. Otterstedt (2001) befasst sich in großem Umfang mit den Zielgruppen, welche einen Nutzen aus der Begegnung mit einem Tier ziehen können, die im Laufe dieser Arbeit noch dargestellt werden. Darunter fallen auch Menschen mit autistischen Störungen (s. Kap. 5.1). Nach der ICD-10 (Internationales Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation) sind dies tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die sich „durch deutliche Auffälligkeiten im Bereich der sozialen Interaktion und Kommunikation“ sowie durch ein sich ständig wiederholendes Verhalten auszeichnen.[...]

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Inhaltsverzeichnis

 

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1 Historische Entwicklung tiergestützter Interventionen

1.1 Aktueller Stand der Fachdiskussion

1.2 Forschungsdesiderat, -frage und -design

1.3 Tiergestützte Interventionen

1.3.1 Voraussetzungen

1.3.2 Zielgruppen

1.3.3 Geeignete Tiere

1.4 Formen tiergestützter Interventionen

1.4.1 Tiergestützte Therapie (TGT)

1.4.2 Tiergestützte Pädagogik (TGP)

1.4.3 Tiergestützte Förderung (TGF)

1.4.4 Tiergestützte Aktivität (TGA)

2 Tiergestützte Interventionen mit Hunden

2.1 Service- und Assistenzhunde

2.2 Begleithunde

2.3 Warn- und Signalhunde

3 Konzepte der Mensch-Tier-Beziehung

3.1 Du-Evidenz

3.2 Die Biophilie-Hypothese

3.3 Ableitungen aus der Bindungstheorie

4 Kommunikation

4.1 Kommunikation zwischen Mensch und Tier

4.2 Kommunikation zwischen Mensch und Hund

5 Autismus

5.1 Autistische Störungen

5.2 Frühkindlicher Autismus

6 Tiergestützte Interventionen bei Kindern mit frühkindlichem Autismus

6.1 Mögliche Auswirkungen eines Hundes auf das Wohlbefinden autistischer Kinder

6.2 Möglichlichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

6.3 Chancen für Fachkräfte Sozialer Arbeit

Fazit

Literaturverzeichnis

Webliographie

Anhang

Eidesstattliche Erklärung

 

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

 

Tiere werden in der Praxis Sozialer Arbeit bereits seit über 200 Jahren in den unterschiedlichsten Formen eingesetzt, vor allem bei Kindern sowie bei alten und behinderten Menschen[1]. „In Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe werden zunehmend Tiere wie Esel, Pferde oder auch Lamas gehalten, um Kindern und Jugendlichen förderliche Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Schulen bieten Projekte mit Schulhunden an“[2]. Des Weiteren werden Tiere im Rahmen von Freizeitprogrammen für Kinder angeboten, wie in Form von Reiterhöfen und auch für behinderte Menschen gibt es zahlreiche Angebote. Assistenztiere sollen den Alltag von Menschen mit Behinderung erleichtern, so z. B. Blindenführhunde oder Behindertenbegleithunde[3]. Die Praxis wird in der Wissenschaft der Fachdisziplin Soziale Arbeit jedoch nicht zum Thema gemacht und bedient sich daher anderen Wissenschaftsdisziplinen, was zur Folge hat, dass „ein eigenständiger sozialarbeitswissenschaftlicher Fachdiskurs“[4] nicht entstehen kann[5].

 

Der Fokus in dieser Arbeit wird auf tiergestützte Interventionen gelegt, die in der Sozialen Arbeit Anwendung finden bzw. vermehrt finden könnten, denn ein Großteil tiergestützter Arbeit ist therapeutisch angelehnt und tiergestützte Pädagogik, die meist bei Kindern und Jugendlichen angewandt wird, deckt nur einen kleinen Teilbereich der Möglichkeiten Sozialer Arbeit ab. Tiergestützte Interventionen sind Maßnahmen, die unter Einbezug eines Tieres erfolgen (s. Kap. 1.3)[6]. Das Klientel ist sehr breit gefächert und überschneidet sich mit dem Klientel, das auch zum Großteil in der Sozialen Arbeit zu finden ist. Otterstedt (2001) befasst sich in großem Umfang mit den Zielgruppen, welche einen Nutzen aus der Begegnung mit einem Tier ziehen können, die im Laufe dieser Arbeit noch dargestellt werden[7]. Darunter fallen auch Menschen mit autistischen Störungen (s. Kap. 5.1). Nach der ICD-10 (Internationales Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation) sind dies tief-greifende Entwicklungsstörungen, die sich „durch deutliche Auffälligkeiten im Bereich der sozialen Interaktion und Kommunikation“ sowie durch ein sich ständig wiederholendes Verhalten auszeichnen[8]. Hat ein Mensch eine autistische Störung, so zeigen sich diese Auffälligkeiten bereits in der frühen Kindheit und festigen sich besonders innerhalb der ersten fünf Lebensjahre. Durch eine Reihe von Behandlungen sind zwar Verbesserungen möglich, jedoch keine Heilung, da Autismus keine Krankheit ist, die wieder vergeht, sondern eine angeborene Entwicklungsstörung[9]. An dieser Stelle setzen Tiergestützte Interventionen an, da bereits die bloße Anwesenheit eines Tieres das Wohlbefinden von Menschen positiv beeinflussen kann[10]. Dies wird in der vorliegenden Bachelor-Thesis genauer betrachtet. Nachdem der aktuelle wissenschaftliche Stand dargelegt wurde, werden unbearbeitete Bereiche erläutert sowie im anschließenden Forschungsdesign die genaue Vorgehensweise besprochen.

 

Den Einstieg in die Thematik liefern zunächst ein Überblick über die historische Entwicklung Tiergestützter Interventionen sowie der aktuelle Stand der Fachdiskussion. Darauf folgt das Forschungsdesiderat, die zu bearbeitende Forschungsfrage und schließlich das Forschungsdesign, das die Rahmenbedingungen vorgibt. Zu Beginn werden wichtige Begriffe geklärt: zuerst tiergestützte Interventionen, innerhalb derer auch Zielgruppen, Voraussetzungen und geeignete Tiere angesprochen werden. Anschließend werden die unterschiedlichen Formen Tiergestützter Arbeit dargestellt sowie die verschiedenen Möglichkeiten des Einsatzes von Hunden erläutert. Die Auseinandersetzung mit Konzepten der Mensch-Tier-Beziehung bildet einen Versuch, die Verbindung zwischen Mensch und Tier zu erklären. Im Anschluss wird Kommunikation mithilfe des Konzeptes von Watzlawick definiert und anhand dessen die Kommunikation zwischen Mensch und Tier kritisch hinterfragt. Darauf folgt eine Betrachtung der Kommunikation bezogen auf den Hund. Der Einbezug der Entwicklungstörung frühkindlicher Autismus bietet den Kontext zur Sozialen Arbeit. Dazu werden zunächst die Begriffe Autismus und autistische Störungen definiert, bevor auf frühkindlichen Autismus im Speziellen eingegangen wird. Im letzten Kapitel wird der Bezug von hundegestützten Interventionen zu Kindern mit frühkindlichem Autismus hergestellt und die in Kap. 1.2 genannte Fragestellung bearbeitet. Im Fazit werden schließlich die Ergebnisse der daraus generierten Erkenntnisse zusammengefasst und gefundene Antworten sowie offene Fragen besprochen. Des Weiteren gibt es einen kurzen Ausblick in die Zukunft tiergestützter Interventionen und eine Prognose für deren weitere Entwicklung. Aufgrund der einfacheren Lesbarkeit wird in dieser Ausarbeitung ausschließlich die männliche Form verwendet.

 

1 Historische Entwicklung tiergestützter Interventionen

 

Tiere sind schon immer die Begleiter des Menschen, ob als Nutz-, Last- oder Haustiere. Während manche Tierarten (z. B. Schweine, Rinder, Hühner) in Deutschland bis heute als Nutztier gehalten werden, diente der Hund zunächst als Gefährte bei der Jagd, wurde schließlich zum Haustier und damit zum Familienmitglied[11]. Der Stellenwert bzw. der Nutzen eines Tieres ist jedoch in jedem Land unterschiedlich. Die Kuh dient in Deutschland als Nutztier, den Menschen in Indien ist sie jedoch heilig und dürfte dort niemals getötet oder gar geschlachtet und gegessen werden. Auch der Hund, der in dieser Arbeit eine große Rolle spielt, genießt nicht in allen Ländern einen so hohen Status wie in Deutschland und wird in manchen Kulturen noch heute als Nahrungsquelle genutzt[12]. Die Domestizierung des Hundes erfolgte bereits in der Altsteinzeit, was ihn zu einem der ältesten Haustiere überhaupt macht. Der entscheidende Grund für seine Domestizierung konnte jedoch bis heute nicht genau herausgefunden werden[13]. Seine gute Anpassungsfähigkeit an den Menschen trug maßgeblich dazu bei, dass sich der Hund nicht nur als Haustier durchsetzte, sondern mittlerweile auch innerhalb tiergestützer Interventionen einen hohen Stellenwert einnimmt[14]. Die Katze hingegen galt zwar in Ägypten bereits als heilig und wurde verehrt, ihre Domestizierung erfolgte jedoch erst wesentlich später. Ihr schrieb man lange Zeit Untreue zu, da sie im Vergleich zum Hund eher zu den Einzelgängern zählte, die ihr Herrchen nicht freudig begrüßte. Der Katze wurde daher selbst 1958 noch unterstellt, keine Bindung zum Menschen aufbauen zu können, wie dies der Hund von sich aus macht. Mittlerweile wird jedoch auch sie im Rahmen tiergestützter Interventionen eingesetzt, bei denen Menschen den Kontakt zum Tier zwar zu schätzen wissen, aber nicht erzwingen wollen, da Katzen lieber von sich aus den Kontakt zum Menschen suchen[15]. Vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika sowie in Österreich und der Schweiz finden tiergestützte Interventionen bereits seit einigen Jahren Anwendung. „Die positive, fördernde und oftmals tatsächlich heilsame Wirkung von Tieren auf den Menschen allgemein, auf Menschen mit Störungen und Beeinträchtigungen im Besonderen steht dort außer Frage“[16]. Diese Entwicklung konnte in den letzten Jahren auch zunehmend in Deutschland beobachtet werden. So sind sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf Seiten der Praxis Fortschritte zu beobachten, die auf einen positiven Effekt beim Menschen durch Einsatz eines Tieres abzielen[17]. Die Umsetzung tiergestützer Interventionen begann bereits in den angelsächsischen Staaten, wo auch die wissenschaftliche Erforschung des Einbezuges von Tieren als Helfer und Heiler ihren Anfang fand. Durch die erfolgreiche Anwendung, die der Wissenschaft vorausging, wurden schließlich diverse Forschungs-initiativen gegründet. So wurden Tiere bereits im achten Jahrhundert in Belgien für therapeutische Zwecke eingesetzt[18]. In England wurde im 18. Jahrhundert von Quäkern eine Einrichtung namens „York Retreat“ gegründet, in der sich Geisteskranke um Gärten kümmerten und Kleintiere versorgten, denn die Mönche des Klosters York waren der Meinung, dass „den in der Seele und am Körper Beladenen ein Gebet und ein Tier“ helfe[19]. Im 19. Jahrhundert öffnete schließlich in Deutschland eine Einrichtung für Epileptiker, in der Hunde, Katzen, Schafe und Ziegen gehalten wurden und in der man von der heilenden Wirkung von Tieren überzeugt war. Die Erfahrungen dieser Einrichtung wurden jedoch nicht dokumentiert und waren für die Wissenschaft daher unbrauchbar, sodass Theorien erst wesentlich später entstanden sind[20].