Tiffany Pure Lust Band 16 - Lisa Childs - E-Book

Tiffany Pure Lust Band 16 E-Book

LISA CHILDS

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Beschreibung

AFFÄRE MIT DEM GEGNER von LISA CHILDS

Star-Anwalt Stone Michaelsen ist außer sich vor Wut! Wie hat es Hillary Bellows nur geschafft, das Alibi seines Mandanten zu zerpflücken? Als er die verführerische Staatsanwältin zur Rede stellen will, liegt pure Leidenschaft in der Luft. Obwohl beide vor Gericht erbitterte Gegner sind, beginnt eine rasante Affäre ...

UNDERCOVER IN DEINEM BETT von CATHRYN FOX

Tate Carson ist vollkommen sicher: Ärztin Dr. Summer Love hat es nur auf das Geld seines Großvaters abgesehen! Schon der Name klingt nicht echt. Undercover verfolgt er sie bis nach St. Moritz, um ihr das Handwerk zu legen. Dort kommt er ihr näher – fast zu nah!

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Lisa Childs, Cathryn Fox

TIFFANY PURE LUST BAND 16

IMPRESSUM

TIFFANY PURE LUST erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage 2024 in der Reihe TIFFANY PURE LUST, Band 16

© 2018 by Lisa Childs Originaltitel: „Legal Passion“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Christian Trautmann Deutsche Erstausgabe 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA CLUB, Band 29

© 2019 by Cathryn Fox Originaltitel: „On His Knees“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Peter Groth Deutsche Erstausgabe 2021 by Harper Collins Deutschland GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA CLUB, Band 52

Abbildungen: HansPeterK / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751523691

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL

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Affäre mit dem Gegner

1. KAPITEL

„Ich werde Ihnen beweisen, dass dieser Mann böse ist“, erklärte die Staatsanwältin und deutete zum Tisch der Verteidigung.

Stone Michaelsen hatte das unbehagliche Gefühl, dass sie auf ihn zeigte statt auf seinen Klienten. Er hätte da nicht einmal widersprechen können. Er war ein böser Mann – manchmal.

Gerade jetzt zum Beispiel, während er Hillary Bellows dabei beobachtete, wie sie die Jury bearbeitete, hätte er gern schlimme Dinge mit ihr angestellt. Sie war verdammt sexy in ihrem himmelblauen Kostüm, das perfekt zu ihren himmelblauen Augen passte. Der Rock umspannte fest ihren gerundeten Po, während die Jacke sich nicht ganz über ihren vollen Brüsten schloss und ihr cremefarbenes Camisole sehen ließ. Ihr gehörte die ungeteilte Aufmerksamkeit jedes männlichen Jurymitglieds und, da sie ernsthaft argumentierte, auch die der Frauen. Als sie sich wieder schwungvoll zur Jury umdrehte, strich ihr das kinnlange blonde Haar über die Wange. Es sah so seidig aus, dass Stone versucht war, es zu berühren. Sie zu berühren.

Doch wie immer, wenn er ihr im Gerichtssaal begegnete, musste er dem Drang widerstehen, dieser verrückten Anziehung nachzugeben. Hillary Bellows war strikt tabu. Und selbst wenn sie es nicht wäre: Sie hatte überdeutlich klargemacht, dass sie nicht viel von ihm hielt. Er würde ordentlich seinen Charme spielen lassen müssen, um ihre Meinung von ihm zu ändern.

Und im Gegensatz zu seinen Kanzleipartnern war Stone als Charmeur eher kein Naturtalent. Er war zu offen und freimütig, um anderen zu schmeicheln und Komplimente zu verteilen. Genau wie Hillary.

Sie fuhr mit ihrem Eröffnungsplädoyer fort: „Ich werde zweifelsfrei beweisen, dass der Angeklagte seine junge Frau in eifersüchtiger Raserei umgebracht hat. Der Anwalt des Angeklagten, Stone Michaelsen von der berühmt-berüchtigten Kanzlei Street Legal, wird mit allen Mitteln versuchen, Ihnen seinen Klienten als unschuldig darzustellen, denn er und seine Partner tun alles, um zu gewinnen.“

Stone konnte gerade noch verhindern, dass er zusammenzuckte. Es war selbst für Hillarys Verhältnisse unter der Gürtellinie, die jüngsten Probleme seiner Firma gegen ihn zu verwenden. Dabei waren diese Probleme nicht einmal durch eigenes Verschulden entstanden. Es gab einen Maulwurf in der Kanzlei, jemanden, der ihre Fälle sabotierte und sie dadurch vor Gericht schlecht dastehen ließ. Hätte Hillary Zugang zu den Fall-Akten, hätte er glatt sie für die undichte Stelle gehalten.

Sie schien einen Groll gegen ihn zu hegen, weil er sie schon so oft vor Gericht geschlagen hatte – ihre einleitende Argumentation kam ihm eher wie ein persönlicher Angriff vor als wie eine Zusammenfassung des Falles, den sie vertrat.

„Genau wie seine Partner“, fuhr Hillary fort, „wird Stone Michaelsen die Medien und andere Tricks einsetzen, um diesen Fall zu gewinnen. Denn er hat keine Beweise.“

Er ließ sich nichts anmerken. Später am Tag hatte er ein Meeting mit Allison McCann von McCann Public Relations. Sie würden über seine nächste Presseverlautbarung sprechen. Die Presseagentin hatte bereits Statements herausgegeben, weil die Anklage über die Tatsache hinweggegangen war, dass sein Klient für den Zeitpunkt des Mordes ein wasserdichtes Alibi besaß. Byron Mueller hätte niemals angeklagt werden dürfen. Aber wegen dieses Alibis würde es ein leichter Sieg für Stone werden und eine weitere Niederlage für Hillary.

Vielleicht klang sie deshalb so bitter in ihrem Eröffnungsplädoyer. Sie wusste, dass sie verlieren würde, wie bisher jedes Mal, wenn er und sie vor Gericht aneinandergeraten waren. Was, wenn er einmal auf andere Weise mit ihr aneinandergeriet? Bildlich? Wenn all diese üppigen Kurven an seinen Körper gepresst würden?

Jetzt musste er sich ein Lächeln verkneifen. Die Jury durfte nicht glauben, er sehe selbstzufrieden aus, obwohl er sich genau so fühlte.

Aber auch Hillary sah ziemlich selbstzufrieden aus. Erneut blickte sie zu ihm statt zu seinem Klienten, und da war ein belustigtes Glitzern in ihren Augen. Was zum Geier fand sie denn so amüsant?

Ganz sicher nicht die Tatsache, dass sie den Fall verlieren würde. Das konnte sie angesichts ihres Ehrgeizes überhaupt nicht witzig finden.

Dann wandte sie sich von ihm ab und konzentrierte sich wieder auf die Jury. Sie senkte die Stimme, als vertraue sie den Jurymitgliedern ein großes Geheimnis an. „Auch das Alibi, das sein Klient für die Zeit des Mordes zu haben behauptet, wurde durch Beweise aus Mr. Michaelsens eigenen Fallunterlagen erschüttert.“

Wovon redete sie da? Stone sprang auf und protestierte. „Einspruch, Euer Ehren. Die Staatsanwältin macht eine belastende Aussage …“

„Die ich beweisen kann“, fiel Hillary ihm ins Wort.

Der Hammer sauste herunter. „Dies ist Miss Bellows Eröffnungsplädoyer, Mr. Michaelsen. Sie werden während der Verhandlung Gelegenheit haben, Ihren Klienten zu verteidigen.“

„Klingt eher so, als bräuchte ich einen Verteidiger“, brummte Stone und setzte sich widerwillig.

„Mr. Michaelsen …“, ermahnte der Richter ihn scharf. Harrison war schon sehr lange vorsitzender Richter, wahrscheinlich zu lange. Die noch auf seinem Kopf verbliebenen Haare waren weiß, und sein Gesicht war faltig vor Alter und Missbilligung.

Es war nie gut für Stone, wenn er Harrison als Richter bekam. Trotzdem musste er sich ihm fügen.

„Bitte erinnern Sie Miss Bellows daran, dass nicht meine Kanzlei hier vor Gericht steht, sondern mein Klient“, sagte er.

Der Richter verzichtete auf eine verbale Verwarnung und begnügte sich mit einem eindringlichen Blick, den Hillary mit zu schmalen Schlitzen zusammengekniffenen blauen Augen an Stone weitergab. Allerdings erschien die Andeutung eines Lächelns auf ihren Lippen. Offenbar genoss sie es, ihn zu piesacken.

Er stellte fest, dass sich sein Puls beschleunigt hatte, und zwar nicht nur wegen des unter großer medialer Beachtung stehenden Gerichtsverfahrens, sondern auch aus Begeisterung darüber, Hillary wiederzusehen. Er hatte sie schon zuvor besiegt, aber leicht war es nicht gewesen. Als Anwältin hatte sie sich als seine größte Herausforderung erwiesen.

Und als Frau …

Nein. Da sie Staatsanwältin war und in diesem Fall seine Gegnerin, durfte er sie nicht als Frau sehen. Nur war das verdammt hart.

Er hätte nichts dagegen, wenn Hillary unter seine Gürtellinie ginge, solange sie es nicht mit Schlägen tat. Wow, es wäre wirklich nicht schlecht, wenn sie unter seinen Gürtel und Reißverschluss ginge! In seine Boxershorts …

Stones Klient stupste ihn am Arm. „Das sieht nicht gut aus“, murmelte er ehrlich besorgt. „Wovon redet sie da? Dass Ihre Fall-Akten mein Alibi widerlegen?“

„Ich habe keine Ahnung“, flüsterte Stone zurück. Doch er würde es herausfinden.

„Mr. Michaelsen, Miss Bellows hat das Wort. Sie und Ihr Klient können Ihre Diskussion im Anschluss an den heutigen Verhandlungstag fortsetzen.“

Stone zuckte zusammen. Fabelhaft. Jetzt hatte er auch noch den Richter verärgert. Allerdings machte Richter Harrison immer einen verärgerten Eindruck, auch schon vor der Verhandlung.

Stone drückte den Arm seines Klienten, um ihn zu beruhigen. Doch plötzlich sah man Byron Mueller jedes einzelne seiner über sechzig Jahre an. Der Milliardär war bekannt für seine aufbrausende Art, nur war er vorher noch nie in Schwierigkeiten geraten, die sich nicht mit Geld beheben ließen. Indem er Stone und Street Legal engagierte, hatte er wohl auch diesmal gehofft, sich herauskaufen zu können. Aber eine Mordanklage war eine ernste Sache.

Und Hillary Bellows auch, während sie in ihrem Eröffnungsplädoyer sämtliche Gründe aufzählte, aus denen die Jury seinen Klienten für schuldig befinden sollte. Wobei ihr wichtigster Grund Stone zu sein schien – als hätte Byron Mueller ihn nicht engagiert, wenn er nicht schuldig wäre.

Das Problem war: Er war es wirklich nicht. Was auch immer Hillary glaubte, aus Stones Fall-Akten erfahren zu haben – das Alibi war echt. Byron war unschuldig, und Stone hatte die Absicht, das auch zu beweisen. Sollte es Hillary gelingen, das Alibi zu kippen, würde das verdammt hart werden … beinah so hart wie Stone wurde, während er die schöne Staatsanwältin bei der Arbeit beobachtete.

Hillary Bellows kümmerte sich nicht darum, wie spät es war. Sie war kein bisschen müde. Das verhinderte ihre Aufregung. Sie konnte nicht aufhören zu grinsen. Diesmal würde sie gewinnen. Stone Michaelsen würde seinen Klienten nicht heraushauen, wie es ihm schon bei so vielen zuvor gelungen war.

Sie lehnte sich in ihrem Schreibtischsessel zurück und dachte an den verblüfften Ausdruck in seinem lächerlich attraktiven Gesicht während ihres Eröffnungsplädoyers. Sie hatte ihn überrascht, was sie ein wenig beunruhigte. Wie war sie an diese Information gelangt, wenn nicht durch seine Kanzlei?

Es spielte keine Rolle.

Sie würde gewinnen. Natürlich würde sie das nicht auf die Art feiern können, wie sie es gern getan hätte – mit Stone, der es ihr besorgte. Er sah so verdammt gut aus mit seinen vollen schwarzen Haaren und den dunkelgrauen Augen. Und dieser Körper …

Mit den breiten Schultern, der muskulösen Brust und den trainierten Armen und Beinen war sein Körper ebenso lächerlich vollkommen wie sein Gesicht.

Wie schaffte er es, derart gut in Form zu bleiben? Er verhandelte ständig einen Fall vor Gericht, also musste er fast so hart arbeiten wie sie. Und sie fand nie die Zeit, ins Fitnessstudio zu gehen. Wie machte er das?

Er musste häufig Gewichte stemmen. Viele Gewichte …

Oder er stemmte viele Frauen. Zu gern hätte sie sich von ihm stemmen lassen – von diesen starken Armen tragen lassen, mühelos, in sein Schlafzimmer.

Sie gab einen verächtlichen Laut von sich wegen dieser Fantasie. Und genau das würde es auch bleiben: nur eine Fantasie. Dummerweise gab sie sich diesen Fantasien über Stone Michaelsen sehr oft hin.

Sie seufzte wehmütig und griff nach dem Schokoriegel, der ihr Abendessen war. Oder eher das Dessert, da die Abendbrotzeit schon eine Weile vorbei war. Sie schloss die Augen, als die dunkle Schokolade auf ihrer Zunge schmolz und ihre Geschmacksknospen mit dem Kontrast von süß und bitter neckte. Ein genüsslicher Seufzer entwich ihr.

Ein Stöhnen kam als Echo zurück.

Vor Schreck zuckte sie zusammen und fiel fast aus dem Sessel, als sie die Augen öffnete und Stone Michaelsen entdeckte, der im Türrahmen ihres Büros lehnte. Sie hatte die Tür nicht offen gelassen, das tat sie nie, schon gar nicht, wenn sie Überstunden machte. Aber vielleicht war es eine Dame von der Reinigungscrew gewesen, als sie vorhin den Mülleimer leerte. Hillary hatte gesagt, sie könnten später zum Putzen wiederkommen, doch nahm sie an, dass die Reinigungskräfte inzwischen Feierabend gemacht hatten, denn das war schon vor einer ganzen Weile gewesen.

„Wie in aller Welt sind Sie hier hereingekommen?“, fragte sie.

Warum hatte sie nicht gehört, wie die Tür aufging? Wieso hatte sie nicht gemerkt, dass er sie beobachtete? War sie so sehr beschäftigt gewesen … mit Gedanken an ihn?

Er hob eine seiner breiten Schultern ein wenig an. „Ich bin nicht so ein übler Bursche, dass ich nicht an der Security vorbeikäme“, erwiderte er grinsend. „Besonders, da ich den Enkel des Wachmannes bei einem Drogenverfahren verteidigt habe.“

Sie sah ihn funkelnd an. „Natürlich haben Sie das.“ Und sie vermutete, dass es ihm gelungen war, das Strafmaß zu mildern oder ganz aufzuheben.

Im aktuellen Fall jedoch würde er keine Chance haben auf Strafmilderung oder gar die Einstellung des Verfahrens.

Es gab wohl kaum einen Zweifel daran, dass er deshalb hier war. Sie lehnte sich zurück und musterte ihn. „Lassen Sie mich raten … Sie wollen sich mit mir auf einen Deal einigen.“

„Nein. Ich habe eine Bitte an Sie“, sagte er, trat ein und schloss die Tür.

Der Raum war ohnehin klein, doch nun, da Stone sich darin befand, schien er noch weiter zu schrumpfen. Der Mann war groß, über eins achtzig, und muskulös. Sein volles schwarzes Haar sah zerzaust aus, als sei er sich mit den Händen hindurchgefahren. Oder eine Frau. Und seine grauen Augen blickten so intensiv und konzentriert … auf sie.

Ihr Puls beschleunigte sich, als er sich ihrem Schreibtisch näherte. Er legte die Hände auf die Akten und beugte sich vor, sodass sich sein Gesicht fast auf gleicher Höhe mit ihrem befand. Jetzt raste ihr Puls. Wollte er einen Kuss?

Sie war versucht, ihm entgegenzukommen und ihre Lippen auf seine zu pressen. Aber sie wusste, dass es nicht das war, was er wollte. Er würde – konnte – nicht sie wollen.

Er und seine Kanzleipartner dateten Unterwäschemodels, Modedesignerinnen, Schauspielerinnen und reiche Erbinnen – keine schlecht bezahlten und überarbeiteten Staatsanwältinnen wie sie. Aber das waren das Leben und die Karriere, die sie gewählt hatte, und sie war ganz zufrieden damit. Noch besser war, dass sie Stone nur in ihrer Fantasie haben konnte, denn das war viel sicherer als der echte Stone Michaelsen.

Den echten wollte sie gar nicht. Der war arrogant, rücksichtslos und unmoralisch. Nein, ihr genügte der Mann in ihrer Fantasie, der nicht redete, sondern sie nur küsste und liebkoste.

„Wollen Sie meine Bitte nicht hören?“, fragte er.

Sie atmete tief ein, um sich zur Vernunft zu bringen. Leider nahm sie dadurch nur umso intensiver seinen Duft wahr – Seife, Moschus und eine ganz individuelle Note.

„Um Gnade?“, neckte sie ihn. „Mir gegenüber haben Sie jedenfalls nie welche walten lassen.“

Zumindest nicht vor Gericht. Und nicht in diesen verdammten Presseverlautbarungen, die seine PR-Firma für ihn herausgab. Erstaunlicherweise war heute gar keine erschienen. Dabei hätte sie gedacht, es sei ihm gerade heute wichtiger als sonst, ihren Fall zu diskreditieren.

Nur wusste er natürlich, dass er Beweise aus seiner eigenen Kanzlei nicht diskreditieren konnte. Warum hatte er diese Fakten überhaupt zugänglich gemacht? Es sah ihm nicht ähnlich, sich an die Regeln zu halten oder auch nur fair zu sein.

„Sie sind nicht meine Klientin“, erklärte er. „Ich handle nur Deals für meine Klienten aus.“

Meistens musste er das nicht, weil ihm immer irgendeine Verteidigungsstrategie einfiel, und sei sie noch so abwegig. Irgendwie gelang es ihm stets, die Jury zu überzeugen.

Was führte er wohl diesmal im Schilde? Sie konnte es kaum erwarten, das herauszufinden.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich werde Ihrem Klienten bestimmt keinen Deal anbieten.“ Stone hatte mit seinem Besuch bei ihr nur seine Zeit vergeudet.

„Ich will keinen Deal für ihn“, sagte Stone. „Byron Mueller ist unschuldig.“

Sie gab einen verächtlichen Laut von sich. Wer lebte hier in einer Fantasiewelt? „Wenn Sie diese Lüge oft genug wiederholen, fangen Sie dann an, sie zu glauben?“

Stone warf ihr einen finsteren Blick zu. Offenbar gefiel es ihm gar nicht, Lügner genannt zu werden. Aber er war einer, und Hillary nannte die Dinge stets beim Namen.

„Nein, im Ernst. Ich bin neugierig“, gestand sie. „Ich verstehe nicht, wie Anwälte das machen.“ Wie konnten die jemanden verteidigen, wenn sie von der Schuld dieser Person wussten?

Doch offensichtlich glaubte Stone, sie spreche über etwas anderes, denn er sah amüsiert aus. Er hob eine Braue und senkte die Stimme zu einem sexy Flüstern. „Ich könnte es Ihnen zeigen.“

Für einen kurzen Moment setzte ihr Herz aus. Flirtete er etwa mit ihr?

Aber nein, Stone Michaelsen flirtete nicht. Er war viel zu sehr darauf konzentriert, Gerichtsverhandlungen für sich zu entscheiden – und stets der Beste zu sein. War er im Schlafzimmer genauso?

Musste er der Beste sein?

Das würde sie ohnehin nie herausfinden. Und es war schließlich nicht so, als würde er das andeuten wollen, was sie glaubte. Nein. Sie fantasierte wohl wieder. Er war ja nicht einmal hier, und schon gar nicht machte er irgendwelche zweideutigen Anspielungen. Schnell kniff sie sich unter dem Schreibtisch in den Oberschenkel und versuchte, vor Schmerz nicht das Gesicht zu verziehen.

Nein, sie fantasierte nicht. Es war Realität. Stone Michaelsen war wirklich in ihrem Büro, und er …

… flirtete.

Mit.

Ihr.

2. KAPITEL

Was zur Hölle tat er?

Stone war nicht in das Büro der Staatsanwältin gegangen, um mit Hillary Bellows zu flirten. Er war dort, um Antworten zu bekommen und herauszufinden, was sie meinte, als sie vor Gericht von Dokumenten aus seiner Kanzlei sprach. Jetzt aber wollte er sie nur noch zum Höhepunkt bringen.

Und er selbst wollte auch kommen, unbedingt.

Mit ihr allein zu sein, war eine ziemlich dumme Idee. Aber er war dermaßen in Rage gewesen über ihr Eröffnungsplädoyer, dass nicht in seiner Vorstellungskraft gelegen hatte, dass ihre Wirkung auf ihn ein Problem sein könnte. Dann jedoch sah er sie zurückgelehnt in ihrem Bürostuhl sitzen und seufzen …

Und da konnte er nur noch daran denken, dass er ihr weitere Seufzer entlocken wollte – indem er sie küsste, berührte, …

Ein zartes Pink schoss ihr in die Wangen, während sie ihn ansah, die blauen Augen geweitet – sie war genauso schockiert über seine Worte wie er. Dann stammelte sie: „Ich … ich will nicht wissen, wie Anwälte es machen.“

„Warum nicht?“, fragte Stone. „Weil wir alle unter Ihrer Würde sind?“

Unter ihr … Er stöhnte auf, als ein Bild vor seinem geistigen Auge auftauchte: er unter ihr, während sie ihn wild ritt, auf dem Weg zur Erlösung von dieser Anspannung, die sich längst in ihm aufzubauen begonnen hatte.

Als würde dieses Gerichtsverfahren nicht schon für genug Anspannung sorgen.

Jetzt geriet auch noch diese Anziehung, die er für sie empfand, außer Kontrolle. Die er immer empfunden hatte.

Fühlte sie denn auch etwas?

Sie erschauerte und murmelte: „Ich habe keine Ahnung, wie Sie es machen.“

„Und ich habe Ihnen angeboten, es Ihnen zu zeigen“, sagte er und war genauso überrascht wie beim ersten Mal, als ihm diese Zweideutigkeit herausgerutscht war. Flirtete er etwa?

Die Jungs hätten ihn ausgelacht, wenn sie ihn gehört hätten. Sie zogen ihn ständig damit auf, dass er Frauen nicht mit Worten schmeicheln konnte; sie behaupteten, er nähere sich ihnen direkt und grunze sie an.

„Mr. Michaelsen!“, rief sie.

Und er lachte. „Schauen Sie sich an, Miss Bellows. Ganz die empörte Selbstgerechtigkeit. Jetzt verstehe ich, warum Sie so hart arbeiten. Offenbar wollen Sie eines Tages den Vorsitz im Gericht.“

„Was?“, fragte sie verwirrt.

„Sie wollen Richterin werden“, erklärte er. „Jetzt gerade verurteilen Sie mich zum Beispiel ziemlich schnell.“ Das hätte ein Dämpfer sein sollen für seine Fantasien, stattdessen stellte er sie sich in der schwarzen Robe vor, mit nichts darunter …

Außer seinen Händen.

Er war dabei, den Verstand zu verlieren. Und das war alles ihre Schuld. Sie löste eine Unruhe in ihm aus, heute noch schlimmer als sonst, und das lag nicht an ihrer Schönheit.

Denn schön war sie wirklich. Wunderschön.

Ihre Augen waren sehr klar, blau und intelligent, umrahmt von langen dunklen Wimpern. Dazu hatte sie ein rundes Gesicht mit ausgeprägten Wangenknochen und einem spitzen kleinen Kinn, das er oft stolz nach vorn geschoben sah. Und voller Selbstgerechtigkeit, die er ihr eben vorgeworfen hatte. Ihre Lippen, die meistens Missbilligung ausdrückten, waren sinnlich, rot und wie zum Küssen geschaffen. Besonders jetzt, mit Schokolade am Mundwinkel …

Er wollte diesen Schokoladenklecks wegküssen. Er wollte sie küssen, so sehr, dass seine Bauchmuskeln angespannt waren und sein Schwanz vor Verlangen pulsierte.

Doch bevor er die Distanz zwischen ihrem und seinem Mund überwinden konnte, sprang sie aus ihrem Sessel auf – als wüsste sie, was er vorhatte. „Ich will Gerechtigkeit“, sagte sie, „für die arme Bethany Mueller und all die anderen Opfer Ihres Klienten.“

Das konnte er verstehen, aber in diesem Fall war Byron wirklich unschuldig. Und Stone glaubte, das Alibi zu haben, das seine Unschuld bewies. „Wenn Sie wirklich Gerechtigkeit wollen für Bethany, sollten Sie die Anklage gegen Byron fallen lassen. Er hat seine Frau nicht umgebracht.“

Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. „Ich wusste, dass Sie deswegen hergekommen sind. Damit die Anklage fallen gelassen oder abgeschwächt wird.“ Enttäuschung flackerte in ihren Augen auf, ungeachtet dieser Behauptung.

Wünschte sie, er hätte sie aus einem anderen Grund besucht? Begehrte sie ihn, wie er sie begehrte?

Seine körperliche Anspannung nahm weiter zu, sein Schwanz pulsierte hinter dem Reißverschluss. Zum Glück trug er noch sein Jackett, sonst hätte sie womöglich gesehen, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Und er hegte keinerlei Zweifel daran, dass sie sich das im Gerichtssaal zunutze machen würde.

Es sei denn, diese Anziehung beruhte auf Gegenseitigkeit.

Ein Schauer überlief ihn, aber er wusste nicht, ob es Furcht war oder Erregung. Wenn sie sich auch zu ihm hingezogen fühlte, bestand kaum Hoffnung, dass er ihr würde widerstehen können.

Es war schwer genug gewesen, als er noch glaubte, diese Anziehung sei einseitig. Doch jetzt …

Er schüttelte den Kopf, aber damit konnte er das Verlangen nach Hillary nicht vertreiben. „Ich bin nicht hier, um auszuhandeln, dass die Anklage abgeschwächt oder fallen gelassen wird“, erklärte er, obwohl es den Fall erheblich vereinfachen würde, wenn sie ihm nur glauben würde, dass Byron Mueller unschuldig war.

„Warum sind Sie dann hier?“, fragte sie. „Sie sprachen von einer Bitte an mich.“

Er hatte eine gehabt, als er hereinkam. Jetzt konnte er nur noch daran denken, den Schokoladenfleck an ihrem Mundwinkel wegzuküssen. Sie war so verdammt sexy.

„Um was wollten Sie mich bitten?“, ließ sie nicht locker.

Er wollte sie um diesen Kuss bitten …

Starrte er etwa ihren Mund an? Hillary war sich nicht sicher, aber es kam ihr so vor, als sei sein Blick darauf gerichtet, auf ihre Lippen. Wollte er sie ebenso dringend küssen wie sie ihn? Wäre sie nicht unvermittelt aufgestanden, hätte sie sich womöglich nach vorn gelehnt und ihre Lippen auf seine gepresst.

Die Versuchung war groß gewesen.

Vorhin hatte sie in ihrem Büro ein wenig gefroren. Jetzt war ihr heiß, als brenne ein Feuer in ihr – seinetwegen. Aus Angst, sie könne ins Schwitzen geraten, zog sie ihre Jacke aus und hängte sie über die Sessellehne.

Stones Augen verdunkelten sich, die Pupillen verdrängten das silbrige Grau, und ein Wangenmuskel zuckte in seinem angespannt wirkenden Gesicht. Ein Bartschatten zeigte sich bereits auf seiner Haut, obwohl er heute Morgen vor Gericht ordentlich rasiert gewesen war. Er wirkte unruhig und gereizt, als beherrsche er sich nur mit Mühe.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich.

Er sah aus, als könne er sich jeden Moment über den Schreibtisch hinweg auf sie stürzen und sie nehmen. Zumindest fand sie, dass er so aussah, aber das konnte natürlich auch an all ihren Fantasien über ihn liegen.

Warum musste er nur so attraktiv sein?

Es war nicht fair, dass der gegnerische Anwalt so unwiderstehlich sexy aussah.

Hillary war Fairness sehr wichtig. Deshalb war sie Anwältin geworden. Sie bezweifelte, dass bei Stone solche altruistischen Gründe ausschlaggebend dafür gewesen waren, dass er Jura studierte und Anwalt wurde. Vermutlich hatten ihn und seine Partner eher Geld denn Gerechtigkeit dazu motiviert, den Anwaltsberuf zu ergreifen. Street Legal war die teuerste Kanzlei in New York City.

Und das sagte einiges.

Deshalb konnten es sich nur Milliardäre wie Byron Mueller leisten, sich von Stone Michaelsen vertreten zu lassen. Der Enkel des Wachmannes musste einen reicheren Verwandten haben, der Stone bezahlte, damit der die Drogen-Anklage abmilderte. Denn Gerechtigkeit interessierte Stone nicht. Hillary war sich nicht einmal sicher, wie sehr Geld ihn wirklich interessierte. Sie vermutete, dass es ihm vor allem ums Gewinnen ging. Und dass er deshalb alles daransetzen würde zu triumphieren.

Daher traute sie ihm durchaus den Versuch zu, sie zu verführen, um seinem Klienten einen Vorteil zu verschaffen. Möglicherweise glaubte er, sie würde Mueller gegenüber nicht so hart sein, wenn er etwas mit ihr anfing. Diese Vorstellung ernüchterte sie; sie war nicht länger trunken vor Begierde nach ihm. Da er noch nie mit ihr geflirtet hatte, schien es sehr wahrscheinlich zu sein, dass er etwas im Schilde führte.

Ihre Herzfrequenz verlangsamte sich, und Müdigkeit überkam sie; es war ein sehr langer Tag gewesen.

„Was wollen Sie, Stone?“, fragte sie und gähnte. „Es ist spät, und ich muss nach Hause.“

„Wartet da jemand auf Sie?“, erkundigte er sich.

Klang er eifersüchtig?

Unsinn, das war nun wirklich zu abwegig. Er war überhaupt nicht an ihr interessiert, sondern spielte nur, um seine Klienten rauszuboxen. Er würde es ihr nicht besorgen … wie sie es gern gehabt hätte und brauchte.

Vielleicht sollte sie sich mit jemandem in ihrem Apartment verabreden. Dwight? Seit sie sich während des Jurastudiums kennengelernt hatten, trafen sie sich gelegentlich: auf einen Drink, um über ihre Fälle zu sprechen oder um Dampf abzulassen. Aber war er inzwischen nicht fest mit einer Frau zusammen?

Nein, sie konnte ihn nicht anrufen. Ein Pflichtverteidiger hatte vor zwei Wochen nach ihrer Nummer gefragt, aber sie hatte sie ihm nicht gegeben. Trotzdem hatte Dwight ihr seine gegeben, oder? Wenn sie die Nummer wiederfand, könnte sie ihn anrufen. Leider wusste sie gar nicht mehr, wie er aktuell aussah.

Außerdem konnte sie an keinen anderen denken als an Stone Michaelsen. Das lag daran, dass er hier war und ihr kleines Büro mit seiner Präsenz, seinem Duft und seinem sexy Körper ausfüllte.

„Das ist eine lange Pause“, bemerkte er. „Ich kann nicht glauben, dass Sie niemanden haben, der auf Sie wartet. Ehemann? Verlobter? Freund?“

„Ich habe ja gar nicht gesagt, dass niemand auf mich wartet“, konterte sie.

„Nein“, pflichtete er ihr bei. „Sie haben nichts gesagt.“ Er schien darauf zu warten, dass sie etwas sagte.

Seine Beharrlichkeit entlockte ihr ein Lächeln. „Das ist eine sehr persönliche Frage“, entgegnete sie. „Und wir wollen doch nicht persönlich werden, Stone.“

Sie mochte mit einem anderen Anwalt etwas trinken oder essen gewesen sein. Aber nicht mit ihm. Jedes Mal, wenn er sie nach einem Fall bat, mit ihm auszugehen, lehnte sie ab.

Sie hatte den Verdacht gehabt, dass er doch bloß mit seinem Triumph angeben wollte. Und sie war zu wütend gewesen über die Niederlage der Gerechtigkeit.

Erneut funkelten seine Augen. War es Begierde, oder bildete sie sich das nur ein? „Mir gefällt, wie Sie meinen Namen sagen“, murmelte er mit rauer Stimme.

Jetzt erschauerte sie. Allerdings trug sie auch nur ein dünnes Camisole, da sie ja ihre Jacke ausgezogen hatte. Sein Blick wanderte zu der Stelle, wo sich ihre Brustwarzen durch den Spitzen-BH schoben und unter der Seide ihres Camisoles abzeichneten.

„Sto… Mr. Michaelsen“, sagte sie und legte denselben warnenden Ton in ihre Stimme wie Richter Harrison ihm gegenüber am Nachmittag.

Er grinste. „Oh, Hillary … ich glaube, wir könnten Spaß haben, wenn wir persönlich würden.“

Schon wieder wurde ihr heiß, im Gesicht, am ganzen Körper. Sowohl ihre Beherrschung als auch ihre Geduld ließen nach. „Warum sind Sie hier?“

Er antwortete nicht, sondern sah sie unverwandt mit diesem sündigen Glimmen in den Augen an.

„Wenn Sie es mir nicht verraten, gehe ich.“ Nur hieß das, dass sie an ihm vorbei musste, um zur Tür zu gelangen, und sie wollte ihm auf keinen Fall näher kommen. Nicht jetzt …

Nicht, wenn er sie auf diese Weise ansah.

Stone schloss die Augen und unterbrach so die Verbindung zwischen ihnen. Als er sie wieder aufmachte, schüttelte er den Kopf und rieb sich den Nacken, als wäre er gestresst.

Nach ihrem Eröffnungsplädoyer sollte er auch gestresst sein!

Diesmal hatte sie ihn. Und das musste er ebenso gut wissen wie sie.

„Ich bin gekommen, um herauszufinden, was zum Geier Sie eigentlich meinten, als Sie davon sprachen, Sie hätten Beweise aus meinen Fall-Akten“, erklärte er.

Sie entspannte sich und lächelte. „Es ist die Wahrheit. Ich habe Beweise …“

„Zunächst einmal will ich wissen, wie Sie an Informationen aus meinen Akten gekommen sind!“ Gereizt hob er die Stimme.

Offenbar hatte er keine Ahnung. Hillary lachte unwillkürlich. Ja, sie hatte ihn. Diesmal würde er nicht gewinnen.

„Sie sprechen von den Fakten, die beweisen, dass das Alibi Ihres Klienten falsch ist“, sagte sie.

Wieder schüttelte er den Kopf, diesmal vehement. „Es ist nicht falsch.“

„Die Bankunterlagen, die Sie mir geschickt haben, beweisen, dass Mr. Mueller sich dieses Alibi erkauft hat“, erinnerte sie ihn. Wie hatte Stone das übersehen können? Aber es klang ja auch nicht gerade so, als hätte er ihr Einsicht in diese Unterlagen gewähren wollen.

Was er bestätigte, indem er mit zusammengebissenen Zähnen erklärte: „Ich habe Ihnen nichts geschickt.“

„Irgendwer aus Ihrer Kanzlei schon“, erwiderte sie und konnte ihr Glück immer noch nicht fassen. Sie hatte mit überhaupt keiner Hilfe vonseiten der Verteidigung gerechnet, schon gar nicht mit so viel.

Nun lachte er in sich hinein. „Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so großspurig, Hillary. Der Maulwurf unserer Kanzlei hat Sie hereingelegt.“

„Was?“ Sie kniff die Augen zusammen und musterte ihn misstrauisch. Welches Spiel trieb er mit ihr? „Wovon reden Sie? Was hat ein Maulwurf der Kanzlei mit mir zu tun?“

Der belustigte Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht, seine Züge verhärteten sich. „Wir haben ein kleines Problem. Jemand hat versucht, uns Ärger zu machen. Bisher waren nur meine Partner betroffen.“

Sie konnte durchaus nachvollziehen, dass Street Legal sich Feinde machte, denn bei jedem Fall, den die Kanzlei gewann, verlor irgendwer. Trotzdem kaufte sie ihm diese Story nicht ab. Es klang zu sehr nach einer dieser Presseerklärungen der PR-Firma, die der Schadensbegrenzung dienten.

Warum hatte er eigentlich heute keine herausgegeben?

„Als das letzte Mal jemand angeblich Informationen aus unseren Fall-Akten erhielt, waren diese Dokumente gefälscht“, fuhr er fort und grinste wieder. „Daher wäre ich an Ihrer Stelle nicht so überzeugt von Ihren Beweisen.“

Sie betrachtete sein attraktives Gesicht. „Sie bluffen doch nur“, unterstellte sie ihm und hoffte inständig, dass es so war.

Es musste so sein, andernfalls hätte er McCann längst ein Statement herausgeben lassen, dass diese Beweise gefälscht waren. Wenn er das beweisen konnte … Er war derjenige, der keine Beweise hatte.

Sein Grinsen wurde breiter. „Sie werden sehen, dass ich die Wahrheit sage, wenn mein Klient freigesprochen wird.“

Sie hasste seine Selbstzufriedenheit. Sie hasste so einiges an Stone Michaelsen. Genau aus diesem Grund würde sie es bei Fantasien belassen und der Anziehung niemals nachgeben. Aber weil sie allein waren und sie sich seiner Nähe bewusst war wie noch nie, musste sie weg von ihm, ehe sie vergaß, wie sehr sie diese Dinge an ihm hasste.

Sie schnappte sich ihre Jacke von der Sessellehne und nahm die Aktentasche vom Schreibtisch. „Ich gehe“, sagte sie. „Es geht früh weiter morgen vor Gericht.“ Daran hätte sie ihn vermutlich nicht erinnern sollen. Sollte er doch zu spät kommen! Richter Harrison wäre begeistert.

„Zu Hause wartet also niemand auf Sie“, fing er wieder an.

Seufzend schüttelte sie den Kopf und versuchte, an ihm vorbeizukommen. Plötzlich legte er die Arme um sie und drückte sie an seinen muskulösen Körper. Dann senkte er die Lippen auf ihre.

Zuerst streiften seine Lippen ihre nur. Aber dann schob er die Zunge hervor und leckte an ihrem Mundwinkel. „Süß …“, stellte er fest.

Hillary errötete, als ihr klar wurde, dass sie während des gesamten Gesprächs Schokolade im Gesicht gehabt hatte. Jetzt redeten sie allerdings nicht mehr. Erneut presste er seine Lippen auf ihre, und sie sog in Panik und Hingabe scharf die Luft in die Lungen.

Er küsste sie leidenschaftlicher und ließ die Zunge in ihren Mund gleiten. Sie schmeckte die Schokolade. Dunkel und intensiv und nur einen Hauch bitter. Dann schmeckte sie ihn. Und er schmeckte genauso.

Weder die Schokolade noch sein Geschmack hatten etwas wirklich Süßes an sich. Aber es war berauschend.

Und machte geradezu süchtig …

Die Intensität ihrer Begierde ließ Hillary erzittern, sodass ihr Jacke und Taschengriff aus den zitternden Händen glitten. Als sie frei waren, fuhr sie ihm damit durch das volle schwarze Haar und hielt seinen Kopf fest, während sie den Kuss erwiderte.

3. KAPITEL

Was hatte er getan? Hillary Bellows zu küssen war ein Riesenfehler gewesen. Aber ein Fehler, den er am liebsten wieder und wieder begangen hätte.

Finger schnippten vor seinem Gesicht. „Was zur Hölle ist los mit dir, Stone?“, beschwerte Ronan Hall sich. „Du hast dieses Notfall-Meeting einberufen und noch kein Wort gesagt.“

Er schüttelte den Kopf und murmelte: „Sorry.“

„Allison McCann meint, du hättest sie gestern Nachmittag auch schon versetzt“, bemerkte Simon Kramer vom Kopf des Konferenztisches in seinem Büro. Er war der geschäftsführende Teilhaber der Kanzlei Street Legal, wie er schon damals der Anführer gewesen war, als sie – drei Ausreißer – noch auf der Straße gelebt hatten.

„Ich habe sie angerufen und abgesagt“, verteidigte sich Stone. Zumindest glaubte er, dass er es getan hatte. Er hatte nicht direkt mit Allison gesprochen, sondern eine Nachricht bei ihrer Assistentin hinterlassen.

Er hatte mit Hillary sprechen wollen, ehe er weitere Pressemitteilungen herausgab. Wenn er doch nur geredet und sonst nichts weiter getan hätte …

Aber mit ihr allein zu sein, noch dazu auf beengtem Raum, hatte seine Selbstkontrolle auf eine Weise herausgefordert, die er bislang weder im Zusammenhang mit ihr noch sonst irgendwie gekannt hatte. Vermutlich war das die erste Prüfung überhaupt in seinem Leben, die er nicht bestanden hatte.

„Du siehst grauenhaft aus“, stellte Simon fest.

„Er hatte einen harten Verhandlungstag“, sprang Trevor Sinclair ihm bei. Trev war für die größten Fälle der Kanzlei zuständig, und diese Sammelklagen hatten ihnen Millionen eingebracht. „Wahrscheinlich hat er kaum Schlaf bekommen.“

Das stimmte, und Stone wünschte, es wäre das Gerichtsverfahren gewesen, das ihm den Schlaf geraubt hatte. Doch der Grund war die Anwältin der Gegenseite – diese wundervolle, heiße, leidenschaftliche Anwältin.

„Kein Fall hat Stone bislang schlaflose Nächte bereitet“, sagte Simon und musterte das Gesicht seines Partners.

Stone achtete darauf, sich nichts anmerken zu lassen, nur war Simon sehr gut darin, die Mienen anderer zu deuten. Als jugendlicher Trickbetrüger hatte er das auch sein müssen, um Beute machen zu können. Er war nicht lange Trickbetrüger gewesen, doch diese Fähigkeit hatte er nicht eingebüßt. Sie war auch ein Baustein im Erfolgsrezept von Street Legal.

Die Kanzlei nahm eine komplette Etage in einem Innenstadtgebäude ein. Sie hatte Hartholzböden, unverputzte Backsteinwände und hohe Fenster mit Blick auf die Stadt.

Stone blinzelte wegen der Sonne, die durch die Jalousien vor Simons Fenster hereinfiel. „Es war nicht die Gerichtsverhandlung, die mich um den Schlaf gebracht hat“, gestand er.

Allerdings verschwieg er, was zwischen ihm und Hillary Bellows passiert war. Zum einen würden seine Partner ihm wahrscheinlich eh nicht glauben. Er glaubte es ja selbst kaum. Stattdessen teilte er ihnen die Informationen mit, wegen denen er dieses frühmorgendliche Meeting anberaumt hatte. „Der verdammte Maulwurf hat wieder zugeschlagen.“

Seine Partner stießen Flüche aus. Simon fluchte am lautesten, denn er war besonders frustriert, dass er den Schuldigen noch nicht enttarnt hatte. Als geschäftsführender Teilhaber fühlte er sich für das Leck ebenso verantwortlich wie dafür, die Sache aufzuklären.

„Wir müssen diesen Mist beenden“, erklärte Simon, dessen Stimme beinah heiser war vor Wut. „Und zwar sofort.“

Stone stimmte ihm von Herzen zu und bedauerte, sich an der Suche nicht schon früher beteiligt zu haben. Nur war er mit den Vorbereitungen für die Gerichtsverhandlung beschäftigt gewesen. Außerdem …

… war er bis jetzt nicht betroffen gewesen.

Zuerst hatte der Maulwurf bei einem von Trevors Fällen Informationen aus den Akten an die Gegenseite durchgestochen. Trotzdem hatte Trevor die Sammelklage gewonnen.

Stone war nicht überzeugt, die Attacke des Maulwurfs ebenso gut handhaben zu können wie Trevor. Verdammt, das Gegenteil zeichnete sich bereits ab.

„Was ist passiert?“, fragte Ronan, der das letzte Opfer vor Stone gewesen war.

„Hillary Bellows hat Informationen aus unserer Kanzlei erhalten“, berichtete er. „Aus meinen Fall-Akten, wie sie glaubte. Äußerst wichtige Informationen.“ Er atmete schwer aus. „Wenn diese Informationen zutreffend sind, können sie meine Verteidigung komplett zusammenbrechen lassen.“ Denn seine gesamte Strategie baute auf diesem Alibi auf. Ohne es …

„Du weißt nicht, ob es stimmt?“, hakte Ronan nach. Bei den Informationen, die in seinem Fall durchgesickert waren, hatte es sich um Falschinformationen gehandelt. Davon waren Stone und seine Partner von Anfang an überzeugt gewesen.

Unglücklicherweise geriet Stones Überzeugung ins Wanken. Nicht, was Ronan anging, sondern was seinen eigenen Fall anging. Vielleicht weil er wusste, wie gut Hillary war; gut genug zumindest, um nicht mit Beweisen vorzupreschen, deren Stichhaltigkeit sie nicht zuvor geprüft hatte – noch dazu in ihrem Eröffnungsplädoyer. Derartig leichtsinnig und vertrauensselig wäre sie nicht, schon gar nicht, wenn es um etwas ging, was ihr angeblich von ihm zugeschickt worden war.

Sie traute ihm nicht über den Weg. Warum hatte sie dann …

Stone sagte: „Ich hoffe sehr, dass das alles nicht wahr ist.“

Und damit meinte er nicht nur die Beweise, sondern auch den gestrigen Abend. Was hatte er sich nur dabei gedacht, die Staatsanwältin zu küssen, die Anklage gegen seinen Klienten erhoben hatte?

Doch das war noch nicht das Schlimmste am gestrigen Abend gewesen. Das Schlimmste daran war, dass sie den Kuss erwidert hatte.

Denn dadurch hatte er jede Selbstbeherrschung verloren.

Wie hatte sie so die Kontrolle verlieren können? Hillarys Gesicht glühte, wenn sie auch nur an gestern Abend dachte. Sie hob eine Hand an die Wange und gab sich einen leichten Klaps. Komm zu dir.

Sie hatte schon viel zu viel Zeit damit zugebracht, daran zu denken. Zu viel Zeit auch damit, an Stone Michaelsen zu denken, bereits vor gestern Abend.

„Ist das Ihr Ritual vor der Verhandlung?“, fragte eine männliche Stimme.

Sie wirbelte herum und entdeckte ihren Boss auf dem Flur vor ihrem Büro. Er hatte sie so sehr erschreckt, dass sie beinah den Schlüssel fallen gelassen hätte, den sie gerade ins Schloss stecken wollte.

Offenbar war ihr die Ratlosigkeit anzusehen, denn er erklärte: „Sie ohrfeigen sich selbst? Ist das Ihre Art, sich anzufeuern?“

„Äh …“ Sie konnte überhaupt nicht denken.

Er lachte in sich hinein. „Oder machen Sie sich auf diese Weise wach?“

Sie musste sich nicht wach machen, da sie gar nicht geschlafen hatte. „Ich bin wach“, versicherte sie ihrem Boss.

Der Mann war klein, fast so klein wie sie, und er hatte den Napoleon-Komplex kleiner Männer – er musste ständig über alles die Kontrolle haben. Das machte ihn eher zu einem Diktator als zu einem Anführer.

„Gut“, sagte er. „Sie sollten auch hellwach sein, wenn Sie es mit Stone Michaelsen aufnehmen.“ Er fluchte. „Um es mit egal welchem dieser Bastarde von Street Legal aufzunehmen.“

Er hatte es bereits mit Stone Michaelsen aufgenommen und verloren, genau wie sie. Seine bitterste Niederlage war jedoch die gegen Ronan Hall gewesen, der seine Ex-Ffrau vor Kurzem bei der Scheidung vertreten hatte. In gewisser Hinsicht, fand Hillary, verdiente er das. Er war ein Lustmolch.

Selbst die Art, wie er sie jetzt ansah, weckte in ihr das Bedürfnis, ihre Kostümjacke bis oben zuzuknöpfen. Nur spannte der Knopf über ihren Brüsten. Sie musste auf die Schokoriegel zum Abendessen verzichten. Ab jetzt nur noch Salat.

Wilson Tremonts Blicken nach zu urteilen, hatte er gegen ihre Extrapfunde nichts einzuwenden. Er musste rund zwanzig Jahre älter sein als sie mit ihren dreißig Jahren. Vielleicht war er sogar noch älter. Es war schwer zu sagen, denn er färbte sich die Haare und trug Sprühbräune. Er könnte sogar mehr als dreißig Jahre älter sein als sie.

„Wir müssen diesen Fall gewinnen“, wiederholte er.

Wir? Er kämpfte nicht gemeinsam mit ihr vor Gericht – wahrscheinlich weil er keine weitere Niederlage einstecken wollte, besonders wegen der bevorstehenden Wahl. Nur würde sie nicht verlieren.

„Und dieses verdammte Alibi“, fuhr er fort, „wird es schwer für Sie machen. Es war schon hart genug, die Grand Jury zur Anklageerhebung zu bewegen.“ Er war überrascht, wenn nicht gar enttäuscht gewesen, wie es gelaufen war. Vermutlich hatte er dadurch Unterstützung für seinen bevorstehenden Wahlkampf verloren.

Aber Hillary hatte die Mordwaffe gehabt, die dem Beschuldigten gehörte, und das CSI hatte ausschließlich seine Fingerabdrücke darauf gefunden. Er hatte die Waffe sogar in einem Koffer eingeschlossen, zu dem nur er den Schlüssel besaß. Die Hausangestellten und Freunde Bethanys hatten ausgesagt, sie habe einen Liebhaber gehabt und damit Byrons Motiv für die Tötung seiner jungen Braut geliefert. Hillary hatte also genug Material für eine Anklage zusammengetragen. Und jetzt hatte sie mehr als genug, um zu gewinnen.

Doch das wollte sie ihrem Boss nicht sagen, denn sonst würde Wilson Tremont ihr den Fall wegnehmen und ihn selbst zu Ende führen. Ein Sieg gegen Stone Michaelsen würde ihm gut stehen.

Nein, Hillary wollte den Sieg für sich.

Trotz des gestrigen Abends …

Nein. Sie durfte jetzt nicht daran denken. Oder überhaupt jemals.

„Was machen Sie eigentlich hier?“ Wilson schaute auf seine Uhr. „Müssen Sie nicht zum Gericht?“

Sie nickte und bekam prompt einen trockenen Mund bei dem Gedanken, Stone gleich wiederzusehen. Aber sie war Profi. Sie schaffte das. Hätten sie nur gestern Abend die Professionalität gewahrt.

Das war alles nur seine Schuld. Er hatte sie zuerst geküsst … na ja, und sie hatte den Kuss erwidert.

Sie hatte einfach nicht widerstehen können. Er schmeckte so wunderbar, besser als jeder Schokoriegel, den sie je gegessen hatte.

„Ich … ich musste etwas holen, was ich gestern Abend hier vergessen habe“, sagte sie.

Wilson nickte. „Notizen.“

„Ja.“ Sie zögerte, die Bürotür aufzuschließen. Sie wollte sie nicht aufmachen, solange er hier stand. Sie war sich nicht ganz sicher, in welchem Zustand sie das Büro hinterlassen hatte. Oder wo sie ihn gelassen hatte.

„Sie sollten sich lieber beeilen und die Notizen holen“, sagte Wilson mit einem erneuten Blick auf die Uhr. „Sie wollen doch nicht zu spät kommen und Richter Harrison verärgern.“

Nein, das wollte sie nicht. Allerdings wollte sie auch nicht riskieren, dass irgendjemand fand, was sie im Büro gelassen hatte. Zum Glück waren die Reinigungskräfte gestern schon vor ihr gegangen. Es würde also seither niemand drin gewesen sein …

„Ich werde mich beeilen“, versprach sie und schob den Schlüssel ins Schloss. Als sie den Türknopf langsam drehte, rief jemand Wilson.

„Mr. Tremont, Anruf für Sie“, informierte ihn seine Sekretärin. „Der Bürgermeister …“

Wilson atmete tief ein. „Ich hoffe, er ruft nicht wegen des Mueller-Falls an.“

„Warum sollte er?“, fragte Hillary verwirrt.

Wilson lächelte herablassend. „Ich vergesse immer, wie naiv Sie sein können, Hillary. Sie verstehen nicht, wie Politik funktioniert.“

Und wahrscheinlich war er sehr froh darüber, weil er glaubte, sich keine Sorgen darüber machen zu müssen, dass Hillary es auf seinen Job abgesehen haben könnte, wie offenbar die Hälfte der übrigen Staatsanwälte auch. Hillary verstand viel mehr von Politik, als sie zuzugeben bereit war. Es war sicherer für sie, wenn ihr Boss das nicht wusste.

„Ich bin sicher, Mueller hat für den Wahlkampf des Bürgermeisters gespendet“, erklärte Wilson. „Ich kann froh sein, wenn mich nicht auch noch der Präsident anruft und mir im Nacken sitzt, weil ich den großartigen Byron Mueller angeklagt habe.“

Hillary drückte seinen Arm, bereute diese impulsive Geste jedoch sofort, als er den Blick auf ihre Hand an seinem Jackettärmel richtete. Die Hand zurückziehend, versicherte sie ihm: „Keine Sorge, Michaelsen wird ihn nicht rausboxen.“

Wilson starrte sie an. „Sie sind ja sehr zuversichtlich, Hillary. Ich wüsste gern, warum.“

Sie deutete auf seine Sekretärin. „Sie wollen doch sicher nicht den Bürgermeister warten lassen.“ Sie musste nicht verstehen, wie Politik funktionierte, um zu wissen, dass das nicht besonders klug wäre. „Und ich will nicht zu spät vor Gericht erscheinen.“

Trotz des gestrigen Abends würde sie Stone wieder gegenübertreten können, denn sie wusste, dass sie ihn diesmal besiegen konnte und würde. So wie sie ihn noch auf ihren Lippen schmecken konnte, schmeckte sie schon den süßen Triumph.

„Ich darf Richter Harrison nicht verärgern“, erinnerte sie ihren Boss.

„Dann beeilen Sie sich lieber.“

Er ging in Richtung seines Büros und des in der Leitung wartenden Bürgermeisters davon. Hillary öffnete ihre Bürotür – und war froh, damit gewartet zu haben, bis ihr Boss gegangen war.

Stones Duft hing noch in der Luft, vermischt mit ihrem. Ihn einzuatmen brachte Erinnerungen und Empfindungen zurück, während sie noch einmal die Erregung und Leidenschaft durchlebte.

Der Kuss …

Der …

Diesmal ohrfeigte sie sich nicht so sanft. Sie hatte sich zusammenzureißen. In wenigen Minuten würde sie ihm wieder gegenübertreten – im Gerichtssaal. Und dort musste sie so tun, als sei nichts passiert.

Aber zuerst musste sie dafür sorgen, dass sie nichts zurückgelassen hatte, was das Gegenteil bewies. Das Büro war klein und deshalb schnell zu durchsuchen.

Sie fand nicht, was sie suchte.

Was war damit passiert?

Ihr Handy gab in der Handtasche einen Alarmton von sich, die letzte Ermahnung, dass sie zum Gericht aufbrechen musste. Ihr blieb keine Zeit mehr für die Suche. Vielleicht war das Reinigungspersonal gestern doch noch nicht weg gewesen, wie sie geglaubt hatte. Vielleicht war ihr Büro erst gereinigt worden, nachdem sie gegangen war.

Sie schloss die Tür wieder ab und eilte den Flur entlang. Sie war immer noch in Eile, als sie den Gerichtssaal betrat, daher würdigte sie Stone keines Blickes, während sie ihren Platz am Tisch der Anklage einnahm. Sie hätte auch weiterhin nicht hingesehen, wenn sie nicht gespürt hätte, dass er zu ihr schaute.

Sie wollte ihn gar nicht ansehen. Sie fürchtete sein Amüsement oder seine Selbstzufriedenheit über das, was zwischen ihnen passiert war. Über das, was niemals zwischen ihnen hätte passieren dürfen.

Als er sie küsste, hätte sie ihn ohrfeigen sollen, statt den Kuss zu erwidern. Doch sie war viel zu schockiert gewesen, um nachdenken zu können. Zumindest um einen vernünftigen Gedanken zustande zu bringen.

Alles, was ihr in dem Moment durch den Kopf gegangen war, waren diese kranken Fantasien über ihn – zu denen diejenige von exakt so einem Kuss gehörte.

Also hatte sie den Kuss erwidert.

Wenn sie an dem Punkt wenigstens aufgehört hätte.

Sein glühender Blick und ihre Verlegenheit ließen sie erröten. Sicher, sie hatte einen Fehler gemacht. Nur würde sie nicht zulassen, dass dieser Fehler – oder Stone selbst – sie in irgendeiner Form beeinträchtigte. So wie sie ständig davon fantasiert hatte, dass etwas zwischen ihnen passierte, würde sie jetzt einfach fantasieren, es sei nichts gewesen.

Sie konnte nur hoffen, dass er es genauso machte. Doch seinen Blicken nach zu urteilen, traf das eher nicht zu. Er sah sie an, als würde er sie berühren, genau wie gestern Abend.

Trotz ihrer Bemühungen zu widerstehen, zog sein Blick ihren an. Aber als sie zu ihm sah, schaute er gerade hinunter in seinen geöffneten Aktenkoffer. Erschrocken schnappte sie nach Luft. Jetzt wusste sie, warum sie nicht finden konnte, wonach sie in ihrem Büro gesucht hatte.

Sie hatte das Gesuchte gar nicht dort vergessen.

Stone hatte es mitgenommen.

Hinter einem Umschlag in seinem Aktenkoffer lugte ihr cremefarbener Spitzen-BH hervor.

„Mistkerl“, flüsterte sie.

Genau das war er. Er hatte sie benutzt, ganz wie sie befürchtet hatte. Er hatte sich gestern an sie herangemacht in der Hoffnung, damit seinen Klienten rausboxen zu können.

Glaubte er ernsthaft, sie würde die Beweise vergessen, die Byron Muellers Alibi zunichte machten?

Da irrte er sich. Seine kleine Verführung hatte ihre Meinung über ihn keineswegs geändert. Tatsächlich hatte es nur bewiesen, was sie längst vermutet hatte: Stone Michaelsen war ein böser Mann.

Doch ihr machte er keine Angst.

Hillary würde ihn zu Fall bringen, und zwar hart – so wie er sie am Abend zuvor zu Fall gebracht hatte.

4. KAPITEL

Als Stone ihr einen Zipfel des Gegenstandes, den er in seinem Aktenkoffer versteckte, gezeigt hatte, hatte sie so überrascht reagiert. Aber warum? Sie hatte in ihrem Eröffnungsplädoyer erwähnt, dass er ein übler Kerl sei. Und nach dem gestrigen Abend konnte bei ihr kein Zweifel mehr darüber bestehen, wie übel er war. Er hatte sogar sich selbst überrascht.

Aber als sie den Kuss erwiderte, geschah etwas mit ihm, was noch nie zuvor geschehen war. Während sie mit den Fingern über seinen Nacken strich und durch seine Haare fuhr, bewegte sie ihre Lippen hungrig auf seinen. Sie hatte ihn leidenschaftlich geküsst, mit den Lippen, mit der Zunge. Es war überwältigend gewesen, und er hatte die erotische Energie gespürt. Nicht nur er.

Sie hatte die Hände von seinen Haaren hinunter zu den Hemdknöpfen wandern lassen, ihm das Hemd nicht aufgeknöpft, sondern aufgerissen. Dann fuhr sie ihm über die Brust, was seinen Herzschlag dermaßen beschleunigte, dass er befürchtete, das Herz würde ihm gleich aus der Brust springen, wie sein Schwanz ihm aus der Hose springen wollte.

„Hillary …“ Ihr Name kam ihm mit einem Stöhnen über die Lippen. Sie quälte ihn mit ihren Berührungen, ihrem Kuss.

Und sie brach seine Widerstandskraft.

Nicht, dass er wirklich widerstehen wollte. Er hatte nicht einmal vorgehabt, sie zu küssen, als er ihr Büro aufsuchte. Er beabsichtigte nur zu reden, um herauszufinden, wovon sie sprach, als sie im Gerichtssaal mit Beweisen prahlte. Dann wollte er die Schokolade an ihrem Mundwinkel kosten – einfach nur einen Kuss, mehr war es zu diesem Zeitpunkt nicht gewesen.

Doch dann erwiderte sie diesen Kuss …

Da hatte er angefangen, an ihrer Kleidung zu zerren, wie sie angefangen hatte, an seiner zu zerren. Er hatte ihr das Camisole hochgeschoben und ausgezogen. Darunter trug sie diesen cremefarbenen Spitzen-BH, der jetzt in seinem Aktenkoffer lag. Nude hieß der Farbton, hautfarben, er sollte sich unter dem Oberteil nicht abzeichnen. Der BH war praktisch und konservativ, die Spitze jedoch machte ihn sexy. Außerdem quollen ihre Brüste fast über den Rand, was ihn noch aufregender machte. Genau wie sie …

Sie war unglaublich sexy.

Begierig hatte er ihren BH aufgehakt und sich über ihre Brüste hergemacht. Sie waren so voll, die Haut so seidig, die Nippel hart und verlockend. Er biss sanft in einen hinein, und Hillary schrie seinen Namen.

Um herauszufinden, ob er sie zum Höhepunkt gebracht hatte, schob er die Hand unter ihren Rock und stellte fest, dass sie heiß und feucht und bereit für ihn war. Also hob er sie auf ihren Schreibtisch und kippte ein paar Aktenstapel um, die ohnehin schon wacklig aussahen. Sie hatte weder gegen das Chaos protestiert, das er anrichtete, noch dagegen, dass er sie berührte. Im Gegenteil, sie zog seinen Reißverschluss herunter, umfasste seinen Schwanz und massierte ihn.

Da war auch er beinah gekommen.

Aber er wollte nicht nur rasch einen runtergeholt bekommen, er wollte sie. Also wich er zurück und fummelte ein Kondom aus seiner Brieftasche. Ehe er die Packung öffnen konnte, nahm sie sie ihm aus der Hand und riss sie mit den Zähnen auf.

Er stöhnte erneut, sein Schwanz pochte. Die Intensität war beinah schmerzhaft. Er brauchte Erlösung – so dringend wie noch nie.

Er begehrte sie so heftig, dass er schon fast gekommen wäre, als sie ihm das Kondom überstreifte. „Hillary …“, stieß er ihren Namen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Und sie kicherte.

Stone mochte es nicht, wenn man über ihn lachte, daher bestrafte er sie. Statt in sie einzudringen, sank er auf die Knie. Nachdem er ihr den Rock hochgeschoben hatte, zerrte er ihren Slip herunter und leckte sie, bis sie sich auf dem Schreibtisch aufbäumte und seinen Namen ein weiteres Mal schrie.

Sie schmeckte köstlicher als die Schokolade, die er von ihren Lippen geküsst hatte. So verdammt wundervoll. Und sie war so feucht und heiß, dass er unmittelbar darauf in sie eindrang. Wieder und wieder, während sie die Beine um seine Taille schlang. Sie bewegten sich wie berauscht unaufhaltsam auf den Höhepunkt zu.

Sie umschloss ihn fest, als der zweite Höhepunkt sie mit sich fortriss. Stones Muskeln spannten sich an, und er schrie ihren Namen, als er kam – lang und heftig. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt einen derart intensiven Orgasmus gehabt hatte.

Vielleicht lag es aber auch daran, dass er schon lange mit niemandem mehr zusammen gewesen war. Er war zu sehr mit den Vorbereitungen für diesen Fall beschäftigt gewesen.

„Mr. Michaelsen!“, rief Richter Harrison. „Sind Sie heute Morgen nur im Gerichtssaal erschienen, um sich mir gegenüber respektlos zu verhalten?“

Stone blinzelte die Erinnerungen des gestrigen Abends weg und schaute sich unbehaglich um. Alle anderen im Gerichtssaal standen, einschließlich des Richters. Stone war der Einzige, der noch saß – vor seinem Aktenkoffer, in dem der BH unter einem Umschlag hervorlugte.

Er sprang auf und hoffte inständig, dass das Jackett seine Erektion verbarg, über der sich die Hose beulte.

„Verzeihung, Euer Ehren“, sagte er. Den BH hatte er in den Gerichtssaal mitgebracht, um Hillary aus dem Konzept zu bringen. Doch das hatte sich als Bumerang erwiesen.

Gestern Abend war sie diejenige gewesen, die völlig aufgewühlt war, so sehr, dass sie zwar Camisole und Jacke wieder anzog, den BH jedoch vergaß, während sie Aktenordner einsammelte, die Stone auf den Boden geworfen hatte.

Also hatte er den BH aufgehoben, doch bevor er ihn ihr geben konnte, schrie sie ihn an, er solle aus ihrem Büro verschwinden. „Raus hier! Raus! Oh mein Gott, ich kann nicht glauben, dass wir das getan haben! Es war ein Fehler!“

Stone war da ganz ihrer Meinung. Und er hasste es, Fehler zu machen. Aber dieser … mit ihr … der hatte ihm überhaupt nichts ausgemacht. Im Gegenteil, er hatte es genossen.

Sie hatte sich unglaublich gut angefühlt, so heiß und eng.

„Mr. Michaelsen?“, fragte der Richter auf seinem Platz. „Haben Sie etwas zu sagen?“

Nun war Stone der Einzige, der noch stand, während alle anderen dem Beispiel des Richters gefolgt waren und sich wieder hingesetzt hatten. Er wurde rot und schüttelte den Kopf. Als er sich setzte, sah sein Klient ihn belustigt an.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, flüsterte Byron.

Stone nickte. „Ja … ja …“ Er versuchte sich selbst ebenso davon zu überzeugen wie seinen Klienten. Was war nur los mit ihm? Wie hatte er zulassen können, dass sie ihm dermaßen unter die Haut ging?

„Gehört das zu einer Ihrer schrägen Strategien?“, wollte Byron wissen.

Hatte der Mann den BH gesehen?