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Im 8. Band der Oz-Reihe - Tik-Tak von Oz - strandet die schiffbrüchige Betsy Bobbin mit ihrem Maultier Hank im Rosenkönigreich. Dort trifft sie auf Zottel, der auf der Suche nach seinem verschollenen Bruder ist. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, um Zottels Bruder aus den Händen des grausamen Gnomenkönigs zu befreien. Bald gesellen sich noch weitere Mitkämpfer zu ihnen, und sie kommen ihrem Ziel langsam näher. Doch die Reise birgt viele Gefahren, denn der Gnomenkönig ist bösartig und listenreich ...
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Seitenzahl: 239
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Nach dem Text der amerikanischen Erstausgabe von „Tik-Tok of Oz“ (1914) übersetzt von Maria Weber
Vorwort des Verfassers.
Kapitel 1: Anns Armee.
Kapitel 2: Aus Oogaboo heraus.
Kapitel 3: Magie täuscht die Marschierenden.
Kapitel 4: Betsy trotzt dem Sturm.
Kapitel 5: Die Rosen wollen die Schutzsuchenden vertreiben.
Kapitel 6: Zottel sucht seinen Streunerbruder.
Kapitel 7: Polychroms mißliche Lage.
Kapitel 8: Tik-Tak bewältigt eine schwierige Aufgabe.
Kapitel 9: Schroffos Wut ist unbesonnen und kopflos.
Kapitel 10: Ein schrecklicher Fall durch eine Röhre.
Kapitel 11: Die zauberhafte Feenschaft.
Kapitel 12: Die schöne Herrin des Lichts.
Kapitel 13: Das gerechte Urteil des Jinjins.
Kapitel 14: Der langohrige Lauscher erlauscht etwas.
Kapitel 15: Der Drache trotzt der Gefahr.
Kapitel 16: Der garstige Gnom.
Kapitel 17: Eine tragische Verwandlung.
Kapitel 18: Eine kluge Eroberung.
Kapitel 19: König Kaliko.
Kapitel 20: Quox geht leise fort.
Kapitel 21: Ein schüchterner Bruder.
Kapitel 22: Freundliche Küsse.
Kapitel 23: Schroffo bessert sich.
Kapitel 24: Dorothy ist entzückt.
Kapitel 25: Das Land der Liebe.
DER sehr deutliche Erfolg meines letztjährigen Märchenbuchs „Das Patchwork-Mädchen von Oz“, überzeugt mich, daß meine Leser die Oz-Geschichten „am besten mögen“, wie mir ein kleines Mädchen schrieb. Also, meine Lieben, hier ist eine neue Oz-Geschichte, in der Ann Sofort, die Königin von Oogaboo, vorgestellt wird, der Tik-Tak zum Sieg über unseren alten Bekannten, den Gnomenkönig, verhalf. Es erzählt auch von Betsy Bobbin und wie sie nach vielen Abenteuern schließlich das wundersame Land von Oz erreichte.
Es gibt ein Bühnenstück mit dem Titel „Der Tik-Tak-Mann von Oz“, aber es ist nicht identisch mit dieser Geschichte von „Tik-Tak von Oz“, obwohl einige der Abenteuer in diesem Buch aufgezeichnet sind, genauso wie einige aus anderen Oz-Büchern im Bühnenstück enthalten sind. Diejenigen, die das Stück gesehen haben und diejenigen, die die anderen Oz-Bücher gelesen haben, werden in dieser Geschichte viele seltsame Charaktere und Abenteuer finden, von denen sie noch nie zuvor gehört haben.
In den Briefen, die ich von Kindern erhalten habe, wurde ich dringend gebeten, eine Geschichte zu schreiben, die Trot und Käpt‘n Bill ins Land von Oz bringt, wo sie Dorothy und Ozma treffen. Sie denken auch, Helles Köpfchen sollte Ojo den Glücklichen kennenlernen. Wie ihr wißt, muß ich diese Angelegenheiten mit Dorothy „über Funk“ besprechen, denn nur so kann ich mit dem Land von Oz kommunizieren. Als ich sie danach fragte, antwortete sie: „Ach, haben Sie es noch nicht gehört?“ Ich sagte „Nein.“„Gut“, kam die Antwort; „Ich werde Ihnen nach und nach alles darüber erzählen, und dann können Sie ein Buch über diese Geschichte für die Kinder zum Lesen schreiben.“
Also, wenn Dorothy ihr Wort hält und ich ein weiteres Oz-Buch schreiben darf, werdet ihr wahrscheinlich erfahren, wie all diese Charaktere in der berühmten Smaragdstadt zusammenkamen. In der Zwischenzeit möchte ich all meinen kleinen Freunden – deren Zahl jedes Jahr um viele tausend zunimmt – sagen, daß ich sehr dankbar bin für die Gunst, die sie meinen Büchern entgegengebracht haben, und für die entzückenden kleinen Briefe, die ich ständig empfange. Ich bin mir fast sicher, daß ich unter den Kindern Amerikas mehr Freunde habe, als jeder andere lebende Geschichtenerzähler; und das macht mich natürlich sehr stolz und glücklich.
L. Frank Baum.
„OZCOT“, bei Hollywood in Kalifornien, 1914.
DAS werde ich nicht tun!“, schrie Ann; „Ich werde nicht den Boden fegen. Es ist unter meiner Würde.“
„Jemand muß ihn fegen“, antwortete Anns jüngere Schwester Salye; „Sonst werden wir bald im Staub waten. Und du bist die Älteste und das Oberhaupt der Familie.“
„Ich bin die Königin von Oogaboo“, sagte Ann stolz. „Aber“, fügte sie seufzend hinzu, „mein Königreich ist das kleinste und ärmste im ganzen Land von Oz.“
Das war leider wahr. Weit abgelegen in den Bergen, in einer entfernten Ecke des schönen Märchenlandes von Oz, liegt ein kleines Tal, das Oogaboo genannt wird, und in diesem Tal wohnten ein paar Leute, die für gewöhnlich glücklich und zufrieden waren und nie über den Bergpaß zu den dichter besiedelten Teile des Landes wandern wollten. Sie wußten, daß ganz Oz, einschließlich ihres eigenen Territoriums, von einer schönen Prinzessin namens Ozma regiert wurde, die in der herrlichen Smaragdstadt lebte; doch die einfachen Leute von Oogaboo besuchten Ozma niemals. Sie hatten eine eigene königliche Familie – nicht wirklich, um über sie zu herrschen, sondern einfach aus Stolz. Ozma erlaubte den verschiedenen Teilen ihres Landes, ihre Könige und Königinnen und Kaiser und dergleichen zu haben, aber alle wurden von der schönen jungen Königin der Smaragdstadt beherrscht.
Der König von Oogaboo war ein Mann namens Jol Jemkiph Sofort, der viele Jahre lang die ganze Plackerei bei der Entscheidung von Streitigkeiten übernommen und seinen Leuten gesagt hatte, wann sie Kohl pflanzen und Sauergemüse einlegen sollten. Aber die Frau des Königs hatte eine scharfe Zunge und wenig Respekt für den König, ihren Ehemann. Deshalb schlich König Jol sich eines Nachts über den Paß in das Land von Oz und verschwand sang und klanglos aus Oogaboo. Die Königin wartete einige Jahre darauf, daß er zurückkehrte, und machte sich dann auf die Suche nach ihm. Sie ließ ihre älteste Tochter, Ann Sofort, in dieser Zeit als Königin auftreten.
Nun hatte Ann nicht vergessen, wann ihr Geburtstag sein würde, denn das bedeutete ein Fest und Feiern und Tanzen, aber sie hatte ganz vergessen, wie alt sie an ihrem Geburtstag werden würde. In einem Land, in dem die Menschen ewig leben, ist dies aber kein Grund, sich zu schämen. Daher können wir mit Recht sagen, daß Königin Ann von Oogaboo alt genug war, um kochen zu können – und dabei belassen wir es.
Aber sie kochte nicht oder tat mehr von der Hausarbeit, als sie nur unbedingt mußte. Sie war eine ehrgeizige Person und ärgerte sich ständig über die Tatsache, daß ihr Königreich so winzig war und ihre Leute so dumm und ängstlich waren. Oft fragte sie sich, was aus ihrem Vater und ihrer Mutter geworden war, die jenseits des Passes, im wunderbaren Land von Oz, waren; und die Tatsache, daß sie nicht nach Oogaboo zurückkehrten, ließ Ann vermuten, daß sie einen besseren Ort zum Leben gefunden hatten. Als daher Salye sich weigerte, den Boden des Wohnzimmers im Palast zu kehren, und Ann ihn auch nicht fegte, sagte sie zu ihrer Schwester:
„Ich gehe weg. Dieses absurde Königreich von Oogaboo ermüdet mich.“
„Geh, wenn du willst“, antwortete Salye; „Aber du bist sehr dumm, diesen Ort zu verlassen.“
„Warum?“, fragte Ann.
„Weil du im Land von Oz, welches Ozmas Land ist, ein Niemand sein wirst, während du hier eine Königin bist.“
„Oh, ja! Königin über achtzehn Männer, siebenundzwanzig Frauen und vierundvierzig Kinder!“, erwiderte Ann bitter.
„Nun, im großen Land von Oz gibt es sicher mehr Leute“, lachte Salye. „Warum stellst du nicht eine Armee zusammen, eroberst es und wirst Königin von ganz Oz?“, fragte sie in einem Versuch, Ann zu necken und sie damit zu ärgern. Dann schnitt sie ihrer Schwester eine Fratze und ging in den Hinterhof, um in der Hängematte zu schaukeln.
Ihre höhnischen Worte hatten jedoch Königin Ann auf eine Idee gebracht. Sie erinnerte sich daran, daß es hieß, Oz sei ein friedliches Land und Ozma ein einfaches Mädchen, das mit Sanftmut gegenüber allen regierte und daß ihr gehorcht wurde, weil ihr Volk sie liebte. Sogar in Oogaboo erzählte man sich, daß Ozmas einzige Armee aus 27 feinen Offizieren bestand, die schöne Uniformen, aber keine Waffen trugen, weil es niemanden gab, gegen den man kämpfen mußte. Es hatte neben den Offizieren einst einen einfachen Soldaten gegeben, aber Ozma hatte ihn zum Generalhauptmann gemacht und ihm seine Waffe weggenommen, weil sie befürchtete, daß sie jemanden verletzen könnte.
Je mehr Ann über die Sache nachdachte, desto mehr war sie davon überzeugt, daß es leicht sein würde, das Land von Oz zu erobern und sich als Herrscherin anstelle von Ozma einzusetzen, wenn sie nur eine Armee dazu hätte. Danach konnte sie in die Welt hinausgehen und andere Länder erobern, und dann könnte sie vielleicht einen Weg zum Mond finden und diesen erobern. Sie hatte einen kriegerischen Geist, der Herausforderungen dem Müßiggang vorzog.
Es hing alles von einer Armee ab, entschied Ann. Sie zählte gedanklich sorgfältig alle Männer ihres Königreichs. Ja, es gab genau achtzehn, und das war es auch schon. Das würde keine sehr große Armee machen, aber indem sie Ozmas unbewaffnete Offiziere überraschten, könnten ihre Männer sie leicht unterwerfen. „Sanfte Leute haben immer Angst vor denen, die toben“, sagte sich Ann. „Ich möchte kein Blut vergießen, denn das würde meine Nerven zu sehr strapazieren und ich könnte in Ohnmacht fallen; aber gewiß würden die Leute von Oz, wenn wir drohen und unsere Waffen aufblitzen lassen, vor mir auf die Knie fallen und sich ergeben.“
Dieses Argument, das sie sich mehr als einmal wiederholte, brachte die Königin von Oogaboo schließlich zu dem Entschluß, das kühne Unterfangen zu unternehmen.
„Was auch immer passiert“, überlegte sie, „kann mich nicht unglücklicher machen, als wenn ich in diesem elenden Tal eingeschlossen bleibe und Böden fege und mit meiner Schwester Salye streite; also werde ich alles wagen und gewinnen, was ich kann.“
Am selben Tag begann sie, ihre Armee zusammenzustellen.
Der erste Mann, zu dem sie ging, war Jo Apfel, so genannt, weil er einen Apfelgarten hatte.
„Jo“, sagte Ann, „ich werde die Welt erobern, und ich möchte, daß du meiner Armee beitrittst.“
„Bittet mich nicht, so etwas Dummes zu tun, Euer Majestät, denn ich muß höflich ablehnen“, sagte Jo Apfel.
„Ich habe nicht die Absicht, dich zu fragen. Ich werde es dir als Königin von Oogaboo befehlen“, sagte Ann.
„In diesem Fall muß ich wohl gehorchen“, bemerkte der Mann mit trauriger Stimme. „Aber ich bitte Euch, daran zu denken, daß ich ein sehr wichtiger Bürger bin und deshalb ein Amt von hohem Rang innehaben sollte.“
„Du sollst ein General sein“, versprach Ann.
„Mit goldenen Schulterklappen und einem Schwert?“, fragte er.
„Natürlich“, sagte die Königin.
Dann ging sie zum nächsten Mann, der Jo Semmel hieß, weil er einen Obstgarten besaß, in dem Vollkornsemmeln und Weizensemmeln in großer Vielfalt heiß und kalt auf den Bäumen wuchsen.
„Jo“, sagte Ann, „ich werde die Welt erobern, und ich befehle dir, meiner Armee beizutreten.“
„Unmöglich!“, rief er aus. „Die Semmelernte muß eingeholt werden.“
„Laß deine Frau und deine Kinder sie pflücken“, sagte Ann.
„Aber ich bin ein Mann von großer Wichtigkeit, Euer Majestät“, protestierte er.
„Deshalb sollst du einer meiner Generäle sein und einen goldverbrämten Dreispitz haben und deinen Schnurrbart an den Enden hochrollen und ein langes Schwert tragen“, versprach sie.
Also stimmte er zu, obwohl es sehr gegen seinen Willen war, und die Königin ging weiter zum nächsten Häuschen. Hier wohnte Jo Hörnchen, so genannt, weil die Bäume in seinem Obstgarten ausgezeichnete Eishörnchen als Früchte trugen.
„Jo“, sagte Ann, „ich werde die Welt erobern, und du mußt meiner Armee beitreten.“
„Entschuldigt mich bitte“, sagte Jo Hörnchen. „Ich bin ein schlechter Kämpfer. Meine gute Frau hat mich vor Jahren unterworfen, weil sie besser kämpfen kann als ich. Nehmt sie, Euer Majestät, statt meiner, und ich werde Euch für den Gefallen segnen.“
„Dies muß eine Armee von Männern sein – wilde, grimmige Krieger“, erklärte Ann, und sah dabei streng auf den sanften kleinen Mann.
„Und Ihr werdet meine Frau hier in Oogaboo zurücklassen?“, fragte er.
„Ja, und dich zum General machen.“
„Ich werde gehen“, sagte Jo Hörnchen, und Ann ging weiter zum Häuschen von Jo Uhr, der einen Obstgarten mit Uhrbäumen hatte. Dieser Mann bestand zuerst darauf, daß er nicht der Armee beitreten würde, aber das Versprechen von Königin Ann, ihn zum General zu machen, stimmte ihn schließlich um.
„Wie viele Generale gibt es in Eurer Armee?“, fragte er.
„Bis jetzt sind es vier“, antwortete Ann.
„Und wie groß wird die Armee sein?“, war seine nächste Frage.
„Ich beabsichtige, jeden der achtzehn Männer in Oogaboo dazu zu bringen, ihr beizutreten“, sagte sie.
„Dann sind vier Generäle genug“, verkündete Jo Uhr. „Ich rate Euch, den Rest von ihnen zu Obersten zu machen.“
Ann versuchte seinem Rat zu folgen. Die nächsten vier Männer, die sie besuchte – Jo Pflaume, Jo Ei, Jo Banjo und Jo Käse, benannt nach den Bäumen in ihren Obstgärten –, machte sie zu Obersten ihrer Armee; aber der fünfte, Jo Nagel, sagte, daß Oberste und Generäle in der Armee von Oogaboo insgesamt zu gewöhnlich würden, und er es vorzöge, ein Major zu sein. So wurden Jo Nagel, Jo Kuchen, Jo Schinken und Jo Strumpf alle vier zu Majoren, während die nächsten vier – Jo Sandwich, Jo Vorhängeschloß, Jo Eisbecher und Jo Knopf – zu Hauptleuten der Armee ernannt wurden.
Aber jetzt war Königin Ann in einer Zwickmühle. Es blieben nur zwei andere Männer in ganz Oogaboo übrig, und wenn sie diese zwei zu Leutnants machte, während es vier Hauptleute, vier Majore, vier Oberste und vier Generäle gab, würde es wahrscheinlich zu Eifersüchteleien in ihrer Armee kommen, was vielleicht Meuterei und Fahnenflucht zur Folge haben würde.
Einer dieser Männer war jedoch Jo Zuckerwerk, und er wollte absolut nicht gehen. Keine Versprechungen könnten ihn verlocken, noch könnten ihn Drohungen bewegen. Er sagte, er müsse zu Hause bleiben, um seine Ernte von Zitronendrops, Bonbons und Schokoladenkeksen zu ernten. Auch hatte er große Felder von Gebäck und gebuttertem Popcorn, die gemäht und gedroschen werden sollten, und er war entschlossen, die Kinder von Oogaboo nicht zu enttäuschen, indem er fortging, um die Welt zu erobern und deswegen die Süßigkeitenernte verderben ließe.
Als sie Jo Zuckerwerk so standhaft fand, ließ ihn Königin Ann in Ruhe und setzte ihre Reise zum Haus des achtzehnten und letzten Mannes in Oogaboo fort, einem jungen Mann namens Jo Feile. Dieser Feile hatte zwölf Bäume, die verschiedenartige Stahlfeilen trugen; aber er hatte auch neun Buchbäume, auf denen eine auserlesene Auswahl von Geschichtenbüchern wuchs. Für den Fall, daß ihr noch nie gesehen habt, daß Bücher auf Bäumen wachsen, will ich euch erklären, daß diejenigen in Jo Feiles Obstgarten in dicken grünen Schalen eingeschlossen waren, die, wenn sie ganz reif waren, eine tiefrote Farbe annahmen. Dann wurden die Bücher gepflückt und geschält und waren bereit, gelesen zu werden. Wenn sie zu früh gepflückt wurden, waren die Geschichten verwirrend und uninteressant und die Schreibweise schlecht. Wenn sie jedoch perfekt reifen konnten, waren die Geschichten gut lesbar und die Rechtschreibung und Grammatik ausgezeichnet.
Feile verschenkte seine Bücher an alle, die sie wollten, aber die Leute von Oogaboo hatten wenig für Bücher übrig, und so mußte er die meisten von ihnen selbst lesen, bevor sie verdarben. Denn, wie ihr wahrscheinlich wißt, verschwanden die Wörter, sobald die Bücher gelesen wurden, und die Blätter verblaßten und verwelkten – das ist der schlimmste Nachteil aller Bücher, die an Bäumen wachsen.
Als Königin Ann mit dem jungen Mann Feile sprach, der sowohl intelligent als auch ehrgeizig war, sagte er, daß er dächte, es würde großen Spaß machen, die Welt zu erobern. Aber er lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß er den anderen Männern ihrer Armee weit überlegen war. Daher würde er nicht einer ihrer Generäle oder Oberste oder Majore oder Hauptleute sein, sondern beanspruchte die Ehre für sich, der einzige Gefreite zu sein.
Ann gefiel diese Idee überhaupt nicht.
„Ich mag den Gedanken nicht, einen gewöhnlichen Soldaten in meiner Armee zu haben“, sagte sie; „Und Gefreite sind so gewöhnlich. Mir wurde gesagt, daß Prinzessin Ozma einst einen Gefreiten hatte, aber sie machte ihn zu ihrem Generalhauptmann, was ein guter Beweis dafür ist, daß der Gefreite unnötig war.“
„Ozmas Armee kämpft nicht“, gab Feile zurück; „Aber Eure Armee muß wütend kämpfen, um die Welt zu erobern. Ich habe in meinen Büchern gelesen, daß es immer die gewöhnlichen Soldaten sind, die kämpfen, denn kein Offizier ist jemals mutig genug, sich dem Feind zu stellen. Ein weiterer Grund dafür ist, daß Eure Offiziere jemanden haben müssen, dem sie Befehle erteilen können, also bin ich derjenige. Ich sehne mich danach, den Feind zu bezwingen und ein Held zu werden. Dann, wenn wir nach Oogaboo zurückkehren, werde ich allen Marmor einsammeln und davon eine Marmorstatue von mir selbst machen lassen, die alle betrachten und bewundern können.“
Ann war sehr zufrieden mit dem Gefreiten Feile. Er schien in der Tat ein solcher Krieger zu sein, wie sie ihn in ihrem Unternehmen brauchte, und ihre Hoffnungen auf Erfolg stiegen noch mehr, als Feile ihr sagte, er wisse, wo ein Waffenbaum wüchse und würde sofort dorthin gehen und die reifste und größte Muskete holen, die der Baum trug.
DREI Tage später versammelte sich die Große Armee von Oogaboo auf dem Platz vor dem Königspalast. Die sechzehn Offiziere trugen wunderschöne Uniformen und scharfe, glitzernde Schwerter. Der Gefreite hatte sein Gewehr gepflückt, und obwohl es keine sehr große Waffe war, versuchte Feile, grimmig auszusehen, und es gelang ihm so gut, daß alle seine kommandierenden Offiziere heimlich Angst vor ihm hatten.
Die Frauen waren dort und protestierten, daß Königin Ann Sofort kein Recht hatte, ihnen ihre Ehemänner und Väter wegzunehmen; aber Ann befahl ihnen, still zu sein, und das war der härteste Befehl, dem sie jemals gehorchen mußten.
Die Königin erschien vor ihrer Armee in einer imposanten grünen Uniform mit goldenen Litzen. Sie trug eine grüne Soldatenmütze mit einer purpurnen Feder und sah so königlich und würdevoll aus, daß jeder in Oogaboo außer der Armee froh war, daß sie ging. Die Armee bedauerte, daß sie nicht allein ging.
„Ach-tung!“, rief sie in ihrer schrillen Stimme.
Salye lehnte sich aus dem Palastfenster und lachte.
„Ich glaube, deine Armee kann besser rennen, als sie kämpfen kann“, stellte sie fest.
„Natürlich“, antwortete General Semmel stolz. „Wir wollen nicht kämpfen, sondern plündern. Je mehr wir plündern und je weniger wir kämpfen, desto lieber werden wir unsere Arbeit mögen.“
„Ich für meinen Teil“, sagte Feile, „ziehe Krieg und Gemetzel vor. Der einzige Weg, ein Held zu werden, ist, siegreich zu sein, und die Geschichtenbücher sagen alle, daß die einfachste Art, siegreich zu sein, im Kampf besteht.“
„Das ist die Idee, wackerer Mann!“, stimmte Ann zu. „Zu kämpfen heißt siegreich sein, und siegreich sein heißt, Beute zu machen und Beute zu machen heißt ein Held zu werden. Mit solch edler Entschlossenheit hinter mir ist die Welt mein! Auf Wiedersehen, Salye. Wenn wir zurückkehren, werden wir reich und berühmt sein. Auf, Generäle, laßt uns marschieren.“
Hierauf strafften sich die Generäle und streckten ihre Brust heraus. Dann schwangen sie ihre glitzernden Schwerter in schnellen Kreisen und riefen zu den Obersten:
„Vor-wärts Marsch!“
Dann riefen die Oberste zu den Majoren: „Vor-wärts Marsch!“, und die Majore brüllten zu den Hauptleuten: „Vor-wärts Marsch!“, und die Hauptleute schrien zum Gefreiten: „Vor-wärts Marsch!“
Also legte Feile sein Gewehr an und begann zu marschieren, und alle Offiziere folgten ihm. Am Ende kam Königin Ann, die sich über ihre edle Armee freute und sich fragte, warum sie sich nicht schon vor langer Zeit entschieden hatte, die Welt zu erobern.
In dieser Reihenfolge marschierte die Prozession aus Oogaboo und nahm den schmalen Bergpaß, der in das schöne Märchenland von Oz führte.
PRINZESSIN Ozma war sich nicht bewußt, daß die Armee von Oogaboo, angeführt von ihrer ehrgeizigen Königin, entschlossen war, ihr Königreich zu erobern. Die schöne Herrscherin von Oz war mit dem Wohlergehen ihrer Untertanen beschäftigt und hatte keine Zeit, an Ann Sofort und ihre aufrührerischen Pläne zu denken. Aber es gab eine, die ständig über den Frieden und das Glück des Landes von Oz wachte, und das war die offizielle Zauberin des Königreichs, Glinda die Gute.
In ihrem prächtigen Schloß, das weit nördlich der Smaragdstadt steht, wo Ozma ihren Hof hat, besitzt Glinda ein wunderbares magisches Notizbuch, in das jedes Ereignis, das irgendwo stattfindet, gedruckt wird, sobald es geschieht.
Die kleinsten und die größten Dinge sind alle in diesem Buch aufgezeichnet. Wenn ein Kind wütend mit dem Fuß aufstampft, liest Glinda darüber; Wenn eine Stadt niederbrennt, findet Glinda die Tatsache in ihrem Buch notiert.
Die Zauberin liest ihr Notizbuch jeden Tag, und so wußte sie, daß Ann Sofort, die Königin von Oogaboo, törichterweise eine Armee von sechzehn Offizieren und einem Gefreiten aufgestellt hatte, mit der sie das Land von Oz erobern wollte.
Es bestand keine Gefahr, da Ozma, unterstützt von den magischen Künsten von Glinda der Guten und dem mächtigen Zauberer von Oz – beides ihre engen Freunde – mit Leichtigkeit eine weitaus imposantere Armee als Anns besiegen könnte; aber es wäre eine Schande, wenn der Frieden von Oz durch irgendwelche Streitigkeiten oder Kämpfe unterbrochen würde. Also erwähnte Glinda die Angelegenheit nicht einmal Ozma oder irgend jemand anderem gegenüber. Sie ging nur in einen großen Raum ihres Schlosses, bekannt als das magische Zimmer, wo sie eine magische Zeremonie durchführte, die bewirkte, daß der Bergpaß, der von Oogaboo wegführte, einige Biegungen und Windungen machte. Das Ergebnis war, daß, als Ann und ihre Armee an das Ende des Passes kamen, sie überhaupt nicht im Land von Oz waren, sondern in einem angrenzenden Gebiet, das sich deutlich von Ozmas Reich unterschied und durch eine unsichtbare Barriere von Oz getrennt war.
Als die Leute aus Oogaboo in dieses Land kamen, verschwand der Paß, den sie überquert hatten, hinter ihnen und es war unwahrscheinlich, daß sie jemals wieder ins Tal von Oogaboo zurückfinden würden. Sie waren tatsächlich sehr verwirrt über ihre Umgebung und wußten nicht, welchen Weg sie gehen sollten. Keiner von ihnen war jemals in Oz gewesen, also brauchten sie einige Zeit um herauszufinden, daß sie nicht in Oz waren, sondern in einem unbekannten Land.
„Einerlei“, sagte Ann und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Wir haben begonnen, die Welt zu erobern, und hier ist ein Teil davon. Mit der Zeit, wenn wir unsere siegreiche Reise fortsetzen, werden wir zweifellos nach Oz kommen, aber bis wir dort ankommen, können wir auch jedes Land erobern, in das wir gelangen.“
„Haben wir diesen Ort erobert, Euer Majestät?“, fragte Major Kuchen besorgt.
„Aber gewiß“, sagte Ann. „Wir haben bisher noch keine Leute getroffen, aber wenn wir es tun, werden wir sie darüber informieren, daß sie unsere Leibeigenen sind.“
„Und danach werden wir sie all ihrer Besitztümer berauben“, fügte General Apfel hinzu.
„Es mag sein, daß sie überhaupt nichts besitzen“, widersprach der Gefreite Feile; „Aber ich hoffe, daß sie uns dennoch bekämpfen werden. Eine friedliche Eroberung würde überhaupt keinen Spaß machen.“
„Mach dir darum keine Sorgen“, sagte die Königin. „Wir können kämpfen, ob unsere Feinde es tun oder nicht; und vielleicht finden wir es angenehmer, wenn der Feind sofort kapituliert.“
Es war ein karges Land, und es war nicht sehr angenehm, darin zu reisen. Außerdem gab es wenig zu essen, und als die Offiziere hungrig wurden, wurden sie aufsässig. Viele wären desertiert, wenn es ihnen möglich gewesen wäre, ihren Weg nach Hause zu finden, aber da die Leute aus Oogaboo jetzt hoffnungslos in einem fremden Land verloren waren, hielten sie es für sicherer, zusammenzubleiben, als sich zu trennen.
Königin Anns Temperament, das nie sehr angenehm war, wurde aggressiv und reizbar, als sie und ihre Armee über die felsigen Wege trotteten, ohne Menschen zu begegnen oder etwas plündern zu können. Sie schalt ihre Offiziere, bis sie mürrisch wurden, und einige von ihnen waren respektlos genug, sie zu bitten, ihre Zunge im Zaum zu halten. Andere begannen, ihr Vorwürfe zu machen, daß sie sie in Schwierigkeiten gebracht habe, und nachdem drei unglückliche Tage vergangen waren, trauerte jeder Mann um seinen Obstgarten im schönen Tal von Oogaboo.
Feile erwies sich jedoch als anders. Je mehr Schwierigkeiten ihm begegneten, desto fröhlicher wurde er, und die Seufzer der Offiziere wurden von dem fröhlichen Pfeifen des Gefreiten beantwortet. Sein angenehmes Gemüt trug viel dazu bei, Königin Ann zu ermutigen, und sie konsultierte den Soldaten bald öfter als seine Vorgesetzten.
Es war am dritten Tag ihrer Reise, daß sie ihrem ersten Abenteuer begegneten. Gegen Abend wurde der Himmel plötzlich dunkel und Major Nagel rief aus:
„Ein Nebel kommt auf uns zu.“
„Ich glaube nicht, daß es ein Nebel ist“, antwortete Feile und schaute interessiert auf die sich nähernde Wolke. „Es scheint mir eher der Atem eines Raks zu sein.“
„Was ist ein Rak?“, fragte Ann und sah sich ängstlich um.
„Ein furchterregendes Tier mit einem schrecklichen Appetit“, antwortete der Soldat, der etwas blasser als gewöhnlich wurde. „Ich habe zwar noch nie einen Rak gesehen, aber ich habe in den Geschichtenbüchern aus meinem Obstgarten von ihnen gelesen, und wenn dies tatsächlich eines dieser furchtbaren Monster ist, werden wir wahrscheinlich nicht die Welt erobern.“
Als sie dies hörten, wurden die Offiziere ziemlich besorgt und versammelten sich um ihren Soldaten.
„Wie sieht das Ding aus?“, fragte einer.
„Das einzige Bild von einem Rak, das ich jemals in einem Buch sah, war ziemlich unscharf“, sagte Feile, „weil das Buch noch nicht reif war, als es gepflückt wurde. Aber die Kreatur kann in der Luft fliegen, wie ein Reh rennen und wie ein Fisch schwimmen. In ihrem Körper ist ein glühender Feuerofen, und der Rak atmet Luft ein und Rauch aus, der den Himmel meilenweit verdunkelt, wo immer er hingeht. Er ist größer als hundert Mann und ernährt sich von allem Lebendigen.“
Die Offiziere begannen nun zu stöhnen und zu zittern, aber Feile versuchte sie aufzuheitern und sagte:
„Es ist vielleicht kein Rak, den wir herannahen sehen, und ihr dürft nicht vergessen, daß wir Leute aus Oogaboo, das ein Teil des Märchenlandes von Oz ist, nicht getötet werden können.“
„Trotzdem“, sagte Hauptmann Knopf, „wenn der Rak uns erwischt und uns in kleine Stücke zerkaut und uns verschluckt – was wird dann geschehen?“
„Dann wird jedes kleine Stück noch am Leben sein“, erklärte Feile.
„Ich kann nicht sehen, wie uns das helfen würde“, jammerte Oberst Banjo. „Eine Frikadelle ist eine Frikadelle, ob sie lebendig ist oder nicht!“
„Ich sage euch doch, daß es vielleicht kein Rak ist“, beharrte Feile. „Wir werden wissen, ob es der Atem eines Raks ist oder nicht, wenn die Wolke näher kommt. Wenn sie überhaupt keinen Geruch hat, ist es wahrscheinlich ein Nebel; aber wenn sie einen Geruch von Salz und Pfeffer hat, ist es ein Rak und wir müssen uns auf einen gefährlichen Kampf vorbereiten.“
Alle beäugten die dunkle Wolke angstvoll. Bald erreichte sie die erschrockene Gruppe und begann sie zu umhüllen. Jede Nase schnüffelte an der Wolke – und jeder entdeckte darin den Geruch von Salz und Pfeffer.
„Der Rak!“, schrie der Gefreite Feile, und mit einem verzweifelten Aufheulen ließen sich die sechzehn Offiziere zu Boden fallen, wo sie sich in Qualen wanden und stöhnten. Königin Ann setzte sich auf einen Felsen und blickte der Wolke mutiger entgegen, obwohl ihr Herz schnell schlug. Feile hingegen lud ruhig seine Waffe und stand bereit, den Feind zu bekämpfen, wie es ein Soldat tun sollte.
Sie waren jetzt in absoluter Dunkelheit, denn die Wolke, die den Himmel und die untergehende Sonne bedeckte, war schwarz wie Tinte. Dann erschienen durch die Dunkelheit zwei runde, rot leuchtende Kugeln, und Feile entschied sofort, daß dies die Augen des Monsters sein mußten.
Er legte sein Gewehr an, zielte und feuerte.
Es waren mehrere Kugeln in der Waffe, die alle von einem ausgezeichneten Kugelbaum in Oogaboo gesammelt worden waren, und sie waren groß und hart. Sie flogen auf das Ungeheuer zu und trafen es, und mit einem willden, unheimlichen Schrei flatterte der Rak herunter und sein riesiger Körper fiel schwer auf die Gestalten der sechzehn Offiziere, die daraufhin lauter als zuvor schrien.
„Meine Güte!“, stöhnte der Rak. „Sieh nur, was du mit deiner gefährlichen Waffe angerichtet hast!“
„Ich kann nichts sehen“, antwortete Feile, „denn die Wolke, die durch deinen Atem gebildet wird, verdunkelt alles!“
„Erzähl mir nicht, daß es ein Unfall war“, fuhr der Rak vorwurfsvoll fort, während er immer noch hilflos mit den Flügeln flatterte. „Behaupte nur nicht, du wüßtest nicht, daß die Waffe geladen war!“
„Das habe ich nicht vor“, antwortete Feile. „Haben die Kugeln dich sehr verletzt?“
„Eine hat mir den Kiefer gebrochen, so daß ich meinen Mund nicht öffnen kann. Du wirst bemerken, daß meine Stimme ziemlich gequetscht und heiser klingt, weil ich durch meine Zähne sprechen muß, die eng beieinander stehen. Eine andere Kugel hat meinen linken Flügel gebrochen, so daß ich nicht fliegen kann, und noch eine andere hat mir das rechte Bein gebrochen, so daß ich nicht gehen kann. Es war der leichtsinnigste Schuß, von dem ich jemals gehört habe!“
„Kannst du es denn schaffen, deinen Körper von meinen vorgesetzten Offizieren abzuheben?“, fragte Feile. „Ich fürchte von ihren Schreien her, daß dein großes Gewicht sie zerquetscht.“
„Ich hoffe, daß es so ist“, knurrte der Rak. „Ich möchte sie, wenn möglich, zerquetschen, denn ich habe eine schlechte Veranlagung. Wenn ich nur meinen Mund öffnen könnte, würde ich euch alle essen, obwohl mein Appetit bei diesem warmen Wetter schlecht ist.“