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Time Travel Academy II. Auf dem Hover in ein neues Zeitreise-Abenteuer. Endlich wieder Schule! Max, Valentina, Sakura, Ravi und die Robokatze sind zuru¨ck auf der Time Travel Academy. Ihre neue Mission: eine Reise in ihre Wunschzeit. Ob Max in der Vergangenheit endlich etwas u¨ber seine verschollene Schwester Stella herausfinden kann? Schon bald tauchen unheimliche Agenten auf, die alles daransetzen, die Ru¨ckkehr der Kinder in die Gegenwart zu verhindern. Und Max hat einen unglaublichen Verdacht: Hat etwa die Academy selbst etwas mit Stellas Verschwinden zu tun? Welche Rolle spielt der Chaos Club dabei? Das zweite actionreiche Abenteuer auf der Time Travel Academy. Noch nie war Zeitreisen spannender als mit Max, Valentina, Sakura und Ravi! Im Band 2 der rasanten Time Travel-Reihe geht die Suche nach Stella, Max' verschwundener Schwester, weiter. Spricht Jungen und Mädchen ab 10 Jahren an, die Action und einen lockeren Schreibstil lieben. Die packende Story im besonderen Setting eines HighTech Internats wird dich begeistern! Mit futuristischen, schwarz-weißen Illustrationen von Melanie Korte.
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Endlich wieder Schule! Max, Valentina, Sakura, Ravi und die Robokatze sind zurück auf der Time Travel Academy. Ihre neue Mission: eine Reise in ihre Wunschzeit. Ob Max in der Vergangenheit endlich etwas über seine verschollene Schwester Stella herausfinden kann? Schon bald tauchen unheimliche Agenten auf, die alles daransetzen, die Rückkehr der Kinder in die Gegenwart zu verhindern. Und Max hat einen unglaublichen Verdacht: Hat etwa die Academy selbst etwas mit Stellas Verschwinden zu tun?
Das zweite actiongeladene Abenteuer auf der Time Travel Academy:
Noch nie war Zeitreisen aufregender!
Autsch. Ein dumpfer Schlag an meinem Kopf ließ mich nach vorn stolpern. Doch bevor ich richtig verstanden hatte, was da passierte, prasselte eine Flut von unangenehmen Stößen auf meinen Rücken nieder. Boom, Boom, Boom. Ich schnappte nach Luft und zog den Kopf ein. Dann ertönte lautes Gelächter, allen voran das kichernde Lachen von Kira, meiner besten »Freundin« aus der 6c. Der Schneeball, der gegen meinen Kopf geprallt war, glitt an meinem Hals entlang, in meinen Kragen hinein und dann als nasskalte Suppe meinen Rücken herunter.
Es war ein glitschiges, eiskaltes Gefühl, das mir eine Gänsehaut verpasste und meine Laune nicht verbesserte.
Sehnsüchtig dachte ich an die Zeit in der Time Travel Academy zurück und an das unglaubliche Erlebnis, beim Zero-Grav-Ball durch die Luft zu schweben. Wie gern würde ich jetzt einfach hochsteigen, zu Kira rübergleiten und ihr einen eisigen Schneeball in den Mantelkragen stecken oder sie mit einer dicken Ladung Schnee einseifen. Aber nein. Die Time Travel Academy schien heute wieder wie ein nur eingebildetes Hirngespinst. Jetzt mal ganz ehrlich. Wenn in deiner Umgebung nichts darauf hinweist, dass etwas wirklich passiert ist, und nur die eigene Erinnerung daran existiert, ist es dann überhaupt passiert, wenn die Erinnerung weg ist? Wenn sich niemand sonst erinnert, ist es dann überhaupt wahr? Nach einer Weile ist man sich da gar nicht mehr so sicher. Und irgendwie unterscheidet sich so eine Erinnerung ja nicht von einer Erinnerung an etwas, das man sich nur vorgestellt hat, weil man zum Beispiel ein gutes Buch gelesen oder einen coolen Film gesehen hat.
Wieder zuckte ich unter einem dumpfen Schlag zusammen, als mich ein weiterer Schneeball im Rücken traf. Aber ich hatte gelernt, dass es manchmal besser ist, die Leute zu ignorieren. Dann hören sie schneller auf und machen etwas anderes. Ich stopfte meine Hände in die Taschen und legte einen Zahn zu. Wenn ich meinen Klassenkameraden von der Time Travel Academy erzählen würde, würden sie das ohnehin nicht glauben. Abgesehen davon war es natürlich verboten. Aber jeden Tag wartete ich darauf, dass ich wieder zurückgerufen wurde. Dieses Mal ganz offiziell als Kadett.
Ich seufzte. Die Time Travel Academy konnte außerhalb der Zeit handeln, das Problem war nur, dass ich keine Ahnung hatte, wann genau – in unserer Zeitrechnung – das passieren würde.
»Und, wo ist deine Schwester?« Die grelle Stimme von Kira war viel zu nah und summte mir in den Ohren … »Ist sie weggezaubert? Deine Eltern sind Freaks. Vielleicht hat sie sich ja auch im Sarkophag versteckt. Oder deine Mutter hat sie ins All geschossen?« Es folgte das vertraute Gelächter, das an das Heulen einer Hyäne erinnerte.
Jetzt beugte ich mich doch vor und raffte Schnee mit meinen bloßen Händen zusammen. Ich ignorierte das taube Gefühl an den Fingern, weil ich natürlich gerade heute meine Handschuhe vergessen hatte. Dann holte ich aus und warf den zusammengepressten Ball mit voller Wucht in Richtung Kira und der Gruppe ihrer Freunde.
Aber der Schneeball war zu wenig zusammengedrückt und zerfiel schon auf dem Weg dorthin. Es war echt zum Heulen. Ich ignorierte das erneute gehässige Gelächter und ging schnell weiter zur Mensa.
Das Essen in der Schulmensa, zu dem mich meine Eltern angemeldet hatten, damit ich »etwas Vernünftiges esse«, weil sie um diese Zeit noch bei der Arbeit waren, war einfach schrecklich. Die heutige Mahlzeit bestand aus einer Portion labbriger Spagetti und eiskaltem Obstsalat, der keinerlei Geschmack hatte und an den Zähnen wehtat. Wer hätte gedacht, dass ich mich einmal nach grünen Nährschleimwürfeln sehnen würde? Die Essenswürfel an der Time Travel Academy wurden von Foodprintern zu deinem Lieblingsgericht gemacht.
Vielleicht waren meine Lieblingsgerichte nicht sonderlich kreativ, mit Pizza und Pfannkuchen war ich direkt im Himmel, immerhin aß ich nicht ausschließlich Gerichte mit Zuckerschock-Faktor, wie sie meine Freundin Sakura bestellte. Wie es ihr wohl ging?
Ich schaute auf meine Uhr, das ehemalige Chronoband. Leider hatte es sich außerhalb der Academy in eine stinknormale Uhr verwandelt, wieder etwas, das mir niemand glauben würde, wenn ich es erzählen würde. Es war zwar eine einigermaßen moderne Uhr, aber bestimmt nicht eine, bei der irgendjemand vermuten würde, dass man damit in der Zeit reisen konnte.
Ich meine, da war man gerade offiziell Kadett geworden mit einem Chronoband, mit dem man selbstständig reisen konnte, da war es schon wieder eine nutzlose Uhr geworden. Also, da ist ein Cliffhanger in einem superspannenden Buch ja echt nichts gegen!
Als ich nach meiner Mahlzeit in der Mensa nach Hause kam, waren meine Eltern wie erwartet noch bei der Arbeit, mein Vater im Museum, meine Mutter im Institut. Ich kramte den Schlüssel unter meinem Sweatshirt hervor und schloss die Tür auf. Leider hatte ich ihn viel zu oft verloren, weshalb ich ihn inzwischen an einem Band um den Hals trug. Außer Hausaufgaben würde heute nicht viel passieren. Eigentlich hätte ich Lust auf eine Schneeballschlacht gehabt, aber bestimmt nicht mit den Kindern aus meiner Klasse. Der Januar war eiskalt gewesen, es gab kein Fußballtraining und irgendwie lief alles nicht besonders toll.
Als ich an meinem Schreibtisch saß und gerade mein Mathebuch aufgeklappt hatte, ertönte ein Klopfen. Langsam öffnete sich die Zimmertür und das Gesicht meines Vaters erschien: Brille mit dunklem Rand, verwuschelte Haare, dazu trug er seinen dunkelgrünen Cordanzug, den er immer zur Arbeit im Museum anzog.
»Du bist schon da?«, fragte ich überrascht und dankbar für die Verzögerung, mit den Hausaufgaben anfangen zu müssen.
»Ich konnte heute früher gehen und wollte schauen, wie es dir geht. Ich dachte ehrlich gesagt, dass du vielleicht noch draußen bist und eine kleine Schneeballschlacht mit deinen Freunden veranstaltest.«
»Ja, der Schnee ist perfekt pappig«, gab ich zu.
Eine Schneeballschlacht hatte ich ja gehabt, nur anders als mein Vater sich das vorstellte. Eher eine Schneeballschlacht im Sinne von »ich allein gegen den Rest der Welt«.
Mein Vater seufzte. »Du wirst bestimmt nicht mehr so lange warten müssen, Max«, beruhigte er mich, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Aber ich finde, du solltest dich trotzdem bemühen, auch hier ein paar Freunde zu finden.«
Mir blieb fast der Mund offenstehen. Normalerweise sprachen meine Eltern überhaupt nicht über die Time Travel Academy und machten noch nicht einmal Andeutungen. Sie wollten vermeiden, etwas Falsches zu sagen.
»Ich hätte gern auch hier Freunde. Aber ich werde behandelt, als sei das Verschwinden von Geschwistern ansteckend. Alle schauen mich an wie einen Freak.«
Ich blinzelte, um zu verhindern, dass mir Tränen in die Augen stiegen. Heulen konnte ich jetzt gar nicht gebrauchen.
Mein Vater trat näher an mich heran. Ich starrte mit brennenden Augen nach vorn, damit er die Tränen nicht sah.
»Ich würde einfach so gern mehr wissen. Wie lang kann es denn maximal dauern?«, fragte ich ihn mit erstickter Stimme.
Mein Vater rieb sich einmal mit dem Zeige- und Mittelfinger über die Stirn, was ich nur aus dem Augenwinkel sah.
»Du weißt doch, dass ich da nicht so viel zu sagen kann, Max«, erwiderte er leise und geduldig.
»Warum kann Sakuras Familie eigentlich über alles sprechen? Ich meine, sie weiß alles über die Academy und ich, obwohl ich sogar da war, weiß immer noch irgendwie gar nichts. Es ist echt schrecklich.«
Der Blick meines Vaters glitt kurz zu meinem Chronoband. Keine Ahnung, es sah fast aus, als hätte er Angst vor dem Ding, was ich mir natürlich einbilden musste.
»Max. Sakuras Eltern sind Helden an der Academy. Ihrer Familie verdankt die Welt der Zeitreisenden jede Menge große Erfindungen. Natürlich sprechen sie daher viel über die TTA. Du weißt, dass das bei uns ganz anders ist. Und anders sein muss.«
Auf der Stirn meines Vaters erschien die tiefe Falte zwischen den Augen, die ich so gut kannte. Natürlich. Sie durften darüber nicht reden. Falls sie gegen die Regeln verstießen, liefen sie Gefahr, gelöscht zu werden, was die schlimmste Strafe überhaupt war. Danach würden sie sich an gar nichts mehr erinnern. Vielleicht würden sie dann Stella sogar komplett vergessen? Mein Herz begann bei dem Gedanken so heftig zu klopfen, dass es wehtat. Es war bestimmt richtig, dass sie sich an diese Regel hielten, egal, wie sehr es nervte.
»Soll ich dir noch was anderes zu essen machen? Ich hätte da ein Rezept für ein paar schöne Pfannkuchen, falls das Schulessen nicht so gut war.«
Ich lächelte meinen Vater dankbar an. Er meinte es ja gut mit mir. »Pfannkuchen wären genial.«
Nachdem mein Vater die Küche in ein Chaos aus Schüsseln, Mehlstaub, Eierschalen und Teigspritzern verwandelt hatte – ihr könnt euch das in etwa so vorstellen, als würde euer Geschwister im Kindergartenalter kochen –, waren die ersten interessant geformten Pfannkuchen in der Pfanne und verbreiteten einen köstlichen Geruch. Plötzlich sah Papa aus, als hätte er einen Geistesblitz. Ein verschmitztes Grinsen legte sich auf seine Lippen, und er holte den kleinen Tritthocker, um ans oberste Küchenregal zu kommen. Hoch oben fühlte er mit ausgestrecktem Arm blind zwischen den Ersatzpackungen von Mamas Matcha-Tee, getrockneten Kichererbsen und was sonst noch Gesundes in unserer Küche lauerte und zauberte ein nigelnagelneues Glas Nuss-Nougat-Creme hervor.
»Heute ausnahmsweise«, verkündete er, während er vom Hocker stieg und mir das Glas hinstellte. Dann wandte er mir demonstrativ den Rücken zu. »Ich sehe nicht hin, wie viel du auf deinen Pfannkuchen machst.«
Mit dem breitesten Grinsen im Gesicht dachte ich, dass ich wohl den besten Vater der Welt hatte, während ich mir eine so dicke Schicht aufstrich wie im Hover. Auch wenn ich wusste, dass echte Nuss-Nougat-Creme – nicht die aus Nährschleim – alles andere als gesund war. Als ich kurz vor dem Platzen war und vermutlich mehr Zucker intus hatte als ansonsten während einer ganzen Woche, hörten wir das Klimpern von Schlüsseln. Wie auf frischer Tat ertappt, was wir theoretisch ja auch waren, sprang Papa auf, schnappte sich das Glas Nuss-Nougat-Creme, stieg auf den Tritthocker und schob es eilig hinter die Vorräte im Küchenschrank. Mama betrat gerade die Küche, als Papa sich bemüht gelassen auf den Küchenstuhl fallen ließ und ein atemloses »Hallo, Liebling« von sich gab.
Mamas Scannerblick durchstreifte die Küche. Angesichts des Chaos an Mehlstaub und Eierschalen kniff sie die Augen zusammen. Mein Herz raste, als hätte ich etwas Verbotenes getan. Ziemlich bald schlug es aber aus einem ganz anderen Grund schneller, denn als Mama sich um die eigene Achse drehte, funkelte etwas in ihrer Hand auf.
»Ist das«, brachte ich mühsam hervor und machte einen Satz auf meine Mutter zu, um ihr das glänzende Etwas aus der Hand zu reißen, »die Einladung der Time Travel Academy?« Ich konnte es nicht fassen. Ernsthaft, ich hatte ja schon langsam gedacht, ich hätte mir das alles nur eingebildet. Aber da war sie. Glänzend, gleichzeitig weich und fest, wie die Einladung zur Anwärterphase. Mein Blick raste über die Zeilen unter meinem funkelnden Namen.
Die Abholung zu Segment eins der Kadettinnen und Kadetten erfolgt um 2023011500UTC
Ort: Weihergasse 108
Mein Hirn ratterte, während es die koordinierte Weltzeit in unsere Zeit umrechnete. Ich stieß einen entsetzten Schrei aus, sah zur Küchenuhr an der Wand, dann zurück auf die Einladung.
»Das ist in sieben Minuten!« Fieberhaft überlegte ich, wie ich es in der kurzen Zeit zur Weihergasse 108 schaffen sollte. Es war schlichtweg unmöglich. Das Gewicht des ganzen Hauses drückte mir mit einem Mal auf die Schultern und pure Verzweiflung erfasste mich, weil ich so lange auf die Einladung gewartet, sie dann aber offenbar nicht bemerkt hatte. Wie hatte mir das passieren können!
Doch bevor ich mich aus meiner Erstarrung lösen konnte, hatte sich mein Vater schon das letzte Stück Pfannkuchen in den Mund gesteckt, war aufgesprungen und fischte seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche. »Los, dann haben wir eben nur sieben Minuten. Aber Zeitprobleme haben uns noch nie eingeschüchtert. Wir fahren gemeinsam«, verkündete er. Gefühlt zehn Sekunden später saßen wir im Wagen, und mein Vater ließ den Motor aufheulen, als säße er in einem Lamborghini und nicht in einem klapprigen VW Beetle.
Ich hatte Mama noch nie so erlebt. Von ihrem strengen Befehlston könnte sich selbst unser fieser Agenten-Sportlehrer Julio Baghera aus der Time Travel Academy etwas abschauen. Plötzlich konnte ich mir vorstellen, dass meine Mutter und mein Vater selbst mal als Agenten unterwegs gewesen waren.
Als hätten wir jetzt schon eine Zeitreise unternommen, stand ich noch vor Ankunftszeit des Hovers zwischen meinen Eltern auf der schneebedeckten Wiese am Ende der Weihergasse. Die Luft knisterte, die kahlen Äste der Obstbäume, die den Feldweg säumten, knackten, als würde ein starker Wind wehen. Doch wir wussten es besser. Nur einen Wimpernschlag später flirrte die Luft, und eine kleine, halb zerfallene Holzhütte erschien mitten auf der Wiese. Mama drückte mich an sich, küsste mich auf die Stirn und murmelte: »Ich wünsche dir ganz viel Spaß, Maxi. Pass bitte auf dich auf!«
Wie ich diese Knutscherei hasste! Aber ganz ernsthaft, im Moment war mir das egal. Auch Papa drückte mich an sich und wünschte mir viel Spaß mit meinen Freunden. So ungern ich mich von meinen Eltern trennte, sosehr freute ich mich darauf, Ravi, Sakura und Valentina wiederzusehen. Auf dem Weg zum Hover sackte ich bis zu den Knien ein und hinterließ tiefe Fußstapfen im Schnee. Aber auch die nassen Hosenbeine konnten mich nicht ärgern. Voller Vorfreude stürmte ich – soweit man meine ulkigen Hüpfer im tiefen Schnee als »stürmen« bezeichnen konnte – auf den Eingang der halb zerfallenen Hütte zu. Dahinter erwartete mich der bekannte Zahnarztpraxis-ähnliche Empfangstresen der Academy mit einer nun neongrünhaarigen Frau Borg, die hinter ihrem Hologramm-Namensschild saß. Der Geruch von Lavendel gepaart mit Motoröl sollte eigentlich keine derartige Wirkung auf mich haben, doch für mich war es wie Nachhausekommen.
Frau Borg blinzelte, was durch ihre dicken Brillengläser stark vergrößert wurde, ehe sie im üblichen strengen Tonfall sagte: »Willkommen zu Segment eins, Max Kastell. Bitte registriere deine Ankunftszeit.« Aus dem funkelnden Tresen schoss eine Metallschlange mit einem gigantischen Glubschauge heraus. Die Linse verengte sich ein wenig, sodass es aussah, als würde das gruselige Auge blinzeln, während es mir immer näher kam. Ich sah von dem Glubschauge zu Frau Borg, und die Rädchen in meinem Hirn begannen sich zu drehen. Die Augen ähnelten sich so sehr, dass es kein Zufall sein konnte. War Frau Borg etwa … nicht menschlich?
»Deinen Iris-Scan bitte«, forderte Frau Borg nun mit Nachdruck, und ich verbannte alle Gedanken und starrte genau in das Auge. Kurz blendete mich ein rotes Licht, dann fuhr das Glubschauge zurück in den Tresen, und eine mir wohlvertraute Stimme verkündete: »Willkommen zurück, Max Kastell.« Ich sah hinab auf mein linkes Handgelenk, um das nicht länger die stinknormale Armbanduhr geschlungen war. Mir funkelte endlich wieder das Display meines Chronobands entgegen, aus dem DaVinci nun verkündete: »Möchten Sie, dass ich Sie irgendwohin navigiere?«
»Nicht nötig«, warf Frau Borg ein. »Du wirst bereits erwartet. Vergiss deine In-Ears nicht«, legte sie noch nach. Sie hielt mir die winzigen Ohrstöpsel hin, die ich sofort einsetzte, ehe Frau Borg auf einen Knopf drückte und die Tür hinter ihr zur Seite glitt. Zu meiner Freude sprangen mir Ravi und Sakura entgegen.
»Willkommen zurück, Max«, sagte Ravi und umarmte mich kurz. Etwas kratzte über mein Hosenbein, und ich sah nach unten. Pickles, Ravis Roboterkatze, die eigentlich gar nicht hätte hier sein dürfen und trotzdem bei der Abschlussfeier zur Kadettin erhoben worden war, blinzelte mir entgegen. Ich bemühte mich um einen freundlichen Gesichtsausdruck, dabei hatte ich wieder einmal Gänsehaut an meinen Armen. Auch wenn wir bereits ein großes Abenteuer mit Pickles erlebt hatten – bei unserer praktischen Zeitreiseprüfung hatte sie für sehr viel Chaos gesorgt –, so war Pickles trotzdem noch gruselig anzuschauen mit dem vielen Metall und den etwas zerfleddert aussehenden Fellbüscheln. Ravi hatte mir mal erzählt, dass Pickles das Fell einer dreifarbigen Glückskatze hatte. Leider war nur der schwarze Teil erhalten geblieben. Daher könnt ihr euch Pickles in etwa so vorstellen wie eine sehr, sehr bemitleidenswerte Verliererin eines fiesen Katzenkampfs. Trotzdem gehörte sie zur Gruppe. Fertig. Ich musste mich nur wieder an ihren Anblick gewöhnen.
»Hi, Max«, begrüßte mich nun auch Sakura. »Du kommst genau pünktlich zum Abendessen. Wir sollten uns beeilen.«
Ich lachte in mich hinein, während sie sich bei mir unterhakte und mich mit sich zog. Ein klein wenig hatte ich tatsächlich befürchtet, dass es nach der monatelangen Trennung seltsam werden würde, uns wiederzusehen, doch meine Freunde ließen diese Sorge verpuffen. Dennoch – irgendetwas lag in der Luft.
»Wo ist denn Valentina?«, fragte ich, während die Tür zu Frau Borgs Eingangsbereich hinter uns zuglitt. Ravi und Sakura sahen mich schulterzuckend an.
»Keine Ahnung, was sie hat. Du wirst es selbst erleben.« In dem Moment wurde das Zittern unter meinen Füßen zu einem Kribbeln in den Beinen, als das Hover startete. Jetzt war ich endgültig zurück an der Time Travel Academy. Nicht als Anwärter, sondern als Kadett im ersten Ausbildungssegment. Ich konnte nicht mehr aufhören zu grinsen, während wir die vertrauten Flure entlanggingen.
Kann man Essen vermissen? Ich sage euch: Und wie! Kaum dass sich die Schiebetüren zum Speisesaal für uns geöffnet hatten und das Surren der Drohnen zusammen mit den verschiedensten Düften die Luft erfüllte, fing mein Magen an zu knurren. Trotz der vielen Pfannkuchen, die ich heute bereits vertilgt hatte. Mein Blick glitt durch den Saal, wo große Roboterhornissen Schleimwürfel auf die Teller der Gäste an den langen Tischen abwarfen. Auf den Bildschirmen an den Außenwänden, die sich den Anschein von Fenstern gaben, war eine gigantische Kirche zu sehen. Keine Ahnung, welche das war – allein in Deutschland gab es zu viele berühmte Kirchen! –, aber ich genoss den Anblick trotzdem. Wie schon zuvor fragte ich mich, ob die Bilder etwas mit dem wirklichen Standort des Hovers zu tun hatten, was mir bisher noch niemand bestätigen konnte.
Ganz wie von selbst steuerte ich zu dem Tisch, an dem weiß gekleidete Anwärterinnen und Anwärter saßen, aber Sakura zog mich am Ärmel zurück. »Wir sind keine Anwärter mehr, schon vergessen? Wir dürfen jetzt überall sitzen.« Sie machte eine ausladende Geste in die weitläufige Halle. Ihre zu einem hohen Pferdeschwanz gebundenen Haare wippten bei der Drehung mit. »Los, da gibt es einen freien Tisch, damit wir ungestört sind.«
Ich sah zu dem freien Tisch, dann auf all die grau, weiß oder schwarz gekleideten Anwesenden und blieb stehen. »Müssen wir uns vielleicht zuerst umziehen?«, fragte ich.
»Am Ankunftstag sind die Regeln lockerer«, nahm mir Sakura meine Sorge. »Bis wir unsere Zimmer zugewiesen bekommen, dürfen wir auch in der Kleidung von draußen herumlaufen.«
Ich folgte den beiden, die wiederum Pickles folgten, die mit aufgerichtetem Schwanz vorneweg lief. Pickles Kadetten-Badge, das uns alle als Kadettinnen und Kadetten im ersten Ausbildungssegment auszeichnete, funkelte bei jedem Schritt. Ich ließ meinen Blick über die anderen schweifen, suchte dabei nach Valentina, konnte sie jedoch nicht entdecken. Sakura wählte einen Tisch nah am Bildschirm-Fenster. Ravi und Pickles setzten sich Sakura und mir gegenüber.
»Wie lange seid ihr schon hier?«, fragte ich, kaum dass ich bei DaVinci Pommes bestellt hatte. Gesunde Pommes! Ein Traum!
»Ich vielleicht seit einer Stunde«, erwiderte Sakura. »Ravi und Valentina eine Stunde länger?« Sie suchte mit einem Blick in Ravis Richtung nach Zustimmung. Ravi und Valentina wohnten beide irgendwo in Italien und wurden daher gemeinsam abgeholt.
»Und wo ist Valentina jetzt?«, wollte ich wissen.
Ravi zuckte nur mit den Schultern, während Pickles auf den Tisch sprang und um Aufmerksamkeit bettelte, sodass beinahe ein Glas umfiel, das gerade durch die Öffnung im Tisch nach oben geschoben wurde. Pickles sorgte wohl nach wie vor für Chaos.
»Wie war eure Zeit zu Hause?«, lenkte ich von der Katze ab. Ravis Blick verschleierte sich, sodass ich die Frage am liebsten zurückgenommen hätte. Als würde Pickles die Traurigkeit spüren, tapste sie zu Ravi und rieb sich mit einer fellgepolsterten Stelle an seiner Hand, die fest um sein Glas geschlungen war. Ravis sagte mit gebrochener Stimme: »Wir haben immer noch nichts von meinem Vater gehört. Meiner Großmutter geht es immer schlechter, es ist …«, er fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase und schniefte, »nicht schön. Meine Mutter ist ja keine Zeitreisende und nicht eingeweiht, daher musste ich Pickles die ganze Zeit verstecken, was ihr gar nicht gefallen hat.«
So eine Trauer, die alles auffraß, kannte ich ja selbst genau. Es war wie mit meiner Schwester Stella. Ich vermisste sie so sehr, vielleicht sogar mit jedem Tag mehr. Wenn es Ravi mit seinem Vater auch so ging, konnte ich mir den Schmerz ausmalen, wusste jedoch nicht, wie ich ihm helfen sollte. Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm und drückte sachte. War das nicht die Geste, mit der Papa mich immer beruhigte? Es entstand eine kurze Pause, während sich die Schleimwürfel auf unseren Tellern in das bestellte Essen verwandelten. Dann legte auch Sakura eine Hand auf Ravis Unterarm. Es schien tatsächlich zu wirken und einen Teil des Gewichts, das ihn zusammengesackt sitzen ließ, von seinen Schultern zu nehmen. Er setzte sich wieder aufrecht hin, und wir aßen weiter.
»Und wie war es bei dir zu Hause?«, fragte ich gestärkt von ein paar Pommes an Sakura gewandt.
»Uhhh«, stöhnte sie als Antwort. Weil ihr Mund mit knusprigen, käseüberbackenen Tortilla-Chips prall gefüllt war, verteilte sie dabei Krümel über den ganzen Tisch. Sie ruderte mit den Händen, um sich zu entschuldigen und ein paar Krümel wegzuwischen, und kaute in Rekordgeschwindigkeit. Dann holte sie tief Luft und begann zu erzählen: »Zu Hause war es schrecklich! Wirklich schrecklich. Ich habe keine Ahnung, was vorgefallen ist, aber meine Eltern wurden entlassen. Die Stimmung ist alles andere als gut, wie ihr euch vorstellen könnt.«
»Sie wurden aus dem Dienst für die Academy entlassen?«, fragte Ravi schockiert. Sakura nickte traurig und ertränkte ein weiteres Käsetortilla in ihrem Dip. »Es ist echt übel. Das Schlimmste aber ist, dass sie durch den Austritt natürlich nicht darüber reden dürfen. Über gar nichts mehr reden dürfen.«
Das kam mir bekannt vor. Ich nickte verständnisvoll. Es ist schlimm, wenn man keine Antworten auf brennende Fragen bekam.
»Und um uns irgendwie zu beschäftigen, habe ich mitgeholfen, in der Werkstatt meines Onkels alle Unterlagen zu digitalisieren. Das Projekt läuft schon seit vier Jahren, aber bald ist es vollbracht.« Sie stöhnte so inbrünstig, als wäre es das Schlimmste der Welt.
»Was denn für Unterlagen?«, wollte Ravi wissen.
»Na, all das Zeug über begonnene und eventuell auch beendete Erfindungen.«
Vermutlich sah man mir an, dass ich keine Ahnung hatte – mal wieder –, denn Sakura erklärte an mich gewandt: »Seit Generationen ist meine Familie für die Ausstattung des Hovers und andere technische Errungenschaften verantwortlich.« Stimmt, das hatte mein Vater erwähnt.
Ravi ergänzte: »Das ist sehr bescheiden formuliert. Fast alles, was Agentinnen und Agenten in ihrem Alltag brauchen, wurde von irgendeinem Mitglied deiner Familie erfunden.«
Sakura war das Lob scheinbar unangenehm, denn sie blickte etwas beschämt auf ihr Essen hinab und murmelte: »Trotzdem macht es keinen Spaß, all den alten Kram zu digitalisieren und zu katalogisieren. Wie war deine Zeit zu Hause, Max?«, lenkte sie direkt von sich ab.
»Ich fürchte, da gibt es auch keine tollen Nachrichten. Ich möchte lieber nicht daran erinnert werden.« Und das war die reine Wahrheit. Wir saßen alle im selben Boot, deshalb hatten die beiden Verständnis dafür, dass ich wirklich nicht darüber sprechen wollte. Wir genossen unser Essen und den extra Nachtisch in einträchtiger Stille. Hin und wieder erhaschten wir die bewundernden Blicke der weiß gekleideten Anwärter, die kicherten, wenn sich unsere Blicke trafen. Ich erinnerte mich noch genau an die Aufregung, die ich bei meinem ersten Aufenthalt gespürt hatte. Und ich war immer noch mindestens genauso aufgeregt, schließlich würde ich jetzt endlich rauskriegen, was mit Stella passiert war, und sie hoffentlich wiederfinden. Das hatte Stella mir jedenfalls versprochen in dieser letzten merkwürdigen Nachricht, die sie mir nach der Anwärterphase beim Verlassen des Hovers geschickt hatte. Allerdings war die Nachricht an der entscheidenden Stelle abgebrochen: »Wir werden uns bald wiedersehen! Jetzt musst du …«, hatte dort gestanden, dann war ich in der Weltzeit angekommen. Das Ende der Nachricht hatte jetzt ein halbes Jahr auf sich warten lassen. Ich konnte nur hoffen, dass Stella bald erneut Kontakt aufnehmen würde. Sie war schließlich der Grund dafür, warum ich die gruselige Hütte von Frau Borg damals betreten hatte – auch wenn ich inzwischen aus tausend anderen Gründen heilfroh darüber war.
Kurze Zeit später trudelten fast alle Hover-Bewohner im Forum ein: Zwischen den neuen Anwärterinnen und Anwärtern in weißen Overalls, die mit leuchtenden Augen sehr aufgeregt und ein wenig kopflos nach dem Weg suchten, sah man Kadetten und Kadettinnen in grauen Overalls mit einer unterschiedlichen Anzahl von Sternen auf der Schulter, daneben noch Agentinnen und Agenten in Schwarz. Die Mitarbeitenden auf dem Hover brachten mit ihrer blauen Kleidung etwas Farbe hinein, während die Lehrkräfte in den unterschiedlichsten Kostümen völlig aus dem Rahmen fielen.
Gespannt erwarteten alle die Ansprache von Schulleiter Romero für dieses Segment. Die Arena war in das blaue Licht der wehenden Phönix-Flaggen getaucht und wirkte unglaublich festlich, sie erinnerte mich an die Bilder der letzten Olympiade. Die Phönix-Flaggen erfüllten mich zudem mit dem wohligen Gefühl des Stolzes, als hätte ich gerade nicht Unmengen von Pfannkuchen und Pommes gegessen, sondern einen warmen Kakao getrunken.
Minuten später schwebte Romero auf seinen Flugschuhen durch die Halle. Dabei ertönte – nicht ganz zufällig wahrscheinlich – eine eindrucksvolle Musik wie beim Beginn eines großen Science-Fiction-Films mit pompösen Fanfaren, die in den Ohren dröhnten. Seine Flugbahn war allerdings geradliniger als beim letzten Mal, entweder waren die Flugschuhe inzwischen weiterentwickelt, oder er war besser eingeflogen. Romero trug diesmal einen leuchtend blauen Frack. Er liebte es einfach, im Mittelpunkt zu stehen, deswegen waren seine Auftritte nie langweilig.
»Herzlich Willkommen, liebe frischgebackenen Kadettinnen und Kadetten, liebe Anwärter und Anwärterinnen und natürlich alle anderen Anwesenden auf unserer wundervollen Time Travel Academy.«
Ich blickte mich um und sah direkt in die glänzenden Augen der weiß gekleideten Anwärter und Anwärterinnen, die neu eingetroffen waren. Meine Ankunft war erst ein halbes Jahr her, doch es kam mir selbst wie eine Ewigkeit vor. Die Zeit war wirklich eine verrückte Sache, manchmal ewig lang, manchmal ganz kurz. In solchen Momenten merkte man, dass mehr dahintersteckte, als eine normal tickende Uhr vermuten ließ.
Nach seinen allgemeinen Worten und der Einweisung der Anwärterinnen und Anwärter kam er endlich auf die Kadetten und Kadettinnen des ersten Segments zu sprechen, also uns. Er senkte seine Stimme, um sie besonders eindringlich wirken zu lassen.
»In diesem Segment wird es ernst, liebe Kadettinnen und Kadetten«, erklärte er. Durch unsere In-Ears hatte man den Eindruck, dass Romeros Stimme im Kopf widerhallte. Ich hatte fast vergessen, was für ein seltsames Gefühl das war. Aber die In-Ears sorgten schließlich auch dafür, dass wir uns untereinander trotz verschiedener Sprachen problemlos verstanden, weil sie alle Sprachen simultan übersetzten.
»Ihr habt uns zwar schon in der Anwärterphase davon überzeugen können, dass ihr die Voraussetzungen für eine Zukunft an der Time Travel Academy mitbringt, aber in welchem Bereich ihr später arbeiten könnt, ist noch lange nicht sicher.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause.
In dem Moment blieben meine Augen an einem Gesicht hängen, das ich in der Menge erspähte. Vielleicht deshalb, weil der Junge gerade ebenfalls zu mir herüberschaute und ein abfälliges Grinsen auf seinem Gesicht lag.
»Schau mal! Da drüben sitzt Severin. Der ist doch beim letzten Mal rausgeflogen!«, flüsterte ich Sakura neben mir zu.
Sakuras Augen verengten sich. »Wirklich? Wo?«, fragte sie und sah in die Richtung, in die ich schaute.
Ja, da saß Severin Beaulieu in voller Pracht. Er trug seine Kadettenmontur, den grauen Anzug, und das glänzende Chronoband war deutlich an seinem Arm zu erkennen.
Sakuras Blick sprach Bände. Es war Severin. Wie um alles in der Welt war das möglich?
»Hauptziel dieses Segments ist, dass euch die goldenen Regeln für Zeitreisende in Fleisch und Blut übergehen. Eine der obersten Regeln lautet, dass ihr nie euren Originalen begegnen dürft. Ihr wisst, dass die Folgen fatal sein können, dennoch müsst ihr lernen, mit der drohenden Gefahr einer Begegnung umzugehen: mental und praktisch. Insbesondere, was diese Regel angeht, werdet ihr dieses Segment auf die Probe gestellt werden.«