Toast mit Gurke - Wolfgang Becker - E-Book

Toast mit Gurke E-Book

Wolfgang Becker

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Beschreibung

Toast mit Gurke - Eine französische Leidenschaft. Lustige Geschichten aus dem Südwesten Frankreichs.

Das E-Book Toast mit Gurke wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
lustige Geschichten, Anekdoten, Spleens, Zoten, Französische Lebensart

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Seitenzahl: 320

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Wolfgang W. Becker war jahrzehntelang in der Werbung tätig. Als Kreativer für große internationale Namen. Autos, Kaffee und Musik weltweit machten ihn bekannt. Auch seine Stimme wurde sehr häufig in der Vergangenheit verwendet. Er produzierte unzählige Werbespots und Industriefilme und schrieb jede Menge Drehbücher.

Etwas ganz anderes ist sein Buch »Toast mit Gurke«. Das war kein Zwang und kein Auftrag. Er schrieb einfach frei von der Leber weg seine Erlebnisse auf. Lustige Geschichten aus seiner zweiten Heimat Frankreich.

Es macht Spaß, sie zu lesen und darüber zu lachen. Genießen Sie es.

Lustige Geschichten und Anekdoten aus dem Südwesten Frankreichs erzählt von

Wolfgang W. Becker

Inhalt

Vorwort

Toast mit Gurke

Handwerker - Freunde fürs Leben

Das Bein

Mahlzeit

Ballspiele

Halali - Die Jagdsaison

Marmorstaub und Nikotin

Der Hühnermörder

Deutsch für Franzosen

Der Holzklau

Huhn in Essig

Austern gefüllt

Regen in Aquitanien

Pas de Problem - Pas normale - Provisoire

Zeitvertreib

Auf ein letztes Wort - oder zwei

Vorwort

Ich glaube, es war so vor zehn Jahren, nach dem Einzug in unser Haus in Frankreich. Es liegt in der Landes. Das ist der Südwesten, ungefähr 80 Kilometer von der spanischen Grenze und den Pyrenäen entfernt und eine dreiviertel Stunde vom Strand, dem Golf von Biskaya. Also bei Biarritz gleich um die Ecke.

Da habe ich angefangen, dieses Buch zu schreiben. Aus Frust.

Ich war gerade mal wieder wütend. Ich hatte ein Drehbuch beendet. Es war irgendeine Liebesgeschichte zwischen einem Opel Astra und einem jungen Mädchen. Sie kennen so was vielleicht. Hitchcock mit Sex-Appeal. Aber nur ganz leicht. Dieses Drehbuch wurde angenommen. Ohne Änderung. Ohne dieses Gefälltunsjaganzgutaber...

Das ist mir noch nie passiert. Normalerweise habe ich erwartet, dass der Kunde sich in einer Form von ‚Ist ja wirklich interessant, aber wir müssen da noch einiges, was Sie natürlich nicht wissen konnten, überarbeiten‘ oder‚ Wissen Sie, schöne Geschichte, aber so haben wir uns das nun doch nicht vorgestellt‘ oder noch schöner, ‚Was soll denn der Sch...,so kennen wir Sie gar nicht‘, äußert aber ‚Prima tolles Drehbuch. Genauso machen wir’s‘. Das ist neu. Ich hatte keine Chance, mich zu wehren. Ich war fassungslos. Eine Frechheit! Ich reibe mich gerne mit und am Kunden, denn nur so entstanden meine besten Filme. Wir kämpfen dann um jeden Satz und jede einzelne Einstellung. Aber nun – die haben einfach so mir nichts, dir nichts alle Filmszenen und Texte gefressen. Erst wenn dieser Kampf beendet war und mein Kunde und ich heiser und kraftlos auf dem Teppichboden des Konferenzraumes lagen, dann war ich zufrieden. Ich wusste, ich war jede Zeile meines Honorars wert, auch wenn es manchmal überhöht war.

Aber jetzt? Es war furchtbar!

Ich schrieb mir meinen Frust von der Feder, indem ich all die Erlebnisse bei der Restauration unseres Hauses, dann die kleinen Reibereien mit den Handwerkern, ebenso die traumhaft schöne Umgebung mit ihren Menschen und ihren kleinen Macken, die uns mehr oder weniger ermutigten, hier ebenfalls leben zu wollen, in meinen Computer hackte. Doch dann brachte ein englischer Kollege sein Buch heraus. Er ist in etwa zur gleichen Zeit nach Frankreich gezogen, nur an die Mittelmeerküste.

Erstaunlich, wie sich manche Geschichten gleichen können. Vielleicht hat der Mistral unsere Gedanken verschmolzen, wer weiß.

Ich schmiss also einen Teil meiner Geschichten weg, klappte den Computer zu und entschloss mich, diese Anekdoten nur noch zur allgemeinen Erheiterung bei irgendwelchen Abendessen zu erzählen. Im Laufe der Zeit kamen noch viele lustige Ereignisse dazu. Frankreich ist so unendlich reich an Typen und Gelegenheiten, man muss nur die Augen und Ohren aufsperren.

Jetzt, nach über zehn Jahren, haben mich Freunde wieder ermutigt, diese Erlebnisse doch noch mal nieder zu schreiben. Das habe ich getan und diesmal – ganz ohne Frust.

Aber mit einer gewissen Schadenfreude und der Hoffnung, dass sich einige meiner Pappenheimer von damals wieder erkennen werden.

Toast mit Gurke – oder noch ein Vorwort?

Um es vorwegzunehmen. Der Titel dieses Buches stammt nicht von mir. Das Urheberrecht besitzt unwissend ein lieber Bekannter.

Toast mit Gurke gibt es tatsächlich. Für Schwangere. Zwar war es nicht in dieser Form gemeint, denn diese spezielle Namensgebung kam von ihm spontan. Es war, glaube ich, Ostern vor dreißig oder mehr Jahren im Elsass. Wir waren eine Gruppe von zehn Personen, die sich spontan am Gründonnerstag beim Italiener entschlossen hatte, die Feiertage beim französischen Nachbarn zu verbringen. Es sollte schönes Wetter werden, das Elsass war berühmt für gute und reichliche Küche und außerdem hatte keiner sonst was vor. Elsass wir kommen. Wir hatten uns alle am Samstag auf der Raststätte bei Langen südlich von Frankfurt verabredet. Morgens um neun. Alle waren sie da, bis auf Hajo. Wir warteten eine halbe Stunde. Er kam, als wir uns schon auf den Weg machen wollten, mit knallendem Auspuff und gefährlich rasselndem Motor angestottert.

»Ich glaube, ich habe da ein Problem mit dem Auto. Tut mir leid, wenn Ihr warten musstet.« Wir ließen den Wagen auf der Raststätte, packten seine Sachen in eines unserer Wagen und fuhren los Richtung Süden. Die Sonne schien, es war Ostern, wir freuten uns auf ein paar schöne Tage und gutes Essen, so ein kleines Problem konnte unsere gute Laune nicht erschüttern. Was wir nicht wussten – auf die Idee, ins Elsass zu fahren, sind noch ein paar Hundert andere gekommen. Ab Karlsruhe standen wir erstmals im Stau – Baustelle. Südlich von Karlsruhe dann qualmte Runis alter Fiat. Ihm war das stop and go von vorhin nicht bekommen. Zum Glück waren wir keine fünfhundert Meter von einer Tankstelle entfernt. Gemeinsam schoben wir das Wägelchen dorthin. Der Sohn des Tankwarts, ebenfalls Fiatfahrer, wie sich später herausstellte, erklärte sich bereit, dieses für ihn bekannte Problem »Kenne ich, typisch Fiat«, zu beheben. Was ihm nach anderthalb Stunden auch gelang.

»Wenn er wieder qualmt, einfach anhalten und warten, bis es aufhört und immer schön Wasser nachfüllen. Dann kann nichts passieren. Gute Reise noch.« Wir entschlossen uns, weiterzufahren. Es war nicht mehr weit. Noch ungefähr hundert Kilometer und ein paar Zerquetschte, dann wären wir am Ziel. Hoffentlich. Unser Engländer in der Gruppe hatte einen Gasthof vorgeschlagen, in dem er vor einigen Jahren mit seiner damaligen Freundin ein paar Tage verbracht hatte, den Namen aber wusste er nicht mehr.

»So vierzig Kilometer südlich von Stressbörg. It´s wonderful. Die Frau des Besitzers kocht selbst. Fantastisch kann ich Euch sagen. Und gar nicht teuer.« Wir kamen schnell voran. Auf der Autobahn. Das änderte sich schlagartig, als wir nach Straßburg abbogen. Alle wollten anscheinend in dieselbe Richtung. Auf der Landstraße ging es nur noch im Schritttempo. Es wurde sechs Uhr und unser Magen meldete sich.

»Keine viertel Stunde mehr.« Beruhigte uns unser ortskundiger Engländer. Nach einer halben Stunde meinte er, dass es hier in der Gegend sein müsste.

»Die nächste Kreuzung, die kommt nach rechts und da ist es auch schon. Ich bin mir sicher.« Aber es kam keine Kreuzung. Fünfzehn Minuten lang gerade Straße. Links und rechts Weinreben, die uns in der Abendsonne anblinzelten. Herrlich. Es protestierten nur unsere Magenwände. Dann war es so weit. Wir waren am Ziel. Ein Traum. Versteckt hinter hohen Eichen, die eine Einfahrt säumten, stand ein kleines zweistöckiges Häuschen. Unser Ziel. Zwischen den Fenstern des ersten und zweiten Stocks hatte jemand kunstvoll »Chez Mamie« gemalt. Wie bei Muttern. Voller Erwartung stiegen wir aus dem Wagen und gingen ins Gasthaus. Es war voll. Gerammelt voll. Mutter Gastwirtin, eine rundliche, rotbäckige und rothaarige Mittsechzigerin, begrüßte uns persönlich. Doch als sie hörte, dass wir immerhin zehn Personen, auch eine Übernachtung brauchten, wehrte sie ab. Essen ja, in einer Stunde, aber Zimmer, da sei sie bereits „complet“. Ein, vielleicht zwei Zimmer, da ließe sich noch was organisieren, aber fünf oder sogar sechs unmöglich. Unser Engländer entpuppte sich als Sprachgenie:

»But, madame, il est not possible de nous chercher another ótel in this area? Votre restaurant is fantastic et nous sommes venue a long distance to mange chez mamie.« Sichtlich gerührt ob dieses Schwalls von Liebesbezeugungen, meinte sie, wenn es uns nicht dérangieren würde, könnte sie ja ihren Nachbarn fragen. Das Haus, zwei Minuten Fußweg hinter dem Gasthaus steht leer und war mal ein ehemaliges Vereinsheim des hiesigen Kegelklubs und das alte Gasthaus des Dorfes. Dort könnte man ein paar Feldbetten aufstellen. Und die Toiletten dürften auch noch funktionieren. Decken hätte sie noch genug. Es ist ja nur für heute Nacht. Uns war jetzt alles egal. Die Hälfte von uns war nicht mehr bereit, auch nur einen Meter weiter zu fahren. Außerdem kannte sich die Clique seit Jahren. Wir erklärten uns einverstanden. Madame verschwand nach hinten. Im gleichen Moment tauchte eine junge Kellnerin mit einem Tablett voll Gläser und einer Flasche Riesling auf. »Von Madame«, lächelte sie und goss jedem ein Glas ein. Keine Minute später erschien Madame wieder und strahlte.

»Voilà, perfect. Aber sie müssen hier essen. Mein Mann wird sie rüber bringen, jetzt gleich.« Und damit ging sie wieder in die Küche. Wir tranken den Wein, prosteten uns zu und waren zufrieden. Uns stieg der Duft aus der Küche in die Nase. Dann kam Monsieur.

»Wenn einer der Herren mir mit den Decken helfen könnte, wäre ich Ihnen sehr dankbar«, sagte er in astreinem Schwäbisch. Wir stellten unsere Gläser auf den Tresen und halfen. Dann ging es hinter das Haus und in Richtung Kegelbahn. Das Vereinsheim entpuppte sich wirklich als leer stehendes Haus; sehr lange muss es leer gewesen sein. Die einzigen Bewohner, die wir erkennen konnten, waren Spinnen, die uns ihre Arbeiten der letzten zehn Jahre präsentierten. Mit wedelnder Hand schnitt sich Monsieur seinen Weg in die gute Stube. In der Mitte stand ein alter Kohleofen. Erst jetzt merkten wir, dass es kalt war.

»Ich werde, wenn Sie nachher essen, den Ofen anmachen. Dann haben Sie es schön warm heute Nacht.« Monsieur war sichtlich um uns bemüht. In einem Nebenraum zeigte er uns die Feldbetten. Sie waren mit einer Plane abgedeckt und standen sauber zusammengeklappt in der Ecke. Wir bauten gemeinsam die Betten in dem großen Raum auf und legten jeweils eine Decke darauf. Inzwischen hatte der weibliche Teil der Gruppe die sanitären Einrichtungen besichtigt.

»Das Wasser funktioniert, aber nur kalt. Die Toiletten sind französisch.«

Hajo, wie immer neugierig, wollte wissen, worin der Unterschied bestände zwischen deutschen und französischen Toiletten.

»Guck’s Dir an.« War die kurze Antwort. Und »können wir jetzt endlich Essen gehen.« Wurde drohend hinzugefügt.

Wir machten uns auf den Weg ins Restaurant. Ohne Hajo.

Als wir dort eintraten, bemerkten wir einen langen Tisch an der Wand, der für uns gedeckt sein musste. Die Bedienung, die uns vorhin den Wein brachte, strahlte uns an und bat darum, dort Platz zu nehmen. Sie hatten sich sichtlich bemüht, es uns wenigsten hier gemütlich zu machen. Auf die Frage, ob wir noch einen Aperitif haben wollten, einigten wir uns auf Pastis für alle. Dann kam auch Hajo und setzte sich ans Kopfende des Tisches.

»Jetzt weiß ich den Unterschied.«

Runis Mann wollte es genau wissen. »Erzähl mal.«

»Ich habe mir die Schuhe nass gepinkelt. Das sind Stehklos. Nix is mit Brille oder sitzen. Du pinkelst gegen die Wand und wenn Du nicht aufpasst, spritzt es von der Wand zurück. Das ist der Unterschied.«

Die Pastis kamen. Unsere Stimmung schwenkte schlagartig auf positiv. Und dann erschien Madame.

»Nun, wie ich sehe, haben sie sich schon gut eingelebt. Das freut mich. Ich hätte da noch einen Vorschlag zu machen, wenn ihnen das recht wäre. Da sie zehn Personen sind, würde ich empfehlen, für sie alle ein Menue zusammen zu stellen. Ist ihnen das Recht?«

Wir waren damit einverstanden.

Madame war in ihrem Element. Den einen Fuß wie bei einem Fechter nach vorne gestellt, begann sie ihre Präsentation und fing an, ihre Menuepartitur zu dirigieren.

»Ich würde vorschlagen, wir beginnen mit ein bisschen Crudité.«

Wir waren einverstanden.

»Als Nächstes hätte ich eine hausgemachte Paté de Lapin und als Hauptgericht würde ich ihnen gerne unser Choucroute à la Mamie zubereiten. Danach eine Tarte au Pommes und abschließend eine Auswahl aus unserer Käseplatte.«

»Und zum Trinken nehmen wir Ihren wunderbaren Hauswein«, ergänzte unser Engländer und blickte in die Runde», von dem habe ich Euch ja schon erzählt.«

»Heute trinken wir alles.« Sagte einer von uns.

»Nur keine Liebfrauenmilch.« Wer das war, weiß ich nicht mehr.

»Comment?« Fragte Madame.

»Rien.« Antwortete unser Engländer. «Les allemands, ils sont toujours, ähm, joking understand, haha.«

»Bien, der Hauswein dann.« Madame drehte sich kopfschüttelnd um, schnippte mit den Fingern der Bedienung zu und ging in ihre Küche.

»Das ihr immer auf uns Engländer rumhacken müsst. Auch wir verstehen was von Wein. Sonst würden wir ja Euren deutschen Fusel nicht kaufen. Aber was soll´s, ich habe jetzt Hunger.«

»Und ich auch und Durst.« Das war Hajo, der sein leeres Pastisglas anschaute.

Der Wagen mit der Crudité kam und jeder stürzte sich auf die verschiedenen Salate. Der Wein kam in Karaffen und jeder goss sich sein Glas ordentlich voll, sodass die Kellnerin gleich zwei neue brachte. Unsere Laune hatte sich in den letzten zehn Minuten sehr gebessert. Es wurde lustig und laut. Das machte insofern nichts, denn wir waren mittlerweile fast die einzigen übrig gebliebenen Gäste im Lokal. Ich schaute auf meine Uhr und stellte fest, dass es fast zehn Uhr war. Ich hatte nicht gefrühstückt. Ich glaube keiner von uns. Wir mussten einen Riesenhunger haben und der Wein auf leeren Magen wird sein Übriges tun. Und plötzlich waren auch die Feldbetten, die uns nachher erwarteten, nicht mehr wichtig.

Dann wurde der zweite Gang serviert. Jeder bekam einen Teller mit Hasenpastete im Teig gebacken, garniert mit Petersilie und aufgeschnittenen Cornichons. Körbe mit Baguettescheiben folgten.

Runis Mann, der sich gerade sein Glas mit Wein vollgoss, bemerkte trocken: »Oh, Toast mit Gurke!«

Ich glaube, das war der Moment, wo wir unbewusst beschlossen hatten, etwas kindisch zu werden.

Der Rest ist schnell erzählt. Mamie beeilte sich mit den weiteren Gängen, denn sie musste befürchten, dass die Stimmung in unserer Truppe weiter ausufern würde. Es gelang ihr nur teilweise. Unsere gute Laune steckte auch die Besitzer des Hauses an. Am Ende eines reichlichen und hervorragenden Essens saßen Mamie und ihr Mann bei uns am Tisch. Wir hatten alle ein gut gefülltes Glas Marc in der Hand, natürlich auf Kosten des Hauses, und beglückwünschten das Paar für ihre Suuuuperküche. Dann folgte ein Toast unseres Engländers auf den gelungenen Abend und auf die zauberhafte, so traumhaft gut kochende Köchin, was ein zweites Glas Marc zur Folge hatte, keine Widerrede verstand sich.

An den Rest kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich wachte am anderen Morgen auf meinem Feldbett auf. Mein Kopf brummte auf Deutsch, mein Magen grumpelte zufrieden auf Französisch und Hajo, der zwischen seinem und meinem Feldbett auf dem Boden schlief, schnarchte auf Sächsisch.

Handwerker - Freunde fürs Leben.

In Frankreich funktioniert alles auf einer soliden, gesunden finanziellen Basis. Auch bei Handwerkern. Wenn nicht alles sofort reibungslos klappt, nicht verzweifeln, irgendwann ist er da, der Retter der für Sie selbst aussichtslosen Reparatur und erledigt das bisschen im Handumdrehen. Irgendwann. Sie hätten hinhören sollen. Schließlich hat er »demain« gesagt und nicht nächsten Mittwoch. Nun ist er da und repariert die Kleinigkeit. Und dann- ja, dann geht alles sehr schnell. Kaum hat er sein Werkzeug in Sicherheit gebracht, schon zückt er die Rechnung. Mir wird es ewig ein Rätsel sein, wie der Mann schon vorher gewusst hat, was zu reparieren war und wie viel so was kostet. Aber auch sonst ist mir diese Sippe suspekt. Während sie sich bei ihrer Arbeit alle Zeit der Welt lassen, so um zehn vor sechs Uhr nachmittags, wenn der Mörtel noch feucht in der Wanne wackelt oder die restlichen zehn Zentimeter einer Wand zu streichen wären, schlicht die Segel streichen und sich in den wohlverdienten Feierabend verabschieden, möglichst an einem Freitag, sodass am gesamten Wochenende die verdammten Reste ihrer noch zu vollziehenden Arbeiten herumstehen, dann haben sie kaum ist die letzte Schraube angezogen, der letzte Pinselstrich gemacht und der wahrscheinlich letzte Meter Heizungsrohr verlötet wie durch Zauberhand einen wunderbar weißen Umschlag in der Hand, in dem und da nehme ich jede Wette an, sich eine fette Rechnung befindet. Die aber hätte er, der Meister seines Handwerks gerne, obwohl die Arbeiten länger gedauert haben als erwartet, sofort beglichen bekommen, bitte schön und schönes Wochenende noch.

Wir zogen im Frühjahr ins Haus. Mit dem Möbelwagen aus Frankfurt standen wir nach 1400 Kilometern erst in Richtung Westen und dann lange nach Süden, vor dem Haus. Es war verschlossen und keine Seele wartete vor der Küchentür. Die beiden Möbelpacker stiegen aus ihrem Laster und betrachteten die Gegend. Dabei schüttelten sie den Kopf. Wir taten ihnen offensichtlich leid.

»Hier wollen Sie wohnen? In dieser gottverlassenen Gegend? Als Sie in Frankfurt sagten, Sie würden an den Arsch der Welt ziehen, habe ich das für einen Scherz gehalten. Aber das hier. Wirklich Chef, Sie haben recht. Am Arsch der Welt. Na ja. Jedem seiner.«

Stadtnasen! Sie kannten unser Haus in der Nähe Frankfurts. Es war in einem kleinen Dorf. Mittendrin. Ringsum Nachbarn. Aber hier. Es stimmt schon. Es ist hier etwas einsam. Nichts als Acker. Aber herrlich. Vielleicht nicht an dem Tag, als wir einzogen. Es war kein besonders einladender Anblick. Das gesamte Gelände war eine bessere Müllhalde, beladen mit Bauschutt und Verpackungskartons, die von den Einbauten im Haus stammen mussten. Die Handwerker hatten sie einfach auf das Gelände geschmissen. Irgendwer wird sie schon verbrennen. Einzelne Feuerstellen deuteten darauf hin, dass hier schon einer die Idee hatte und damit begonnen haben musste. Vor dem Portal der Halle des Hauses türmte sich ein Riesenberg Schutt. Es waren die zerbrochenen alten Dachziegel und der abgeschlagene Verputz der Wände. Die Bauarbeiter hatten mit einem Bulldozer alles zusammengeschoben. Wahrscheinlich zum Abtransport in den nächsten Tagen.

Wir warteten ungefähr eine Viertelstunde, dann entschloss ich mich beim Bauunternehmer vorbeizufahren und ihn um den Schlüssel unseres Hauses zu bitten. Ich kannte sein Haus. Es war nicht weit entfernt. Er war sehr erstaunt, mich zu sehen. Und war noch überraschter, als ich ihm erklärte, dass die Möbelpacker vor der Tür ständen und das wir nun einziehen wollten.

»Wollten Sie das nicht erst in den nächsten Monaten?« Ich erklärte ihm knapp dieses Missverständnis: »Nein heute.«

»Wenn Sie nun schon mal da sind, hier sind Ihre Schlüssel. Ich habe hier noch zu tun, werde aber im Laufe des Tages zu Ihnen kommen, wenn es Sie nicht derangiert.«

Damit war ich entlassen. Glücklich, endlich unser Haus betreten zu können, gab ich Gas. Fünf Minuten später stand ich wieder vor der Küchentür. Meine Frau, mein Hund und die Möbelpacker hinter mir. Wir öffneten und traten ein. Es roch feucht. Wir öffneten die Fenster und die Fensterläden. Es kam Licht ins Haus. Jetzt verstand ich meinen Bauunternehmer. Die Wände mussten gestern zum ersten Mal gestrichen worden sein. Es standen noch die Eimer der Maler herum. Der Fußboden war nass. Jemand hatte ihn mit dem Wasserschlauch bearbeitet, aber vergessen, ihn trocken zu reiben. Überall in der Halle waren noch kleine Pfützen. Ich bemerkte meine Frau auf der Terrasse. Einer der Möbelpacker hatte ihr einen Stuhl aus dem LKW besorgt. Sie schaute auf das Gelände, abgewendet vom Haus. Ich spürte, dass sie weinte. Und ich verfluchte meine Ungeduld. Hätte ich nicht doch noch diesen einen verdammten Monat oder auch zwei warten können? Einer der Packer kam mit zwei deutschen Bier. Er gab mir wortlos eine Flasche. Wir tranken. Ich einen Schluck, er die ganze Flasche auf einen Zug. Dann atmete er tief aus und schaute in die Halle.

»Wenn wir jetzt nicht abladen und es ins Haus räumen, dann werden wir heute nicht fertig. Wissen Sie, wo alles hinkommt?« Die Jungs vom tragenden Gewerbe hatten recht. Anfangen. Wir hatten einen Plan gemacht, wo die einzelnen Möbelstücke hinkommen sollten. Er war ziemlich exakt. Auch die Beschreibungen für die einzelnen Umzugskisten darauf. Ich gab den Plan dem einen Packer. Wortlos. Er schaute auf das Blatt, dann auf mich, danach auf meine Frau und dann wieder auf den Plan.

»Dann wollen wir mal«, sagte er leise und drehte sich um. Er wusste jetzt, was zu tun war. Ich trank einen zweiten Schluck Bier aus der Flasche. Es war kaltes deutsches Bier. Herrlich. Scheiß Handwerker. Ein Auto hielt vorm Haus. Es war Jacques, der unsere Bäder und die Küche entworfen hatte. Die Firma, in der er arbeitete, war ebenfalls für die Installation und die Bodenfliesen zuständig. Er war erstaunt, uns zu sehen.

»Wieso sind Sie denn schon da? Haben Sie mein Fax nicht bekommen. Ich habe Ihnen vorgestern eins geschickt mit dem Hinweis, den Umzug zu verschieben. Na, nun haben Sie es ja selbst gesehen.«

Dann fing ein Schwall von Erklärungen an, der mit Beschimpfungen auf die anderen Handwerker endete. Ich hörte nicht hin. Das Fax musste angekommen sein, als wir schon unterwegs waren. Jetzt war es sowieso egal. Ich beschloss, mich mit der Tatsache, in ein halb fertiges Haus einzuziehen, abzufinden.

Ich ließ ihn stehen und holte mir einen Eimer und einen Putzlappen, um die Wasserlachen aufzuwischen. Erst einmal anfangen. Es kann nur noch besser werden. Jacques verschwand in unserem Bad. Das Zimmer hat keine Fenster. Er machte kein Licht. Merkwürdig, dachte ich und wischte weiter.

»In der Küche fehlt der Herd. Wir können nichts zu Essen machen.« Meine Frau hatte mittlerweile das Haus inspiziert.

»Der Kühlschrank und alle anderen Geräte sind da, nur nicht der Herd. Und auch unser Bad ist nicht fertig. Nur das Gästebad. Bis auf die Wände. Da fehlt auch was. Ein Blödsinn hier einzuziehen.«

Sie war sauer. Dann sah sie meine Trockenwischaktion und nahm mir den Lappen weg. »Und die Fliesen sind nicht versiegelt.« Ich ging in unser Bad. Es war eine leere Betonhöhle. Nichts absolut nichts, außer einer noch eingepackten Badewanne, befand sich darin. Und natürlich Jacques. Er vermaß die Wände.

»Und das hier. Was ist das?« Mein Magen knurrte. Vor Wut.

»Das wird Ihr Bad.« Jacques war nicht aus der Ruhe zu bringen. Er schrieb Zahlen in sein Notizbuch und maß weiter. Ich ließ ihn stehen.

»Ach ja, wenn Sie nun schon mal hier sind. In der Küche fehlt der Herd. Er ist bereits annonciert, aber noch nicht da. Aber davon konnten Sie sich ja selbst überzeugen. Wir haben in der Firma einen Gasherd. Den lasse ich Ihnen heute Nachmittag vorbei bringen. Dann können Sie wenigstens kochen.«

Hätte ich jetzt den Putzlappen in der Hand gehabt, dann wäre dieser in Richtung Jacques geflogen. Er hatte Glück. Meine Frau wischte jetzt damit die Halle auf. Die Möbelpacker räumten ein und mein Hund, der sich erstaunlicherweise bis jetzt nicht bemerkbar gemacht hatte, versuchte, indem er sie anbellte, mit ihnen zu spielen. Es war Freitag kurz vor zwölf Uhr Mittag. Ich beschloss, unsere kleine Truppe aus Deutschland aufzuheitern und lud sie zum Essen ein. Die Packer lehnten ab. Sie wären Selbstversorger. Meine Frau willigte ein. Mein Hund freute sich aufs Autofahren.

In Pouillon gibt es eine kleine Kneipe. Nichts Besonderes, aber freundlich und sauber. Das Essen ist einfach und sie haben den Wein der Gegend in Karaffen. Viel Wein. Sehr viel Wein. Nach dem Essen befand meine Frau, es wäre viel zu viel Wein gewesen und nahm mir den Autoschlüssel weg. Mir war es egal. Als wir am Haus ankamen, standen der Bauunternehmer und unser Installateur davor und unterhielten sich angeregt. Wie sich nachher heraus stellte, beschuldigte ein jeder den anderen, wie man es überhaupt zulassen könne, dass wir einzögen. Das würde schließlich die weitere Arbeit erheblich behindern und uns sicherlich stören. Mir war das auch egal. Ich ließ die beiden stehen und beschloss eine Stunde zu schlafen. Ich drehte mich von den beiden ab und wollte in die Küche gehen. Dabei stieß mein Knie gegen einen viereckigen weißen Blechhaufen, der mitten in der Küche stand. Das war mir nicht egal.

»Welches gottverdammte Arschloch stellt hier seinen Müll ab,« brüllte ich auf Deutsch und vor Schmerz. Die beiden draußen schienen auch diese Sprache zu verstehen. Jedenfalls eilten sie zu mir und versuchten sich im Chor zu entschuldigen. Es war der Ersatzherd. Und was für einer. Dieses Ding war wirklich reif für die Wiederverwertung. Ob man darauf noch kochen kann, bezweifelte ich entschieden.

»Das ist ihr provisorischer Herd. Fürs Erste. Wir müssen ihn nur noch anschließen. Aber uns fehlt ein Gasschlauch. Jacques besorgt ihn gerade.« Meine Frau hatte den Wagen in die Garage gestellt, den Hund aus dem Auto gelassen und war zu uns gekommen.

»Kann mir einer sagen, was ich mit dem Ding soll? Etwa kochen?«

»Der Herd hat ja eine Beule.« Der Installateur streichelte die Rostkiste, als hätte sie einen Verkehrsunfall gehabt.

»Sind Sie froh, dass ich mich nicht mehr verletzt habe und von diesem Gammelkasten keine Blutvergiftung bekomme. Man müsste Sie glatt verklagen. Sie ....« Meine Frau unterbrach.

»Er hat etwas zu viel Wein getrunken.« Nun aber war der Installateur beleidigt. Ob des Blechschadens an seinem antiquarischen Notstandsherd wollte er dieses nicht auf sich sitzen lassen.

»Etwas? Sie meinen wohl viel zu viel. Der ist blau.«

»Quatsch. Wenn es unser Herd wäre, dann hätte der keine Beule, sondern meine Kniescheibe wäre hinüber. So einen Schrottofen können Sie Ihrer Großmutter unterjubeln, aber nicht mir. Auch nicht provisorisch. Ich will meinen von mir persönlich bestellten eigenen Herd. Und außerdem sind die Fliesen nicht versiegelt. Ha.«

»Wie bitte?«

»Na, die Bodenkacheln. Sie haben sie mal eben nass gespritzt und meinen wohl, dass es das dann war, was? Falsch. Die gehören versiegelt, mein Herr. Versiegelt! Jawohl. Ha.« Ich lallte. Er merkte es und auch meine Frau, die anfing zu lachen. Das schien die anderen anzustecken. Plötzlich war die ganze Stimmung heiter. Alle fingen sie an zu lachen. Ich muss sehr blöd ausgesehen haben, als ich mich wütend geredet hatte. Jacques kam mit dem Gasschlauch. Er sah sich die kleine Schar an und meinte, noch einen draufsetzen zu müssen.

»Ich habe mit dem Marbrier telefoniert. Gute Nachrichten. Er wird in den nächsten Tagen hier erscheinen. Läuft doch alles wie am Schnürchen.«

»Aber die Fliesen sind nicht versiegelt und wir ziehen ein.« Das war meine Frau. Sie wollte anscheinend nicht, dass ich mich einlullen lasse und kam mir zu Hilfe. »Eine Katastrophe!« Nun waren die Handwerker am Zug. Unser Bauunternehmer verabschiedete sich und versprach, morgen noch mal vorbeizuschauen. Die dicke Luft war ihm zu dick. Nicht so den anderen beiden.

»N´inquietez pas. Regen Sie sich nicht auf. Das wird schnellstens erledigt. Sie brauchen nichts zu tun. Wir werden das schon hinkriegen.«

»Und was ist mit den Möbeln? Sollen wir die in der Zwischenzeit im LKW lassen? Wenn wir jetzt einräumen, dann müssen die gesamten Möbel wieder aus dem Haus, solange der Versiegler trocknet. Wer soll das machen?«

»Darum kümmern wir uns. Darüber müssen Sie sich wirklich keine Gedanken machen. Regen Sie sich nicht auf.«

»Ich will mich aber aufregen!« Das war ich. Nicht sehr passend, aber es war so eine Art Zäsur und die ideale Gelegenheit für die beiden Installateure, den Herd nun endlich anzuschließen. Während der gesamten Unterhaltung packten unsere Möbelpacker aus. Sie wussten, wo die Sachen hinkommen sollen. Von dem, was gesprochen wurde, verstanden sie kein Wort. Also machten sie ihren Job. Doch ab und zu kam ein Blick des Mitleids in unsere Richtung, der dann mit einem Kopfschütteln beendet wurde. Was es doch für verrückte Menschen gibt.

Am Abend, als endlich alles an seinem Platz stand, die vollen Kartons und die leeren Schränke, kamen wir auf die Idee, uns ein paar Spaghetti zu machen. Die Küche war so gut wie eingeräumt und die Lebensmittel, die wir mitgebracht hatten im Kühlschrank. Wir rückten einen Tisch in die Mitte der Halle, nahmen uns die Stühle für die Terrasse, stellten ein paar Kerzenleuchter auf den Tisch und öffneten den Rotwein. Während das Wasser für die Nudeln versuchte zu kochen und die Soße vor sich hin duftete, tranken wir einen Pastis am Tisch in der Halle unseres Hauses. Die Abendsonne schien in den halb leeren Raum und machte den Anblick etwas freundlicher, als er war. Unsere Möbelpacker waren mit dem Auspacken fertig, hatten sich aber entschlossen, erst morgen zurückzufahren. Eine Einladung zum Spaghettiessen lehnten sie strickt ab. Sie waren, wiederholten sie stolz, schließlich Selbstversorger. Als die Nudeln so weit waren, machte ich die zweite Flasche Rotwein auf. Nach dem Essen gingen wir ins Bett. Erschöpft, aber satt. Und angenehm angeschickert. Es war das Bett im Gästezimmer. Unseres war noch nicht angekommen. Wir schliefen trotzdem sofort ein.

Am anderen Morgen entschloss sich meine Frau erst einmal einzukaufen. Sie packte den Hund ins Auto und brauste los. Ich trank meinen Kaffee auf der Terrasse. Und genoss die Baustelle. Die Sonne zeigte sich von ihrer besten Seite. Sie strahlte. Es war ungefähr halb zehn. Ich hörte einen Wagen vor dem Haus ankommen. Es war nicht unser Auto. Den Ton kannte ich. Trotzdem stand ich nicht auf. Wenn jemand was von uns will, dann wird er schon kommen. So war es auch. Es war unser Installateur, dem zwei Frauen folgten.

»Was für ein herrlicher Morgen. Bonjour Monsieur. Da sind wir. Haben Sie gut geschlafen?«

»Äh ja. Was wollen Sie denn hier am Samstag?«

»Na die Bodenfliesen versiegeln. Das muss doch so schnell wie möglich gemacht werden. Folglich voilà sind wir hier.« Er strahlte ob der Überraschung, die ihm sichtlich gelungen war. Die beiden Frauen hinter ihm klopften mit dem Schrubber zur Unterstützung auf meine Terrasse. Solide Arbeit.

»Und, wie wollen Sie das jetzt anstellen? Jetzt, wo alles fast an seinem Platz steht?« Er musste schon einen Plan im Kopf gehabt haben, denn jetzt kam ein Wortschwall, der gleichzeitig an mich und die beiden Frauen gerichtet war.

»Also, ich habe mir das folgendermaßen gedacht. Wir räumen ein Zimmer nach dem anderen aus. Das wird das Einfachste sein. Das wird geputzt und wenn es trocken ist - versiegelt. Und wenn wir dann in dieses Zimmer die Möbel des nächsten Raumes stellen, der gemacht werden soll, dann kommen wir so geschickt durch das ganze Haus. Die Schränke haben Sie ja wohl noch nicht eingeräumt, oder?«

»Nein noch nicht. Und das wollen sie in einem Tag schaffen?«

»Och, wir sind schließlich zu dritt und wenn Sie und Ihre Frau mit anpacken, dann packen wir´s bestimmt. Auf gehts. Wir fangen ganz hinten an und arbeiten uns nach vorne.« Er klatschte in die Hände und stürmte mit den beiden Frauen das Haus. Wir räumten das Gästezimmer leer. Das war zurzeit unser Schlafzimmer, denn das andere ließ ja auf sich warten. Hier begannen die Frauen den Boden nass aufzuwischen. Als wir die paar Möbel, die schon in unserem Zimmer waren, auf die Terrasse getragen hatten, konnten die Frauen auch dieses Zimmer aufwischen. In der Zwischenzeit trocknete das erste Zimmer. Weil wir gerade so schön dabei waren, räumten wir gleich noch die Möbelstücke aus der Halle auf die Terrasse. Alle Fenster und Türen waren mittlerweile sperrangelweit auf, sodass der Wind ordentlich durchblasen konnte und die Sonne den Rest trocknete. Sie strahlte noch mehr, wie mir schien. Wir kamen ordentlich ins Schwitzen. Mein Installateur holte eine Plastikwanne aus seinem Wagen und einen Roller, wie ihn die Weißbinder haben. Dann ging er ins erste Zimmer, das bereits trocken war und begann die Versieglerflüssigkeit im Raum zu verteilen. Ich beschloss, mich auf der Terrasse ein wenig auszuruhen. Mitten in den Möbeln, die gestern noch im Möbelwagen standen. Sie waren jetzt alle wieder vereint. Und die Sonne zeigte sich weiter von ihrer strahlendsten Seite. Sie brannte. Ich schwitzte noch mehr. Dann kam meine Frau vom Einkauf zurück. Sie sah die Möbelausstellung mit mir mittendrin.

»Kannst Du mir mal erklären, was das soll?«

»Kann ich«, grinste ich, »Sie versiegeln die Kacheln und wir haben dazu die Möbel raus gestellt, damit es einfacher und schneller geht.«

»Habt ihr sie nicht mehr alle. Alles in die Knallsonne zu stellen. Willst Du, dass wir uns demnächst neu einrichten? Das sind antike Sachen, ihr Deppen. Wenn die in der Sonne braten, gehen sie kaputt. Wenigstens abdecken hättet ihr sie können.« Auch meine Frau schwitzte. Sie kochte eher. Wütend ging sie ins Haus. Ich hörte sie drinnen weiter schimpfen. Dann kam sie wieder raus.

»Erkläre bitte den Weibern da drin, dass sie nicht mit einem einzigen Eimer Wasser das ganze Haus putzen können. Die verreiben doch höchstens den Dreck. Muss man denn alles selbst machen.« Damit ging sie wieder rein. Ich ging hinterher. Die beiden Frauen waren inzwischen in der Halle angekommen. Ich schaute in den Eimer, der vor ihnen stand. Es war schwarzes Wasser drin. Kohlrabenschwarz. Wortlos nahm ich ihn und schüttete ihn vor dem Haus aus. Dann ging ich in die Küche, tat etwas Spülmittel hinein und füllte den Eimer wieder auf. Ich brachte ihn wieder zu den Frauen zurück, die für die kleine Pause dankbar schienen. Auch sie schwitzten. Den Wink mit dem Wasser schienen sie verstanden zu haben, denn sie fragten nach einem zweiten Eimer. Ich holte ihn, füllte ihn und brachte ihn den beiden. Meine Frau schmollte auf der Terrasse und ließ sich in der Sonne braten. Die Möbel hatte sie mit Bettlaken abgedeckt. Sie rauchte eine Zigarette. Als ich zu ihr kam, schaute sie mich wütend an.

»Kann man nicht mal einkaufen gehen, ohne dass Du hinter meinem Rücken irgendeinen Unsinn ausheckst.«

»Sei doch froh, dass sie überhaupt gekommen sind. Wenn das hier erledigt ist, haben wir Ruhe. Dann sind wir die Handwerker erst einmal los und können das Haus in aller Ruhe einrichten. Hoffentlich.« Sie schaute mich an. Ich merkte selbst meinen zweifelnden Ton.

»Träumer.« Sie stand auf, schnappte sich unseren Hund und ging auf das Gelände. Ich schaute ihr nach. Dann hatte ich Durst und ging in die Küche. Durch das Fenster konnte ich beobachten, wie ein Lieferwagen am Tor hielt. Ein Mann stieg aus, den ich vorher noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Er sah mich in der Küche stehen und winkte mir zu, so, als würden wir uns seit Jahren kennen. Ich ging aus dem Haus und ihm entgegen. Er kam auf mich zu. Schnell. Ungewöhnlich für Franzosen dieses Landstriches.

»Bonjour Monsieur, mein Name ist Fine. Ich bin Elektriker. Ich habe vorhin im Dorf Ihren Bauunternehmer getroffen und der sagte mir, sie seien gestern eingezogen und wie ich sehe, stimmt das.«

»Wieso?« Fragte ich ihn. »Ist was falsch damit, außer das hier einiges nicht fertig ist, wie versprochen?«

»Sie sind zu früh, viel zu früh. Man hat uns nicht mitgeteilt, dass sie schon jetzt hier sind. Aber was rede ich. Es ist noch einiges zu tun im Haus. Normalerweise arbeiten wir nicht am Samstag, aber bei Ihnen machen wir gerne eine Ausnahme.«

Damit ließ er mich stehen und ging an mir vorbei in die Küche. Ich schaute auf mein Land. Ich hasse Bauschutt.

»Wolf!!«

Es war meine Frau auf der Terrasse. Sie brachte mich aus meiner Landschaftsträumerei wieder auf den Boden meiner Baustelle zurück. Neben ihr standen zwei Männer mit einer Tür in der Hand. Sie waren von der anderen Seite des Hauses gekommen. Ich ging zu ihnen auf die Terrasse. Die Brüder Cabé sind Schreiner. Genauer gesagt, der eine ist Möbel-Schreiner und sein Bruder ist der Mann fürs Grobe. Fenster, Türen, Tore. Sie sind zwar keine Zwillinge, sehen sich aber trotzdem sehr ähnlich. Beide sind klein gewachsen und schlank. Beide tragen eine Brille und einen grauen Arbeitskittel, der bis an die Knöchel reicht. Beide haben graublonde, kurz geschnittene feste Haare und tragen ihren Scheitel rechts. Beide haben eine sehr hohe Stimme und rollen das »R» baskisch. Jedes R wird mindestens viermal ausgesprochen. Das klingt manchmal wie ein stotternder Motor. Wenn sie schnell sprechen, werde ich das Gefühl nicht los, dass ihnen gleich die Zähne raus fallen.

»Bonjourrr monsieur. Welch eine Überraschung. Wirrrr hatten nicht mit Ihnen gerrrrechnet.«

»Hier scheint wohl keiner mit uns gerechnet zu haben. Was wollen Sie denn? Und am Wochenende.«

»Nun, wir haben die rrrestlichen Türrren fürr Sie. Die brauchen nur noch eingepasst zu werden. Sie wollen doch nicht an der frrrischen Luft schlafen. Wirrr machen Ihnen doch keine Umstände?«

»Aber ich bitte Sie. Das Haus ist ohnehin voll. Gehen sie nur rein. Alle Ihre Kollegen sind schon da. Es macht also überhaupt nichts aus.« Ich ließ die beiden mitsamt ihrer Tür, die meine werden sollte, stehen. Es war Zeit für einen weiteren Pastis. Diese Unruhe lässt sich nur mit alkoholischen Getränken bekämpfen. Ich ging wiederum in die Küche. Dort kam mir der Elektriker entgegen.

»Das wäre erledigt.« Sagte er grinsend. »Das wird fürs Erste langen. Wenn Sie mich brauchen, Monsieur, dann rufen Sie mich einfach an. Ich komme in den nächsten Tagen aber sowieso vorbei. Sollte etwas nicht funktionieren, was ich nicht glaube.« Er ging an mir vorbei zur Küchentür, dann stoppte er.

»Ach ja.« Er drehte sich um und holte aus seiner Jacke einen Brief. Den gab er mir.

»Ich habe hier noch die letzte Rechnung für meine bisherigen Leistungen. Es macht Ihnen doch nichts aus, diese zu begleichen. Wissen Sie, das Finanzamt steht mal wieder an.« Ich nahm den Brief, ohne ihn zu öffnen und legte ihn auf den Küchentresen.

»Wenn Sie in den nächsten Tagen wieder rein schauen, dann habe ich einen Scheck für Sie.« Er schaute etwas verwirrt. »Gut, ja dann bis demnächst.« Und schon war er um die Ecke. Mein Pastis. Ich will jetzt auf der Stelle meinen Pastis haben. Ich ging zum Kühlschrank und holte mir einen Eiswürfel. Dann schüttete ich drei Zentimeter ´51er´ drauf und füllte den Rest des Glases mit Wasser. Jetzt nur noch raus an die Sonne. Ein Wagen hielt vor der Küchentür. Heraus sprang der Maler. Freudig kam er mir entgegen.

»Ach ist das schön, dass Sie hier sind.« Dann schaute er sich um, sah die Schuttberge vor dem Haus und die Möbel auf der Terrasse.

»Schrecklich, nicht wahr?« Ich konnte darauf nichts sagen, nippte an meinem Pastis und nickte. Dann schaute ich ihn an. Er bemerkte es.

»Ich wollte mal gucken, ob die Farbe trocken ist. Dann kann ich den zweiten Anstrich vornehmen.« Ich schaute ihn entgeistert an. Meine Frau hätte überhaupt kein Verständnis dafür, wenn zu dem ganzen Tohuwabohu jetzt noch eine Malerquaste dazukäme.

»Aber bestimmt nicht heute. Es wirbeln schon genug Menschen hier herum.«

»Nein, nein.« Er konnte sehr schlecht lügen. Ich merkte seine Neugier, sich im Haus umzuschauen.

»In den nächsten Tagen. Ich werde aber vorher anrufen, wann es Ihnen dann recht ist.« Auch das war eine verdammte Lüge. Doch bevor ich ihm das sagen konnte, war er im Haus verschwunden. Dafür kamen meine Schreiner heraus. Ohne Tür, aber mit zufriedener Miene.

»Ein schönes Haus ist das geworden. Und dann diese Möbel. Das passt alles wunderbarrr. Sie haben einen sehr guten Geschmack, Monsieurrr.«

»Sind die Türen jetzt in Ordnung?« So leicht lasse auch ich mich nicht hinters Licht führen.