10,99 €
Feel-Good-Krimi mit Schmäh und Tiefgang . . . der den Wienerinnen und Wienern in die Seele schaut. Wien, 20. Bezirk, Nähe Nussdorfer Wehr. Ein Mann stürzt aus ungeklärten Gründen von seinem Balkon in den Tod. Der Fall trifft Inspektor Grohsman persönlich: Vor vielen Jahren hat sich ganz in der Nähe sein bester Freund das Leben genommen. Diese Gespenster muss er verjagen, um mit seiner Kollegin Joe Kettler und Kriminalpsychologin Nicky Witt die Frage zu klären: War es Suizid, ein Unfall oder Mord? In welche menschlichen Untiefen er dabei abtauchen muss, erschüttert sogar ihn.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 465
Mina Albich ist Wienerin mit Leib und Seele. Aus der Reihe tanzen, sich in keine Schublade stecken lassen, könnte ihr Motto lauten. Ihre Vielseitigkeit spiegelt sich in ihren Ausbildungen wider, unter anderem Soziale Verhaltenswissenschaften, literarisches Schreiben, klassischer Gesang und Mentaltraining. Müsste sie ihre Hauptinteressen in drei Worte fassen, so wären dies Menschen, Sprache und Musik – am liebsten eine Verbindung aus allen dreien. So erklärt sich auch ihre Leidenschaft, in ihren Krimis Menschen psychologisch zu skizzieren und mit individuellen Sprachmelodien auszustatten. »Mexikoplatz«, ihr erster Kriminalroman, war 2023 für den Glauser-Preis Debüt nominiert.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
Musik-Hörbeispiele, ein Glossar der Wiener Ausdrücke sowie Rezepte, die in diesem Roman vorkommen, finden Sie auf der Website der Autorin: https://www.mina-albich.com
© 2024 Emons Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagmotiv: stock.adobe.com/A. Karnholz
Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer
Umsetzung: Tobias Doetsch
Lektorat: Uta Rupprecht
E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-98707-225-3
Originalausgabe
Unser Newsletter informiert Sie
regelmäßig über Neues von emons:
Kostenlos bestellen unter
www.emons-verlag.de
Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.
Für Poldi und ihr Frauchen –und für dich
»Ich habe jemanden umgebracht.«
… Was hatte er eben gesagt? …
Für einen Moment schien Nicky Witts Atmung auszusetzen. Sie schnappte nach Luft. Fixierte ihren Klienten. »Bitte wie?«
»Sie haben schon richtig gehört. Er ist tot, der Scheißkerl. Der vögelt meine Frau nicht mehr.« Selbstsicher hob er den Kopf.
Puh. Ein Mann, der an Depressionen litt und Schwierigkeiten hatte, in die Gänge zu kommen – der war … ein Mörder? Ein Mann mit Gewaltpotenzial? Was war der finale Auslöser gewesen – und wie groß war die Gefahr, dass er erneut austickte?
»Was … wen …« Mitten im November war ihr heiß. Lag nicht an der Heizung.
»Den Lover meiner Frau. Der schaut sich jetzt die Radieschen von unten an.«
Alter … diese Kopfschmerzen! Ich brauch ein Aspirin. Nein, was Stärkeres. Was für eine Party! Was ist gestern passiert? Ich hab keinen Schimmer. Die ersten vier Whiskys waren noch in Ordnung, haha. Aber die danach …? Die haben sich verdammt schlecht mit dem Joint vertragen. Schon ewig nicht mehr gekifft.
Zum Glück hab ich heute frei. Und meine Frau ist bei ihrer Freundin. Verlängertes Weiberwochenende. Nicht meine Worte, nennt sie selbst so. Aber die hat sich am Samstag sicher mit dem Scheißkerl getroffen. Reines Frauenwochenende, Bullshit.
Wieso hab ich mich gestern so zugedröhnt? Damit ich nicht über das Arschloch nachdenke. Keine Ahnung, warum ich hingegangen bin. Na, weil ich neugierig war. Auf den Fitnessfutzi. So ein Knilch. Lächerlich.
Wie bin ich heimgekommen? Mit dem Taxi? Ja, genau. Dem hab ich das Auto vollgereihert, haha, der hat geflucht. Ich muss mein Auto holen. Wo ist die Chipcard? Müsste in der Hosentasche sein. Puuuh, die stinkt, die Hose …
Keine Card? Ich werd die doch nicht verloren haben!
Ich brauche frische Luft. Könnt ja die Post holen. – Bitte, Alter, was macht die Chipcard vom Auto im Briefkasten? Hab ich die echt da reingeworfen? Muss ich fett gewesen sein, leck mich … Ui, ich glaub, ich muss kotzen. Ich geh lieber auf die Straße.
Schon besser. Eine Runde um den Block kann nicht schaden.
Scheiße. Wieso steht mein Auto gleich ums Eck?
Gegen vier Uhr in der Früh riss das Handygeklingel Grohsman aus dem Schlaf. Morgenstund hat Gold im Mund? Eher Blei in den Beinen. Ein Notfall. Sturz vom Balkon, aus dem vierten Stock. Grund derzeit ungeklärt. Er konnte sich ausmalen, was ihn erwartete.
Er kippte einen Löskaffee runter, um dem Hirn einen Koffeinshot vorzugaukeln. Und stopfte einen Schokoriegel in sich hinein. Für den Serotoninkick. Hatte er sich in den letzten Jahren angewöhnt, furchtbar. Aber jetzt war nicht der richtige Augenblick, um über gesunde Ernährung nachzudenken. Rasch füllte er die Futterschüsseln für seine Tiermenagerie. Für Hündin Sally und Kater Smoky, die sogar um diese Uhrzeit Hunger hatten. Dann nestelte er an seinem Handy herum, um seine Kollegin Joe Kettler zu verständigen.
Er hielt inne. Musste er sie echt aus dem Bett läuten? Nein. Bei unklaren Todesfällen, zu denen Suizide zählten, wurde eine polizeiliche Kommission einberufen, ein Amtsarzt, ein Jurist und ein Kriminalbeamter. War schon immer so gewesen, zumindest seit Maria Theresias Zeiten. Das Los hatte heute ihn getroffen, na herzlichen Dank. Mit Sicherheit war auch ein Tatortbeamter vor Ort, der das Gebiet untersuchte und dokumentierte. Das »große Aufgebot« – Gerichtsmedizin, Tatortgruppe und weitere Personen von der Kripo – rückte nur an, wenn explizit Verdacht auf Fremdverschulden bestand. Konnte der Sturz eindeutig als Suizid oder als Unfall geklärt werden, genügte seine Anwesenheit. Er ließ Joe schlafen.
Sally, optisch eine knuddelige Mischung aus Zwergschnauzer und Ziege in Dunkelgrau, sprang ihm am Bein hoch und wedelte mit ihrem Stummelschwänzchen. Ihr war die Uhrzeit egal, Hauptsache Action. »Du kannst nicht mitkommen, Mädel. Ich hol dich später ab.« Grohsman wuschelte der Hündin durch ihre helle Irokesenlocke und massierte ihr die Kippohren. Sollte er die Kleine schnell bei Zina abgeben? Ach nein, die war ja noch auf Verwandtenbesuch in Polen. Nächste Woche war sie hoffentlich wieder in Wien.
Grohsman hinterließ Lukas eine Nachricht auf dem Küchentisch. »Tut mir leid, musste schon früh los. Kannst du mit Sally eine Runde Gassi gehen? Danke!« Er hatte seinem Neffen Unterschlupf gewährt, solange dieser die Schulbank drückte. Weil die Mutter von Lukas – Grohsmans Schwester Emilia – mit ihrem Mann vorübergehend nach Hamburg übersiedelt war. Noch rund eineinhalb Jahre hatte der Junge bis zur Matura.
Er hievte sich auf den Fahrersitz seines Citroën Picasso. Auf zur Diemgasse, in den neunzehnten Bezirk, der als Nobelgegend galt. Traf jedoch nicht auf alle Teile zu, jedenfalls nicht auf diesen Bereich in Nussdorf. Wenigstens stand man in den finsteren Morgenstunden nicht im Stau.
Wieso waren seine Gedanken heute so sprunghaft? In seinen fünfundzwanzig Jahren als Kriminalpolizist hatte Grohsman längst einen Weg gefunden, mit Todesfällen umzugehen. Eine nüchterne Herangehensweise, gewürzt mit einer Prise Galgenhumor. Doch mit zwei Todesarten – respektive den dazugehörigen Toten – haderte er. Wasserleichen und Menschen, die aus größerer Höhe auf harten Untergrund gestürzt waren. Der Mann heute war in einem Innenhof gelandet, auf Pflastersteinen. Ein Unfall? War er gesprungen? Oder gestoßen worden?
Aber nicht der Fall an sich verursachte die Rösselsprünge in seinem Hirn, zwei Schritte vor, einen zur Seite. Die Diemgasse war nicht weit entfernt vom Nussdorfer Wehr. Von den berühmten Löwen der Schemerlbrücke. Mit einem Grummeln brachte Grohsman die düsteren Erinnerungen zum Schweigen.
Ein Polizeiwagen stand bereits vor dem Tatort, eben rückten zwei Mannschaftswägen an, um den Straßenabschnitt abzuriegeln. Sollte sich Grohsman über die zwei unvermeidlichen Gaffer aufregen, die sich im Haus gegenüber aus den Fenstern lehnten?
»Was is’n los?«, hörte er den einen seine Nachbarin fragen.
»I weiß ned, die Polizei sagt nix. I sag dir’s, da ham’s wen erschlag’n. Weißt aber eh, der Hofer war’s ned, weil der war selber die Leich’.« Rauchiges Gelächter.
Einer der Songs, der das Vergnügen der Wiener an einer »scheenan Leich’« treffend skizzierte – »Da Hofa« von Wolfgang Ambros. Oder dessen »Zentralfriedhof«. Auch »Komm, großer schwarzer Vogel« von Ludwig Hirsch war an Morbidität schwer zu überbieten. Wie aufs Stichwort flatterte eine Elster auf und stieß ihren Warnruf aus, dieses schaurige Schäckern. Fehlte nur, dass ein Käuzchen schrie. Grohsman schlug den Kragen hoch.
Ein uniformierter Kollege saß im Auto vor dem Haus, mit einer Gesichtsfarbe, die ihn für einen Einsatz in der Geisterbahn prädestinierte. Grohsman trat auf ihn zu. »Morgen. Kripo. Ich komme zu dem Todesfall.«
»Liegt drinnen im Hof …«, brachte der Beamte heraus, bevor er die Tür aufriss und auf die Straße kotzte.
Grohsman hetzte in den Hof. Das Sichtschutzzelt war bereits aufgebaut worden. Um etwaige Spuren zu schützen und den Zaungästen das Spektakel zu ersparen. Oder um den Tatort gegen vorwitzige Schaulustige abzuschirmen? Zwei Bewohnerinnen Marke »Hausmeisterin« reckten ihre Hälse aus den Fenstern im zweiten Stock. »I glaub, das is der Lienhart. I hab den grad noch da unten liegen g’sehn, ma, war das schiach!«, informierte die Ältere der beiden ihre Nachbarin. Hättest halt weggeschaut, dann wäre dir der grauenvolle Anblick erspart geblieben, dachte Grohsman. Er kramte nach Notizblock und Stift.
Ein klassischer Wiener Gemeindebau, dieses Haus, mehr zweckmäßig als einladend. Der Innenhof war betoniert, ein paar mickrige Alibipflanzen durchbrachen den harten Untergrund. Mehr Grün für Wien? Für dieses Leitbild stand eine einsame Hainbuche, die in der Mitte des Hofes vor sich hinkümmerte. Ein paar vertrocknete Blätter hingen noch daran. Auf einem der Äste hockte eine Nebelkrähe und schimpfte lautstark über die frühe Störung. »Krähe, lass mich endlich sehn / Treue bis zum Grabe«, raunte eine Stimme in Grohsmans Gedanken. Schuberts Winterreise. Nein, an diesen Zyklus wollte er jetzt nicht erinnert werden.
Energisch schritt er zum Zelt und hob den Vorhang zur Seite. Eine Frau in weißem Kittel kniete auf dem Boden und verdeckte halb die Sicht auf die Leiche.
Er trat näher und starrte auf den Toten. »Eine mit dem Leben nicht vereinbare Verletzung«, murmelte er. Eines der sicheren Zeichen zur Feststellung des Todes.
»Richtig erkannt.« Die Frau stand auf. »Tag. Dr. Fröhlich, Amtsärztin. Todeszeitpunkt liegt nicht lange zurück. Todesursache vermutlich der Sturz. Ursache des Sturzes ungeklärt, das Opfer war alkoholisiert.«
Vier Aussagen, die in ihrer Sachlichkeit einen grotesken Kontrast zum Anblick des Toten bildeten. Allein das Blut … Völlig nachvollziehbar, warum der Kollege draußen mit ungesunder Gesichtsfarbe im Auto hockte. Üblicherweise notierte Grohsman akribisch genau den Zustand und die Position des Opfers. Jetzt schrieb er nur: »Auffindung der Leiche wie erwartet. Gesicht zum Boden. Multiple Verletzungen. Kleidung: abgetragener Frotteemorgenmantel zu Jeans und Markensneakers.«
Er verdrängte die Gedanken an den jungen Toten bei der Nussdorfer Schemerlbrücke. Lag fünfundzwanzig Jahre zurück, dennoch waren die Erinnerungen kaum verblasst. Grohsman hatte schon viele Leichen gesehen. Zu viele? An seinen ersten Toten konnte er sich nicht mehr erinnern. Abgeschlossene Fälle strich er so gründlich wie möglich aus seinem Gedächtnis. Zeigarnik-Effekt nannte sich das. Hatte ihm Nicky Witt erklärt, die forensische Psychologin, mit der er seit über einem Jahr zusammenarbeitete. Konzentration, ermahnte er sich.
Eine Kollegin in Uniform kam im Stechschritt auf Grohsman zu und fasste knapp zusammen: »Männliche Leiche, Manuel Lienhart, fünfundvierzig, wohnt im vierten Stock dieses Hauses. Nähere Umstände des Sturzes noch unbekannt.«
»Danke, Frau …«
»Ah, sorry. Agnes Drese. Also, ich würde die Kommissionierung abbrechen und die Gerichtsmedizin verständigen.« Die resolute Frau erinnerte Grohsman an die Trainerin des ÖFB-Frauenteams. Dunkle Locken in einem Zopf gebändigt, drahtiger Körper. Ihre melodiöse Stimme milderte den strengen Gesamteindruck.
»Sie haben also Verdacht auf Fremdverschulden.« Er musterte den Toten. »Wenn der Mann gesprungen wäre … Ja, an seiner Position passt etwas nicht. Ich stimme zu. Holen wir die komplette Mannschaft«, brummte er. Er trat mit der Polizistin vors Zelt und verständigte Joe Kettler.
Die Kollegin klappte ihren Block zu. »Dann mach ich mal weiter. Die Verstärkung ist zwar schon oben in der Wohnung, aber hier im Hof bin ich grad auf mich gestellt, mein Kollege ist etwas unpässlich …« Sie verzog mitleidig die Mundwinkel und deutete in Richtung Ausgang.
»Hat er vorher gefrühstückt?«
»Ich hab versucht, ihm das auszureden. Er ist neu in dem G’schäft …« Die Polizistin eilte zu dem Kriminaltechniker, der emsig Spuren einsammelte. Das war doch Christoph Nebly, ein Kollege vom »alten Schlag«, mit dem Grohsman bereits viele Einsätze bewältigt hatte. Der musste warten.
»Morgen, Boss. Wo ist denn …?«
»Morgen, Joe. Hier lang.« Grohsman führte die Kollegin ins Zelt.
»Puh.« Ein klassischer Joe-Kommentar, bloß kein Wort zu viel. Fahrig drehte sie sich um und kramte in ihrer Tasche nach dem Tablet.
»Hast noch nicht viel verpasst, Joe. Schlesinger ist auch gerade erst gekommen.« Grohsman beobachtete den Gerichtsmediziner, der mit der Amtsärztin den Toten vorsichtig auf den Rücken drehte. »Morgen, Schlesinger. Und?«
»Morgen, Grohsman. Schädel-Hirn-Trauma, Thorax eingedrückt, Wirbelsäule gebrochen, Hände und Beine – na, seht ihr ja selbst. Innere Verletzungen werde ich bei der Obduktion feststellen. Und ob es prämortal etwas Verdächtiges gibt. Dem Zustand der Hände nach zu urteilen, hat er sie noch schützend vor den Körper gehalten. Er ist also nicht einfach kopfüber gelandet.« Der Mediziner rückte seine Hornbrille zurecht.
»Aber tendenziell mit dem Kopf voran. Spricht das nicht gegen Suizid?« Grohsman presste ein Taschentuch unter die Nase und atmete durch den Mund. Nach Eintritt des Todes versagten nun mal die Schließmuskeln. Fiel in einem Zelt eklatant auf.
»Lässt sich nicht so global beantworten. Und, Kollegin Kettler, Interesse an einem Intensivkurs zum Thema Asphaltcrash? Dann wissen Sie als Erste, womit wir es hier zu tun haben.«
Joe zuckte mit den Achseln und kaute an der Unterlippe. Ungewöhnlich, ihre Zurückhaltung. Sie hatte doch erst letztes Jahr die Forensische Medizin für sich entdeckt. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu schließen, hielt sich ihre Neugier in Grenzen.
»Gibt es Anzeichen für ein Tötungsdelikt?«, fragte Grohsman den Mediziner.
»Bei dem Zustand der Gliedmaßen wird es schwierig, Abwehrspuren zu entdecken. Und der Tote riecht so stark nach Alkohol, da kriegt man allein vom Schnuppern einen Vollrausch.« Schlesinger schnaubte. »Möglich ist alles. Mut angetrunken, um zu springen. Oder zu weit über das Geländer gelehnt. Oder zu betrunken, um sich gegen einen Stoß zu wehren. Wenn du keinen Einwand hast, überführen wir den Toten jetzt in die Gerichtsmedizin.« Schlesinger lieferte seine Erklärungen in einem Tonfall und Tempo, bei dem jeder zappelige Säugling einschlief. Damit er die Toten in ihrer Ruhe nicht störte?
Grohsman schlüpfte aus dem Zelt und sog die frische Luft ein. Die beiden Frauen an den Fenstern kommentierten mit hörbarem Missfallen die Lage. Im Moment ereiferten sie sich darüber, wie man bei dem »Lärm da unten« schlafen solle. »Kollegin Drese, haben Sie die zwei da oben schon befragt?«
»Ja. Am Abend hat in der Wohnung des Opfers eine Party stattgefunden, bei der es laut zuging. Nicht zum ersten Mal. Hat bis etwa ein Uhr gedauert. Danach haben die beiden wie alle anderen Hausbewohner geschlafen und nichts mitgekriegt. Nur Herr Moslechner aus dem fünften Stock war grad am WC, als er kurz nach drei Uhr einen Schrei gehört hat. Er hat die Polizei gerufen. Steht noch unter Schock und wird ärztlich betreut. Sonst hat natürlich niemand was gesehen. Auch die im Haus gegenüber nicht. Angeblich ein ständiges Kommen und Gehen. Der direkte Nachbar des Toten ist offenbar nicht daheim, der hat trotz längerem Läuten nicht geöffnet. Ich schicke Ihnen das Protokoll.«
»Gut. Danke.« Grohsman eilte zum Kriminaltechniker. »Guten Morgen, Christoph.«
»Morgen, Felix. Die Zigarettenstummeln stammen nicht alle von heute Morgen«, kommentierte der Kollege im Schutzoverall. »Das wird eine Gaudi, die Zuordnung. Na ja, andere spielen Sudoku, wir puzzeln mit Tschicks.«
»Moment, was haben wir denn da?« Grohsman deutete auf einen Gegenstand, der unter einem armseligen Busch hervorlugte. Auf der einzigen Minigrünfläche in der Betonwüste lag eine Brille, silberfarbenes Drahtgestell, ein Glas herausgefallen, ein Brillenbügel fehlte.
»Den Fleck dort hab ich noch nicht überprüft. Ich checke gleich, ob der Rest der Brille auch noch herumliegt. Darf ich dich bitten …« Eine höfliche Aufforderung des Kollegen, dass Grohsman ihn seine Arbeit machen ließ. Und nicht länger im Weg herumstand.
»’tschuldigung …« Grohsman lief zum Hofeingang. »Joe, schläfst du noch, oder kommst du mit zur Wohnung?« Das war ungerecht. Seine Kollegin hatte sich auf die Stufe gehockt und hämmerte verbissen in die Tasten. Wenn man bei einem Tablet davon sprechen konnte.
Sie sah auf. »Ich durchforste das Netz nach Infos zu dem Toten.«
»Und bist fündig geworden?«
»Klar. Der war früher offenbar ein angesagter DJ. Hat in den Topszenediskotheken aufgelegt. Erfolgreiche Studioalben, Tourneen mit Promimusikern durch Europa und USA. Spitzname ›der schöne Manu‹. Na, über Schönheit lässt sich streiten. Auf den Bühnenfotos versucht er, Bösen-Buben-Charme zu versprühen. Das nimmt ihm doch keiner ab, oder? ›Lieblingsschwiegersohn macht auf verrucht‹ trifft es eher. Schau mal.«
Grohsman zoomte das Bild heran. Das kurze dunkle Haar des Mannes wirkte gestylt, erste helle Fäden drin. Volle Lippen. Wenn die Wiedergabe des Fotos farbexakt war, hatten seine Augen ein extravagantes fahles Grün. Wie Jade. Er trug ein Grafikshirt in Regenbogen-Wellendesign, enge Jeans und schwarz-weiße Budapester Schuhe. Aber sonst? Lienhart war mittelgroß, leicht korpulent. Weder die Gesichtszüge noch die Figur wirkten bemerkenswert.
»Der ist Musikprofi, und du kennst ihn nicht?«, zog Grohsman Joe auf.
»Was mach ich in der Disco? Da hör ich mich ja nicht einmal denken!«
Denken in der Disco. Ein Widerspruch in sich, ätzte Grohsman im Stillen. Behielt er für sich. Er war ohnehin als Fossil abgestempelt. »Was hast du sonst über ihn?«
»Ich lese vor: ›Manuel ist ein Allroundtalent und heizt bei Retroevents ein. Neben seiner Hauptberufung als Sänger lässt er es sich nicht nehmen, an den Turntables zu stehen und sein Publikum in die Golden Eighties zu entführen. Er sieht sich nicht als DJ im klassischen Sinn, sondern als Entertainer mit unverwechselbarem Stil.‹ Klingt etwas old fashioned.«
»Wo ist er in letzter Zeit aufgetreten? Oder wo hat er aufgelegt?«
»Auf den ersten Blick finde ich Fotos von Hochzeiten und Firmenfeiern. Offenbar ein massiver Karriereknick. Na, bei der Website? Den Werbetexter hätt ich gefeuert. ›Retroevents‹ hört sich bestimmt lässiger an, als es ist. Der ist bei seinem Musikgeschmack in den Achtzigern stecken geblieben und lockt grad mal ein paar Senioren aufs Parkett.«
»Ab wann ist man in deinem Universum ein Senior?« Joe war Mitte dreißig, in ihren Augen standen Menschen über fünfzig – Grohsmans Generation – wahrscheinlich schon mit einem Bein im Grab.
»Du zählst noch nicht dazu.«
Wie beruhigend. »Wann und warum war seine große Karriere zu Ende?«
»Find ich nicht auf die Schnelle. Hm. Hat er den Absturz nicht verkraftet und hat sich …?«
»Runtergestürzt, wolltest du sagen?«
»Genau …«
»Und vorher feiert er? Hm. Findest du was über seinen Familienstand?«
»Moment … offenbar ledig. Na, aber hallo, die Frauen auf den Fotos sind deutlich jünger als er. Lauter Modeltypen in vertrauten Posen. Kann gefakt sein, damit er cool wirkt.«
Tatsächlich, die komplette Palette. Blonde, brünette, rot- und schwarzhaarige Frauen, die ihn anschmachteten. »Musiker mit weiblichen Fans. Neid und Eifersucht sind klassische Motive.«
»Noch wissen wir ja nicht, was vorgefallen ist.« Auf Joes Stirn bildete sich eine steile Denkfalte. »Ich brauche dringend einen Kaffee.«
»Nicht nur du«, bekräftigte Grohsman.
Den Zugang zu Lienharts Wohnung am Ende des Ganges bewachte ein Polizist. »Die Tatortgruppe ist noch nicht fertig. Scheint eine ziemlich heftige Feier gewesen zu sein.«
»Also ein ultralanger Arbeitstag«, brummelte Grohsman. »Hat denn niemand die Polizei gerufen, wenn es so laut zugegangen ist?«
»Nein, das hab ich überprüft. Es ist kein Anruf reingekommen.«
Grohsman ging durch die Wohnung bis zum Eingang des Wohnzimmers. Ein Schlachtfeld mit Flaschen, Bechern und Tellern, teilweise zerbrochen. Dreckige Aschenbecher, klebrige Fußböden, dekoriert mit einer Mischung aus nicht mehr definierbaren Essensresten.
Ein Kollege der Tatortgruppe trat näher. »Morgen. Ralf Aichhorn, Teamleiter.«
Wie alt war der Mann, dreißig? Vierzig? Einen halben Kopf größer als Grohsman. Breite Schultern und wachsame braune Augen. Den Rest verdeckte der Schutzoverall.
»Morgen. Grohsman. Ziemliche Herausforderung, die Spurensicherung …«
»Allerdings.« Aichhorn zupfte seinen Schutzanzug zurecht. »Wir haben mit der Drohne Aufnahmen gemacht, um keine Spuren zu zertrampeln. Wird eine Ewigkeit dauern, bis wir mit dem Einsammeln und Beschriften fertig sind. Das Schlafzimmer ist für sexuelle Aktivitäten benützt worden. Lange rote Haare auf dem Kopfpolster. Anhand der sichergestellten DNS werden wir klären, ob das Opfer involviert war. War nicht der einzige Ort sexueller Handlungen, Spuren in der Küche deuten auch in diese Richtung. Ach ja, und direkt unter dem Balkongeländer lag eine Kippe. Eindeutig selbst gedreht, nur zur Hälfte geraucht, nicht ausgedrückt.« Aichhorn öffnete den Beutel und ließ Grohsman schnuppern. Hasch. Auch in der Raumluft hing der verdächtig süßliche Geruch.
»Wann können wir rein?«
»Ich ruf Sie an. Ganz sicher nicht vor Nachmittag.«
Rasch textete Grohsman seinem Neffen. »Lukas, heute wird es später, tut mir leid. Warte mit dem Essen nicht auf mich.«
Er sah auf die Uhr. Mittlerweile halb sechs. Zu früh fürs Büro, zu spät, um daheim ordentlich zu frühstücken. »Joe, die erneute Befragung der Bewohner machen wir heute Nachmittag, wenn wir die Wohnung betreten können.«
Joe gähnte. »Kein Einspruch. Und jetzt?«
»Fährst du heim und haust dich noch eine Runde aufs Ohr. Ich mach mich auf den Weg ins Büro. Und geb dir Bescheid, sobald wir den Tatort betreten dürfen.«
Eigentlich sollte Nicky diesen Triumph auskosten, ihr Klient Wilhelm Piring wurde heute aus dem Strafvollzug entlassen. Acht Jahre hatte er wegen Mordes eingesessen. Aber für sie blieb da ein galliger Beigeschmack. Denn Piring hatte die Haftstrafe unschuldig verbüßt.
Damals war in seinem Wohnhaus eine neunundsiebzigjährige Bewohnerin von ihrer Pflegerin aufgefunden worden. In der Badewanne. Tot. Als Todeszeitpunkt hatte der Gerichtsmediziner zwischen elf und zwölf Uhr angegeben. Gleich drei Zeugen hatten ausgesagt, dass Piring am späten Vormittag aus der Wohnung gestürmt war. Die Indizien waren erdrückend gewesen. Piring hatte der Seniorin öfters aus der Zeitung vorgelesen, Medikamente aus der Apotheke beschafft, Einkäufe erledigt und verstaut. Daher befanden sich seine Fingerabdrücke in der gesamten Wohnung, auch im Bad. Niemanden hatte es stutzig gemacht, dass es von ihm keine Spuren am Rand der Badewanne gab.
In Nickys Aufgabenbereich als forensische Psychologin fiel auch die Betreuung von Strafgefangenen. Vor allem das Einschätzen des Rückfallrisikos. Anfang dieses Jahres war Piring ihr Klient geworden. Seine Gefasstheit, gepaart mit einer stoischen Beharrlichkeit, hatten sie gleichermaßen beeindruckt und verwirrt. Er hatte stets fast im Flüsterton gesprochen. »Wie sollte ich Reue zeigen? Ich bin unschuldig. Auch wenn mir das niemand glaubt.«
Beteuerungen dieser Art waren Nicky hinlänglich bekannt, manche erhofften sich dadurch eine Verkürzung der Haftstrafe. Doch in Pirings Gesicht hatte sie eine widersprüchliche Mischung aus Resignation und Hoffnung geortet. Seine Frau hatte all die Jahre zu ihm gehalten, sein Sohn auch. »Warum sollte Wilhelm eine Frau jahrelang unterstützen und sie dann umbringen? Bei ihr gab es nichts zu erben. Das war auch nicht sein Motiv. Seine Mutter ist frühzeitig gestorben. Überhaupt, mein Wilhelm ist immer für die anderen da. Kein Mensch lohnt es ihm, dass er an sich selbst als Letztes denkt. Bitte helfen Sie ihm.«
Nicky hatte sich daraufhin die Akte angesehen. Der Körper der Frau wies keine Abwehrspuren auf. Die Kopfverletzung befand sich unter der Hutkrempenlinie, im Bereich des Jochbeins, am seitlichen Rand der linken Augenhöhle. Ein derartiger Schlag verursachte keinen Knock-out. Aufgrund der breiten, länglichen Form konnte die Verletzung weder von einem Fausthieb noch von einem Handkantenschlag stammen. Passte sie zu einem Sturz gegen den Badewannenrand? Lag hier überhaupt ein Tötungsdelikt vor? Auch die spärlichen Fremd-DNS-Spuren im Badezimmer passten nicht zu einem Gewaltverbrechen und stützten die These Unfall.
Sie hatte die Akte daraufhin Oskar Schlesinger vorgelegt, der sich mit der ihm eigenen Gründlichkeit in den Obduktionsbericht vertieft hatte. »Keinerlei Hämatome, die auf ein Drücken des Körpers unter Wasser deuten. Die Auffindeposition entspricht eher einem Sturz, keinem Schlag. Und überhaupt, Badezusatz im Wasser und in der Lunge, demnach wollte sie ein Bad nehmen. Zum Zeitpunkt des Sturzes war das Wasser also noch warm. In dem Fall sinkt die Körpertemperatur nach dem Tod jedoch langsamer, weil auch das Wasser auskühlen muss. Sie ist nicht vor sechzehn Uhr gestorben.« Zu diesem Zeitpunkt war Piring bei einer Geschäftsbesprechung gewesen.
Wilhelm Piring war unschuldig verurteilt worden, weil die Indizien damals perfekt gepasst hatten. Aufgrund von Schlesingers gerichtsmedizinischem und Nickys psychologischem Gutachten war der Fall vor zwei Monaten neu aufgerollt worden, der Tod der Frau wurde als Unfall deklariert. Piring war freigesprochen worden.
So richtig konnte Nicky den Erfolg nicht genießen. War schließlich kein Einzelfall. Vor einigen Jahren hatte ein deutscher Richter ein Lexikon der Justizirrtümer herausgebracht, in dem er Fälle aus Deutschland, Österreich, den USA und anderen Ländern skizzierte. Zu Fehlurteilen kam es vor allem durch bewusste oder unbewusste Falschaussagen. Gelegentlich lag die Ursache jedoch in unzureichend durchgeführten Zeugenbefragungen und Ermittlungen.
Nachdenklich betrachtete sie die Messengermeldung der Familie Piring. »Endlich frei. Danke für alles.« Mit einem Schnappschuss, wie Wilhelms Frau ihn vor der Justizanstalt umarmte. Als Nicky die Zeilen noch einmal las, empfand sie doch etwas wie eine Hochstimmung.
Es war Nachmittag, als Grohsman mit Joe in die Wohnung in der Diemgasse zurückkehrte. Ralf Aichhorn, der Leiter der Tatortgruppe, übergab den Schauplatz. »Kein Abschiedsbrief, kein Testament, soweit wir das feststellen konnten. Wohnungsschlüssel und Handy lagen auf dem Schreibtisch, die haben wir auf Fingerabdrücke untersucht. Haben wir mit dem Laptop, den Ordnern aus dem Büro und dem Inhalt des Schreibtischs in Kartons verpackt. Die Schachteln sind auf dem Weg zu euch ins LKA. Na dann, euer Feld. Viel Vergnügen.« Aichhorn verabschiedete sich mit einem Nicken.
»Danke.« Grohsman schauderte angesichts des Cocktails aus Bier, Wein, Essensresten, Schweiß und Rauch. Auf einer der edlen Lautsprecherboxen klebte der Rest eines belegten Brötchens. Wenn der Grad der Verwüstung der Stimmung auf der Party entsprach, hatte hier gestern der Bär gesteppt. Was für ein Widerspruch zur jetzigen Totenstille.
»Geh lieber nicht ins Badezimmer«, warnte ihn Joe. »Da ist jemandem die Pizza nicht so bekommen. Oder was auch immer das war.«
»Mich interessiert hauptsächlich der Balkon.«
»Na, supersauber wird der auch nicht sein.«
Grohsman stakste vorsichtig über die Scherben auf dem Boden. Er öffnete die Balkontür. Zu seiner Überraschung sah es draußen vergleichsweise ordentlich aus. Hatten die Partygäste hier keinen Zutritt gehabt? In den Ecken stand je eine Zwergthuja. Links ein Tisch mit zwei Plastiksesseln, Billigmöbel. Überhaupt, bis auf die Soundanlage wirkte die Wohnungseinrichtung kostengünstig. Vermutlich schwedisches Möbelhaus. Grohsman machte sich eine Notiz.
Ziemlich niedrig, das Geländer, das maß doch nicht einmal einen Meter. Gab es in Wien keine gesetzliche Mindesthöhe? Grohsman sah in die Tiefe. Er taumelte einen Schritt zurück.
»Höhenangst?«, fragte Joe.
Musste sie wie ein Gespenst hinter ihm auftauchen? »Nicht direkt. Höhenrespekt trifft es eher.« Diese Distanzen spielten seinem Gleichgewichtssinn manchmal einen Streich. Und das vertrug sich grad schlecht mit seinem Magen, in dem sich eine spartanische Leberkässemmel überlegte, in welche Richtung es weiterging. Die hatte er heruntergeschlungen, bevor er losgefahren war, mehr hatte er nicht runtergebracht. Weil …
Das Bild von dem jungen Toten bei den Nussdorfer Löwen schob sich vor sein geistiges Auge. Schon wieder.
Grohsman wischte sich ein paar Schweißtropfen von der Stirn, obwohl es bloß zehn Grad hatte. Sein Handy läutete. »Hallo, Zina! Wie geht es dir?«
Er hatte die aparte Polin letztes Jahr im Rahmen eines Falles kennengelernt. Ihr beseeltes Klavierspiel ließ Grohsman Zeit und Raum vergessen. Endlich konnte er sich wieder mit jemandem intensiv über Musik und andere packende Themen austauschen. Oder gelegentlich gemeinsam kochen und danach in lukullischen Genüssen schwelgen.
»Danke, gut! Ich habe heute im polnischen Nationalmuseum ein berührendes Gemälde gesehen. ›Der Tod der Barbara Radziwiłł‹. So eine traurige Liebesgeschichte. Sie war die Frau von König Sigismund II. August und starb mit nur einunddreißig Jahren. Józef Simmler hat ihren Tod und den Schmerz ihres Gemahls so berührend eingefangen – da musste ich an dich denken. Amelia und ich haben dann ein Glas Rotwein auf dich getrunken.«
Tod. Caro. Josef. Grohsman rief sich Zinas bezauberndes Lächeln in den Sinn. Ließ sich von der Wärme ihrer Stimme einhüllen. Sie musste nicht betonen, dass sie bei dem Gemälde an ihn und seine verstorbene Frau Caro gedacht hatte. »Wie lieb von dir, Zina. Danke. Wenn du wieder in Wien bist, gehen wir gemeinsam in die Albertina, ja?« Vor Paul Signacs »Antibes, die Türme« konnte Zina minutenlang stehen, bis die Farbpunkte zu einem Ganzen verschmolzen und sich schließlich wieder in Punkte auflösten.
»Das machen wir. Und jetzt esse ich für dich Ciasto Drożdżowe.«
»Die sind aber nicht so gut wie deine Selbstgebackenen.« Allein der Geruch des frisch gebackenen Hefekuchens mit den krustigen Krümeln, serviert mit Butter und Marmelade – ein regelrechter Seelentröster. Könnte er grad brauchen. »Joe, befrag die Nachbarn ohne mich. Die Kartons mit den diversen Aktenordnern von Lienhart sind sicher schon bei uns eingetroffen, die sehe ich mal durch. Ich fahre kurz heim und hole meinen Hund.«
Der war heute schräg drauf, der Boss. So muffelig kannte Joe ihn gar nicht. Und seit wann hatte er Höhenprobleme? Oder war’s der Tote gewesen? Okay, die Einladung zum Intensivkurs Asphaltcrash hatte auch sie im ersten Schock dezent ignoriert. Doof. Woran stellte Schlesinger fest, ob der Mann zuerst mit den Füßen oder mit dem Kopf aufgeprallt war?
Sollte sie sich in die Materie hineintigern? Andererseits hatte sie es satt, von ihrem Teamkollegen Gregor Kienzle ständig als Streberin bezeichnet zu werden. Überhaupt, »Initiative zeigen«? Ihr stand noch eine Anhörung bevor. Bloß weil sie einer Frau in Gefahr geholfen hatte.
Entschlossen öffnete sie ihr Tablet und checkte die Liste der derzeit vorhandenen Zeugenaussagen. Agnes Drese, die Polizistin, hatte akribische Vorarbeit geleistet.
Jetzt, wo die Befragten ausgeschlafen waren und die Bestürzung verdaut hatten, waren viele in Redelaune. Oder in Raunzlaune über die »wilde Party«, die »so um fünf« gestartet war. »Der Lienhart hatte uns zwar eingeladen. Dieser Schickimicki-Haufen ist aber nichts für mich«, meinten die meisten. Die beiden Frauen aus dem ersten Stock – die der Boss despektierlich als »Hausmeisterinnen« bezeichnete – schienen Joe für eine Gesprächstherapeutin zu halten, bei der sie Klatsch und Tratsch loswerden konnten. »Das war ja sooo fuuurchtbar, das können Sie sich gar nicht vorstellen.«
»Doch, kann ich. Ich arbeite bei der Kripo«, würgte Joe das Gejammer trocken ab.
Viele kannten Lienhart »nur vom Grüßen, eigentlich war er ganz nett«. Umgänglich. Hatte den älteren Bewohnern im Haus schon mal mit dem Einkauf geholfen. Die Nachbarn über und unter ihm beklagten, dass es manchmal laut zuging, »aber sonst war er ganz in Ordnung«.
Sein direkter Nachbar war noch immer nicht zu Hause. »Ulrich Zapletal« stand auf dem Türschild. Hatte er vor der Party die Flucht ergriffen?
Eine Jung-Twens-WG fand Lienhart »tooo-tal hip«. Viviane, eine der WG-Bewohnerinnen, war gestern bei der Party gewesen. Stammten ihre geröteten Augen vom Feiern, oder hatte sie geweint? »Manu hat diese Geburtstagsparty total spontan geschmissen. Aber es war krass viel los, um zehn bin ich gegangen. Weil er so strange drauf war.«
»Inwiefern strange?«
»Zwischendurch war er ganz schön aggro. Na ja, dann war er eh wieder gechillt.«
Aggressiv und doch entspannt? Sein Geburtstag in Kombination mit dem Karriereknacks, den Lienhart nicht verkraftet hatte? »Seit wann legt er nicht mehr in großen Clubs auf?«
»Also, der war doch eh voll im G’schäft. Sonst hätt der nicht so viele Groupies. Gestern hat er mit seinem Harem voll abgefeiert.«
Ob Viviane auch mal was mit ihm hatte?
»Nö. Ich steh nicht auf Jungs. Ich find Mädels cooler. Solche wie dich, das ist meine Kragenweite.«
Joe ignorierte die Anmache souverän. Sollte sie auf das förmliche »Sie« bestehen? Nein, das schaffte unnötige Distanz. »Hast du Schnappschüsse von der Party gemacht?«
»Ja, doch. Sind aber nicht besonders gelungen. Da fällt mir ein … Mit drei von seinen Tussis gab’s Stunk. Voll die Streithennen. Die sind dann kurz ins Badezimmer verschwunden und haben sich einen Joint reingezogen. Jedenfalls sind sie auf urlieb wieder rausgekommen. Da, die drei mein ich. Margie, Jenny und Lisi. Wie die sonst heißen, weiß ich nicht.«
»Kannst du mir deine Fotos schicken? Mit Namen? Auf diese E-Mail-Adresse?«
»Wenn’s sein muss … Hey, schade, das ist ja nur deine Dienstadresse.«
Seufzend überflog Grohsman die Krankmeldung von Kollegin Ursula Manz. Komplizierter Schienbeinbruch, für die nächsten zwei bis drei Wochen befand sie sich mit Liegegips im Spital. Sie war erst letztes Jahr in sein Team gekommen.
Zur Besprechung hatte er Ralf Aichhorn hinzugezogen. Auch Agnes Drese, die Streifenpolizistin, die als Erste vor Ort gewesen war, verstärkte das heutige Meeting. Kurz hatte Grohsman überlegt, Nicky Witt als beratende Psychologin einzuberufen. Er schätzte ihre Ruhe, die ihre tiefe Verbindung zur menschlichen Psyche widerspiegelte. Nicky war eine Expertin darin, Gedanken und Motive von Tätern zu entschlüsseln. Aber ohne konkrete Hinweise, was sich in der Nacht abgespielt hatte, war es zu früh für eine psychologische Einschätzung des Geschehens.
Grohsman warf einen Blick in die Runde. Es entging ihm nicht, dass sich Joe und Gregor Kienzle anfunkelten. Stritten die zwei wieder mal? Konkurrenzdenken? Mittlerweile hatte doch jeder seinen Platz in der Gruppe.
Kienzle war ein Kapazunder, wenn es um Technisches ging. Für Datenauswertungen hatte der Kollege sogar kleine Computerprogramme geschrieben. Grohsman schätzte sowohl Kienzles IT-Kenntnisse als auch seine Hartnäckigkeit. An seinem Sozialverhalten musste der Kollege noch arbeiten, er neigte zu Launenhaftigkeit. Nicht nur Zeugen gegenüber konnte Gregor zum Pulverfass werden. Zu Außeneinsätzen nahm Grohsman ihn deshalb nur in Notfällen mit.
Auf der anderen Seite Joe Kettler, seit drei Jahren in seinem Team. Blitzschnelle Auffassungsgabe. Im Zuge der Ausbildung hatte sie sich gegen ihre Machokollegen durchgebissen, keine leichte Übung für die junge Frau. Aber die Kollegen damals hatten nicht mit ihrem Dickschädel gerechnet. Die Kratzbürstigkeit war ihr geblieben. In puncto Eigeninitiative überspannte Joe gelegentlich den Bogen. War fast ins Auge gegangen, als sie letztes Jahr der Kriminaltechnik einen DNS-Test von einem Angehörigen der polnischen Botschaft untergejubelt hatte. Grohsman hatte den Lapsus haarscharf ausbügeln können. Und die Aktion unlängst, als sie im Alleingang die Wohnung einer bedrohten Frau gestürmt hatte? Würde sich weisen, welche Konsequenzen das hatte.
Er pflanzte sich vor dem Team auf, stellte kurz alle vor. »Wollen wir uns duzen?« Zustimmendes Nicken rundherum. »Wie ihr wisst, ermitteln wir im Fall Manuel Lienhart, fünfundvierzig. Sturz vom Balkon aus ungeklärter Ursache.« In der Zwischenzeit hatte er ein paar brisante Details über den Toten herausgefunden. »Lienhart war vor rund zwanzig Jahren recht erfolgreich, hatte mit Größen wie …«, er sah auf seinen Notizblock, »P. Diddy und Cyndi Lauper zusammengearbeitet.« Na, wenigstens Cyndi Lauper war Grohsman ein Begriff. »In dieser Zeit hatte er sogar seinen eigenen Club, ›The Dance Bang‹. Vor dreizehn Jahren hatte er jedoch einen Unfall, er ist von der Bühne gestürzt.«
»Zu tief ins Glas geschaut?«, fragte Kienzle.
»Nein, angeblich eine fehlerhafte Bühnenkonstruktion. Ziemlich dramatisch, die Geschichte, Schädel-Hirn-Trauma, daraus resultierten neurologische Störungen. Die scheint er überwunden zu haben, jedenfalls findet sich im Netz nichts darüber. Lienhart hatte nach wie vor zahlreiche weibliche Fans.«
»Und damit viele Neider und Eifersüchtler«, meinte Agnes Drese.
»Deckt sich mit dem, was eine der Hausbewohnerinnen ausgesagt hat.« Joe legte ein paar Fotos auf den Tisch. »Die stammen von Viviane Edlinger, die kurz auf Lienharts Party war. Auf dem Server hab ich das Bildmaterial schon gespeichert.«
»Danke. Aha, die Mehrzahl der Gäste ist weiblich und größtenteils jünger als Lienhart«, stellte Grohsman fest.
»Oder sie hat nur die jungen Frauen fotografiert. Ihre Neigung geht in die Richtung«, brachte Joe an.
»Verstehe. Häng die Fotos bitte auf. Und schreib die Namen dazu, sofern vorhanden.« Er drückte Joe einen Marker in die Hand. »Ralf, was habt ihr bisher?«
Aichhorn stand auf. »Die Fotos der Drohnenaufnahmen sind auf dem Server, Auswertung läuft. Ich werfe sie mal auf den Screen.«
Ein paar Klicks später murmelte das Team über die Verwüstung in Lienharts Wohnung. Grohsman bemerkte erst durch die Vogelperspektive eine Schneise durch das Chaos auf dem Boden. »Hat da jemand das Opfer auf den Balkon gezogen?«
Aichhorn schüttelte den Kopf. »Das hätte Spuren auf der Kleidung des Toten hinterlassen. Da hat nur zwischendurch jemand für Ordnung gesorgt.«
Grohsman schnaubte. »›Ordnung‹ ist in dem Zusammenhang ein Hohn. Also zur Aufgabenverteilung: Gregor, Joe, seht euch bitte die üblichen Eckdaten an. Laptop, Handy, Bankkonto, na, ihr wisst schon. Vor allem, ob es Partyfotos auf Lienharts Handy gibt. Und so was wie eine Einladungsliste. Die wichtigsten Infos tippe ich in die Messengergroup. Ich habe dich hinzugefügt, Ralf.« Hatte ihm Lukas gezeigt, wie man eine derartige Gruppe erstellt. »Wenn wir dich mit einbeziehen dürfen, Agnes, ergänze ich dich.«
»Oh, das wäre cool«, meinte die Polizistin.
Nachdem alle sein Büro verlassen hatten, kehrte Grohsman zurück an den Schreibtisch. Sally hüpfte voller Erwartung auf. Armer Hund. Sollte er sie rasch heimbringen? Lukas war sicher nicht zu Hause, sie müsste sich mit Smoky begnügen. Mit dem silbergrauen Kater, den sie letztes Jahr in einem Park bei der Donau gerettet hatte. Gegen Mitternacht, halb ersoffen unter einem Busch. Die beiden so lange allein lassen? Mit Schrecken erinnerte er sich an die »Umgestaltung« der Wohnung, die die zwei letztes Mal vorgenommen hatten. Wurde Zeit, dass Zina wieder nach Wien kam. Nicht nur wegen Sally, überlegte Grohsman mit versonnenem Lächeln. Na, eine Woche musste er noch warten.
»Boss, hast du kurz Zeit? Wir haben überraschend flott Zugriff auf die Bankdaten des Toten bekommen.« Joe legte ihrem Chef den Kontoauszug vor.
Grohsman überflog die Daten. »Keine exorbitanten Einnahmen oder Ausgaben. Konto leicht im Plus. Seine Finanzen lassen weder einen Suizid vermuten noch bieten sie ein Mordmotiv. Übrigens, liegst du im Clinch mit Gregor? Vorhin habt ihr euch ziemlich grantig angeschaut.«
»Na, für Arbeitsverweigerung reicht es noch nicht.« Sie schätzte es, dass sich der Boss in ihre kleineren Reibereien nicht einmischte. Ihre Fehden mit Kienzle focht sie lieber unter vier Augen aus.
»Gut. Ich habe Lienharts Familienangehörige verständigt. Die Eltern leben in Innsbruck. Der Vater hat morgen eine ärztliche Behandlung, die er nicht aufschieben kann. Aber sie kommen am Mittwoch im Laufe des Tages nach Wien.«
»Ein Scheißjob, Eltern mitzuteilen, dass ihr Kind tot ist.« Joe war dankbar, dass der Boss diese Aufgabe übernahm. So richtig kuschelig war an ihrem Beruf gar nichts. Dennoch konnte sie sich keinen anderen vorstellen. »Haben die irgendwas zu diesem Bühnenunfall gesagt? Hat er deshalb den Club geschlossen?«
»Nein, mit dem ist er pleitegegangen. Er war Musiker, kein Geschäftsmann, hat seine Mutter klargestellt. Aber nach dem Untergang von dem Club war’s auch vorbei mit der großen Karriere. Die Snobiety hat ihn fallen gelassen wie ein angerotztes Taschentuch. Er hat sich danach komplett neu aufgestellt, weil er es satthatte, ständig Musik aufzulegen, die ihm nicht taugt. Meint die Mutter. Ging angeblich gut, die Masche mit der Retrowelle. Na ja, immerhin ist sein Konto nicht im Minus. Jedenfalls war der Unfall erst später. Der war aber heftig, Lienhart lag zwei Wochen im Koma. Danach musste er wieder Gehen und Sprechen lernen.«
»Und sich noch einmal neu erfinden, richtig?« Davon hatte Joe nichts im Netz gelesen.
»Kannst du hellsehen? Das waren ziemlich exakt die Worte der Eltern. Der Unfall hatte jedoch angeblich keinerlei Nachwirkungen.«
»Schon arg, Sturz von der Bühne, und dann kommt er auf ähnliche Art ums Leben.«
»Der Gedanke ist mir auch gekommen. Lienhart hat übrigens noch eine Schwester, Daniela, die konnte ich noch nicht erreichen. Laut Eltern hatten die Geschwister jedoch kaum Kontakt. Daniela hat die Lebensweise ihres Bruders abgelehnt. Sie ist vor sieben Jahren in die USA ausgewandert. Nach ›The Villages‹.«
»Nie gehört. Wo ist das?«, hakte Joe nach.
»In Florida. Das ist die größte Rentnersiedlung der Welt. Über hunderttausend elderly people wohnen dort. Sagt das Internet. Daniela Lienhart arbeitet in diesem Projekt als Freizeitgestalterin. Ach, und laut Eltern hatte Lienhart keine ständige Partnerin. Wie haben sie es ausgedrückt? ›Er war noch auf der Suche nach der großen Liebe. Bis dahin flatterte er wie ein Schmetterling von Blüte zu Blüte.‹«
»Ehrlich? Meine Mutter würde so jemanden als Playboy bezeichnen. Na, Eltern sehen das wohl anders, wenn es sich um einen Sohn handelt.«
Der Boss zwinkerte ihr zu. »Was für ein Glück, dass ich weder Täter noch Opfer verstehen muss. Ich muss mich lediglich so weit hineinversetzen können, um Mordmotive auszuloten.« Er zeigte auf die acht großen Kartons, die sich neben seinem Schreibtisch stapelten. »Die Sachen sind aus der Wohnung des Toten. Wenn sich jeder von uns zwei Kartons vornimmt … stopp. Ursula Manz ist ja im Krankenstand. Hoffentlich ist sie bald wieder einsatzbereit.«
»Und Agnes? Kann sie uns helfen?«
»Muss ich erst nachfragen. Antrag stellen oder so. Bis dahin müssen wir zwei uns abrackern.«
Joe eilte aus dem Büro und kam mit einem Plattformwagen zurück. Klappte das Ding auf, stapelte vier Kartons darauf und setzte sich in Bewegung. »Mal sehen, wer schneller ist!«
Von der Durchsicht des ersten Kartons von Lienhart schwirrte Grohsman der Kopf. Ordner, Boxen … Irgendwann hatte er nicht mehr wahrgenommen, was auf den Blättern stand. Zeitverschwendung. »Komm, Sally, für heute langt es. Ab nach Hause mit uns, dann geht sich noch ein gemeinsames Abendessen mit Lukas aus.«
Wieso hatte Lukas die Tür zum Wohnzimmer geschlossen? Smoky maunzte leise und versuchte, sie durch Scharren aufzubekommen.
»Na komm, ich mach dir auf.«
Oh. Hoppla.
»Kannst du nicht anklopfen?«, blaffte Lukas ihn an. Mit hochrotem Kopf sprang sein Neffe auf und schnappte sich sein T-Shirt. Hielt es vor seine entblößte Vorderseite. Die junge Frau neben ihm suchte ebenfalls hektisch nach einem Kleidungsstück. Als sie keines fand, angelte sie sich die Tagesdecke.
Grohsman wandte sich rasch ab. »Anklopfen? Am Wohnzimmer? Auf die Idee wär ich nicht gekommen«, murmelte er beim Abgang. Warum hatten sich die beiden nicht in das Zimmer von Lukas zurückgezogen? »Ich hab geglaubt, du studierst Mathe, nicht Biologie«, konnte er sich nicht verkneifen.
»Sehr witzig«, zischte sein Neffe.
Die junge Frau hingegen prustete los. »’tschuldigung. Wir … Ich bin schon weg.«
»Nein, bleiben Sie doch. Haben Sie Hunger?«, rief Grohsman ihr vom Vorzimmer aus zu.
Wenig später schlich Lukas mit seiner Begleitung in die Küche. Eine junge, ungekünstelte Frau, dunkles Haar, kinnlang. Graue Augen. Am besten gefiel Grohsman ihr schelmisches Lächeln, das ihn entfernt an seine Caro erinnerte.
»Ich heiße Sibylle, aber alle nennen mich Billie. Ich bin der Studien-Buddy von Lukas.«
»Hallo, Billie. Sie studieren also auch? Und gehen daneben noch zur Schule?«
»Also, Du reicht völlig. Ja, ich hab ebenfalls während der Schulzeit begonnen, bin aber im zweiten Studienabschnitt. Bin schon zwanzig und ein Nerd wie Lukas.« Wieder blitzte der Schalk in ihren Augen.
»Nerd? Ich finde euch großartig. Kommt, setzt euch.«
Billie langte ordentlich zu und lobte Grohsmans gefüllte Paprika, die er rasch aufgetaut hatte. Eines der Gerichte, die er aus dem Effeff beherrschte.
»Sie sind also bei der Kripo? Bearbeiten Mordfälle?«, fragte Billie.
»Er hat grad einen neuen Fall hereinbekommen«, bestätigte Lukas eifrig. »Darfst du davon erzählen?«
Na, ein paar Eckdaten konnte er doch ausplaudern. »Ein Musiker kam unter noch ungeklärten …« Grohsman brach ab. Er hörte sich an wie ein Nachrichtensprecher.
»Musiker? Einer, den man kennt?«
»Ich bin nicht so firm in dieser Szene. Angeblich war er früher angesagt. Das hat sich geändert, aber einige junge Frauen stehen noch immer auf ihn. Ich frag mich, was die an so einem Typen finden.«
»Gibt’s ein Video von ihm? In Action?« Billie rutschte auf ihrem Sessel näher.
Das ging doch als Feldstudie durch, oder? Grohsman holte seinen Laptop. »Ihr dürft mich aber nicht verpfeifen. Oder in den sozialen Medien herausposaunen, was ihr gesehen habt.«
»Ehrensache.« Billie hob zwei Finger feierlich zum Schwur. »Ich bin sowieso Social-Media-Autist. Meine Accounts sind alle mausetot, ich hab die bloß zur Recherche.«
Die junge Frau wurde Grohsman immer sympathischer.
Konzentriert verfolgte Billie den Clip. »Also, ich bin kein Maßstab, und auf den Typen konkret steh ich nicht.« Sie verschränkte ihre Arme. »Aber wir jungen Frauen haben möglicherweise andere Kriterien als ihr Jungs, wenn es um die Bewertung der Attraktivität des anderen Geschlechts geht. Unterm Strich seid ihr euch viel einiger, ob eine Frau Sexappeal hat. Gute Figur, tolle Haare, passt schon.« Sie schien den protestierenden Blick von ihm und von Lukas wahrzunehmen und fügte rasch hinzu: »Okay, das war ein Stereotyp. Frauen stehen jedenfalls auf das Gesamtpaket. Sixpack oder eine Wallemähne sind nett, aber ohne Ausstrahlungskraft und Auftreten ist das zu wenig. Na ja, ich find’s schon gut, wenn ich mich vor einem Typen in der Nacht nicht schrecken muss. Der Kerl da, der trägt bei den Balladen eine gewisse Melancholie in sich, das verleiht ihm einen sensiblen Touch. Und wie er das Mikro lässig von einer Hand in die andere wirft, das regt die Phantasie vieler Mädels an. Dass er nach einem Gig an der Bar steht und mit rauchiger Stimme über prickelnde Songtexte monologisiert. Da kriegen manche Mädels bestimmt nasse Träume.«
Grohsman hätte sich fast verschluckt. Wie staubtrocken sie den Sager rausschob! »Billie, du kannst öfters vorbeischauen.«
»Wie geht es dir?«
»Beschissen. Voll der Kater. Immer noch. Und dir?«
»Ganz okay. Was wirst du jetzt machen?«
»Ausschlafen. Und morgen wieder arbeiten gehen.«
»Das mein ich nicht …«
»Was denn sonst? Alter, rede Klartext.«
»Weißt du nicht mehr? Du hast mich angerufen. Um drei in der Früh.«
»Echt? Kann mich nicht erinnern.«
»Du hast keinen Schimmer mehr? Ich mach mir Sorgen, Mann. Ehrlich.«
»Hey, ich hab einen Filmriss, voll! Kein Wunder, oder? Du hast doch auch gesoffen. Wieso spürst du nichts?«
»Weil ich beim Wein geblieben bin. Du hättest nicht hingehen sollen.«
»Geh, warum? Ich wollte den Kerl doch kennenlernen. Hat eh nichts gebracht. So ein Waschlappen. Dass meine Frau mit dem … pfa, grauslich.«
»Das hat sich jetzt wohl erübrigt.«
»Also, mit dem treff ich mich nicht mehr.«
»Nein, das glaub ich auch nicht. Wie denn auch.«
»Wieso schaust du so komisch?«
»Na, du bist gut. Du … du … hast den Typen vom Balkon gekippt!«
»Was? So ein Blödsinn. Kann gar nicht sein. Wie ich abgehaut bin, war doch noch voll die Party.«
»Du hast mich angerufen. Und erzählt, dass du aufgewacht bist. Dass du noch mal zurückgefahren bist, mit einer Stinkwut im Bauch.«
Das Auto! Bin ich echt noch gefahren? Aber ich war doch blunzenfett. »Nein … Ich war nicht in seiner Wohnung … Wie kommst du auf diese Geschichte?«
»Hast du aber gesagt. Erst hab ich geglaubt, du machst einen dummen Scherz. Aber du hast mir ein Foto geschickt.«
»Foto? Wovon?«
»Vom Toten. Warte, ich zeig’s dir auf deinem Handy.«
Ein bemerkenswerter Abend gestern, den Grohsman mit Lukas und Billie für Nachhilfe in Jugendsprache genutzt hatte. Nun wusste er, dass »Rizz« – stimmhaftes Z wie in »Grizzlybär« – »Charisma« bedeutete.
Dieses Wort geisterte Grohsman beim Decken des Frühstückstischs durch den Kopf. Ob Lienhart in den Augen seiner weiblichen Fans »Rizz« hatte? Seinen Neffen fragte er dazu lieber nicht, dessen Miene verfinsterte gerade die Küche. Ein knappes »Morgen« brachte Lukas raus, für »gut« reichte es nicht.
»Alles okay bei dir? War doch ein lustiger Abend gestern.« Den sich der Junge vielleicht anders vorgestellt hatte, mehr Zeit mit Billie allein, weniger Einmischung von Grohsman?
»Ist nicht wegen gestern. Nicht so wichtig. Sorry, ich muss los, bis später.«
Dann musste Grohsman seinen Kaffee – standesgemäß zubereitet mit seiner Bialetti – eben ohne Gesellschaft genießen. So ein richtiger Morgenplauderer war er ohnehin nicht. Er spazierte mit Sally zur Arbeit ins LKA, zu Fuß eine Viertelstunde von seiner Wohnung entfernt. Die Hündin kannte diese Routine schon. Büro – langer Tag – also unter dem Schreibtisch zusammenrollen und schnarcheln.
Ihr Schlaf wurde von Grohsmans Chef gestört, Oberstleutnant Ungerböck, der die Tür aufriss.
»Was ist jetzt mit dieser Sache da, wann können wir das abhaken? Ich will nicht mit einem ungelösten Fall in Pension gehen.«
Ich bin nicht schwerhörig, wollte Grohsman ihm entgegnen. Aber damit würde er die Dezibelzahl bloß noch anheben. Wobei, der Ungerböck und Ruhestand? Oder war das wieder einmal eine seiner semiwitzigen Metaphern? »Wir sind erst seit gestern dran.«
Grohsmans Handy läutete. »Moment, Herr Oberstleutnant, da muss ich rangehen, das ist Dr. Schlesinger. – Ja, Oskar? Kannst du schon etwas zur Todesursache sagen?«
»Die war eindeutig der Sturz. Soweit man das beurteilen kann, gibt es keine prämortalen Blessuren, lässt sich bei den vielen Frakturen natürlich nicht ganz einwandfrei verifizieren. Der Tote hatte zwei Komma sieben Promille Blut im Alkohol, haha. Nein, natürlich umgekehrt. Sprich, er war abgefüllt bis über die Ohren. Und was wir bisher an sonstigen Substanzen nachweisen konnten, na grüß Gott. Nicht das erste Mal, dass er gehascht und gekokst hat.«
»Hinweise auf Antidepressiva?«
»Tox-Screen ist noch nicht abgeschlossen. Außerdem hatte er Geschlechtsverkehr, hat aber nachher geduscht. Ich muss erst prüfen, ob es brauchbare Fremd-DNS gibt. Mehr hab ich noch nicht. Ich melde mich wieder!«
»Danke!« Grohsman sah in Ungerböcks erwartungsvolle Augen. »Noch nichts Definitives. Dr. Schlesinger braucht mehr Zeit.«
»Zeit, Zeit … Und überhaupt, Grohsman, wieso ist der Hund schon wieder da? Ich habe Ihnen schon einmal gesagt …«
»Ich überlege mir, sie zum Polizeihund ausbilden zu lassen. Der Kollege Koller meinte, sie hätte Potenzial.« Das war nicht ganz korrekt. Letztes Jahr hatte Sally in einem Fall einen wichtigen Teil der Lösung erschnüffelt. Davon hatte er Koller bei einer beschwingten Polizeirunde erzählt. Worauf der Ausbilder der Hundestaffel ihm bestätigt hatte, dass er auch kleinere Hunde im Einsatz hatte. Natürlich hatten sie nicht über Sallys Karrierechancen bei der Polizei gesprochen. Ungerböck ließ es dennoch dabei bewenden und stürmte aus dem Büro.
»Was ist denn mit dem los, hat der sein eigenes Spiegelbild gesehen?«, witzelte Joe beim Hereinkommen. »Wenn er sauer ist, schaut er drein wie ein Mops mit Blähungen.«
»Tja. Was kann ich für dich tun, Joe?«
»Im Vernehmungsraum warten drei junge Frauen auf dich. Die drei Streithennen, wie’s die eine Zeugin ausgedrückt hat. Personalien hab ich schon aufgenommen.«
Margie, Jenny und Lisi, die Partygäste bei Lienhart, knotzten im Vernehmungsraum entspannt wie in einer Hotellounge. Grohsman hockte sich auf den unbequemen Holzsessel und legte Stift und Notizblock auf den Tisch.
»Wie im Film!« Eine der drei klatschte in die Hände. »Jetzt sind wir quasi Kommissarinnen.«
Grohsman beließ sie in der Annahme. »Dafür, dass Sie erst vor Kurzem vom Tod des Partygebers erfahren haben, ist Ihre Laune ziemlich beschwingt«, ätzte er.
»Na jaaa, sorry … Wir sind natürlich traurig. Aber ist unser Dasein nicht zu kurz, um mit einer Trauermiene durchs Leben zu laufen?«
Mit einem Seufzer nahm Grohsman die philosophischen Ergüsse dieser rund Zwanzigjährigen zur Kenntnis. »Apropos Trauermiene, wie war Herr Lienhart an dem Abend denn so drauf?«
»Na, wie immer! – Ein bisschen crazy, aber sonst cool«, quasselten sie durcheinander.
»Hört sich nicht nach jemandem an, der seinem Leben ein Ende bereiten will«, murmelte Grohsman mehr zu sich.
»Voll. – Hätt ich nie von ihm gedacht. – Doch nicht der Manu.« Wieder antworteten alle drei gleichzeitig. Schimmerten Tränen in den Augen von Jenny?
»Angeblich gab es Reibereien mit Ihnen, richtig?« Grohsman fixierte die Frauen.
Margie rutschte auf ihrem Sessel hin und her. »Also, auf unseren Partys geht’s halt nicht so spießig zu.« Sie verschränkte die Arme.
»Wir haben uns wieder versöhnt. Das haben wir zu viert gefeiert, im Bad.« Ein Leuchten erhellte Lisis Augen.
»Na komm, das war nur Herumgeknutsche«, relativierte Margie.
»Aber ziemlich heiß, das müsst ihr zugeben!«, raunte Jenny ihren Freundinnen zu. Ihre Stimme war um mindestens eine Terz gesunken.
Die drei und »Manu«? Nein, Grohsman versuchte nicht, sich das Szenario vorzustellen. »Können Sie mir bei der Zuordnung dieser Fotos helfen?« Grohsman breitete die bisher vorhandenen Schnappschüsse von der Feier aus. Einige Augenblicke lang kam er sich vor wie auf einer Cocktailparty.
»Das ist der Klausi!« – »Geh bitte, das ist doch der Robert!« – »Habts ihr was auf den Augen? Die rote Hose, die hat der Flori getragen, ganz sicher!« – »Uuuh, da kannst du recht haben, die Hose hat meine Hornhaut verätzt, wie kann man so was tragen?« – »Na ja, aber Robert mit seinem violetten Leiberl war auch nicht grad der Fashionking!« – »Oh, schauts euch die Fingernägel von der Tina an, ist mir bei der Party gar nicht aufgefallen. Das ist so was von No-Go!« – »Nein, der Robert hatte nichts mit der Sabsi.« – »Doooch, das weiß ich ganz genau, ich hab die zwei doch erwischt!« – »Ja, aber höchstens knutschend.« – »Nein, wenn ich dir’s doch sage! Die haben in der Küche wie die Karnickel …« – »Die Sabsi?«
»Meine Damen, darf ich Ihnen einen Kaffee bringen?«, unterbrach Grohsman das Geschnatter der jungen Frauen launig.
»Das wär super! Einen Cappuccino mit zwei Stück Zucker!« – »Für mich bitte einen Soja Latte, ich vertrag keine Milch.« – »Gibt’s hier auch Tee? Einen Sencha?«
Die drei hatten seinen Scherz für ein ernsthaftes Angebot gehalten. Andererseits konnte auch er eine Stärkung vertragen. Und ein duftender Kaffee förderte eventuell die Motivation der Frauen. Mittlerweile war der absolut trinkbar.
Früher war die Brühe im Büro bestenfalls zum Wollefärben geeignet gewesen, worauf sie im Team in einen Kaffeevollautomaten investiert hatten.
Grohsman kam mit vier Bechern wieder. »Sencha hab ich nicht, Sie müssen mit diesem Grüntee vorliebnehmen. Und Soja ist aus, das ist ein Mandel Latte«, brummte er und stellte den Frauen ihre Getränke hin. Und nahm einen Schluck von seinem kleinen Mokka.
»Hey, urcool«, jubelte Jenny. »Die Polizei, dein Freund und Helfer!« Sie beugte sich wieder über die Fotos. »Also das da, das ist der Klausi, mit der Veronika. Das könnt der Mecki sein, der hat so eine Ziegenstimme. Das hier sieht nach der Antje aus. Und das sind Kathrin eins und Kathrin zwei, Michi, Millie und Edgar. Von dem da kenn ich nur den Spitznamen, Sneaky – der läuft nur mit Sneakers rum. Ah, und das da«, sie klopfte heftig mit dem Finger auf ein Foto, »das ist Herwig. An den erinnere ich mich besonders, weil er Zoff mit Manu hatte. Es ging um irgendwas mit Sandy, glaub ich.«
»Das ist die Alte vom Herwig«, ergänzte Margie. »Eigentlich heißt sie Alexandra, klingt aber nicht so hip.«
»Wieso war die eigentlich nicht da?«, fragte Lisi.
»Weil sich die Lovebirds gebeeft haben.«
»Stunk zwischen Sandy und Manu?«
»Nööö, die waren nicht verknallt. Ich glaub, die war eine der wenigen Frauen, mit der nix lief. Also, nur eine Kumpeline.«
Grohsman überlegte, ob er jemals so eine Befragung erlebt hatte. Das war eher eine »Zuhörung«. Seit dem Kaffee hatte er keine Frage mehr gestellt, sondern schrieb eifrig die überdrehten Meldungen der drei Frauen mit. »Haben Herwig und Sandy auch Nachnamen?«, unterbrach er das Kaffeekränzchen.
»Irgendwas mit F … Fra, Fre …«, grübelte Lisi.
»Aber nein, der Name fängt mit K an. Kier … Kor …«, entgegnete Jenny.
»Benning!«, rief Margie aufgeregt, was erneut ein lebhaftes Geschnatter hervorrief.
»Bist du sicher? Ich hätte schwören können …«
»Herwig ist doch der Steuerberater vom Manu. Schau, ich hab mir die Visitenkarte abfotografiert.«
»Wofür brauchst du einen Steuerberater?«
»Na hör mal, ich will mich mit meinem Beautysalon selbstständig machen. Damit niemand mit so Katastrophennägeln herumlaufen muss wie die Tina. Die sollte ihr Nagelstudio verklagen!«
»Meine Damen!«, rief Grohsman den vergnügten Haufen zur Ordnung. »Von der Visitenkarte brauche ich eine Kopie. Wenn ich also zusammenfassen darf: Herwig Benning, Ehemann von Sandy, hatte Streit mit dem Toten …«
»Na ja, nicht mit dem Toten. Manu hat da schon noch gelebt«, fiel ihm Margie staubtrocken ins Wort.
Grohsman bemühte sich, ernst zu bleiben. »Natürlich. Also, Streit mit Herrn Lienhart. Wegen Sandy? Oder gab es einen anderen Grund?«
»Das hab ich nicht so mitgekriegt. Der Manu lässt nichts anbrennen, aber man kann ihm einfach nicht böse sein.«
»Schön. Und wann sind Sie gegangen?«
Jenny kicherte. »Wir haben uns zu dritt ein Taxi geteilt. Um halb eins.«
»Das können Sie gerne nachprüfen, ich schreib Ihnen die Nummer auf, der Fahrer hieß Kalim. Ein süßer Kerl!«, schwärmte Lisi.
»Geh, du findest ja jeden süß, der dunkle Augen und schwarze Haare hat.« Margie boxte sie spielerisch in die Seite. Grohsman ging davon aus, dass dieser Kalim sich an die Ladys erinnerte.
Himmlisch, die Stille, nachdem die drei gegangen waren. Grohsman wählte sofort Herwig Bennings Nummer. Nach dem vierten Versuch sprach er ihm auf die Mailbox.
Ob Nicky Witt doch zur Teamverstärkung verfügbar wäre? Ihr letzter Fall, das Justizopfer Piring, war sogar durch die internationalen Tageszeitungen gegangen. Grohsman schrieb ihr eine SMS. »Neuer Fall – Klärung Suizid oder Tötungsdelikt – füge dich zur Gruppe hinzu, ruf dich später an.«
Dann legte er die Namensliste inklusive Notizen, wer laut den drei Frauen zu wem und auf wen wie stand, auf Kienzles Schreibtisch. Er schmunzelte immer noch, als er Kienzle um einen Abgleich mit Lienharts Telefonliste bat. »Schaffst du die Ergebnisse bis morgen?«
»Klar, Chef. Was ist denn so witzig?«, fragte Kienzle.
»Die letzte Befragung. Die drei waren filmreif.«
Da sind jede Menge Fotos von dem Toten. Auf meinem Handy. Voll rangezoomt, bist du deppert. Die sind sogar gestochen scharf! Wann hab ich die gemacht? Und vor allem, warum? Ich kann mich überhaupt nicht erinnern … Wieso hab ich nicht gekotzt? Oder hab ich den Balkon vollgereihert? Dann finden die mich am Ende!
Nein, dann wären die ja schon da. Außerdem – na, hab ich halt irgendwann hingespieben. Hängt ja kein Schild mit der Uhrzeit dran. Haha, der war lustig!
»Bing!«, kündigte sich eine neue Nachricht an. Joe blickte auf ihr Handy. Die Brille, die im Hof in der Nähe von Lienhart gelegen hatte, stammte vom Toten. Keine anderen Fingerabdrücke außer denen des Besitzers. »Sorry wegen der Verzögerung«, hatte Aichhorn mit einem Smiley hinzugefügt. Total nett! Was brauchte es eigentlich, um als Kriminaltechnikerin anzuheuern? Sollte sie ihn mal fragen? Rasch schob sie den Gedanken zur Seite.