Tod eines Lobbyisten - Jürgen Renz - E-Book

Tod eines Lobbyisten E-Book

Jürgen Renz

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Beschreibung

Ein Lobbyist versucht mit allen Mitteln, die Wünsche seines Auftraggebers bei der Regierung durchzusetzen und landet letztlich als Akte auf dem Schreibtisch des Kommissars Werner Drews in Burghausen. Drews bekommt im Lauf seiner Ermittlungen einen guten Einblick in das Kräftespiel zwischen Politik und Wirtschaft, bei dem das Wohl des Bürgers auf der Strecke bleibt.

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Jürgen Renz

Tod eines Lobbyisten

- Kriminalroman –

© 2018 Jürgen Renz

Umschlaggestaltung: Jürgen Renz

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN 978-3-7469-2303-1 (Paperback)

ISBN 978-3-7469-1815-0 (Hardcover)

ISBN 978-3-7469-1816-7(e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

„Die Naturwissenschaftler haben nicht Unrecht und irren nicht unbedingt in dem, was sie sagen, sondern in dem, was sie verschweigen.“

(C.F. von Weizsäcker)

Prolog

Der Ort war gut gewählt.

Zum letzten Mal ging Frau Rita Andeler ihre Checkliste durch und war zufrieden. Außer den schrillen Schreien der karibischen Seevögel, einem leichten, kaum wahrnehmbaren Rauschen der Meeresbrandung und gelegentlichen Zurufen des Personals, das letzte Hand an die Tische der weitläufigen Terrassen legte, drang kaum etwas in ihr großes, sonnendurchflutetes Büro im zweiten Stock der weitläufigen, ultra-modernen Hotelanlage, die sich mit dem Hauptbau und vielen kleinen Bungalows über die gesamte Bucht erstreckte. Sie schaute durch die weit geöffneten Fenster über den weißen Strand hinaus über das träge Meer, und bemerkte befriedigt, dass auch das gemietete Schnellboot dort draußen unter dem Horizont ankerte, um die Anlage von der Wasserseite her zu sichern.

Seit einigen Jahren arbeitete sie erfolgreich, zuverlässig und dementsprechend hervorragend bezahlt als sogenannte PR-Managerin des Dachverbandes. Sie bezeichnete sich selbst, stets mit leicht heruntergezogenen Mundwinkeln und einem etwas bitteren Lächeln als die „Dame für’s Grobe“, hatte wieder einmal fast die ganze Nacht durchgearbeitet und brauchte nicht auf die Uhr zu schauen, um zu wissen, dass es höchste Zeit für das Frühstück wurde. Ihr leerer Magen meldete sich vernehmlich und die laue Brise wandelte sich bereits zum heißen Landwind, der die Insel dann zur Mittagszeit stets in einen schwülen Backofen verwandelte. Sie entspannte sich ganz bewusst, erhob sich aus dem eleganten Chefsessel vor ihrem Schreibtisch, streckte sich, schloss per Knopfdruck die Fensterfront und die Klimaanlage begann unhörbar ihr Tagewerk. Im Freizeitlook begab sich Frau Andeler nach unten auf die noch kühle Westterrasse. Statt für Kaffee entschied sie sich schon am frühen Morgen zu eiskalter Rum-Cola begleitet von einer übergroßen Eis-Kreation, derCoupe Gargantua, die der französische Küchenchef seinem heimatlichen Avignon abgeschaut und mit feinen Maracujaschnipseln karibisiert hatte. Als krasse Realistin gab sie sich nur selten irgendwelchen Stimmungen hin, aber hier, auf der warmen Insel öffneten sich ihre Sinne für die Farbenpracht des frühen Morgens, die sich allzu bald, wenn die Sonne höher stand, in dieses undefinierbarevairverwandeln würde. Auf diesen fast unmerklich wechselnden Farbeindruck achten zu können, verdankte sie einer Anmerkung ihres Französischlehrers, der mit seinen Schülern – völlig außerlehrplanmäßig –einen Ausflug in die Liebeslyrik der alten Troubadours unternommen hatte. Sie erinnerte sich genau:Vairkam aus dem Lateinischenvariuund wurde allgemein nur alsbuntverstanden, aber gemeint war in den Texten fast immer das mediterrane Verblassen der Farben unter der hellen Sonne. Sie seufzte auf: „Auch schon wieder über zwanzig Jahre her“, dachte sie ein wenig wehmütig, denn ihr momentaner Job hatte normalerweise so gar nichts Romantisches an sich. Da ging es immer nur ummoney, money, money. „Money makes the world go round... “, summte sie vor sich hin, als sie sich erhob und in den nächsten Liegestuhl wechselte. Noch ein paar Stunden Entspannung, bevor die ersten Vertreter desbig moneyeintreffen würden. Die gesamte Hotelanlage, also die ganze Bucht, war für diese Leute reserviert worden. Kein Tourist, kein ungebetener Gast würde die Zusammenkunft der Herrschaften stören. „Herrschaften!“, dachte sie. „Ja das waren sie im wahrsten Sinne des Wortes“, einerseits von ihren oft orbitanten Einkommen her, andrerseits bestand die Gästeliste tatsächlich fast ausschließlich aus Männern. Für die abendliche Versorgung mit holder Weiblichkeit hatte sie deshalb – besonders der asiatischen Teilnehmer wegen - ebenfalls sorgen müssen. Das gehörte nun einmal zum Geschäft und damit zu ihrem Job. Wenn der ‚Hühnerstall’, wie sie die Marketenderinnentruppe bei sich nannte seine unruhigen Hinterteile auf die Barhocker verteilte und der Herren harrte, die da ganz sicher kommen würden, zog sich Frau Andeler normalerweise zurück und verschwand in ihrem Büro. Sie stand für abendliche Belustigungen nicht zur Verfügung, war sie doch nach einigen emanzipatorisch bedingten Bruchlandungen jedem männlichen Charme gegenüber praktisch unempfänglich – zumindest momentan. So reagierte sie denn auch ziemlich ungehalten, als ein durchaus wohlgebauter Page, sie mit der Botschaft aus ihren Tagträumen riss, dass ein erster Gast gerade eingetroffen sei. „Mein Gott, das muss ein Schotte sein“, dachte sie und verzog ärgerlich die Mundwinkel, „der will auf keinen Fall das Mittagessen verpassen.“ Unwirsch erhob sie sich und verschwand mit einem gefauchten „Bin gleich da!“ in ihrem Appartement, um sich angemessen zu kleiden.

Es war kein Schotte, sondern ein schweizer Vertreter seiner Zunft, der sich da allzu früh eingefunden hatte und gleich bei der Begrüßung seinen Bedenken gegenüber dem Ziel der Tagung Ausdruck verlieh:

„In der Schweiz bekommen wir gerade enormen Gegenwind. Die Vorbehalte gegenüber unseren Produkten werden immer massiver und …“ Frau Andeler vermied eine tiefergehende Diskussion mit dem Bemerken, dass sie sich über die thematischen Inhalte der Tagung bisher nicht informiert habe. Sie tue das, was man ihr auftrüge, und mische sich in die geschäftlichen Details nicht ein. Das stünde ihr ja schließlich auch gar nicht zu. Der Schweizer wiegte bedächtig den Kopf und meinte nur, dass es vielleicht besser sei, so gut wie möglich informiert zu sein, denn so etwas hätte ja auch durchaus Auswirkungen auf die eigene Tätigkeit. Sollte das eine Drohung sein? Der Mann wurde ihr immer unsympathischer. Nicht nur, dass er ihren genüsslichen Morgen durch sein allzu frühes Erscheinen - einfach so - zerstört hatte, jetzt malte er auch noch – völlig ungefragt - düstere Wolken an ihren Arbeitshimmel.

Im Lauf des Nachmittags dann brachten drei große Busse die nationalen Delegationen vom Inselflughafen zum Hotel, und kaum hatten die etwa einhundertundfünfzig Aufsichtsräte, Manager und Direktoren, hierarchisch nach Stockwerken sauber getrennt, sich in ihren Zimmern eingerichtet, da brach auch schon die tropische Dämmerung herein, ließ die Farben der Bucht noch einmal kräftig leuchten und wandelte sich schnell in die tropische Nacht.

Wie immer wandte sich etwa die Hälfte der Gäste mit mehr oder minder wichtigen Fragen an Frau Andeler. In der Hauptsache erbaten sie sich Auskünfte über das – mit Absicht abgeschaltete – Internet und wunderten sich zum Teil recht lautstark darüber, dass auch ihre Handys kein Netz fanden. Die Aufklärung zu diesen Problemen erteilte ihnen beim gemeinsamen Abendessen der Vorsitzende des Dachverbandes mit den Worten:

„Sehr verehrte Gaste, Mitarbeiter und Freunde. Ich danke Ihnen herzlich…“, und dann folgte das übliche Begrüßungsritual „… begrüße besonders“ … „… bin sicher, dass Sie sich alle hier wohlfühlen werden“ , und schließlich endete er mit dem Bemerken, dass man hoffe, die Anwesenden „fühlen sich nicht allzu sehr eingeschränkt – oder geradezu ‚amputiert’ (haha) - durch die Tatsache, dass wegen der Brisanz der während der kommenden Woche zu behandelnden Themen, keine Möglichkeit mobiler Kommunikation besteht. Dies betrifft sowohl Mobiltelefonie als auch das Internet. In dringenden Fällen steht Ihnen an der Rezeption das Festnetz sowohl für Telefonie, als auch eventuell für dringende Faxe zur Verfügung…“ Was er nicht sagte, war, dass alle aus- und eingehenden Verbindungen akribisch mitgeschnitten werden würden.

‚Na fein’, dachte Frau Andeler. Wiesieden Laden kannte, würden sich in den Vortragspausen an der Rezeption lange Schlangen bilden. …

Die eigentliche Tagung begann am nächsten Morgen nach dem Frühstück mit dem Einführungsvortrag über wirtschaftliche und technische Möglichkeiten mobiler Kommunikation innerhalb der kommenden zehn bis fünfzehn Jahre und darüber hinaus. Besonders der wirtschaftliche Aspekt wurde immer wieder hervorgehoben und darauf hingewiesen, dass sich im Laufe der anvisierten Zeit weltweit hunderte von Milliarden Dollars verdienen lassen würden. Voraussetzung dafür wäre allerdings ein intensives ‚Bearbeiten’ der einzelnen nationalen Regierungen, und dafür brauche man die fähigsten Lobbyisten, die man bekommen könne. Danach folgten tagelange Fachvorträge, wobei auch kurz darauf eingegangen wurde, wie man eventuell der sich immer stärker formierenden - hauptsächlich medizinischen - Gegnerschaft gegen eine immer dichter werdende Bestrahlung der Bevölkerungen durch Funknetze begegnen könne. Im Nachgang zu diesem Thema profilierte sich die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland als optimistischste Gruppe mit dem Hinweis, dass die deutsche Politik sich schon immer als ganz besonders innovationsfreudig und wirtschaftsnah gezeigt habe und man hier vielleicht einen ersten Hebel ansetzen könne.

Am letzten Abend der Tagung versammelten sich auf dem Dachgarten der Hochzeitssuite die Veranstalter mit den einflussreichsten Vertretern der verschiedenen Delegationen. Bei einem üppigen Mahl mit entsprechenden Getränken lächelte man sich in leicht verschwörerischer Übereinstimmung zu, hoffte auf kommende Erfolge und versprach, als man sich schließlich trennte, in engem Kontakt bleiben zu wollen. Im gleichen Geiste bekam dann auch Frau Andeler am Morgen der allgemeinen Abreise von ihrem Arbeitgeber einen speziellen Auftrag …

Teil I

Der Besucher, ein gewisser Henry Mattson, hatte Platz genommen und begann sofort zu reden. Es waren die üblichen, mit einem Wohlwollen heischenden Lächeln vorgetragenen Komplimente und Aufmerksamkeiten eines Lobbyisten, der etwas für seinen Auftraggeber zu erreichen suchte. Der Abgeordnete Huber, Leiter einer Arbeitsgruppe innerhalb des Referats VIII, das sich mit Problemen der Telekommunikation befasste, hatte sich in seiner erst kurzen Amtszeit an diese Art Gespräche bereits gewöhnt, standen doch fast jeden Mittwoch mindestens fünf oder sechs solcher Verhandlungen an.

Zunächst blieb es bei einer mehr oder minder belanglosen Unterhaltung, bis der Parlamentarier darum bat, auf den Punkt kommen zu wollen, denn seine Zeit sei arg begrenzt.

„Nun, wir hatten Ihnen ja vor kurzem unseren Entwurf für eine Lockerung der Grenzwerte für die Strahlung unserer Geräte übermittelt. Darf ich fragen, ob Sie sich dazu schon eine Meinung gebildet haben?“

Huber hatte natürlich vor dem Termin mit Herrn Mattson versucht, sich einen Überblick zu verschaffen, war bei dem genannten Entwurf jedoch in einem Wust von Zahlen hängengeblieben, deren Sinn ihm weitestgehend verschlossen geblieben war. Das Resümee des fast dreihundert Seiten umfassenden Gehefts zielte unter Bezugnahme auf all die unendlichen Messreihen letztlich darauf ab, die von der Regierung festgelegten Grenzwerte zu ‚dynamisieren’, wie das in dem Schriftstück ausgedrückt wurde. Nach Rücksprache mit einem Kollegen vom Fach, hatte dieser nur mit den Achseln gezuckt und gemeint: „Die hätten gerne, dass wir höhere Grenzwerte für ihre Handgeräte zulassen“. „Handgeräte?“, hatte Huber gefragt, um sich zu vergewissern, und der Kollege hatte – wie vermutet – erklärt: „Na, Handys eben,Mobiltelefone.“ Huber hatte daraufhin weitere Erkundigungen eingezogen und am Ende feststellen müssen, dass selbst der bisher geltende Grenzwert für die Strahlung, die höchstens von einem Handy ausgehen durfte, durchaus umstritten war. Es gab unzählige Einwände vieler ernstzunehmender Institutionen, Wissenschaftler und Ärzte, aber auch esoterischer Provenienz, die sich aus hauptsächlich neurologischer Sicht massiv gegen flächendeckende technische – also nicht natürliche – Verstrahlung der Bevölkerung wandten. Deren Einwände richteten sich ganz allgemein gegen den immer stärker werdenden Elektro-Smog und ganz besonders gegen die Funktelefonie. Andrerseits lagen viele Untersuchungen vor, die zu beweisen suchten, dass nach dem Stand der Forschung, eine gesundheitliche Schädigung der Bevölkerung durch Sendeeinrichtungen, nämlich sowohl durch Funkmasten als auch durch Handys, nicht nachgewiesen werden konnte, die Einhaltung bestimmter Grenzwerte natürlich vorausgesetzt. So hatte Huber vor dem Gespräch mit Mattson beschlossen, sich nicht festzulegen und ihm allenfalls eine gewissenhafte Prüfung seines Antrags durch Fachgremien zuzusagen. Er wollte, dass der Lobbyist seine Karten so offen wie möglich auf den Tisch legte und reagierte deshalb mit einer Gegenfrage:

„Ja, Herr Mattson, ich habe mich natürlich mit Ihrem Antrag vertraut gemacht. Was ich an der ganzen Sache allerdings nicht verstehe ist, warum Ihre Auftraggeber es nicht schaffen, ihre Geräte innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte zu halten. Andere schaffen das doch auch.“

„Da haben Sie völlig recht, Herr Huber. Nur wurden die Anforderungen an unsere Funknetze erhöht. Sie sollen flächendeckend, absolut stör- und abhörsicher sein, sowie außer Telefonie oder Sprechfunk auch die Übertragung aller andren nur denkbaren Daten ermöglichen, da benötigen wir für einzelne Dienste eben etwas höhere Sendeleistungen. Und glauben Sie mir, diese Entwicklung steht noch ganz am Anfang. Aber Sie können ganz beruhigt sein, unsere Forschungsabteilung…“

Das Gespräch quälte sich ein wenig dahin und Mattson spürte, dass der Abgeordnete nicht so ohne weiteres auf seine Seite zu ziehen sein würde. Leider war dieser Herr Huber jedoch einer der wichtigsten Ansprechpartner für seinen momentanen Auftrag. Schließlich meinte Mattson, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sähe man nur zwei Möglichkeiten: Entweder müssten – ‚nur vorübergehend natürlich’ - die Grenzwerte höher angesetzt, oder wesentlich mehr Funkmasten aufgestellt werden. Die letztere Möglichkeit wäre nicht nur sehr viel teurer, sondern, und das sollte die Politik wohl bedenken, stieße sicherlich auch auf einen erhöhten Widerstand in der Bevölkerung. Die erste Variante wäre nach allen vorliegenden Untersuchungen für Menschen nicht nur völlig ungefährlich, sondern würde auch keine Mehrkosten verursachen, denn die Geräte seien zur Serienreife gelangt. An dieser Stelle holte er, einer dummen Angewohnheit folgend, sein Handy aus der Jackentasche und begann, sich mit dem Antennenstummel rhythmisch gegen Kinn und Unterlippe zu klopfen. Er tat dies immer dann, wenn er überlegte oder etwas erklären wollte. Wurde ihm dies bewusst, steckte er das Handy stets mit einem entschuldigenden Lächeln wieder in die Tasche. Er fuhr fort: Man könne also im Lauf des kommenden Jahres das von der Regierung favorisierte neue Funknetz flächendeckend in Betrieb nehmen, wenn sich im Parlament eine Mehrheit für die höheren Grenzwerte der Handgeräte-Sendeleistung finden ließe. Der Einwand des Abgeordneten, dass diese Werte ja nicht willkürlich von der Politik bestimmt, sondern aufgrund von Forschungen und Experimenten der einschlägigen internationalen, staatlichen und halbstaatlichen Stellen zum Schutz der Bevölkerung festgesetzt worden seien, wischte der Lobbyist mit der Bemerkung vom Tisch, dass es ja allgemein bekannt sei, dass die Regierungen in solchen Dingen eher zu vorsichtig und allzu defensiv agierten…

Mitten im Satz unterbrach sich der Herr von der Industrie, starrte mit plötzlich glänzenden Augen auf das Gemälde an der Wand hinter dem Abgeordneten und rief begeistert aus: „Dass ich das erst jetzt sehe… Darf ich mal?“ Er stand auf und betrachtete auf seiner Handyantenne kauend das Bild aus der Nähe. Es handelte sich um eine der üblichen Darstellungen, die sich in Amtsstuben oft finden. Es waren entweder gerahmte Drucke oder - bei höheren Besoldungsgruppen – Originale erfolgloserer Künstler, die, vom Staat über ein Förderprogramm erworben, auf die verschiedensten Behörden verteilt werden. In diesem Fall, - da ja in einem Ministerium hängend handelte es sich um die Originalmalerei einer Kapelle hoch oben auf einer sturmgepeitschten Bergkuppe. Der Lobbyist konnte sich nicht sattsehen, lobte die Farben und die Pinselführung und erwähnte, dass er von diesem Künstler bereits mehrere Stücke daheim hängen hätte. Er ließ einfließen, dass ihm das Bild durchaus eine sechsstellige Summe wert wäre, wenn er es denn erwerben könnte. Dann ging man wieder zu den wünschenswerten Grenzwerten über, der Abgeordnete gab zu verstehen, dass er bereit sei, darüber nachzudenken, ob er etwas für die Wirtschaft tun könne, und der Lobbyist verabschiedete sich, nicht ohne seine Visitenkarte mit dem Bemerken zurückzulassen, dass er glücklich wäre, wenn man in beiden Punkten, sowohl bei den Grenzwerten als auch mit dem Bild, in naher Zukunft handelseinig werden könnte.

* * *

Als Herr Mattson das Büro wieder verlassen hatte, stellte sich auch Huber direkt vor das Gemälde und betrachtete es nun zum ersten Mal genauer. Er fand nichts Besonderes daran, kannte auch den Namen des Künstlers nicht. Gleichzeitig stirnrunzelnd und vor sich hin lächelnd schaltete er das kleine Diktiergerät ab, das er in seiner Brusttasche zu seiner eigenen Sicherheit bei solchen Gesprächen stets mitlaufen ließ, murmelte vor sich hin „Netter Versuch“, schaute auf die Uhr und machte sich langsam auf insPalais, wo man in lockerer Atmosphäre und durchaus parteiübergreifend speisen und sich unterhalten konnte. Dort traf er sich, wenn es seine Zeit erlaubte und nicht irgendeine Käse- oder Wurstsemmel als Mittagessen herhalten musste, mit ein paar Gleichgesinnten, zumeist ebenfalls jüngeren Politikern, zum Essen. Diese kleine, sechs Frauen und Männer verschiedener politischer Richtungen umfassende Gruppe hatte sich in der neuen Legislaturperiode besonders für das Phänomen der immer größeren Anzahl von Nicht-Wählern in der Bevölkerung interessiert und das Problem schon mehrfach diskutiert. Sie glaubten festgestellt zu haben, dass die Anzahl der Nicht-Wähler in den unteren Gesellschaftsschichten am höchsten ausfiel nach dem Motto:Die tun sowieso nichts für mich, die sorgen nur für sich selbst. Ein gar nicht kleiner Teil der Intellektuellen betrachtete die Politiker ganz allgemein als dieNutten derGesellschaftund verachtete sie generell. Ein wohl ebenso großer Teil an Nicht-Wählern hatte es offenbar schon seit einiger Zeit satt, immer nur daskleinere Übelwählen zu müssen, und ein immer höher werdender Anteil der Bevölkerung schien die Entscheidungen der Regierung einfach nicht mehr zu verstehen.Fehlende Nähe zum Bürgerwillenund immer erneut bekannt werdende Fälle vonKorruptionverdarben dem Wahlvolk offenbar die Lust am Urnengang. Nach einem erneuten, kürzlich ruchbar gewordenen Bestechungsskandal hatte die kleine Gruppe beschlossen, etwas gegen die Korruption in den eigenen Reihen tun zu wollen und befasste sich zunächst einmal ausgiebig mit dem Lobbyismus. Ein Antrag der Oppositionsparteien, das Amt eines Antikorruptionsbeauftragten auch für die Regierung einzurichten und die Bestechung von Abgeordneten als strafbar zu erklären, war im Kabinett gescheitert. Schon bald hatte die Gruppe ihren Spitznamen weg: VonIdealistenabgeleitet, nannte man sie dieIdealos. Etwas gemeiner war das KürzelIdis,konnte man doch leicht dem Verdacht verfallen, es seienIdiotengemeint.So sprach man über sie, sowohl offen als auch hinter vorgehaltener Hand und häufig auch ein wenig verschämt. Die eventuell eigene moralische Unzulänglichkeit im politischen Handeln wurde einem angesichts dieser jungen Leute durchaus hin und wieder bewusst. Ebenso bald allerdingswar denIdisder Verdacht gekommen, dass sie sich da eine herkulanëische Aufgabe vorgenommen hatten und dass es wohl kaum einen Fluss gäbe, dessen Strömung stark genug gewesen wäre, dashohe Hausnachhaltig zu reinigen. Darüberhinaus ließ sich im Einzelfall praktisch kaum nachweisen, ob oder wie durch solche Machenschaften tatsächlich erfolgreicher Einfluss auf das individuelle Abstimmungsverhalten gelang, da man ja sowieso allzu oft dem Koalitionszwang unterworfen war. So hatten sich die Idealos dahingehend verständigt, wenigstens ihr persönliches politisches Handeln sauber zu halten. Ganz allgemein hatte man nur ein einziges drastisches Mittel gegen allzu dreiste Versuche von Einflussnahme: Man konnte den betreffenden Akteuren ein Besuchsverbot zumindest für das eigene Büro oder nach Absprache mit den jeweiligen Parteikollegen, für die gesamte Zentrale erteilen lassen. Es war dennoch ein äußerst mühsames und heikles Geschäft, dem sie sich da verschrieben hatten, schließlich musste man den Eindruck, man bespitzele oder bevormunde die zum Teil schon altgedienten Kollegen, auf jeden Fall vermeiden, sonst wäre man vom Informationsfluss, vom oft aufschlussreichen Klatsch und Tratsch im Parlament, sehr schnell ausgeschlossen worden. Schlimmstenfalls käme für die Beteiligten spätestens bei der nächsten Wahl im Kampf um die Listenplätze das politische Aus. Wasder Gruppe derIdisallerdings nicht klar war: Nach jedem Regierungswechsel fand sich ein Häuflein ähnlich gesinnter neuer Abgeordneter zusammen, um der Politik ein etwas moralischeres Aussehen zu verleihen. Immer wieder jedoch versickerten solche ‚Zwergenaufstände’ während der Legislaturperioden im Morast menschlicher Unzulänglichkeiten und sogenanntenalternativlosenZwängen.

* * *

Noch am gleichen Tag putzte Henry Mattson so manche Türklinke in den Parteizentralen. Und als er am frühen Abend in sein Hotelzimmer zurückkehrte, war er zwar einigermaßen geschafft, konnte aber einige Namen auf seiner Liste abhaken. Er schaute auf die Uhr und beschloss, dass es noch etwas zu früh sei, seinen ‚Führungsoffizier’ - wie er die Dame bei sich nannte – zu kontaktieren. Er war vom Dachverband angeheuert worden und diese Frau Andeler, die ihm schon von früheren Aktivitäten her bekannt war, fungierte als seine Kontaktperson zu der betreffenden Organisation.

Zunächst nahm Mattson ein ausgiebiges heißes Bad, ließ sich danach entspannt auf das viel zu weiche Bett fallen und schlief ein. Als es schon dunkel wurde über der Hauptstadt, weckte ihn das Telefon. Die Rezeption informierte ihn darüber, dass ihn eine Frau Andeler an der Hotelbar erwarte. Mattson bedankte sich, war zwar ein wenig ärgerlich über die Ungeduld der Dame, kleidete sich ‚stadtfein’ und fuhr mit dem Aufzug hinunter.

„Sie wollten sich melden.“

„Tut mir leid, ich bin gerade erst zurückgekommen.“

„Was erreicht?“

„Bei zweien definitiv ‚ja’, bei den anderen wird sich das zeigen.“

„Na, immerhin. Also weitermachen und ein wenig Druck ausüben bei unserenaltenKunden.“

„Natürlich. Aber wie gesagt, ich kann es nur versuchen. Keine Erfolgsgarantie, klar?“

„Klar. Und Sie wissen ja, ihre Erfolgsprämie wäre in diesem Fall sehr beträchtlich. … Wie lange werden Sie brauchen?“

„Zwei oder drei Monate, vielleicht sogar ein oder zwei Jahre.“

„Hören Sie, daseilt!“

„Ich tue mein Möglichstes, wie abgemacht.“

„Sie rühren sich, wenn es Probleme oder einen Durchbruch gibt.. Und, wenn Sie finanzielle oder andere Mittel einsetzen müssen… Sie wissen ja…“

„Danke, ja. Aber ich kann Ihnen nicht viel Hoffnung machen, dass sich da sehr schnell etwas tut. Natürlich melde ich mich bei Ihnen, wenn ich etwas erreiche.… Ach, übrigens, ich habe vor, heute Abend vielleicht ein paar alte Kontakte aufzufrischen. Wenn Sie wollen, begleiten Sie mich doch. Ich kenne da eine Bar…“

Frau Andeler lehnte dankend ab, sie habe noch einen unaufschiebbaren Termin, und verschwand schnell wieder, während Mattson in das gepflegte Restaurant des Hotels hinüberwechselte, denn für das Berliner Nachtleben war der Abend noch zu jung.

* * *

Es war ein Sonntag zwei Monate später, als sich Huber zum gemeinsamen Frühstück mit den fünf anderenIdisin dasSchwarze Caféin der Kantstraße aufmachte. Sie hatten beim letzten Treffen imPalaisbeschlossen, ihnen wirklich wichtig erscheinende Dinge auf keinen Fall in den Parteizentralen oder in den Regierungsgebäuden besprechen zu wollen. Im Zentrum der Macht hatten nicht nur die Wände Ohren und man konnte nicht vorsichtig genug sein. Sie alle verfügten inzwischen über Handys, hatten sich aber nach einem Vortrag über die mangelnde Abhörsicherheit, die bei diesen Geräten herrschen sollte, angewöhnt, diese - während ihrer Gespräche - in einer von Huber mitgebrachten, dicht verschließbaren Blechschachtel zu deponieren.

Wie meistens war Huber der erste vor Ort, während die übrigen erst im Lauf der folgenden halben Stunde einzeln eintrafen. Der Kollege von der SPD grummelte – auch, wie meistens – über die Zumutung, dass man noch nicht einmal am Sonntag seine Ruhe habe. Dabei hatten sie diesen Tag ja gerade deshalb gewählt, weil die übrigen Wochentage bei allen Beteiligten stets randvoll mit offiziellen und halboffiziellen Terminen gespickt waren. Diese Veranstaltungen waren für ihr gemeinsames Bestreben besonders wichtig, denn dabei ging es fast stets um die unterschiedlichsten Anliegen aus der Bevölkerung, aber eben auch um Wünsche aus Industrie, Handel und Wirtschaft.

„So“, meinte Huber, tupfte sich die Lippen ab, forderte das letzte Handy ein und schloss die Blechdose, „dann kommen wir mal zu unseren schwarzen Schafen …Von welcher Seite kam denn der stärkste Druck in der letzten Zeit?“

Es flogen Namen hin und her, oft begleitet von Schilderungen, wie man die Stimmen der Abgeordneten für die verschiedensten Anliegen hatte gewinnen wollen, und Huber machte sich ein paar Notizen. Als es in der Runde schließlich stiller wurde, schaute er auf seinen Zettel und grinste:

„Dieser Herr Mattson scheint ja wohl der Fleißigste gewesen zu sein. Der taucht immer wieder und überall auf. Ich glaube, mit dem sollten wir uns heute einmal genauer beschäftigen. Kannst du uns etwas über seinen Hintergrund sagen?“

Die Kollegin von der Linken hatte sich schon ein paar Tage zuvor auf Bitten Hubers bereit erklärt, das Internet und andre Quellen nach diesem Mann zu durchforsten und verteilte nun eine knappe Seite Informationen unter den Anwesenden, die das Schriftstück überflogen und sich nebenbei ihrem Kaffee widmeten. Nach der Lektüre begannen sich die beiden Vertreter der Regierungskoalition kopfschüttelnd über die eindeutigen Angebote des Herrn auszulassen. Die kleine Rothaarige von der Opposition klatschte die offene Hand auf den Tisch und fing mit gespieltem Ernst wieder mit dem alten Lied an, was es doch für eine unglaubliche Ungerechtigkeit sei, dass immer nur die Abgeordneten der Regierungsparteien diese freundlichen Offerten bekamen. „Zuunskommen die Heinis nur, wenn es um Zweidrittelmehrheiten geht, und wann passiert das schon mal?“

„À propos ‚Heinis’…Also, um das nochmal zusammenzufassen, unser Henry Mattson ist der Sohn einer italienischen Mutter und eines amerikanischen Vaters. Geboren 1948 in Kalifornien – ha, wahrscheinlich im Silicon Valley – studierte ein paar Semester Jura und sowohl in Paris, wie auch an der TU Berlin Verfahrens- und Elektrotechnik, arbeitete immer nur kurz meistens in verschiedensten Elektronik-Konzernen und leitet seit 1988 je ein kleines PR-Büro in London namens ‚Technical Assessment Consulting (TAC)’ – auf gut Deutsch in etwa: ‚Technikbewertung und Beratung’, sowie ein ebenso kleines Büro hier in Berlin. Er spricht fließend Englisch, Spanisch, Türkisch und Deutsch. Er scheint für Wirtschaft und Industrie bisher sehr wertvoll gewesen zu sein, denn er wird von jener Seite immer wieder angeheuert. So, mehr habe ich nicht gefunden. Hilft uns das weiter?“

„Nur insofern, als es uns zeigt, dass er für seine Tätigkeit gut gerüstet ist.“

„Umso schlimmer“, meinte Huber. „Ich habe übrigens die Protokolle überflogen, wo es um die Festsetzung der Grenzwerte bei Strahlenbelastung ging, und ich muss mich da noch ein wenig tiefer einarbeiten. Kann irgendjemand von euch, oder alle zusammen, vielleicht versuchen herauszubekommen, bei wem und mit welchen netten Angeboten dieser Mattson sonst noch vorstellig geworden ist? Vielleicht sind ja auch noch ein paar weitere Damen und Herren mit dem gleichen Anliegen unterwegs ... Gut, was hätten wir denn sonst noch so?“

Man kam auf andere, sogar diesen Neulingen bekannt gewordene Kontakte mit verschiedensten Lobbyisten zu sprechen, wo versucht worden war, mit unlauteren Mitteln Einfluss zu nehmen. Es hatte schon in jener, sich erst kurz im Amt befindlichen Regierung Fälle gegeben, da waren Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien bereits von den verschiedensten Seiten unter Druck gesetzt worden. Normalerweise geschah so etwas sehr diskret, zumeist bei privaten Treffen mit einem gemütlichen Abendessen, aber einmal hatte ein Vertreter der deutschen Wirtschaft einem Abgeordneten der Regierungspartei ganz offen gedroht und war anschließend im Suff sogar handgreiflich geworden. Die Empörung über ein solches Vorgehen, das allerdings eine absolute Ausnahme darstellte, wallte hoch bei den sechs frisch gebackenen MdBs, aber schließlich wollte die Hälfte der Anwesenden endlich ein paar freie Stunden vom Wochenende haben und man vertagte sich auf vier Wochen später.

Noch in der gleichen Nacht rief Huber seinen alten Freund Dr. Geissen in Oberbayern an und führte mit ihm ein längeres Gespräch. Danach erhielt die Bereitschaft im Bundesarchiv einen umfangreichen Kopierauftrag….

* * *

In Mattsons Londoner TAC-Büro nahm die Sekretärin einen Anruf aus Berlin entgegen:

„I’m afraid, Mr. Mattson is not in for the time being … Sorry, no... You call from Berlin?... Well, as far as I’m informed, Mr. Mattsonisin Berlin at the moment... Yes, you may contact him at the Berlin Hilton... Well, early in the morning or in the late afternoon... Yes, don’t mention it... and thanks for calling us.”

Am frühen Abend des gleichen Tages wartete Mattson auf einer Bank amNeuen Seeauf einen Mitarbeiter des Bundesarchivs. Ungeduldig klickte er mit dem Antennenstummel zwischen seinen Zähnen, aber das Warten sollte sich lohnen, denn, als der Erwartete endlich kam, erhielt der Lobbyist eine überraschende Information. Ein Umschlag wechselte den Besitzer und Mattson eilte zurück in sein Hotel. Auf dem Weg rätselte er hin und her, was die Information für ihn wohl bedeuten mochte, kam jedoch zu keinem endgültigen Schluss, weshalb er sein Büro in London anrief, mit der Bitte, alles über eine Firma in Bayern namens GX-Tec herauszufinden und ihm die Ergebnisse zu mailen. Als ihm ein paar Tage später die gesammelten Informationen übermittelt worden waren, bat er Frau Andeler um eine Besprechung. Sie ließ sich genau berichten und schließlich erhob sie sich mit den Worten „GX-Tec Burghausen also… Gut, ich werde sehen, ob sich da von unserer Seite aus etwas machen lässt. Ich informiere Sie, sobald etwas arrangiert ist.“

* * *

Mattsons Bemühungen in Sachen HF-Grenzwerte hatten ihm zwar einige wohlmeinende Ohren geöffnet, aber er hatte es bisher nicht geschafft, dass das Thema zur Kabinettsvorlage erhoben wurde. Zwischendurch war er auch noch in anderen Bestrebungen, besonders solchen der Pharma-Industrie – einer seiner Dauer-Auftraggeber - tätig gewesen, musste sich nun jedoch auf Druck der Frau Andeler wieder mit der Handystrahlung befassen. Er nahm einen erneuten Anlauf, bestellte sich fürelf Uhr abends ein Taxi und klapperte einzelne Nachtlokale ab, von denen er wusste, dass sich ab und zu ein paar MdBs dort zu entspannen pflegten. Er brauchte nicht hinein zu gehen, ein Geldschein dem Türsteher in die Hand gedrückt, versorgte ihn mit der Auskunft, ob, und wenn ja, wer von den Politikern sich eventuell gerade dort aufhielt. Aber er hatte kein Glück. Es war ihm schon klar, dass die Dinge nicht mehr so einfach waren, wie in den frühen neunziger Jahren. Allzu viel war über das ausschweifende Nachtleben von Ministern und Abgeordneten zu jener Zeit in die Presse gedrungen und hatte selbst die lebenslustigsten unter den Politikernund Politikerinnen vorsichtiger werden lassen. Außerdem - und dies hatte der Lobbyist mit eigenen Augen gesehen als er eine ‚Audienz’, wie er es nannte, im Büro eines Abgeordneten zugestanden bekommen hatte: Die Terminkalender der Politiker waren vom frühen Morgen bis oft spät in die Nacht voll belegt. Wie der Rest der Bevölkerung unterlagen sie offenbar ebenfalls einem immer stärker werdenden beruflichen Druck und ihre Aufgaben und Verpflichtungen hatten sich – besonders vor Wahlen, und wann fanden schon einmalkeine