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Hobby-Ermittlerin Clarissa stößt auf eine Tote im Maisfeld: Der Regio-Krimi »Tod im Schwarzwald« jetzt als eBook bei dotbooks. Ein Mord überschattet die ländliche Idylle des Schwarzwalds: Schriftstellerin Clarissa ist gerade in ihr Traumhaus in die Ortenau gezogen, da läuft ihr die panische Dorfbewohnerin Babsi in die Arme – ihre Freundin sei schwer verletzt und brauche dringend Hilfe! Doch als Clarissa am Tatort ankommt, ist es bereits zu spät: Babsis Freundin liegt erstochen auf einer Picknickdecke mitten im Maisfeld. Wurde sie bei einem Rendezvous kaltblütig ermordet? Die Polizei tappt im Dunklen, und so beschließt Clarissa kurzerhand, selbst die Ermittlungen in die Hand zu nehmen. Dabei stößt sie in der scheinbar so friedlichen Gegend auf manch ein dunkles Geheimnis … Kann es sein, dass der Mörder einer der Dorfbewohner ist? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Provinz-Krimi »Tod im Schwarzwald« von Susanne Oswald. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 288
Über dieses Buch:
Ein Mord überschattet die ländliche Idylle des Schwarzwalds: Schriftstellerin Clarissa ist gerade in ihr Traumhaus in die Ortenau gezogen, da läuft ihr die panische Dorfbewohnerin Babsi in die Arme – ihre Freundin sei schwer verletzt und brauche dringend Hilfe! Doch als Clarissa am Tatort ankommt, ist es bereits zu spät: Babsis Freundin liegt erstochen auf einer Picknickdecke mitten im Maisfeld. Wurde sie bei einem Rendezvous kaltblütig ermordet? Die Polizei tappt im Dunklen, und so beschließt Clarissa kurzerhand, selbst die Ermittlungen in die Hand zu nehmen. Dabei stößt sie in der scheinbar so friedlichen Gegend auf manch ein dunkles Geheimnis… Kann es sein, dass der Mörder einer der Dorfbewohner ist?
Über die Autorin:
Susanne Oswald ist Bestsellerautorin – ihr Traum wurde wahr. Die gebürtige Freiburgerin liebt die Nordsee. Gemeinsam mit ihrem Mann am Strand spazieren zu gehen und den Abend vor dem Kamin mit Strickzeug auf dem Schoß ausklingen zu lassen, ist für sie das Schönste. Mit dem Kopf ist sie fast immer bei ihren Heldinnen und Helden und es macht sie glücklich, ihre Fantasie Wirklichkeit und Buchstaben zu ihren Geschichten werden zu lassen.
Bei dotbooks veröffentlichte Susanne Oswald ihren Roman »Das kleine Weihnachtshaus des Glücks«, den Jugendroman »Liebe heißt Chaos« und den Krimi »Tod im Schwarzwald«.
Die Autorin bei Facebook: facebook.com/AutorinSusanneOswald
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eBook-Neuausgabe Juli 2024
Dieses Buch erschien bereits 2016 unter dem Titel »Tod in der Ortenau – Der Badische Krimi« unter dem Pseudonym Sanne Aswald bei Emons
Copyright © der Originalausgabe 2016 Emons Verlag GmbH
Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von AdobeStock/moehong und shutterstock/Marti Bug Catcher, phumpat
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (lj)
ISBN 978-3-98952-222-0
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Susanne Oswald
Tod im Schwarzwald
Kriminalroman
dotbooks.
Für Bernd
15. September
Hoch. Runter. Hoch. Runter. Hoch. Wie in Trance bewegte ich die Rolle über die Wand. Wie hatte ich nur auf die Idee kommen können, ein altes Fachwerkhaus zu kaufen und es selbst zu renovieren? Und wieso hatte Ellen bei dem Wahnsinn mitgemacht, anstatt mich abzuhalten? Wir hätten so gemütlich in ihrem Haus am Titisee bleiben können – aber nein, Clarissa Sturschädel Kleinschmidt musste ja ihren Kopf durchsetzen und ins Tal ziehen. Ich war so eine Idiotin.
Einsicht ist der erste Schritt...
Das war ja klar, Stimmchen verpasste selten ihren Einsatz. Weißt du was? Halt die Klappe!
Manchmal musste ich die Stimme in meinem Kopf in die Schranken weisen, sonst wurde sie übermütig. Und jetzt hatte ich gerade genug damit zu tun, durchzuhalten. Da brauchte ich ihre Häme nicht.
Vermutlich würde ich den Umzug nächste Woche nicht überleben, meine Muskulatur war mit dem frischen Anstrich der Raufaserwände bereits vollkommen überfordert. Von meinen zerstörten Fingernägeln, mit denen ich die Tapeten von den Wänden gekratzt hatte, ganz zu schweigen. Und das alles nur, weil die Gegend hier atemberaubend schön war. Weil die Wege nicht ständig nur bergauf oder bergab gingen, wie es im Schwarzwald oben der Fall war, sondern sich über Kilometer fast eben präsentierten. Weil der Rhein sich träge durch die Landschaft schlängelte und ich es liebte, die Schiffe zu beobachten. Nicht nur ein paar Ausflugsschiffe, hier gab es richtig Berufsschifffahrt und daneben ein sehr reges Wassersporttreiben.
Und den guten Wein, den Flammkuchen, das nahe Freiburg, das Theater und anderes Stadtleben, ergänzte Stimmchen meine Aufzählung. Du bist schlicht und ergreifend voll verschossen in die Landschaft und die Leute.
Wenigstens verkniff sich Stimmchen einen Kommentar über meine schlechte Kondition, die mich an den Schwarzwälder Steigungen japsen und keuchen ließ. Dieses Thema hatte sie aber auch zur Genüge breitgetreten.
So ein Stimmchen im Kopf konnte wirklich lästig sein. Aber nur manchmal. Oft waren ihre Bemerkungen und Zwischenrufe auch amüsant oder brachten mich dazu, eine Angelegenheit aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Und ja, es stimmte: Ich hatte mich gleich beim ersten Besuch in der Ortenau vor etwa zwei Monaten rettungslos in die Gegend verliebt. Damals waren wir bei Sonja und Alexander Danner zur Weinprobe eingeladen. Wir, das heißt Ellen, Franziska vom Hotel Schwarzwaldblick – der hatte ich die Bekanntschaft mit Danners überhaupt zu verdanken –, Kommissar Benjamin Hübchen, der inzwischen irgendwie dazugehörte, und ich. Hübchens Idee, nur Wasser zu trinken und uns am späten Abend wieder nach Hause zu fahren, hatte ich rigoros abgelehnt. Das hätte ihm wohl gefallen, eine angeschickerte Clarissa als leichtes Opfer. Ich konnte diese Idee förmlich an seiner Stirn ablesen. Nein, nein. Wenn es tatsächlich dazu kommen sollte – und das stand in den Sternen –, dann entweder beide nüchtern oder beide angetüdelt. Und eine Weinprobe mit Wasser, das war ja wohl völlig daneben und außerdem eine Beleidigung für den Winzer. Stattdessen hatte ich also kurzerhand Alexander um eine Empfehlung gebeten und für uns alle Zimmer im Hotel Ritter reserviert. So wurde es ein wirklich gemütlicher und vor allem köstlicher Abend bei Danners.
Am nächsten Tag hatten wir die Gegend erkundet, waren über die Pierre-Pflimlin-Brücke ins Elsass gefahren und hatten schließlich auf dem Rückweg in Altenheim am Rhein angehalten und waren ein Stück das Ufer entlangspaziert. Schon da zündete der Funke in meinem Gehirn, dass ich hier gern mit Ellen zusammen wohnen würde. Als ich den Geistesblitz laut aussprach, kam von ihr allerdings ein Schnauben und eine eindeutige Bewegung ihres Zeigefingers gegen die Schläfe. Um alle Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen, hatte sie ihre Reaktion auch noch verbal unterlegt mit: »Du spinnsch ja, Clarissa. Als ob ich vom Titisee wegziehe tät.«
Aber mit der Zeit hatte ich Ellen mit meiner Träumerei von unserem gemeinsamen neuen Leben angesteckt. Es war ein ordentliches Stück Arbeit gewesen, ihre Begeisterung zu wecken. Für Ellen war die Vorstellung, ihre gemütliche Heimat zu verlassen, ungeheuerlich. Andererseits war es mit der vermeintlichen Gemütlichkeit, die wir am Titisee hatten, bei näherem Hinschauen doch nicht so weit her.
Ellen fühlte sich in dem Haus, in dem sie mit Lukas gelebt hatte, nicht mehr wohl. Immerhin war sie dort in der Küche des Mordes an ihrem eigenen Mann verdächtigt worden. Und seine Betrügereien lagen auch noch in der Luft. Alles in ihrem schönen Heim erinnerte Ellen daran, wie mies sich ihr toter Mann benommen hatte – und das nicht nur ihr gegenüber, auch wenn es sie besonders hart getroffen hatte.
Manchmal schien es, als würde der Geist des Toten durch die Räume wabern. Gruselig. Und auch außerhalb der vier Wände gestaltete sich das Leben schwierig. Ellens Stand innerhalb des Ortes hatte sich verändert. Vordergründig waren die Leute wieder freundlich zu ihr, hinter vorgehaltener Hand hörten wir es aber zischeln, wenn sie sich das Maul über uns zerrissen. Die schwarze Witwe und die Fremde, die einfach bei ihr eingezogen war. Nur damit keine Zweifel aufkommen: Die Ermittlungen haben eindeutig ergeben, dass Ellen unschuldig war. Nicht zuletzt, weil wir tatkräftig geholfen haben, den Fall aufzuklären. Ich war da so reingerutscht, als ich für mein Buch recherchierte und versehentlich selbst ins Visier der Polizei geraten war – aber das ist eine andere Geschichte. Auf jeden Fall konnten Ellen und ich den Karren gemeinsam aus dem Dreck ziehen und den wahren Mörder überführen. So etwas erlebt man nicht, ohne sich dabei näherzukommen. Uns hatte dieses Abenteuer im Handumdrehen zu richtig guten Freundinnen gemacht, und aus meinem vorübergehenden Aufenthalt in Ellens Gästezimmer war ganz selbstverständlich ein Dauerzustand geworden. Ich hatte meine Wohnung in Hamburg aufgelöst und war in den Schwarzwald gezogen. Sehr zum Bedauern meiner Freundin Sarah, aber wir schrieben uns regelmäßig Mails, telefonierten, und zweimal war sie auch schon zu Besuch bei mir gewesen. Vielleicht konnte ich sie irgendwann überreden, ganz hierherzuziehen? Sie und Ellen verstanden sich jedenfalls ausgezeichnet, und wir wären ein unschlagbares Trio.
Das mit meinem Einzug bei Ellen hatte sich einfach ergeben, und die Wohngemeinschaft mit ihr war perfekt. Wir hatten Spaß zusammen, konnten reden oder schweigen, wie uns der Sinn stand, und kamen insgesamt prima miteinander klar. Ellen passte auf, dass ich nicht zum Schreibtischzombie wurde, gleichzeitig respektierte sie meine Arbeit und sorgte dafür, dass ich nicht gestört wurde, wenn ich schrieb. Und bei meinem Schwarzwaldbuch war sie die gute Seele gewesen, hatte reichlich Tipps und Rezepte beigesteuert und Kontakte vermittelt. Ein wirklich gutes Team, genau das waren wir. Dank Ellen war das Schwarzwaldbuch ein Knaller geworden – das zeichnete sich bereits vor dem Erscheinungstermin ab.
Doch so schön das mit der Freundschaft und dem Bucherfolg auch war, die Schatten des Mordfalls ließen sich nicht restlos vertreiben. Auch wenn der Mörder inzwischen hinter Gittern saß, ein Hauch Misstrauen war in den Köpfen der Leute zurückgeblieben. Für Ellen war es keine gute Situation, um neu durchzustarten, was sie aber lange nicht wahrhaben wollte. Ich war mir sicher: Ein Tapetenwechsel wäre genau das Richtige für sie. Wobei ich das mit dem Tapetenwechsel nicht ganz so wörtlich gemeint hatte, wie es gekommen war. Arme Fingernägel!
Und dann hatte ich bei einem der Ausflüge in die Ortenau in Neuheim im Ried dieses Schnuckelchen entdeckt, das darauf wartete, aus seinem Dornröschenschlaf geweckt zu werden. Im Lilienweg – allein das war ja schon himmlisch.
»Zu verkaufen!« Das Schild sprang mir entgegen, zwang mich zum Anhalten, und schon stand ich – Ellen im Schlepptau – vor dem Objekt meiner Träume.
Ein Fachwerkhaus mit großem Grundstück, rechts grenzte der Garten eines Bauernhofes an, links und hinten freie Felder und ein Stück weiter weg Auenwald. Ich betrachtete das Haus, die dunklen Fachwerkbalken, dazwischen den weißen Rauputz und die Fenster mit den blau-roten Läden. Vor meinem inneren Auge sah ich auch die Blumen, die an ein solches Fenster gehörten, und eine liebliche Baumwollgardine mit gehäkelter Spitze. Ich konnte Ellen schon hinter den Glasscheiben erkennen, wie sie mit ihren Kräutern werkelte.
Hallo Schnuckelchen, sagte ich in Gedanken, du bist aber bezaubernd. Im selben Moment brach die Sonne zwischen den Wolken durch, und das Fensterglas blitzte auf. Das Haus blinzelte mir zu. Eindeutig.
Für mich war innerhalb von Sekunden klar, dass das unsere Heimat werden würde. Neuheim liegt zwischen Ichenheim und Meißenheim und nur etwa drei Kilometer vom Rhein entfernt. Genau hier würden wir glücklich werden. Wir könnten die negativen Energien, die von dem Mord an Ellens Mann hängen geblieben waren, abstreifen und ein friedliches, aber dennoch aufregendes neues Leben starten. Ich sah es bildlich vor mir, wie bei einem Daumenkino liefen die verschiedensten Situationen an mir vorbei: Ellen und ich in unserer neuen Heimat, am Wasser, in der Stadt, mit neuen Freunden an gemütlichen Abenden, am Schreibtisch.
Bei Ellen dauerte es etwas länger, aber als wir um das Haus herumgingen, packte es sie ebenso sehr wie mich. Und zwar in dem Moment, als sie in dem total verwilderten Garten unter Efeu und Unkraut die Historischen Rosen und verschiedene Funkien entdeckte. Ich konnte es an ihrer Miene ablesen, bevor sie auch nur ein Wort dazu sagte. Dann gab es noch den alten Tabakschopf – ideal für Ellens Kräuter. Es war um sie geschehen. Ich hatte gewonnen! Ellen war genauso verliebt wie ich.
Und weil Liebe bekanntlich blind macht, haben wir kurz entschlossen zugeschlagen, ohne die Arbeit zu sehen, die da auf uns zurollte. Keine Nacht Bedenkzeit hatte es gebraucht – nicht mal eine Stunde. Gesehen und entschieden. Die Finanzierung war kein Thema, ich hatte Geld aus einer Erbschaft auf einem Tagesgeldkonto, und Ellen hatte nach dem Tod ihres Mannes seine Firma verkauft und auch noch ein Schweizer Konto entdeckt, das er hinter ihrem Rücken angelegt hatte.
Am darauffolgenden Tag saßen wir beim Notar, und kurz darauf waren wir stolze Hausbesitzerinnen. Jeder von uns gehörte die Hälfte, darauf hatten wir uns nach kurzer Diskussion geeinigt. Das Haus war groß genug: Ellen und ich würden in der oberen Etage jeweils zwei Zimmer bekommen, das Erdgeschoss wollten wir gemeinsam nutzen. So hätten wir Nähe und dennoch immer eine Rückzugsmöglichkeit. Das Dachgeschoss hatten wir als zusätzliche Ausbaureserve.
Insgesamt war es der totale Wahnsinn, das so schnell zu entscheiden. Ohne Netz und doppelten Boden. Es sollte ein Gesetz geben, eine Zwangsbedenkzeit, um Käufer vor ihrem eigenen Übermut zu schützen. Wobei das in unserem Fall vermutlich auch nichts genutzt hätte, denn abgesehen von den Renovierungsarbeiten liebte ich unser Schnuckelchen heiß und innig. Und irgendwann musste das Elend doch ein Ende haben! Wände besaßen eine Endlichkeit, auch wenn die sich hier gefühlt unendlich ausdehnte.
Erst hatte ich tagelang Tapeten von den Wänden geschabt, und jetzt tat ich seit einer Ewigkeit nichts anderes, als Farbe auf Wänden und Decken zu verteilen. Meine Freunde waren schlau genug gewesen, sich zwischendurch andere Betätigungsfelder zu suchen.
Blümchen zog Nägel aus den Wänden und spachtelte Löcher zu. Seit er den Fall um Ellens toten Ehemann gelöst hatte – er war felsenfest davon überzeugt, dass er das gewesen war und nicht wir, und Ellen und ich ließen ihn in dem Glauben –, jedenfalls seit wir nicht mehr verdächtig waren, hatte sich langsam eine Freundschaft zwischen uns und Kommissar Hübchen entwickelt. So ganz klar, wo das hinführen sollte, war ich mir noch nicht, aber es war witzig mit Blümchen. Diesen Spitznamen hatte er weg, seit ich das erste Mal seinen vollen Namen gehört hatte – Benjamin Hübchen. Die Assoziation zu einem bestimmten grauen Rüsseltier hatte sich in meinem Kopf festgesetzt, und inzwischen hatte Blümchen sich so weit daran gewöhnt, dass er nur noch kurz die Stirn runzelte, wenn es mir rausrutschte. Ich wusste, dass er es nicht gern hörte, und meistens nannte ich ihn Hübchen. Ich hatte es auch zwischendurch mit Benjamin versucht, aber das fühlte sich komplett verkehrt an. Es passte einfach nicht zu ihm.
Während Blümchen-Hübchen sich also um alte Nägel und Löcher kümmerte, putzte Ellen sich seit einer Stunde vom Speicher treppabwärts. Gerade kam sie in die Küche, um frisches Wasser zu holen. Diese Frau war ein Wunder an Energie. Mit Spinnweben in den lockigen Haaren und unternehmungslustig blitzenden Augen lehnte sie an der Spüle und wartete, dass der Eimer sich füllte. Dabei blickte sie sich um und nickte anerkennend.
»Fein wird’s. Du machsch des echt prima«, kommentierte sie, nachdem sie die beiden Wände begutachtet hatte, die inzwischen blau und weiß strahlten. »Des wird richtig gmütlich. Ich seh uns scho do sitze und Tee trinke.«
Do, wie Ellen sich ausdrückte, zierten momentan allerdings noch Bauutensilien und Kartons das Zimmer. Von der Gemütlichkeit, auf die sie sich freute, war weit und breit nichts zu sehen. Dabei war ich bei uns für die Phantasie zuständig, immerhin schrieb ich die Bücher und nicht Ellen. Aber gegenwärtig fehlte es mir an Vorstellungskraft.
Ich schüttelte den Kopf und stöhnte. »In hundert Jahren vielleicht, falls wir das erleben. Wenn ich noch eine Wand streichen muss, fällt mir der Arm ab, ich schwör es dir! Ich kann nicht mehr.« Erschöpft ließ ich die Farbrolle in den Eimer sinken und mich selbst auf den beklecksten Trittschemel.
Du warst auch schon fitter, meine Liebe, säuselte Stimmchen deutlich hämisch. Die badische Luft macht dich träge.
Ja, ja, schon recht. Wenn ich nur in meinem Kopf sitzen und mein Leben kommentieren müsste, hätte ich auch mehr Puste. Schwing du mal tausend Stunden den Pinsel, dann reden wir weiter. Stimmchen trampelte mit spürbarem Vergnügen auf meinen ohnehin strapazierten Nerven herum und klatschte dann gespielt mitleidig in die Hände, wenn mir der Geduldsfaden riss.
Heute bist du aber wieder dünnhäutig, säuselte sie. Das Grinsen schwang bei jedem Wort mit.
Quatsch. Ich bin nicht dünnhäutig, ich bin platt wie ’ne Scholle. Wie hatte ich nur auf die schwachsinnige Idee kommen können, selbst zu renovieren? Wozu gab es denn Fachleute?
»Ach komm, Clarissa. ’s isch doch gar nimmer viel. Des schaffe mer jetzt au noch. Weisch was, ich glaub, mir brauche noch mehr Farb. Tätsch du welche kaufe?«
Schon war meine Müdigkeit wie weggewischt. Einkaufen gehen war eine Million Mal besser, als hier von Farbdämpfen umwabert meine Muskeln zu malträtieren.
»Und dann geh ich noch beim Bäcker vorbei und bring was zum Kaffee mit!«, verkündete ich. Mein Handy sagte: schon nach zwei. Die belegten Brote, die wir um zwölf gegessen hatten, waren inzwischen durchgerutscht und hatten ein Loch in meinem Bauch hinterlassen. Normalerweise würde Ellen protestieren und selbst für die Kaffeebeilage sorgen. Aber hier – ohne Küche und Herd – nickte sie zustimmend.
»Des isch e gute Idee. E Stärkung könne mer scho vertrage, was, Benjamin?«
»Und wie! Bringst du mir eine Schneckennudel mit?«, rief Hübchen aus dem Nebenzimmer.
»Mach ich!«, trällerte ich. »Sonst noch was?« Das war an Ellen gerichtet.
»Mir isch’s egal. Irgendebbes halt. Wemmer sonscht noch ebbes brauche, bsorge mer des morge. Schau nur, dass de bald wieda da bisch, damit ma die Küch heut noch fertig mache könne. Ich will bald wieder selber backe könne. Des gekaufte Klump isch doch nix auf Dauer.« Ellen wedelte mit dem Wischlappen Richtung Tür, um mich zur Eile anzutreiben.
Während ich die Haustür hinter mir zuzog, konnte ich wieder einmal kaum glauben, was für Purzelbäume mein Leben in den letzten Monaten geschlagen hatte. Und demnächst würde ich mein nächstes Buchkind in Händen halten. Ich konnte es kaum erwarten.
Meine rechte Pobacke kitzelte. Flugs zog ich das vibrierende Handy raus und las die Nummer. Sie sagte mir nichts.
»Kleinschmidt«, meldete ich mich verhalten freundlich. Seit mein Ex-Freund Pascal Telefonterror betrieben hatte, um mich wieder zurückzuerobern, war mein Verhältnis zum Handy eher ambivalent. Pascal war schließlich sicher nicht der einzige Irre, der durch die Welt lief und Leute nervte. Und noch mal wollte ich solche Belästigungen wirklich nicht erleben – egal, ob Ex-Freund oder anderer Spinner. Aber es half nichts, denn natürlich musste ich erreichbar sein. Die Öffentlichkeitsarbeit für das neue Buch lief gerade an. Mein Verlag würde mir was husten, wenn ich mich hinter einer Geheimnummer verschanzen würde.
»Hallo Frau Kleinschmidt, wie schön, dass ich Sie direkt erreiche. Wunderbar! Ihre Agentin hat mir die Nummer gegeben. Mein Name ist Lisa Rumpfinger, ich möchte Sie gern einladen zu »Talk mit Lisa«, Sie kennen die Sendung? Ich möchte mit Ihnen über Ihr neues Buch sprechen und die erschwerten Bedingungen bei der Recherche. Immerhin haben Sie so ganz nebenbei einen Mörder überführt. Und auch über Ihren Umzug von Hamburg nach Baden können wir plaudern. Bestimmt interessiert es die Zuschauer, was der Anlass für Ihren Wohnortwechsel war. Und ob und wie die neue Heimat Sie beim Schreiben inspiriert.«
Wie bitte? Lisa Rumpfinger? DIE Lisa Rumpfinger? Die Talkqueen des deutschen Fernsehens? Und sie rief mich persönlich an? Während mein Gehirn verzweifelt versuchte, die Neuigkeiten zu sortieren und eine adäquate Antwort zu formulieren, schlug Stimmchen Salti.
Wir kommen ganz groß raus! Das ist der Durchbruch! Hörst du? Jetzt sag doch was! Los, los. Vermassel das nicht!
Stimmchen hatte gut jubeln. Mein Mund öffnete und schloss sich, ohne dass ein Ton über meine Lippen kam. Fischsprache. Leider führte ich kein Videotelefonat. Pantomime brachte mich in dem Fall also nicht weiter.
»Frau Kleinschmidt? Hallo? Sind Sie noch dran?«
Mühsam zwang ich mich zu einem Räuspern, dann endlich konnte ich der Moderatorin antworten. »J-ja, Entschuldigung. Frau Rumpfinger, das ist toll. Ich freue mich, und ja, natürlich komme ich gern.« Ich machte eine kurze Pause. »Wenn es sich zeitlich einrichten lässt«, setzte ich dann nach.
Wenn es sich zeitlich einrichten lässt? EINRICHTEN lässt? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Stimmchen fiepte fassungslos.
Mach dich locker, wer zu leicht verfügbar ist, ist nichts wert. Ich grinste in mich hinein.
Selbstverständlich würde es sich zeitlich einrichten lassen, und wenn ich dazu die Hölle einfrieren oder die Erde anhalten müsste. Nichts und niemand würde mich davon abhalten, diese Chance zu nutzen. Aber das musste ich der Dame ja nicht gleich aufs Brötchen schmieren. Dagegen waren die kurzen Gastspiele in diversen Magazinen und Talkshows, die ich bislang erlebt hatte, Peanuts. Wer bei Rumpfinger in der Runde saß, war im Gespräch, nicht nur während des Talks.
»Wunderbar«, trällerte Lisa Rumpfingers Stimme in mein Ohr. »Übermorgen würde ich Sie gern mit einem Team am Titisee treffen. Wir zeichnen einen Einspieler auf. Am Ort des Geschehens, das wird sicher wunderbar. Und Dienstag in einer Woche kommen Sie dann zur Sendung nach Baden-Baden. Geht das bei Ihnen? Die genauen Daten maile ich Ihnen.«
»Übermorgen? Und Dienstag in einer Woche. Einen Moment, ich werfe einen Blick in meinen Kalender...« Ich ließ das Handy sinken und zählte auf sechs, dann säuselte ich: »Das ist in Ordnung, ich kann die Termine für Sie reservieren.« Mist. Meine Stimme war vor lauter Aufregung ungefähr drei Oktaven höher als normal. Ich sah auf meine malträtierten Fingernägel. Ich musste dringend zur Maniküre. Und zum Friseur. Und überhaupt!
»Wunderbar.« Das schien ihr Lieblingswort zu sein. »Ich freue mich auf Sie. Ich schicke Ihnen gleich die Mail.«
Noch ein paar nette Worte hin und her, dann war das Gespräch beendet. Da stand ich – fassungslos und völlig überrumpelt. Sollte ich ins Haus zurückstürmen und die tollen Neuigkeiten verkünden? Ich schüttelte den Kopf, nein, ich würde Sekt besorgen und nachher mit Ellen und Hübchen anstoßen.
Noch benommen stolperte ich zu Pauline, meinem dunkelblauen Mini. »Hast du das mitgekriegt?«, fragte ich und drehte den Zündschlüssel, aber Pauline ließ nicht erkennen, ob sie sich mit mir freute. Ihr Motor klang wie immer.
Wie betäubt legte ich den Gang ein, ließ die Kupplung langsam kommen und drückte sacht das Gaspedal. In dem Moment, in dem Pauline anrollte, stolperte eine Frau direkt vor meine Motorhaube.
»Hey!« Gleichzeitig mit meinem Schrei trat ich die Bremse durch und würgte Pauline ab, weil ich die Kupplung vergessen hatte. Was war denn das? Eine Betrunkene? Am frühen Nachmittag? Andererseits gab es Menschen, die den Flachmann bereits zum Frühstück leerten. Alfred Biolek pflegte in seiner Koch-und-Zürpfel-Sendung »alfredissimo« immer zu sagen: »Somewhere in the world...«, wenn er zu früher Stunde seine Gäste zu einem Gläschen oder zwei überredete. Und er hatte ja recht: Irgendwo auf der Welt ist es immer Abend.
Aber hier und jetzt war herrlicher sonniger Nachmittag. Die Frau taumelte. Sie legte sich halb auf Pauline drauf und sah mit aufgerissenen Augen zu mir ins Wageninnere.
»Hilfe! Bitte!«, krächzte sie. Sie wollte schreien, das hörte ich, doch die Worte kamen mehr als Keuchen aus ihrer Kehle. Ihre Hände hinterließen rote Spuren auf der Windschutzscheibe.
Rote Spuren? Ich brauchte einen Augenblick, bis ich es realisiert hatte. Das war Blut! Himmel! Von wegen betrunken! Verletzt! Hatte ich...? Nein, unmöglich – Pauline war gerade erst angerollt, ich hatte die Frau nicht angefahren. Selbst wenn ich sie erwischt hätte, so heftige Verletzungen, dass die Hände in Sekunden wie in Blut gebadet aussahen, hätte das niemals verursacht. Aber was dann?
Endlich konnte ich die Schreckstarre überwinden. Ich riss die Autotür auf, war mit zwei Schritten bei der Frau und half ihr auf – sie lag immer noch halb auf Pauline. Auf mich gestützt schaffte sie es zu der kleinen Mauer, die unser Grundstück umsäumte.
Als sie saß, versuchte ich ihren Puls zu fühlen, während ich gleichzeitig auf sie einredete: »Was ist passiert? Hatten Sie einen Unfall? Sind Sie überfallen worden? Sind Sie verletzt? Brauchen Sie einen Krankenwagen?«
Aber sie schüttelte ihren Kopf so heftig, dass die halblangen Haare flogen. »Carolin. Schnell! Sie braucht Hilfe. Ich hab kein Handy.«
»Was ist denn mit Carolin? Wo ist sie? Was ist passiert?« Ich konnte keinen Notruf absetzen, wenn ich nicht zumindest ein paar Informationen hatte, die ich weitergeben konnte. Was, wenn Carolin nur der Familiengoldfisch war? Wobei mir auf die Schnelle niemand einfiel, der wegen eines Goldfisches so die Fassung verlieren würde.
Hübchen hatte uns durch das Fenster gesehen. Er und Ellen kamen aus dem Haus gelaufen.
»Was ist denn los? Probleme?«, fragte er und legte seine dienstliche Miene auf.
»Jesses, Maria und Joseph! Isch se dir vors Auto grannt? Mir brauche en Rettungswage!« Ellen schlug die Hände vor der Brust zusammen und wurde bleich. Im nächsten Moment aber straffte sie sich und trat auf die Frau zu. »Könne Se aufstehn? Komme Se, mir gehn rein. Des Blut muss weg, damit ich sehe kann, was mit Ihne los isch.«
Doch wieder wehrte die Frau die helfenden Hände ab. »Carolin. Schnell, bitte. Im Maisfeld dort hinten. Sie blutet. Ohnmächtig. Ich weiß nicht. Bitte!« Sie schluchzte auf.
Okay, viel war das nicht, aber auf jeden Fall ziemlich sicher kein Goldfisch, und mehr als dieses Gestammel würden wir aus der Frau nicht rauskriegen, das war klar.
»Ellen, setz einen Notruf ab. Die sollen zu uns ans Haus kommen, dann könnt ihr ihnen den Weg zeigen. Clarissa und ich laufen voraus und leisten Erste Hilfe.«
Ich hatte während Blümchens Ansage bereits den Verbandskasten aus dem Kofferraum genommen und wollte in die angegebene Richtung lossprinten.
»Achtung!«, schrie Hübchen und riss mich unsanft am Arm zurück auf den Gehweg.
Ein roter Kombi brauste mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit so nah an mir vorbei, dass er mich fast streifte. Ich keuchte auf. Himmel, das war knapp. »Danke«, hauchte ich in Hübchens Richtung und schaute dem Wagen nach. Ein Mann saß am Steuer. Kurze dunkle Haare. Bevor ich mehr erkennen konnte, bog er auch schon um die nächste Ecke.
Hübchen war blass um die Nase, aber entschlossen schüttelte er den Schreck ab und rief: »Okay. Los jetzt.«
Mit seinen langen Beinen war er schneller als ich, aber ich gab alles und bog nur ein paar Sekunden nach ihm auf den Feldweg ein, der hinter unserem Haus entlangführte. Zuerst entdeckte ich einen umgekippten Picknickkorb. Plastikschüsseln, Servietten, Sekt und Gläser lagen verteilt zwischen dem hoch stehenden Mais. Ein Halstuch hing an einem Maiskolben und flatterte sacht, als wolle es ein Signal geben.
Dann sah ich die Füße.
Einer nackt, einer steckte in einer braunen Ledersandale. Die Fußnägel waren mintgrün lackiert.
Mit zwei großen Sätzen war ich bei der Frau und kniete neben ihr auf dem Schotterweg.
»Hallo, hören Sie mich? Hilfe ist unterwegs.«
Ihr weißes Shirt hatte ein Loch und war blutdurchtränkt. Das sah ernst aus. Eine Stichwunde, wenn mich nicht alles täuschte. Ich legte meine Hand auf die Schulter der Verletzten und schüttelte sie sanft. Keine Reaktion. Aber sie atmete! Wenigstens das. Ich hatte keine Lust, mein neues Leben gleich wieder mit einer Leiche zu beginnen. Obwohl es schon Monate her war, dass ich den toten Lukas gefunden hatte, verfolgte mich die über das Wasser wischende Leichenhand noch heute und verursachte mir Alpträume. Ich atmete durch und schob die Erinnerungen weg. Kein Grund, über Tote nachzudenken, hier galt es Leben zu retten.
Die junge Frau mit dem blonden Pagenkopf war weiß wie Milchschaum. Selbst die Lippen hatten kaum noch Farbe. Sie atmete flach. Mir fiel ein, dass ich ihren Namen kannte. »Carolin, du musst durchhalten. Hörst du? Durchhalten!«, redete ich ihr eindringlich zu. Vielleicht half die persönliche Ansprache und gab ihr einen Energieschub? Tatsächlich flatterten die Lider, Carolin schlug die Augen auf. Zuerst schaute sie verwirrt umher, dann fand sie an mir Halt. Ich konnte sehen, dass sie versuchte, mich einzuordnen.
Im Augenwinkel sah ich Hübchen, der Bahnen um uns herum zog – den Kopf tief gesenkt, als würde er etwas suchen.
Klar sucht der was. Spuren. Dass hier ein Verbrechen vorliegt, sieht selbst dein Elefantenkommissar. Oder glaubst du, die Frau hat sich selbst abgestochen?
Sehr scharfsinnig. So weit hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich ließ Hübchen machen und kümmerte mich wieder um die verletzte Carolin. Ich lächelte sie an und versuchte meine Panik vor ihr zu verbergen.
»Ich bin Clarissa. Deine Freundin hat mich alarmiert. Hörst du? Sie hat Hilfe geholt. Gleich kommt ein Krankenwagen, dann wirst du versorgt.«
Ihr Blick verlor den Halt, sie tauchte weg.
»Bleib bei mir. Hey, komm schon. Nicht aufgeben!« Ich hatte mich inzwischen auf den Boden gesetzt und nahm ihren Kopf auf meinen Schoß. Sacht tätschelte ich ihre Wange, versuchte, Carolin wach zu halten. Der Wind streifte über den trockenen Mais, das Feld raschelte, es klang, als würden lauter Flüsterfeuer um uns herumzischeln. Ich fröstelte.
Ob der Angreifer noch in der Nähe war? Gänsehaut zog mir über den Rücken und breitete sich auf meinem ganzen Körper aus. Ein merkwürdiges Geräusch schreckte mich auf. Etwas klackerte rhythmisch. Saß da jemand im Mais und hielt den Fotoapparat auf Dauerklicken? Ich versuchte das Dickicht zu scannen, aber außer fast reifem Mais konnte ich nichts erkennen.
Reiß dich zusammen! Du klapperst mit den Zähnen!
Im selben Moment merkte ich es, es waren tatsächlich meine Zähne. Ich zwang mich, tief durchzuatmen und die Kiefer zusammenzupressen. Wenn ich jetzt durchdrehte, war niemandem geholfen. Wieder streifte Hübchen an mir vorbei, die Augen immer noch starr auf den Boden gerichtet. Auch wenn ich gelegentlich gern über seine Fähigkeiten als Kommissar lästerte, jetzt war ich froh, dass er bei mir war. Er gab mir das Gefühl, beschützt zu sein.
Carolin bewegte ihre Lippen, sie flüsterte. Ihr Atem rasselte dabei, was gar nicht gut klang. Hoffentlich kam der Krankenwagen bald.
»Was sagst du? Ich versteh dich nicht.« Ich beugte mich tief zu ihr runter.
Wieder wisperte sie in den Rasselatem hinein. »... aa...«
Keine Chance, ich verstand immer noch kein Wort. Mir blieb nichts mehr übrig, als weiter beruhigend auf sie einzureden. »Alles wird gut, Carolin. Ich bin bei dir. Nicht reden, du brauchst deine Kraft. Gleich kommt Hilfe.«
Carolins Lider hoben sich, sie schaute mir in die Augen, der Hauch eines Lächelns zog über ihr Gesicht, dann sackte ihr Kopf zur Seite.
Sie hatte aufgehört zu atmen.
»Nein!« Fassungslos rappelte ich mich auf, wollte sie wiederbeleben. Verzweifelt versuchte ich mich zu erinnern, was genau jetzt zu tun wäre. Mund-zu-Mund-Beatmung? Herzmassage? Wo war noch mal der Punkt, an dem man drücken musste? Und in welchem Rhythmus? Mein Gehirn war blockiert. Ich kam an keine der wichtigen Informationen heran.
»Ich mach das.« Ein Sanitäter schob mich energisch aus dem Weg, ein zweiter kam von der anderen Seite.
Ich hatte vor lauter Konzentration gar nicht mitbekommen, dass der Krankenwagen schon da war. Erleichtert machte ich Platz.
Jetzt hattest du aber mehr Glück als Verstand, dass die Sanitäter gekommen sind. Du solltest dich dringend zu einem Auffrischungskurs in Erster Hilfe anmelden!
Ja. Sollte ich wohl. Stimmchen klang ebenso erleichtert, wie ich mich fühlte. Erleichtert und gleichzeitig entsetzt über meine Unfähigkeit, im Notfall zu funktionieren.
Geräte wurden angeschlossen, Kommandos flogen kreuz und quer, und alles konzentrierte sich auf diesen Moment, darauf, dieses Leben zu retten. Doch während ich zitternd danebenstand, ahnte ich, dass der Kampf aussichtslos war. Zu viel Blut war aus dem Körper geflossen und hatte die Erde getränkt.
Ein Arm legte sich um mich.
»Komm, wir gehen ein Stück Richtung Straße, hier können wir nichts tun.«
Blümchen. Dankbar legte ich kurz meinen Kopf an seine Schulter und genoss den Halt, den er mir gab. Hinter mir sagte einer der Helfer gerade die Uhrzeit für den Todeszeitpunkt. Der Kampf war vorbei.
In meinem Kopf wirbelten die Gedanken und Gefühle so durcheinander, dass es sogar Stimmchen für eine Weile die Sprache verschlug.
Kaum hatten wir ein paar Schritte gemacht, kamen uns Ellen und die Frau mit den Bluthänden, die jetzt aber zum Glück nicht mehr blutig waren, entgegen.
»Was ist mit ihr? Geht es ihr gut?« Die Frau versuchte an uns vorbei zu der toten Carolin zu gelangen, doch Hübchen hielt sie zurück.
»Warten Sie, Sie können nicht helfen. Es tut mir leid, aber es war zu spät. Wie es aussieht, ist Ihre Freundin den Verletzungen erlegen.« Hübchens Augen verengten sich. Er musterte die Frau eindringlich. »Waren Sie eng befreundet?«, wollte er wissen. »Wissen Sie, was genau hier passiert ist? Waren Sie dabei, als es zu den Verletzungen kam? Was war es? Ein Überfall? Streit?« Seine Fragen prasselten auf die weinende Frau ein, er beobachtete ihre Reaktionen ganz genau und benahm sich wieder einmal wie ein Elefantenbulle im Porzellanladen.
Nomen est omen. Stimmchen schnaubte.
Boah, Stimmchen, du brauchst dich gar nicht aufspielen, denn du bist keinen Deut besser. Wer piepst denn ständig ohne Rücksicht auf meine Gefühle auf meinen Nerven rum?
Ich schoss trotzdem ein wütendes Funkeln auf Hübchen ab. Wie konnte er nur so gefühlskalt sein und in so einem Moment Fragen stellen? Er merkte, dass ich ihn anblitzte, und hob entschuldigend die Schultern.
»Je schneller wir Hinweise haben, desto schneller können wir die Verfolgung aufnehmen. Das verstehen Sie doch sicher, Frau... Wie war doch gleich Ihr Name?« Er zückte Notizblock und Stift und hatte diesen Dienstausdruck drauf, der ungute Erinnerungen in mir wachrief.
Da plustert er sich aber wieder auf, dein Kommissar.
Er ist nicht MEIN Kommissar, wie oft soll ich das noch sagen?
Ja, ja, ja, schon recht. Ich weiß eben, was ich weiß. Das wirst du auch noch merken. Auch wenn du es jetzt nicht wahrhaben willst.
Stimmchen konnte mir den Buckel runterrutschen und Hübchen mit seinem Kommissargetue ebenso.
»Babsi«, kam es zögerlich und leise. »Babsi Kommers.« Sie putzte sich die Nase, dann beäugte sie Hübchen. »Und wer sind Sie?«
»Hübchen. Kommissar Hübchen. Auch wenn ich nicht im Dienst bin und dies hier gar nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt, ist es selbstverständlich, dass ich die Kollegen unterstütze. Also: Was können Sie mir über den Tathergang sagen? Was hat sich hier abgespielt? Kannten Sie die Tote näher?«
»Ich? Wieso? Nichts, ich meine, ich bin doch nur, ich hab sie doch nur...« Unter der unerwarteten Fragenbefeuerung brachte die junge Frau keinen zusammenhängenden Satz heraus. Ihr rechtes Augenlid zuckte, und zwischen ihren Händen zerfetzte sie Zupfer für Zupfer ein Papiertaschentuch in seine Zellstruktur.
Die Ankunft der Polizei erlöste Babsi aus Hübchens Fängen. Er ließ von ihr ab und wandte sich dem Polizeiauto zu, aus dem zwei Männer stiegen.