Tödliches Sonett - Volker Jochim - E-Book

Tödliches Sonett E-Book

Volker Jochim

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Beschreibung

Während des Karnevalsumzugs in Caorle, findet Silvana eine Tote in einer öffentlichen Toilette. Bei der Toten wurde einen Zettel mit Zeilen eines alten Gedichts gefunden. Marek und Ghetti stehen vor einem Rätsel. Kurz darauf wird wieder eine junge Frau ermordet aufgefunden. Auch sie hatte Zeilen eines alten Gedichts bei sich. Die Questura von Portogruaro übernimmt beide Fälle. Inzwischen findet Marek heraus, dass es sich bei den Versen um ein altes Sonett handelt. Da geschieht ein weiterer Mord mit dem gleichen Muster…

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Volker Jochim

Tödliches Sonett

Kommissar Marek und die Lyrik

Kommissar Mareks neunter Fall

Kriminalroman

© 2021 Volker Jochim

Umschlag, Illustration: trediton,

Volker Jochim (Foto)

Calle Lunga/Caorle

Verlag und Druck: tredition GmbH,

Halenreie 42, 22359 Hamburg

1. Auflage

ISBN

 

Paperback

978-3-347-33858-6

Hardcover

978-3-347-33859-3

e-Book

978-3-347-33860-9

Printed in Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

1

Es hatte aufgehört zu regnen und Pfützen reflektierten das fahle Licht der Straßenbeleuchtung, als die wenigen Besucher, es waren so etwa zwanzig, das Teatro Cinema C, das kleine Kino in Concordia Sagittaria verließen.

Die jüngeren unter ihnen gingen schnell hinüber zum Platz vor der Kathedrale. Einem kalten, modernen Platz, der nur zur Straße hin mit ein paar Bäumen gesäumt war und der so überhaupt nicht zur Kirche aus dem 15. Jahrhundert passte. Dort nahmen sie die wenigen Bänke in Beschlag um eine zu rauchen, oder noch etwas zu flirten, während die älteren zu ihren Autos strebten, oder sich beeilten in ihr gemütliches und warmes Heim zu kommen, bevor es wieder anfing zu regnen.

Robert Marek und seine Freundin Silvana waren bei den letzten, die ins Freie traten. Sie hatte ihn überredet sich mit ihr die Abendvorstellung anzusehen und er hatte schweren Herzens eingewilligt.

Gezeigt wurde ein alter amerikanischer Kriminalfilm aus den 1970er Jahren und Silvana stand auf alte amerikanische Filme. Er konnte diese Schinken nicht ausstehen. Für ihn war darin alles völlig überzogen und ohne Atmosphäre. Eben nicht so, wie im französischen Film Noir.

Schon im Kino war direkt nach Filmende zwischen ihnen eine hitzige Diskussion entbrannt, die nun im Freien fortgeführt wurde.

„…ich weiß beim besten Willen nicht, was du gegen diesen Film hast. Ich fand ihn großartig“, wütete sie.

„Die ganze Geschichte ist völlig abstrus und unlogisch. Und dann noch die Darsteller…“

„Was ist mit den Darstellern? Ich fand diese dänische Schauspielerin bezaubernd.“

„Welche dänische…“

„Die Darstellerin der Eileen Wade.“

„Auf die kommt’s ja nicht an.“

„So, auf was denn?“

Silvanas Augen funkelten und auf ihrer Stirn zeigte sich eine Zornesfalte. Kein gutes Zeichen, aber Marek musste noch etwas loswerden.

„Also mir hat Humphrey Bogart in der Rolle des Philip Marlowe wesentlich besser gefallen.“

„Ach so, nur weil Elliott Gould nicht so den harten Macho raushängen lässt?“

Marek steckte sich eine Zigarette an und inhalierte tief um sich zu beruhigen. Das konnte jetzt noch endlos so weitergehen und dazu hatte er keine Lust.

An der gegenüber liegenden Ecke stand noch ein Paar, das sich lautstark und gestenreich unterhielt. Offenbar gab es noch mehr kontroverse Meinungen zu diesem Film.

„…akzeptiere das endlich!“

Das war der einzige Wortfetzen, den Marek verstehen konnte, dann lief die junge Frau eilig davon, während der Mann, die Hände in den Manteltaschen vergraben, noch einen Moment stehen blieb. Dann ging auch er hinüber zum Parkplatz.

„Wollen wir nicht noch etwas essen gehen?“, fragte Marek plötzlich und warf seine Zigarette in eine Pfütze. „Da unten am Fluss gibt’s eine nette Trattoria.“

Silvana wurde von dem Themenwechsel überrascht und starrte ihn verdutzt an. Ihr streitbarer Gesichtsausdruck legte sich allmählich.

„Na gut“, meinte sie dann generös, „aber aus der Nummer bist du noch nicht raus, mein Lieber.“

Das konnte ja noch heiter werden, denn sie war in solchen Dingen sehr hartnäckig.

Um diese Jahreszeit war noch nicht so viel Betrieb in dem kleinen Ort. Die Touristensaison würde erst in zwei bis drei Monaten losgehen. So bekamen sie einen Tisch direkt am Fenster mit Blick auf den kleinen Fluss, dessen graugrünes Wasser träge vorbei floss. Außer zwei älteren Männern, die weiter hinten mit einem Glas Wein vor einem Fernsehgerät saßen, waren sie die einzigen Gäste.

„Auf was hättest du Lust?“, fragte Marek, als sie Platz genommen hatten und auch in der Hoffnung, die Diskussion über diesen blöden Film nicht weiterführen zu müssen.

„Irgendetwas Leichtes. Such du aus.“

Eine junge Frau steuerte lächelnd auf sie zu, um die Bestellung aufzunehmen. Er wählte eine Platte mit gegrillten Gamberi, gebratenen Jakobsmuscheln und einer gegrillten Dorade. Dazu Pane Pugliese und eine Flasche Lugana.

Seine Hoffnung wurde nicht erfüllt. Sobald die Bedienung sich wieder entfernt hatte, legte Silvana nach. Sie war wirklich sehr hartnäckig.

„Also, was ist deiner Meinung nach unlogisch und abstrus in diesem Film?“

„Muss das jetzt sein? Kann das nicht bis nach dem Essen warten?“

„Nein, kann es nicht. Du hoffst ja nur, dass ich es vergesse“, entgegnete sie streitsüchtig.

„Na gut“, gab er sich geschlagen, „der Anfang geht ja noch.“

„Was heißt das?“

„Dass Marlowe seinen Kumpel nach Mexiko gebracht hat, kann man ja nachvollziehen. Es war halt ein Freundschaftsdienst und er hatte Probleme daheim.“

„Und was ist mit dessen Frau? Er hätte sich ja mal intensiver nach den Gründen der Probleme erkundigen können.“

„Das ging ihn doch überhaupt nichts an.“

„Typisch Mann.“

„Vorsicht, das ist sexistisch. Wenn Michele mich fragen würde, ob ich ihn…sagen wir nach Treviso fahren könnte, dann würde ich das auch tun und nicht lange fragen, warum?“

„Das kann man ja wohl nicht vergleichen, aber weiter“, wischte sie diesen Einwand mit einer Handbewegung beiseite.

„Nun wird es schon unlogisch. Wieso nimmt die Polizei ihn gleich nach seiner Rückkehr fest?“

„Weil die Frau tot ist und er den Mann, der unter Mordverdacht stand, nach Mexiko gefahren hat.“

„Und woher wussten sie das? Die Frau war tot und der Mann verschwunden. Wo ist der Zusammenhang mit Marlowe? Dieser Lennox hat doch sicher nicht überall herumerzählt, dass er sich von seinem Kumpel Marlowe nach Mexiko fahren lässt, da er seine Frau ermordet hat und in der damaligen Zeit war die Grenze ziemlich durchlässig.“

„Na gut. Punkt für dich“, gab sie sich großzügig.

„Dann noch dieses Klischee von einem Gangster, der seine Kohle wieder haben will, die Lennox angeblich mit nach Mexiko genommen haben soll und die plötzlich in Los Angeles wieder auftaucht. Aber die Krönung ist ja wohl, dass diese Femme fatale von Marlowe ihren versoffenen Mann suchen lässt, der sich später im Meer ersäuft, während sie mit Marlowe Cocktails schlürft.“

„Er hatte Whiskey.“

„Ist doch völlig egal was er gesoffen hat.“

„Nein, ist es nicht. Wenn du den Film schon filetieren willst, dann bleib wenigstens bei den Tatsachen.“

Das Essen wurde aufgetischt.

„Ich gebe mich geschlagen“, meinte Silvana beim Anblick der duftenden Köstlichkeiten.

„Wie bitte?“, fragte Marek erstaunt. „Du gibst auf?“

„Nur was die Logik angeht. Ich muss leider zugeben, dass vieles nach dem Prinzip Zufall aufgebaut ist. Da muss ich dir recht geben. Der Film hat mir aber trotzdem ausgesprochen gut gefallen.“

„Na gut“, meinte er und hoffte, dass es beiläufig genug klang und man seine innere Zufriedenheit über den Ausgang des Duells nicht heraushören konnte.

„Das war köstlich“, wechselte Silvana nach dem Essen das Thema.

„Noch einen Grappa zum Caffè?“

„Gerne, aber du fährst.“

Leichter Nieselregen fiel, als sie zurück zum Parkplatz schlenderten, aber es machte ihnen nichts aus.

„Gehst du morgen mit zum Umzug?“, fragte Silvana, als sie zusammen in ihrem Wohnzimmer auf der Couch saßen.

„Welchen Umzug?“

„Falls du es noch nicht mitbekommen hast, es ist Carnevale. Caorle in Maschera.“

„Oh Gott“, stöhnte er, „muss das sein?“

Schon zu seiner Zeit in Frankfurt war ihm die Faschingszeit mit all ihren Auswüchsen verhasst. Selbst das Fernsehprogramm konnte man in dieser Zeit in die Tonne treten.

„Du kannst es dir ja nochmal überlegen“, entgegnete sie schnippisch, „sonst amüsiere ich mich halt alleine. Ich treffe bestimmt jemanden, der mit mir etwas trinkt.“

Dieser Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht.

„Na gut, wo findet das denn statt?“

„Du lebst doch nicht erst seit gestern hier.“

„Hat mich aber nie interessiert. Ich bin der Sache immer großzügig ausgewichen.“

„Der Zug geht durch die Altstadt. Das wird bestimmt lustig. Ich stehe meistens auf der Piazza San Pio.“

2

Der Wettergott meinte es gut mit den Karnevalisten. Nachdem es gestern den ganzen Tag geregnet hatte, war es aufgeklart und die Wintersonne schien von einem fast wolkenlosen Himmel.

Die Piazza S. Pio X. war schon gut gefüllt, als Marek und Silvana dort eintrafen. Sie mischten sich unter das feierwütige Publikum. Einige hatten Masken auf, wie man sie vom Carnevale Venezia kennt, oder trugen Clownsmasken. Von irgendwoher dröhnte laute Musik, die nach Mareks Ansicht die Bezeichnung Musik nicht verdiente. Viele junge Leute tanzten durch die Reihen und hatten Prosecco Flaschen in den Händen. Der Lärmpegel war jetzt schon ohrenbetäubend.

„Wie soll das denn noch werden, wenn erst der Zug hier vorbei kommt“, dachte er.

„Mach nicht so ein griesgrämiges Gesicht“, raunzte Silvana ihn an, „du könntest zur Abwechslung ja auch mal lustig sein.“

Er versuchte ein Grinsen, was ihm aber misslang.

Dann tauchte der erste Wagen an der Ecke auf und bog auf die Piazza ein. Marek staunte nicht schlecht. Der Wagen war riesig, grell bunt und reichte fast bis zu den Dachkanten der umliegenden Häuser.

Die Musik wurde lauter und ebenso das fröhliche Gejohle der Zuschauer. Silvana wurde auch mitgerissen bewegte sich im Takt der Techno Songs. Marek konnte damit überhaupt nichts anfangen und sehnte sich nach der Zeit zurück, als man noch Pink Floyd, Led Zeppelin oder die Rolling Stones hörte.

Eine Gruppe Mädchen mit bunten Fantasiekostümen folgte dem Wagen. Danach kam eine Blaskapelle, die gegen die Musik aus den Lautsprechern ankämpfte.

Silvana versuchte ihm etwas zu sagen, aber er konnte sie nicht verstehen. Er machte eine entsprechende Handbewegung und zuckte mit den Schultern.

„Holst du uns etwas zu trinken?“, brüllte sie ihm ins Ohr.

Er nickte und war froh dem Trubel kurzzeitig entfliehen zu können. Gegenüber gab es ein Eiscafé, aber dorthin zu gelangen war unmöglich. Die Bar hinter ihnen gab es nicht mehr, also blieb nur noch das Restaurant am Ende der Piazza.

Marek arbeitete sich bis dorthin durch und erstand eine Flasche Wein und mit viel Überredungskunst und ein paar Euro extra auch zwei Gläser. Um noch etwas zu verschnaufen bevor er sich wieder in das Getümmel stürzen musste, genehmigte er sich noch einen Caffè corretto. Dann arbeitete er sich wieder zu Silvana durch.

Mittlerweile war der Umzug in vollem Gang und mit ein paar Gläschen Wein ließ es sich aushalten.

Ein prachtvoll geschmückter Wagen nach dem anderen zog an ihnen vorbei und die Stimmung wurde immer feuchtfröhlicher und ausgelassener. Das alles erinnerte ihn mehr an den berühmten Karneval in Rio, als an das, was er aus seiner Heimat kannte.

Silvana zupfte Marek am Arm.

„Ich muss mal für kleine Mädchen.“

„Und wo willst du hier hingehen?“

„Da hinten in der Calle Cancelleria gibt es eine öffentliche Toilette. Warte hier.“

„Wo soll ich sonst hin?“

Marek trank den Rest Wein aus, steckte sich eine Zigarette an, lehnte sich an eine Hauswand und sah weiter dem bunten Treiben zu.

Plötzlich wurde er heftig von hinten angestoßen. Er drehte sich um und wollte schon demjenigen Bescheid stoßen der es wagte ihn so anzurempeln, als er sah dass es Silvana war, die mit einem entsetzten Gesichtsausdruck vor ihm stand.

„Was ist denn passiert? Hast du einen Geist gesehen?“

Sie zog ihn aus der Menge bis in die kleine Gasse, in der sie vorhin verschwunden war.

„Was ist denn, cara? Du zitterst ja.“

„Da hinten in der Toilette liegt eine tote Frau.“

„Was? Du bleibst hier stehen. Ich sehe mir das mal an. Wo ist das?“

„Da vorne rechts. Etwa in der Mitte der Calle.“

Marek rannte los. Als er vor dem schmalen Gebäude ankam, standen schon einige Leute um eine schreiende, ältere Frau herum, die gestenreich etwas zu berichten hatte.

„Waren Sie hier drin?“, fragte Marek.

Sie hielt kurz inne, dann holte sie wieder Luft.

„Ja, stellen Sie sich vor. Ich musste mal und dann finde ich die Tote in dem Klo. Sie sieht schrecklich aus und…“

„Sie bleiben bitte hier draußen“, würgte er ihren Redefluss ab, „die Polizei wird gleich Ihre Aussage aufnehmen.“

Es war ein seltsames Bild, das sich Marek bot. In einer der Kabinen auf der Damentoilette saß eine junge Frau auf dem Boden. Ihr Rücken war an die Toilettenschüssel angelehnt, der Kopf hing vorneüber nach unten. Es sah aus, als wäre es arrangiert worden.

Er zog sein Handy aus der Tasche und rief Maresciallo Ghetti an. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich meldete.

„Ciao Michele, wo steckst du, verdammt?“

„Ich bin mit meiner Freundin auf dem Umzug. Wir sind auf dem Platz vor dem Tourismus Büro, warum?“

„Ich fürchte, deine Freundin muss alleine weiter zuschauen.“

„Wieso? Was ist passiert?“

„Ich hab hier eine Leiche in der öffentlichen Toilette in der Calle Cancelleria. Ruf auch gleich Dottore Lovati und die Spurensicherung an. Obwohl ich glaube, dass der Tatort ziemlich versaut ist. Da sind mehrere Leute drin herumgelaufen.“

„Gut, mach ich, aber eigentlich habe ich heute frei.“

„Jetzt nicht mehr“, brummte Marek und beendete das Gespräch.

Die Schar der Neugierigen war größer geworden und drängte jetzt zum Eingang. Marek hatte Mühe sie davon abzuhalten.

„Verschwinden Sie endlich, hier gibt’s nichts zu sehen“, brüllte er, als die Menge sich weigerte zu gehen, „oder ich lasse alle verhaften wegen Behinderung polizeilicher Maßnahmen.“

Das tat seine Wirkung und die Leute wichen, wenn auch nur unwillig, ein paar Meter zurück.

Inzwischen war auch Ghetti eingetroffen.

„Hol ein paar Kollegen, die hier absperren“, rief Marek ihm zu, dann zog er ihn in das Gebäude.

„Schöne Bescherung“, meinte Ghetti, als er die Tote sah, „hast du schon was gefunden?“

„Nein, hatte noch keine Zeit. Ich musste erst einmal die Gaffer da draußen in Schach halten. Die wären sonst alle hier herein gestürmt.“

„Sie sieht noch sehr jung aus. Wie alt schätzt du sie?“

„Bestimmt noch keine dreißig. Aber sieh dir mal ihre Klamotten an.“

„Was ist damit?“

„Sehr nobel und bestimmt sehr teuer. Geht man so auf einen Umzug?“

„Stimmt.“

„Ich mache nur schnell noch ein paar Fotos, dann warten wir auf Lovati.“

„Sieht aus, als wäre sie erdrosselt worden.“

„Die Würgemale am Hals sehen eher nach erwürgen mit bloßen Händen aus.“

Nachdem Marek seine Fotos gemacht hatte, steckte er sei Handy wieder ein und sie gingen nach draußen. Dort hatten Ghettis Kollegen den Bereich vor dem Gebäude großräumig abgesperrt und die Menge der Neugierigen in Richtung Calle Lunga gedrängt. Von weitem drang der Lärm der ausgelassen feiernden Menschen zu ihnen herüber. Dort hatte niemand etwas von der Tragödie mitbekommen, die sich nur wenige Meter weiter ereignet hatte.

3

„Solltest du nicht mal…“, meinte Ghetti und zeigte in die schmale Gasse, wo einige Meter entfernt Silvana an einer Hauswand lehnte und mit zittrigen Händen eine Zigarette rauchte.

„Ja, du hast recht. Ruf mich wenn Lovati da ist.“

Marek eilte zu seiner Freundin.

„Geht’s?“, fragte er unbeholfen. Er war noch nie gut in solchen Dingen.

Sie warf die Zigarette weg und sah ihn mit rot umränderten Augen an. Sie hatte wohl geweint.

„Ja, geht schon. Das arme Ding. Weißt du schon etwas?“

„Sie wurde wohl erwürgt, aber wir haben erst einmal alles so gelassen, bis Dottore Lovati und die Spurensicherung fertig sind.“

„Es ist doch verrückt. Da vorne wird Carnevale gefeiert und ein paar Meter weiter eine Frau ermordet und niemand bekommt es mit.“

„Ist auch besser so, sonst würden noch mehr Leute den Tatort zertrampeln.“

„Ich gehe nach Hause, ist das in Ordnung?“

„Sicher, warum nicht?“

„Na, ich habe sie doch gefunden.“

„Deine Aussage können wir später immer noch aufnehmen. Ich komme nachher zu dir.“

Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Als Marek zurückkam, war Dottore Lovati gerade eingetroffen und hatte sich an die Untersuchung der Leiche gemacht. Wie immer mit der unvermeidlichen Zigarette zwischen den Lippen.

„Ciao Dottore, können Sie uns schon etwas sagen?“

„Ciao Commissario, schöne Schweinerei sie hier so abzulegen.“

„Heißt das, sie wurde nicht hier ermordet?“

„Nein, das heißt nur, dass sie nicht vor der Kloschüssel ermordet wurde. So wie es aussieht, wurde sie dort drüben bei den Waschbecken erdrosselt, und zwar mit bloßen Händen und von vorne. Dann wurde sie hierher geschleift und so arrangiert. Die Forensik wird sicher entsprechende Spuren finden, falls nicht zu viele darauf herumgetrampelt sind. Todeszeitpunkt nicht länger als eine Stunde.“

„Dann war Silvana wohl die erste, die sie so gesehen hat“, murmelte Marek.

„Hat sie die Leiche gefunden?“, fragte Lovati und steckte sich die nächste Zigarette an.

„Ja. Scheiße, sie hätte ja dem Mörder noch in die Arme laufen können. Das darf ich ihr gar nicht erzählen. Sie ist jetzt noch völlig fertig. Danke Dottore.“

„Die Autopsie wird nicht viel mehr ergeben. Papiere hatte sie keine bei sich, aber eines habe ich noch.“

Er hielt einen kleinen Zettel hoch.

„Das hier hatte sie in der Hand. Was das bedeutet, müsst ihr herausfinden.“