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Was passiert, wenn sich ein Togoer, ein Marokkaner, ein Spanier, ein Pole und ein Deutscher in der Psychiatrie treffen und sich dort kennenlernen? Genau. Sie planen einen gemeinsamen Trip in den Westen Afrikas um dort ordentlich einen drauf zu machen. In diesem Buch beschreibt der Autor auf humorvoller Art wie sie sich kennenlernten - über seine Erfahrungen die er in der Psychiatrie machte - was sie zusammen in Afrika erlebten und wie es dazu kam, dass sie sich in Togo plötzlich als verdächtige Drogendealer hinter Schloss und Riegel befanden. Togo Connection - Hangover unter Palmen. Eine unglaublich "wahre, lustige" Geschichte!
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Seitenzahl: 228
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etwas sehr Persönliches über sich erzählen
und haben es dann doch nicht getan,
weil Sie nicht wussten,
wie andere darauf reagieren?
Wollten Sie schon mal sagen,
dass es Ihnen nicht gut geht,
doch haben es dann doch nicht getan,
weil Sie dachten,
jeder macht mal eine schlechte Zeit durch?
Wollten Sie schon mal sagen,
dass Sie keine Lust mehr haben stark zu sein,
um alles um Sie herum nicht mehr
aushalten zu müssen?
Haben Sie schon mal etwas gesagt,
dass Ihnen hinterher sehr leidtat
und Sie sich aus Scham
niemals dafür entschuldigt haben?
Haben Sie eigentlich mal daran gedacht
Ihren Urlaub so zu verbringen,
dass Ihnen Alles scheiß egal ist,
wenn Sie einen drauf machen?
Warum eigentlich nicht?
Ich bin Oliver S.
und erzähle Ihnen nun
(m)eine unglaublich „wahre, lustige“ Geschichte.
-Wie alles begann-
Als ich an einem sonnigen Septembertag in die Klapsmühle eincheckte, hatte ich gar keine Ahnung, wie die nächsten Monate verlaufen würden. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich im Januar 2022 mit meinem weißen Arsch am Strand von Togo liegen würde, hätte ich zu ihm gesagt: „Check mit mir ein. Die haben bestimmt noch Betten frei.“ Niemals hätte ich damit gerechnet, dass mir wenige Monate später eine schwarze langbeinige Schönheit namens Esmeralda die Drinks an meiner Strandliege servieren würde, wegen der ich jedes Mal die Zeitung auf Höhe meiner Badeshorts legen musste, damit ihr nicht meine kleine Kompassnadel ins Auge fiel, die sich nach Norden bewegte. Wann immer sie sich mit ihrem Bikini und mit einem Lächeln zu mir beugte und mir das Glas reichte, gab ich sofort die nächste Bestellung bei ihr auf, nur, um sie zwei Minuten später wieder in meiner Nähe zu haben. Irgendwann schnallte sie es und sie verbrachte ihre Pause neben mir oder lächelte mir zwischendurch aus einiger Entfernung von der Strandbar her zu.
*
Eigentlich verlief mein Leben einwandfrei, doch es sollte sich schnell ändern, als ich unabsichtlich beschloss, mich in eine Frau zu verlieben. DAS ist sie, die ich immer wollte, dachte ich, als ich sie zum ersten Mal sah. Doch in Wirklichkeit war sie der Anfang vom Ende.
Schon immer predigte man mir zu Hause ein, wie ich mein Leben zu führen hatte: Arbeiten, heiraten, Kinder kriegen, alt werden und sterben. Und als ich SIE schließlich traf, schien es, dass sich das alles verwirklichen würde. Und ich bin ehrlich: Ich hatte nichts dagegen. Schließlich hatte ich SIE geliebt.
Wir redeten von Heirat und großer Liebe, doch wie es aber ebenso ist, hält heutzutage nichts für die Ewigkeit. Nach sieben Jahren war Schluss. Die anschließenden zwei Jahre in denen wir noch zusammen vögelten und so taten, als ob zwischen uns alles wieder in Ordnung käme, zähle ich nicht mit.
Als wir uns damals trennten war das Beste daran, dass meine falschen Freunde mit weg waren. Gerne wollte ich in dieser Zeit ICH SELBST sein, doch das Strafgesetzbuch hinderte mich daran. Bis heute.
„Frauen zu verstehen“, damit hatte ich schon vor meinem Aufenthalt in der Psychiatrie abgeschlossen, was nicht heißt, dass ich mir nur noch einen runterholte! Angebote für eine Nacht gab es schon seit eh und je, von denen ich manche dankbar annahm, wann immer meine Kurbelwelle geschmiert werden musste. Nur gehörte ich nicht mehr zu den Männern, die versuchten, das Wesen einer Frau zu verstehen, wie es schon so viele Kerle vor mir vergeblich versucht hatten. Viel lieber befasste ich mich schon längere Zeit mit etwas Einfacherem: Der Relativitätstheorie. Sie ist viel einfacher zu verstehen.
Ich blieb lieber ledig als erledigt (sofern ich jemals nochmal mit einer Frau ernsthaft zusammenkommen würde).
Doch irgendwann, tief im Inneren, spürte ich wieder eine Sehnsucht nach Zweisamkeit, auch wenn ich bereits meine Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht gemacht hatte. Vor allem darin, wie man ihnen die Nase bricht. Dazu brauchte ich nur einen 100-Euro-Schein unter meinen Glastisch legen und den Raum verlassen. Jedes Mal, als ich wenig später einen dumpfen Knall vernahm, wusste ich Bescheid. Zwar glaubte ich schon lange nicht mehr an die große Liebe, doch wer will schon für immer und ewig allein sein? Ich wäre zufrieden gewesen, wenn mir eine Frau gesagt hätte, wie sehr sie mich hasst und ich in meinem Herzen doch wusste, wie sehr sie mich liebt. Aber ich wollte keine Beziehung mehr, die einem Abenteuer im Dschungel zwischen all den wilden Tieren ähnelte. Ich gehörte nicht mehr zu den Männern, die hinter ihrer wütenden Frau stehen und sich fragen, was sie nun schon wieder falsch gemacht haben. Nur noch Harmonie zählte für mich. Eine Partnerin, mit der ich mich gut verstand und die im Bett das Miststück aus sich herausließ. Auch wenn ich damit eigentlich nicht viel verlangte, so war es anscheinend doch zu viel. Denn ich traf nur Miststücke. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Hoffnung, immer wieder Hoffnung, aber niemals die Erfüllung. Glauben Sie aber nicht, dass ich der Liebe wegen plötzlich in Togo landete! Ich wollte nur noch weg aus Deutschland und suchte das Abenteuer. Denn wenn ich noch weiterhin auf Veränderungen in meinem Leben gewartet hätte (ohne etwas dafür zu tun), dann wäre es so, als ob ich mich an einen Bahnhof stelle, um auf ein Schiff zu warten.
*
Wie konnte ich mich nur in „so etwas“ verwandeln? Ich war gutaussehend, hatte mein Leben im Griff und Frauen, die ich mir aussuchen konnte. Bis ich plötzlich als „alter Kerl“ im Alter von „fünf Punkt Null“ in der Klapsmühle landete. Ich lebte mein Leben plötzlich nur noch in meinen Gedanken und träumte oft davon, wie ich an einem regnerischen Sommertag in kurzen Hosen und mit einem T-Shirt bekleidet durch den Regen spazieren ging. Doch die Realität sah anders aus.
Im Hospital angekommen träumte ich in der ersten Nacht, dass ich seit Langem mal wieder einem Steifen hatte und den ganzen Tag mit einer Latte herumlief. Der Grund dafür war meine Ex, die in diesen Traum auftauchte und die ich mit meinem Prügel versuchte zu ersticken. Natürlich ist nicht einer allein Schuld, wenn eine Beziehung auseinandergeht, doch ihre Hälfte der Schuld war schon so groß, da konnte sie auch an allem Schuld haben. Die Frau, die ich liebte, war also fort. Nur Gott weiß, was diese Schlampe heute macht. Als ich aus meinem Traum aufwachte, kam eine Schwester ins Zimmer und suchte nach meinem Zimmernachbarn. Sie ließ versehentlich ihren Kugelschreiber fallen, drehte sich mit ihrem Rücken zu mir und bückte sich. Das sie dabei ihren String oberhalb ihrer engen Jeans zur Hälfte entblößte, interessierte sie einen Dreck. Es machte ihr nichts, dass ich zwei Meter hinter ihr in meinem Bett lag und einen schönen Ausblick auf ihren Hintern hatte. Für sie war ich ein „depressiver Impotenter“ und somit keine „Bedrohung“. Sie benahm sich, als wenn sie zu Hause halb nackt ihre Wohnung putzte und sie sich vor einer ihrer Katzen bücken würde. Sie hatte keine Ahnung, dass mein kleiner Lurch unter meiner Bettdecke einmal kurz zuckte. Wie ein Eichhörnchen, das einen Herzanfall bekam. Dann war das Zucken auch schon wieder vorbei. Zu diesem Zeitpunkt war ein Zucken schon sehr aufbauend für mich, doch zu mehr war mein kleiner Freund damals nicht imstande. Selbst wenn sie den ganzen Tag vor mir gehockt hätte. OK, vielleicht hätte er irgendwann noch ein zweites Mal gezuckt, als ob man ein Eichhörnchen wiederbeleben würde, aber mehr nicht. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich sie noch dazu bringen können, dass ihr Höschen von allein feucht werden würde und sie mir ihre Telefonnummer gäbe. Aber nun lag ich dort, sah mir ihr weißes Höschen wie auch ihre blasse Haut an und dachte nicht mal in meiner Fantasie daran, sie zu vögeln. Stattdessen lag ich auf meinem Bett und träumte von vergangenen Zeiten und wie ich mit meinem Cabrio und heruntergelassenem Dach durch eine warme Sommernacht fuhr. Der Himmel war klar, die Sterne funkelten und ich roch den Wald, wann immer ich an einem solchen vorbeifuhr. Ich genoss die nächtliche Ruhe auf den Straßen, pustete während der Fahrt meinen Zigarettenqualm gegen den Fahrtwind und ließ mir zeitgleich von einem Mädchen einen blasen, während mir eine warme, nächtliche Sommerbrise ins Gesicht wehte. Damals führte ich ein einfaches, aber harmonisches Leben und hatte immer alles unter Kontrolle. Frauen warfen sich mir an den Hals, weil sie sich vorstellen konnten, dass ich der Richtige für sie wäre. Und sie hatten auch irgendwo recht damit. Aber ich war nicht der Richtige für etwas Festes. Wo ist nur diese Zeit geblieben? Wo ist nur meine Jugend geblieben? Könnte ich sie wiederhaben? Und wenn ja, würde es einen Unterschied machen? Hätte ich die schicke Krankenschwester in jungen Jahren in einem deprimierten Zustand dazu bringen können, dass sie mir ihre Nummer gibt? Ich glaube nicht. Da das Alter keine Rolle spielt, wenn man eine Depri-Phase durchmacht.
Das Leben hatte mich immer gut behandelt und das Schlechte, das mir widerfuhr, tja, daran bin ich zum Teil wahrscheinlich selbst schuld. Es lag an meinem Zustand, dass ich seit einer Präsidentenwahl keinen ordentlichen Ständer mehr hatte. Also, Gott verflucht, warum sollte ich sie dann nach ihrer Nummer fragen? Solange man mir nicht eine Dosis Leben verpasst hatte, sodass mein kleiner Freund nicht immer nur auf halbmast stand, sah ich keinen Sinn darin, sie anzumachen.
In all den Filmen, die ich als Kind immer sah, wurden Prinzessinnen von Helden gerettet. Doch ich kam mir alles andere vor als ein Held. Ich lebte nur von Träumen und Erinnerungen.
Was war mir eigentlich vom Leben geblieben? Genauso hätte man meine Seele aussaugen und die Toilette hinunter scheißen können. Ich war innerlich nicht nur zerfressen, sondern auch schon verfault. Der Weg in die absolute Einsamkeit und versunken in Selbstgesprächen war nicht mehr weit entfernt. Doch genau deswegen befand ich mich dort, wo man mir am besten helfen konnte. Um wieder zu mir zu finden.
*
In diesem Buch werden Sie erfahren, wie es so weit kam, dass ich mit weiteren vier Gefährten trotz Omikron in Togo landete, wir dort beinahe wegen Drogenhandels die nächsten Jahre im Knast verbringen mussten und warum Tomasz neue Freundin zu ihm sagte: „Und übrigens, der Ring ist mir auch zu klein.“
Und ganz bestimmt werde ich die Erlebnisse mit Anass nicht vergessen, der mit 32 Jahren immer noch auf sein erstes Mal wartete wie auch auf die Frau fürs Leben. Ihm fehlte unbedingt eine sexuelle Dauerbeziehung, da er kurz davor war aus lauter Verzweiflung einen Fleischwolf zu ficken. Zum Glück hatte er (als er schließlich die Frau seiner Träume traf) seine Antidepressiva abgesetzt, sodass seine kleine Zündschnur wieder funktionierte.
Fangen wir also von vorne an.
Nachdem ich mir 2015 einen Trümmerbruch zuzog, verbrachte ich monatelang zu Hause auf meiner Couch, sah TV und stopfte mir eine Menge Kalorien rein, sodass sich meine Gehhilfen fast bogen, wann immer ich mit diesen zur Toilette humpelte. Täglich eine ganze Tüte holländische Weingummis, eine Tafel Schokolade und ein komplettes Paket Vollmilch Cookies. Dazu kamen noch drei tägliche Mahlzeiten wie auch zwei fette Hefeteilchen zur Kaffeezeit. Ich war auf dem besten Weg, Ähnlichkeit mit John Candy auf Wurmkur zu haben. Dann, nach drei Monaten, kam der Tag, an dem mir der Arzt grünes Licht gab und ich anfangen musste, wieder laufen zu lernen. Knochen auf Knochen. Bei jedem Schritt dachte ich, ich schreie. Und erst recht, als ich gegen Abend auf meiner Couch lag und sich mein Fuß mit einem Pochen und Anschwellen meldete.Das hieß: Schmerztabletten. Nach drei weiteren Monaten laufen lernen ließen die Schmerzen zum Glück halbwegs nach. Endlich, dachte ich. Bald kannst du dich, soweit es geht, wieder vernünftig bewegen.
Wir hatten bereits April 2016 und ich konnte immer besser laufen, da sah ich von jetzt auf gleich für ungefähr eine Minute alles in doppelter Form vor meinen Augen. Kaum konnte ich wieder normal sehen, knirschte es plötzlich in meinem rechten Ohr, auf welchem ich wenige Sekunden später nichts mehr hören konnte. Drei Sekunden später kam mein Gehör langsam wieder, als wenn jemand den Volumenpegel seiner Stereoanlage langsam hochdrehte. Ein unheimliches Erlebnis. Vor allem dann, wenn Sie allein zu Hause sind.
Ohne mir weiter Gedanken darüber zu machen, stand ich von der Couch auf und stopfte meine Wäsche in die Waschmaschine. Plötzlich machte es BOOOM und es kam mir vor, als ob mich ein Ochse mit hundert Metern Anlauf in meine Seite rammte und mich dreihundert Meter weit durch die Luft warf. Es war ein Gefühl, dass mir sofort die Luft wegblieb und ich erschrak.
Scheiße verdammt, was war DAS denn? Fragte ich mich.
Langsam setzte ich mich auf den Klodeckel, um zur Ruhe zu kommen. Von jetzt auf gleich plagten mich starke Schwindelgefühle, die ich noch nie zuvor erlebte. Da konnte ich vorher in meinem Leben noch so viel gesoffen haben, niemals war mir dermaßen schwindelig. Gedreht hatte sich vor meinen Augen nichts, aber dafür hatte ich das Gefühl, nicht mehr stehen zu können. Es wackelte in mir wie die Sehne eines Flitzbogens. Ein Gefühl, als ob ich jeden Moment zur Seite fallen würde, aber ich stand völlig gerade. Zum ersten Mal im Leben rief ich also einen Krankenwagen.
Zu diesem Zeitpunkt machte ich seit zwei Wochen eine Diät, um äußerlich wieder der Alte zu werden. Doch während der Untersuchung im Krankenhaus stand es für den zuständigen Arzt fest, was mein Problem war: falsche Ernährung. Doch das konnte nicht sein, da ich sehr darauf achtete, was ich zu mir nahm. Nachdem er mir noch eine Kochsalzlösung gegeben hatte, entließ er mich schließlich wieder mit folgendem Rat: „Sie brauchen Eiweiß. Essen Sie viele Eier.“
An der Anmeldung im Krankenhaus angekommen, wo ich mir ein Taxi bestellte, fiel mir plötzlich auf, dass der „Schwindel“ wieder verschwunden war. Doch dafür brannte mein kompletter Rücken höllisch bis hoch in meinen Nacken, sodass ich nicht mehr aufrecht laufen konnte.
Erleichtert, was den Schwankschwindel betraf, ließ ich mich also nach Hause fahren, holte noch vom Bäcker Brötchen und frühstückte. Eine Woche später bestellte ich wieder ein Taxi, doch dieses Mal zum Krankenhaus hin. Denn mein Schwankschwindel hatte sich dermaßen verstärkt, dass ich furchtbare Angst bekam und nicht wusste, was mit mir los war. Schließlich wohnte ich allein und niemand hätte es mitbekommen, wäre ich in meiner Wohnung umgefallen. Egal ob im Liegen, im Sitzen oder im Stehen. Es wackelte wie bei Sturm auf hoher See.
Im Krankenhaus angekommen, behielt man mich sofort da. Zum Glück hatte ich so etwas geahnt und zuvor eine Tasche mit Sachen gepackt. Es war ein herrlicher Frühlingstag und schon eigentlich zu warm für diese Jahreszeit. So stand ich in meinem Krankenzimmer und schaute aus dem Fenster. Man wie gerne möchte ich mir eine rauchen war mein Gedanke. Doch ich traute mich nicht hinunterzugehen, weil ich mich nicht auf meinen Beinen halten konnte. Ich schaffte es gerade einmal die Zimmertür aufzumachen, um mich auf dem Gang auf die gegenüberliegende Sitzbank zu setzen. In mir ging es vor sich, als ob ich ein kurvenreiches Formel Eins Rennen fahren würde.
Dann hielt ich es nicht mehr aus, ging ins Zimmer zurück, öffnete das Fenster und machte mir eine Kippe an. Schließlich war mir nicht übel. Nur ein paar schnelle Züge, dann werfe ich sie weg.
Zum Glück hatte ich ein Einzelzimmer. Doch das änderte sich in der darauffolgenden ersten Nacht. Im Halbschlaf vernahm ich ein Gemurmel und als ich am Morgen aufwachte und mir meinen Zimmernachbarn ansah, dachte ich na toll. Ich brauchte nur eins und eins zusammenzählen, um zu wissen, was sein Lieblingsgetränk war: mindestens 70-Prozentiger. Ohne, dass ich auch nur ein Gespräch andeutete, laberte er mir die Ohren voll und stellte mir einen Haufen Fragen, auf die ich aber auch nicht antwortete. Dann fragte er mich: „Bist du stumm?“
Ich nickte spontan.
An seinem Arm lief ein dünner Faden Blut hinunter in Richtung Handgelenk. Ich sah genauer hin und mir fiel auf, dass er sich in der Nacht die Nadel von der Infusion selbst gezogen hatte. Kurz darauf verließ er das Zimmer und ich wackelte in Richtung Bad um... doch als ich den Toilettendeckel hochklappte, dachte ich,das darf doch wohl nicht wahr sein…
Wie ich mitbekam, war mein Zimmernachbar bereits mit den Schwestern per „Du“, da sie ihn anscheinend einmal in der Woche dort einlieferten. Noch am selben Tag schmiss man ihn wieder raus mit der Empfehlung, „sich im Klub der Anonymen Alkoholiker“ zu melden und mich verfrachtete man mit Verdacht auf Schlaganfall in ein anderes Krankenhaus.
Zwei Wochen verbrachte ich dort. Und das wirklich Witzige daran war: Es war auf den Tag genau der Gleiche, als ich mir ein Jahr zuvor meinen Fuß zertrümmerte. Dazu kam noch, dass es dasselbe Krankenhaus war. Dieses Mal lag ich aber nicht auf der chirurgischen, sondern auf der Schlaganfall-Station. Zum Glück war mein Kopf in Ordnung, wie sich in den verschiedensten Arten von Untersuchungen herausstellte. Auch meine Halsschlagader war frei. Doch eines blieb: Meine fürchterlichen Gleichgewichtsstörungen. Ich konnte weder gerade liegen, geschweige denn mich bewegen. Alles wackelte. Es war ein Gefühl, als wenn Sie sich auf der Stelle fünf Mal schnell im Kreis drehen und dann vorwärtslaufen. Mit diesem Beispiel übertreibe ich nicht! OK, manchmal war der Schwindel auch nur so stark, als ob Sie sich dreimal im Kreis drehen.
Im Krankenhaus spazierte ich auf der Station immer nahe an der Wand entlang, um in Bewegung zu bleiben. Nach draußen, um mir eine zu rauchen, traute ich mich nicht, es sei denn, ich setzte mich in einen Rollstuhl und rollte los. Aber selbst dann fühlte ich mich nicht sicher, weil alles wackelte.
Irgendwann schickte man mir eine Physiotherapeutin, die mir sozusagen im Vorbeigehen sagte: „Ich kann Ihnen ein paar Rückenübungen zeigen.“
„Was soll ich mit Rückenübungen?“, fragte ich sie. „Mein kompletter Rücken brennt. Ich kann schon gar nicht mehr gerade laufen. Außerdem habe ich ein lautes Piepen und ein dumpfes Gefühl in meinem rechten Ohr. Es fühlt sich an, als ob ich einen Knubbel hinter meinem Ohr habe. Auch mein Nacken schmerzt fürchterlich.“
Doch was ich sagte, störte sie nicht und sie verschwand wieder. In meinen Augen waren eher Massagen bzw. Druckmassagen das einzig Beste, damit sich mein Rücken wieder entspannte.
Am nächsten Tag erfuhr ich vom Oberarzt, dass ich mich geweigert hätte, Rückenübungen zu machen.
„ICH? Mich geweigert? Ich kann nicht, verdammt. Mein kompletter Rücken brennt! Als, wenn jeden Moment meine komplette Rückenmuskulatur reißt.“
Nachdem man auch schließlich meine Halswirbelsäule in der Röhre untersucht hatte, wurde ich nach zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen. Ohne Befund.
„Wir können Ihnen hier nicht mehr weiterhelfen. Mit Ihnen ist alles in Ordnung.“
Oh, das ist aber schön, da freue ich mich sehr. DU VERDAMMTES ARSCHLOCH ICH KIPP GLEICH VOM STUHL, SO WACKELT DAS IN MIR! WOFÜR SEID IHR ÄRZTE DA? schrie es in meinem Kopf, als ich vor dem Oberarzt in seinem Büro saß. Äußerlich aber blieb ich freundlich und nahm seine Aussage einfach hin. Zusätzlich sagte er mir, dass es sich um eine muskuläre Sache handeln würde. Ach? Tatsächlich? Und warum habt ihr mich zwei Wochen liegen gelassen, anstatt mir eine Physiotherapeutin zu schicken, die Ahnung von ihrem Beruf hat?, rief meine innere Stimme.
Ich schleppte diesen Zustand schon für eine lange Zeit mit mir herum. Genauer gesagt: für ein paar Wochen, in denen in mir alles höllisch wackelte. Jeder Toilettengang, wobei ich hoffte, auf dem Weg nicht umzufallen, war ein reines Abenteuer. Selbst als ich mir den Hintern abwischte, musste ich mich an der Wand neben mir abstützen, da ich das Gefühl hatte, vom Scheißhaus zu fallen.
Zu Hause angekommen wackelte es fröhlich weiter, sodass jemand anderes für mich einkaufen gehen musste. Weder die Person noch ich wussten damals, dass dieser Gefallen sich über Wochen und Monate hinzog. Ich lag nur noch auf der Couch und versuchte mich so gut wie gar nicht zu bewegen. Zu mehr war ich nicht in der Lage.
Viele, viele Wochen dauerte der Zustand. Wochen, in denen ich nur für meinen Toilettengang aufstand oder mich aufraffte, um zu meinem Orthopäden zu gehen, bei dem ich mir einmal im Monat eine dicke, fette Kortison-Spritze abholte, die meine Rücken- wie auch Nackenschmerzen ein wenig linderte.
Eines Tages verschwanden meine Wackler, aber waren dafür eine Woche später wieder da. Ich war kurz davor wahnsinnig zu werden, weil ich nicht wusste, was mit mir los war! Was hatte ich unbewusst gemacht, dass die Wackelei weg war? WAS?!
Insgesamt war ich seit April 2016 bis 2018 jedes Jahr ein bis zweimal in verschiedensten Krankenhäusern, doch jeder Arzt sagte: „Mit Ihnen ist alles in Ordnung, wir können nichts tun. Es liegt wahrscheinlich an ihrer Muskulatur oder Sie sollten mal mit einem Psychologen reden.“
Alles ließ ich über mich ergehen.
Unzählige Male war ich wegen Kopf oder HWS in der Röhre, wobei ich einmal fast die Röhre vollgekotzt habe, als man mir ein Kontrastmittel spritzte. Sogar habe ich drei Gleichgewichtstests machen lassen, die zu meinem Schrecken alle so weit in Ordnung waren. Erst beim dritten Test fand man heraus, dass sich der Schwindel auf meinem rechten Ohr verstärkte – abgesehen von dem Schwindel, der ohnehin aufkommt, sobald Luft ins Ohr geblasen wird.
Doch am Ende wussten die Ärzte auch nicht weiter.
Bei einem Krankenhausaufenthalt habe ich die Ärztin sogar angefleht, mir etwas zu geben, damit ich mich entspannen kann, weil ich das innerliche Vibrieren nicht mehr aushielt. „Aber Sie müssen wissen, dass es süchtig macht, was ich Ihnen nun gebe. Ich kann Ihnen davon nur eine Tablette geben.“
„Frau Doktor, ich habe alles im Griff. Sie können sich auf mich verlassen, wenn ich sage, dass ich so etwas unter Kontrolle habe.“
Nachdem sie mir schließlich 5mg „Irgendwas“ gab, musste ich nach fünf Minuten mein Bett aufsuchen. Eine Minute später und ich hätte neben meinem Bett geschlafen. Das Zeug wirkte sehr schnell und ließ mich zwei Stunden im Jenseits herumtreiben.
Als ich (leider wieder) aufwachte, dachte ich, so einigermaßen schön kann die Welt sein. Ich traute mich sogar von der dritten Etage des Krankenhauses ZU FUß vor die Tür, um mir eine zu rauchen. Zwar wackelte immer noch alles, aber meine Angst davor umzufallen und somit „negativ“ vor anderen Leuten aufzufallen war weg. Hätte ich mir an diesem Tag noch ein Kettensägen-Massaker im TV angesehen, so wäre mir dieser womöglich wie Schneewittchen und die sieben Zwerge vorgekommen.
Ich durchforschte zu Hause sogar das Internet. Noch nie zuvor habe ich so etwas getan, um nach Symptomen einer „Krankheit“ zu suchen, aber ich war fix und fertig. Ich dachte, wenn die mir schon nicht helfen können, dann versuche ich mir selbst zu helfen. Und siehe da, es gab jede Menge Leidensgenossen mit denselben Symptomen. Forum für Forum las ich mir durch, doch wirklich schlauer wurde ich auch nicht, was ich dafür tun könnte, dass mein Gleichgewicht wieder anständig funktionierte. Ich wusste nur, dass irgendetwas mit meiner HWS (rechts), mit meinem Kiefer (rechts) und mit meinem Ohr (rechts) nicht stimmte.
Ich verkaufte meinen PC und legte mir einen Laptop zu, um somit meine Sitzgewohnheiten zu ändern. Meinem Nacken wie auch meinem Rücken wird es bestimmt guttun, dachte ich. Schließlich verbringe ich jede Menge Zeit vor dem Monitor, wann immer ich an einem neuen Buchprojekt arbeite. Auch verkaufte ich meinen Bürostuhl und legte mir dafür einen Sitzhoppsball zu, um rückenfreundlich sitzen zu können. Doch nichts linderte mein Leiden. LIEGEN war mittlerweile das Einzige, was mir half, damit es in mir nicht wackelte. Liegen und ja nicht bewegen. Tag für Tag liegen und hoffen, dass man nicht aufstehen musste. Ich lag praktisch mittlerweile vier Jahre auf meinem Sofa und ließ diesen ganzen Scheiß irgendwann nur noch über mich ergehen, weil ich keine Kraft mehr fand, um dagegen anzukämpfen oder um den Ärzten, dessen Wände in ihren Praxen mit unzähligen Diplomen tapeziert wurden, mein Leiden zum tausendsten Mal zu erklären. Trotz ihren vielen Auszeichnungen hatten sie in meinen Augen keine Ahnung. Mein ganzes Leben war ich der Meinung „geht man zum Arzt, hilft er dir“. Doch niemand war da, der mir helfen konnte, geschweige denn mich verstehen konnte.
Da mit mir so weit „alles in Ordnung“ war, war es für die Ärzte natürlich klar, woher der „Schwindel“ kam: Von der Psyche.
Die Einzige, die mich damals hätte verstehen können, war meine langjährige Ex. Als ich mit ihr zusammenkam, hatte sie DIESELBEN Symptome. Immer wieder musste ich mir damals von ihr anhören „Ich falle um, ich falle um“. Dabei stand sie kerzengerade vor mir. Irgendwann machte ich mir Gedanken darüber, ob sie nicht spinnt und ich nicht die Reißleine ziehen solle.
Jedes Mal, wenn ich zu Fuß um die Ecke ging, kam es mir weiterhin so vor, als ob ich mit einem Porsche mit 300 Sachen um die Ecke bog.
Irgendwann kam schließlich die Zeit, und ich hatte wirklich komplett aufgegeben, gegen die Gleichgewichtsstörungen anzukämpfen oder dem jeweiligen Arzt die Symptome zu erklären. Sie verstanden mich ohnehin nicht, also warum sollte ich mir den Mund fusselig reden? Einmal sagte ich zu einem Ohrenarzt, nachdem ich ihm meine Beschwerden erklärte: „Ich kann nicht mehr. Mein rechtes Ohr ist dumpf. Es kommt mir vor, als ob ein kleiner Knubbel hinter meinem Ohr sitzt. Ich merke das und manchmal kitzelt es auch im Innenohr, wenn ich meinen Mund bewege.“
Er sah mich an und antwortete kurz und knapp: „Das kann nicht sein.“
Im selben Augenblick fragte ich mich, wieso erzähle ich dem das eigentlich? Meint er, ich habe Langeweile und sonst nichts zu tun?
„Ich bin wirklich reif für die Klapsmühle“, erwähnte ich, worauf er keine Mimik verzog und antwortete: „Dann gehen Sie in die Klapsmühle.“
Mir fehlten die Worte.
Was man auch nicht tun sollte, ist dem jeweiligen Arzt sagen, dass Sie Angst haben, denn dann steht sein Befund blitzschnell fest und er hört auf zu überlegen. „Dann ist es zu hundert Prozent etwas Psychisches“, wird seine Antwort sein.
Dabei kam die Angst in mir erst auf, als es anfing, in mir zu wackeln. Tag für Tag. Woche für Woche. Monat für Monat. Jahr für Jahr wurde diese Angst immer stärker. Sie war einfach eine Art Nebenwirkung. Nur das hat nie jemand verstanden.
*
Es kam, wie es kommen musste: Ich traute mich nicht mehr aus dem Haus. Vollkommene Angst und Unsicherheit. Vielleicht könnte ich auf der Straße umfallen und alle Leute würden um mich herumstehen und auf mich zeigen - vielleicht würden die Leute denken, ich sei betrunken - wie verhalten sich die Leute, wenn ich plötzlich vor ihren Füßen kotzen müsste, weil in mir alles wackelte?
Selbst im Dunklen konnte ich meine Wohnung nicht verlassen, da sich der Schwindel in der Dunkelheit verstärkte oder Lähmungserscheinungen aufkamen und ich meine Beine nicht mehr bewegen konnte.
Ich war nie jemand, der gerne negativ auffiel, und nun befand ich mich in solch einer Situation und ließ weiterhin andere für mich einkaufen, wofür ich wirklich sehr dankbar war.
Die Welt, in der ich nur noch lebte, war 40 Quadratmeter groß. Meine Wohnung.
Doch nur „Angst haben“ auf die Straße zu gehen oder „Angstzustände“ sind etwas völlig Verschiedenes. Letztere kamen immer öfter in mir auf. Angstzustände, bei denen man meint, sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben. So kam es, dass ich einen Termin in der Psychiatrie machte, welche für mich die Endstation zu sein schien. Ich traute mich nichts mehr. Selbst ein Gang in den Hof des Hospitals oder in den dazugehörigen Garten wagte ich nicht. Für mich war es das reinste Abenteuer, überhaupt zu den Raucherpavillons zu kommen, die sich zwanzig Meter vom Ein- und Ausgang zum Hof befanden. Denn als ob Angstzustände nicht reichen würden, hatte ich immer noch mit der Wackelei zu kämpfen.