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Der Klassiker zum Thema Konfliktlösung – neu aufgelegt und komplett überarbeitet! Konflikte im Job gibt es jeden Tag – zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden, innerhalb des Teams, zwischen den Abteilungen oder auch zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat. Das Problem wird gerne auf die lange Bank geschoben, dabei wäre ein konstruktives Eingreifen nötig, um die Eskalation des Konflikts frühzeitig zu verhindern. Der von Rolf Schulz für dieses Buch entwickelte Entscheidungsbaum ist das zentrale Instrument, um verschiedene Typen von Konflikten zu analysieren. Er hilft den Lesern, differenziert nach den Konfliktursachen oder -konstellationen das jeweils passende Werkzeug auszusuchen und anzuwenden. Für die Führung eines Konfliktgesprächs gibt das Buch einen roten Faden vor. Es versetzt Sie in die Lage, Konflikte im Beruf schnell zu erfassen und zu lösen. • Verstehen, wie Konflikt entstehen • Entscheidungsbaum zur Konfliktlösung • Praxiserprobte Techniken • Konfliktlösung bei Change-Prozessen • Exkurs: Corona und die Folgen • Fallbeispiele und Musterdialoge • Tipp zur Vor– und Nachbereitung von Konfliktgesprächen "Inhaltlich mit Abstand am besten und deshalb sehr empfehlenswert ist der Ratgeber von Rolf Schulz. Die darin beschriebenen Werkzeuge zur Konfliktlösung lassen sich gut in die Praxis umsetzen." Stiftung Warentest, Sonderheft Spezial Karriere
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Seitenzahl: 185
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Rolf Schulz
Konflikte schnell erkennen und erfolgreich bewältigen
5. komplett überarbeitete Auflage
Dieser Titel ist auch als Printausgabe erhältlichISBN 978-3-96557-150-1
Sie finden uns im Internet unterwww.ziel-verlag.de
Die Reihe Grundlagen der Weiterbildung bietet Raum für
•Theorien, die das berufliche Handeln anregen und vertiefen.
•praktische Grundlagen und Tools.
•Ausarbeitungen, die konkurrierende Theorien, Praxen, Modelle und Ansätze gedanklich und empirisch weiterführen.
Wichtiger Hinweis des Verlags: Der Verlag hat sich bemüht, die Copyright-Inhaber aller verwendeten Zitate, Texte, Bilder, Abbildungen und Illustrationen zu ermitteln. Leider gelang dies nicht in allen Fällen. Sollten wir jemanden übergangen haben, so bitten wir die Copyright-Inhaber, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Inhalt und Form des vorliegenden Bandes liegen in der Verantwortung des Autors.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printed in Germany
ISBN 978-3-96557-151-8 (eBook)
Titelseite:
Bild: shutterstock | rtbilder
Verlag:
ZIEL – Zentrum für interdisziplinäres erfahrungsorientiertes Lernen GmbH
Zeuggasse 7–9, 86150 Augsburg, www.ziel-verlag.de
5. komplett überarbeitete Auflage 2024
Gesamtherstellung:
FRIENDS Menschen Marken Medien
www.friends.ag
©Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Vorwort zur 5. komplett überarbeiteten Auflage
Vorwort
Einleitung
1.Was sind Konflikte?
Sozialer oder psychischer Konflikt?
Eine Meinungsverschiedenheit ist kein Konflikt
Die negative Seite von Konflikten
Was ist das Gute an Konflikten?
Zusammenfassung
2.Wie entstehen soziale Konflikte?
Prinzipien der Kommunikation
Inhalts- und Beziehungsebene
Die Fieberkurve der Konflikteskalation
Zusammenfassung
3.Was verschärft soziale Konflikte?
Verschärfung durch Faktoren der Motivation
Verschärfung durch Faktoren der Emotion
Verschärfung durch Faktoren der Wahrnehmung
Verschärfung durch Reaktionen unter Druck
Verschärfungen durch wirtschaftliche Veränderungen
Exkurs: Corona und die Folgen
Zusammenfassung
4.Wo entstehen soziale Konflikte?
Konflikte in Unternehmen
Konflikte in Change-Prozessen
Zusammenfassung
5.Wie können Konflikte unterschieden werden?
Konfliktarten
Konflikte auf persönlicher Ebene
Latente Konflikte oder direkte Angriffe
Direkt beteiligt oder „nur“ indirekt betroffen
Symmetrische oder komplementäre Situationen
Zusammenfassung
6.Werkzeuge der Konfliktlösung
Wie funktionieren die Werkzeuge?
Inhalts- und Beziehungsebene trennen
Die Haltung muss stimmen
Brücke bauen
Vergangenheit und Zukunft trennen
Ein Ziel fokussieren
Mehrgängiges Menü statt Eintopf
Entscheidungshilfe: Wann welche Technik?
Analyse des Konflikts: Fragenkatalog
Auswahl des passenden Tools: Entscheidungsbaum
7.Werkzeuge bei Konflikten – direkt beteiligt
Konfliktklärung mit Mitarbeitenden: Fair kritisieren – Das Werkzeug
Beispiel: Frau Maier – Was ist passiert
Konfliktklärung mit der Führungskraft: Anliegen platzieren – Das Werkzeug
Beispiel: Unterbrochene Präsentation – Was ist passiert
Konfliktklärung mit Menschen auf Augenhöhe
Klärung auf Augenhöhe – Das Werkzeug
Beispiel: Mein Lieferant, dein Lieferant – Was ist passiert
Sonderfall: Verteilungskonflikt – Das Werkzeug
Beispiel: A – Was ist passiert
8.Werkzeuge bei Konflikten – „nur“ indirekt betroffen
Schlichtungsgespräch mit Mitarbeitenden
Schlichtungsgespräch intensiv – Das Werkzeug
Beispiel: Benchmark 2035 – Was ist passiert
Schlichtungsgespräch mit Kollegen
Schlichtungsgespräch light – Das Werkzeug
Beispiel: Schneckenhaus – Was ist passiert
9.Spezialwerkzeuge
Verdichten: Überbringen von schlechten Nachrichten
Multi-Tool: Umgang mit Reaktionen unter Druck
10.Zusammenfassung
Anhang
Ausblick
Literaturhinweise
Der Autor
Wenn ein Buch – nach 2007, 2010, 2012 und 2015 – nun zum fünften Mal aufgelegt wird, hat das bestimmt auch mit dem Buch selbst zu tun. Dafür ist die die große Resonanz in der Presse ein Beleg. Ein weiterer ist, dass Sie, die Leser, das Buch angenommen haben. Auch die Empfehlung der Stiftung Warentest aus dem Test Bücher Konfliktmanagement (2009) freut mich natürlich noch heute.
Was aus meiner Sicht wesentlich zum Erfolg beigetragen hat, ist die zunehmende Präsenz des Themas Konfliktlösung: In den Medien haben Konflikte, sei es in Form von Streit, Auseinandersetzung oder Konfrontation, eine viel größere Aufmerksamkeit als noch vor Jahren, als die erste Auflage der Toolbox veröffentlicht wurde.
Der Alltag ist konfliktreicher geworden und die Wahrnehmung von Konflikten hat sich verändert: Konflikte sind allgegenwärtig, sowohl im persönlichen als auch im beruflichen Umfeld. Dies ist auch einer der Gründe, weshalb die 5. Neuauflage gründlich überarbeitet wurde und um das Kapitel Konflikte in Change-Prozessen erweitert wurde.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Lösung von Konflikten und viel Spaß beim Schmökern!
Rolf Schulz, im Juli 2024
Das vorliegende Buch ist eine Essenz aus inzwischen 30 Jahren Tätigkeit im Bereich Konfliktmanagement und Konfliktlösung. In dieser Zeit habe ich viele Seminare und Trainings zu diesem Thema geleitet. Auch in Coaching-Sessions ist das Thema Konfliktlösung immer wieder präsent. Insofern habe ich es leicht gehabt, denn es galt, die Erfahrungen dieser Jahre einfach nur zusammenzufassen und zu Papier zu bringen.
Deshalb gebührt an dieser Stelle ein Dank an all die Teilnehmer der Veranstaltungen, die mir durch ihre Fragen und Anregungen den Stoff zu diesem Buch geliefert haben.
Danke auch an Uwe Jant, der mir den letzten Schubs gegeben hat, dieses Buch zu schreiben, und der durch zahlreiche Supervisionen und seine Erfahrung maßgeblich zur Qualität dieses Buches beigetragen hat.
Niedergeschrieben habe ich die Rohfassung dieses Buches im Rahmen eines sogenannten Urlaubs auf einem Bauernhof. Lieben Dank an Emilia, Felicia und Robin für ihr Verständnis und an Evelyn für ihre Unterstützung.
Die Beispiele im Buch stammen alle aus realen Konfliktfällen, sind aber so verändert, dass eine Verbindung zu den realen Fällen nicht möglich ist.
Sie kennen wahrscheinlich die Redewendung: „Wenn mein einziges Werkzeug ein Hammer ist, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.“1 So witzig dieses Zitat von Abraham Maslow auch sein mag, in ihm steckt jede Menge Wahrheit.
Manchmal können wir erleben, dass Menschen im Vorbeigehen einem anderen eine Bemerkung „reindrücken“, die verletzen kann oder den anderen zumindest fassungslos zurücklässt. Nach meiner Erfahrung geschieht dies in den allermeisten Fällen nicht mit Absicht. Der Grund ist vielmehr, dass man schon lange auf eine gute Gelegenheit für eine Aussprache gewartet hat. Diese kommt aber meist just in dem Moment, in dem man nicht damit rechnet, und um die Chance nicht verstreichen zu lassen, redet man einfach drauflos.
In aller Regel sind diese Gespräche also gar nicht oder nur schlecht vorbereitet. Man redet, wie einem der Schnabel gewachsen ist, oder – anders formuliert – man wählt unbewusst aus den individuell zur Verfügung stehenden kommunikativen Werkzeugen eines aus. Häufiges Ergebnis dieser Auswahl: der Hammer – mit den entsprechenden Folgen.
Um Ihre Wahlmöglichkeiten zu erweitern und Ihre Konfliktlösungskompetenz zu erhöhen, stellt Ihnen die Toolbox zur Konfliktlösung mehrere Werkzeuge zur Verfügung. Diese sollen Sie unterstützen, die jeweiligen Konfliktsituationen zu unterscheiden, das richtige Werkzeug auszuwählen und auch anzuwenden. Natürlich fehlt es auch nicht an einer Unterscheidung der möglichen Konflikte und an einer Erläuterung des Warum und Weshalb.
Vielleicht haben Sie sich nach hitzigen Gesprächen auch schon einmal gefragt: „Was mache ich bloß, wenn ich meinen Kollegen das nächste Mal treffe? Oder sollte ich ihn nach unserer hitzigen Diskussion nicht einfach in den kommenden Tagen meiden?“
In solchen Situationen wissen wir manchmal nicht, wie wir vorgehen sollen. Gehen wir das Problem direkt an, versuchen wir, es einfach zu verdrängen, oder hoffen wir, dass es von allein besser wird, getreu dem Motto: Die Zeit heilt alle Wunden?
Menschen, die Konflikte scheuen, gehen in aller Regel solchen Situationen aus dem Weg. Nicht, weil sie die knisternde Spannung nicht spüren würden, sondern schlicht und ergreifend deshalb, weil sie nicht wissen, wie sie es anpacken sollen. Dass wir Konfliktgespräche meiden, liegt in der Natur der Sache. Selbst Menschen, die es nicht so sehr Harmonie suchen, gehen mit einem gewissen Maß an Skepsis in solche Gespräche. Und das aus gutem Grund, man weiß nämlich nie, ob es nicht schlimmer wird.
Was soll man tun?
Wenn Sie zwei Menschen über den effektiven Umgang mit Konflikten befragen, erhalten Sie mindestens drei Antworten. Ein guter Freund machte diesbezüglich die kurze und trockene Bemerkung: „Wenn du mehr über Konfliktlösung lernen willst, dann schau doch einfach einen der alten Filme mit Bud Spencer in der Hauptrolle.“
Es gibt viele Bücher zum Thema Konfliktmanagement, dort wird meist wissenschaftlich umfassend erklärt, wie Konflikte „gemanaged“ werden sollten. Im vorliegenden Buch geht es nicht um Wissenschaftlichkeit, sondern darum, wie man vorgehen sollte, welche Fettnäpfe es zu vermeiden gilt und wie man sein eigenes Konfliktverhalten verbessern kann.
Das Buch ist also keine wissenschaftliche Abhandlung. Es will vielmehr anhand von Beispielen aus der Praxis einen konkreten Einblick geben, um dadurch das Verständnis zu erhöhen.
Dieses Buch versucht auch nicht, Sie zu einem besseren Menschen zu machen. Den perfekten Mitarbeitenden, die ideale Führungskraft gibt es ohnehin nicht. Es geht vielmehr darum, Ihnen Handwerkszeug für das Berufsleben an die Hand zu geben mit einer genauen Beschreibung über Einsatzmöglichkeiten und Handhabung der einzelnen Tools.
Vergleicht man Techniken zur Konfliktlösung mit Werkzeugen, wie wir es hier tun, dann wird der Mensch zu einem Werkstück, also berechenbar. Der Mensch ist aber – im positiven Sinne – unberechenbar. Dies gilt umso mehr, da wir hier Menschen in beruflichen Konfliktsituationen in den Fokus nehmen. Zu den unterschiedlichen Sichtweisen und „Wahrheiten“ der Menschen selbst kommen noch die Unwägbarkeiten der jeweiligen Organisation hinzu. Dies macht eine Vorhersage menschlichen Verhaltens in Konfliktsituationen quasi unmöglich. Trotzdem ist dieses Buch hier angetreten, Licht in das Dunkel von Konflikten zu bringen.
Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt:
•Wie entstehen Konflikte?
•Was unterscheidet Konflikte von Meinungsverschiedenheiten?
•Was kann ich tun, um Konflikte zu lösen?
•Wie gehe ich genau vor, wenn ich einen Konflikt mit Kollegen habe, oder mit einem Mitarbeitenden oder gar mit meiner Chefin?
•Wie gehe ich vor, wenn zwei Personen aus meinem Team einen Konflikt miteinander haben und ich schlichten soll?
•Wie kann ich in solchen Situationen besser werden?
Es gibt aus meiner Sicht verschiedene Möglichkeiten, dieses Buch zu lesen:
Entweder Sie starten ihre Lektüre mit der Einleitung und lassen sich von mir durch Welt der Konfliktlösung führen, oder sie springen direkt hinein in die in die Toolbox: Nach einem Überblick über die verschiedenen Konfliktarten (Kapitel 5) finden Sie genaue Beschreibungen der einzelnen Werkzeuge mit zahlreichen Beispielen (Kapitel 6–9).
Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen viel Spaß dabei.
Ihr Rolf Schulz
1Abraham Maslow (1982)
Sozialer oder psychischer Konflikt?
Eine Meinungsverschiedenheit ist kein Konflikt
Die negative Seite von Konflikten
Was ist das Gute an Konflikten?
Zusammenfassung
Wenn man Konflikte verstehen will, reicht es nicht zu wissen, wie sie auftreten oder was sie unterscheidet. Die entscheidende Herausforderung besteht darin, dieses Wissen, das man im Kopf hat, in den Alltag zu integrieren und in der tatsächlichen Konfliktsituation einzusetzen, um somit Konflikte erfolgreich zu bewältigen.
Die Lösung von Konflikten im (beruflichen) Alltag ist auch deshalb nicht immer einfach, weil sehr häufig einer oder mehrere Beteiligte dem Konflikt ausweichen. Dies wird nicht getan, um den anderen zu ärgern, oder weil man denkt, man wartet mal lieber, bis es richtig knallt. Es ist vielmehr eine mögliche und „natürliche“ Reaktion auf sich anbahnende Konflikte. Die Tendenz, Konflikte zu vermeiden, erwächst aus der Hoffnung, es würde sich von allein wieder geben.
Bringen wir nun etwas Licht in das Dunkel der Konflikte: Confligere kommt aus dem Lateinischen und bedeutet auf Deutsch zusammenstoßen. Mit anderen Worten: Es steckt Energie darin, und man kann es nicht allein tun, sondern nur zusammen. Hier liegt – auf der Ebene der Bedeutung – eine nahe Verwandtschaft mit dem deutschen Verb streiten. So, wie man nicht einen Konflikt mit sich selbst haben kann (die psychischen Konflikte einmal ausgenommen), kann man auch nicht allein streiten. Der Satz „Meine Frau streitet immer mit mir“ ist also per se widersinnig.
Was unterscheidet nun soziale von psychischen Konflikten?
Soziale Konflikte sind durch folgende Faktoren2 gekennzeichnet:
Für denjenigen, der mit einem anderen Menschen einen Konflikt hat, ist klar, dass der andere beteiligt, wenn nicht gar schuld ist. Getreu dem Motto, man kann allein nicht streiten, ist jedoch klar, dass mindestens zwei Personen oder Parteien Teil des Konflikts sind.
Wenn man in einem Konflikt steckt, ist es manchmal nicht so einfach, sich darüber klar zu werden, dass der andere uns vielleicht gar nicht ärgern will, sondern schlicht und ergreifend eigene Ideen, Ziele und Interessen hat.
Wenn es zwischen Menschen keine Abhängigkeit gibt, entstehen keine Konflikte. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Unternehmensalltag (vgl. Beispiel 1):
Beispiel 1
In einem Produktionsunternehmen hat der Vertrieb selten einen beruflichen Konflikt mit dem Einkauf, auch deshalb, weil innerhalb der Wertschöpfungskette Einkauf Entwicklung Produktion Vertrieb Logistik die beiden Einheiten Einkauf und Vertrieb weit voneinander entfernt sind. Von der Produktion ist der Vertrieb hingegen deutlich abhängiger, denn wenn die Produktion nicht termingerecht produziert, kann der Vertrieb seine Verspechen beim Kunden nicht einhalten. Hieraus kann sowohl auf Produktionsseite – Wieso werden Termine zugesagt, die wir niemals einhalten können? – als auch beim Vertrieb ein Konflikt entstehen.
Nehmen wir das Beispiel Autofahren im Stau (vgl. Beispiel 2).
Beispiel 2
Wenn ich auf der Autobahn im Stau fahre, sind viele Fahrzeuge vor mir. Alle fahren hintereinander her. Meistens weiß ich danach gar nicht mehr, wer im Stau vor mir fuhr. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich über das Fahrzeug direkt vor mir ärgere, ist sehr gering. Denn ich weiß ja, dass es ihm genauso geht wie mir, er hat keine andere Wahl, also keinen eigenen Handlungsspielraum.
Anders ist es, wenn das Fahrzeug vor mir ebenfalls von der Autobahn abfährt und dann gemächlich auf die Stadt zufährt. Da ich durch den Stau ohnehin zu spät dran bin, beginne ich mich über dasselbe Fahrzeug, hinter dem ich im Autobahnstau mehr oder weniger gelassen herfuhr, zu ärgern. Denn er könnte ja beschleunigen, rechts ranfahren, abbiegen oder sich in Luft auflösen. Er hat einen Handlungsspielraum.
Handlungsspielräume müssen nicht tatsächlich vorhanden sein, damit sie eskalierend wirken können. Es reicht leider auch aus, wenn eine Partei der anderen einen Handlungsspielraum zuschreibt, den die andere Partei aber in Wirklichkeit überhaupt nicht besitzt.
Das Beispiel eines Nachbarschaftskonflikts veranschaulicht die vier Faktoren. Stellen wir uns folgende Situation vor (vgl. Beispiel 3):
Beispiel 3
Familie Huber wohnt direkt neben Familie Gerber. Familie Gerber hat im Garten einen wunderschönen Apfelbaum, der aber Schatten auf die Tomaten von Frau Huber wirft. Frau Huber hat schon mehrfach angefragt, ob der Apfelbaum nicht zurückgeschnitten werden könne, damit ihre Tomaten mehr Sonne abbekommen. Ohne den gewünschten Erfolg. Herr Gerber hat zwar den Baum etwas zurückgeschnitten, aber natürlich sind die Tomaten immer noch die meiste Zeit im Schatten.
Wir haben hier also den Fall von zwei Parteien, die eigene Ziele und Interessen verfolgen. Beide Parteien besitzen einen eigenen Handlungsspielraum.
Fortsetzung Beispiel 3
Familie Gerber kann selbst entscheiden, ob und wie weit sie den Baum zurückschneiden möchte. Familie Huber hat natürlich deutlich weniger Spielraum, kann aber die Tomaten versetzen, bei den Gerbers nochmals nachfragen, einen Anwalt ins Spiel bringen oder den Streit auf andere Art und Weise eskalieren lassen. Im ungünstigsten Fall reden die beiden Parteien nicht mehr miteinander, sondern mit anderen Nachbarn übereinander.
Wie wichtig das Kriterium Abhängigkeit ist, wird durch folgende Unterscheidung deutlich: Wohnt Familie Huber „nur“ zur Miete neben den Gerbers, so bleibt ihr als Konsequenz aus dem Nachbarschaftsstreit auch der Umzug in ein anderes Haus. Ein schwieriger Schritt, aber möglich. Ungleich schwerer würde allerdings eine solche Entscheidung fallen, wenn Familie Huber im eigenen Haus wohnte, dieses im Schweiße ihres Angesichts erbaut hätte und auch noch monatlich Kreditraten an die Bank überweisen würde. Der Konflikt würde wahrscheinlich an Schärfe zunehmen und mehr und mehr eskalieren. Je größer die Abhängigkeit, desto schneller eskalieren Konflikte und desto mehr belasten sie.
Psychische Konflikte sind Konflikte, die wir mit uns selbst austragen (vgl. Beispiel 4).
Beispiel 4
Wir liegen auf der Couch, obwohl wir uns eigentlich vorgenommen hatten, etwas Sport zu machen. Wenn wir uns dann entscheiden aufzustehen, um eine Stunde joggen zu gehen, und uns anschließend wieder auf die Couch legen, haben wir den Konflikt gelöst. Falls wir allerdings mit schlechtem Gewissen auf der Couch liegen bleiben, dann leiden wir mehr oder weniger unter diesem psychischen Konflikt.
Diese psychischen Konflikte gibt es in den unterschiedlichsten Kontexten, ob privat oder beruflich. Im vorliegenden Buch konzentrieren wir uns auf soziale Konflikte.
Wichtiger als die Unterscheidung zwischen sozialen und psychischen Konflikten ist die Differenzierung zwischen einer Meinungsverschiedenheit und einem Konflikt.
Meinungsverschiedenheiten entstehen, wie es der Name schon sagt, wenn zwei Menschen unterschiedliche Meinungen haben. Bei einer Meinungsverschiedenheit über das methodische Vorgehen im Laufe einer Projektplanung wissen die Beteiligten, dass es darum geht, genau einen bestimmten inhaltlichen Punkt zu klären. Ähnlich verhält es sich, wenn unterschiedliche emotionale Zustände aufeinandertreffen. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise einer der Kollegen über eine Situation verärgert ist, während ein anderer dieselbe Situation eher gelassen betrachtet. Auch hier wissen die Beteiligten, dass nur die Einschätzung unterschiedlich ist. In diesen Fällen einer klassischen Meinungsverschiedenheit ist eine Bereinigung sehr einfach oder vielleicht gar nicht notwendig.
Meinungsverschiedenheiten zeichnen sich folgendermaßen aus:
1.Die Auseinandersetzung beeinträchtigt die Handlungen nur wenig.
2.Bei der Meinungsverschiedenheit geht es darum, mit seiner Meinung recht zu bekommen.
Konflikte zeichnen sich im Gegenzug folgendermaßen aus:
1.Die Auseinandersetzung beeinträchtigt die Handlung(en) einer oder beider Seiten stark.
2.Direkt Beteiligte können oftmals nicht genau darstellen, wie der Konflikt entstanden ist und/oder auf welchen Ebenen er sich abspielt.
3.Beim Konflikt geht es darum zu gewinnen.
Betrachten wir ein Beispiel einer Meinungsverschiedenheit (vgl. Beispiel 5).
Beispiel 5
Ihre Kollegen Kunz und Hermann geraten in einem gemeinsamen Meeting aneinander. Im Anschluss an das Meeting sprechen Sie Herrn Kunz darauf an. Er antwortet Ihnen: „Wissen Sie, es ist nichts Außergewöhnliches, dass ich mich mit Herrn Hermann über die Vorgehensweise im Projekt streite. Schon seit Projektstart sind wir uns da uneins, und jedes Mal, wenn es um dieses Thema geht, bekommen wir uns in die Haare. Er kann da so bockig sein. Ansonsten ist aber alles klar zwischen mir und meinem Kollegen.“
Herr Kunz kann klar abgrenzen, um welches Thema es geht, wann es begonnen hat und wer beteiligt ist. Selbst wenn Sie davon ausgehen, dass nicht nur Herr Hermann bockig ist, sondern auch Herr Kunz selbst seinen Anteil an der Meinungsverschiedenheit hat, bekommen Sie nicht den Eindruck, die Situation könne eskalieren.
Dies ist ein klassisches Beispiel für eine Meinungsverschiedenheit. Ganz anders stellt sich die Situation in folgendem Beispiel eines beruflichen Konflikts dar (vgl. Beispiel 6):
Beispiel 6
In einem Meeting werden Sie Zeuge eines Wortwechsels zwischen Ihren Kollegen Schmidt und Großmann. Auch in diesem Fall sprechen Sie einen der beiden nach dem Meeting an. Herr Schmidt antwortet Folgendes:
„Sie kennen ihn doch, immer wenn wir diskutieren, unterbricht er die anderen, geht dazwischen, obwohl er gar nicht eingebunden ist in dieses Thema und eigentlich auch keinerlei Ahnung davon hat.“ Sie fragen dann, seit wann dies so läuft, und erhalten folgende Antwort:
„Das geht schon ewig so, auch andere haben sich schon über ihn beschwert, Sie kennen ihn doch, er mischt sich eben in alles ein, auch damals schon bei Projekt X, Sie wissen doch, auch bei Projekt Y hatten wir diese unnötigen, ständigen Diskussionen mit ihm und seiner Abteilung. Sie waren ja auch schon dabei und wissen, wie es ist, wenn er sich einmischt.“
Hier wird sichtbar, dass sich Herr Schmidt mit einer eindeutigen Beschreibung schwertut. Allgemein lässt sich sagen, dass es den an einem Konflikt Beteiligten nicht leicht fällt, genau abzugrenzen, wann dieser begonnen hat, wer beteiligt ist und um welches Thema es sich handelt. Halbsätze, Wiederholungen und Generalisierungen (immer, nie, alles, …) bestimmen die Sprache. Zusätzlich versuchen die Beteiligten, die Gesprächspartner auf ihre Seite zu ziehen. Bemerkungen wie „das sehen Sie doch auch so, das ist Ihnen doch auch schon passiert, andere sehen das ähnlich“ bestimmen die Aussagen.
Wenn Sie also wissen möchten, ob einer Ihrer Kollegen, Nachbarn oder Freunde in einem Konflikt steckt, dann fragen Sie einfach nach und lassen Sie sich die Situation beschreiben. An der Antwort können Sie meistens erkennen, ob und inwieweit der Kollege an dem Konflikt beteiligt ist. Je mehr der oben genannten Kriterien Ihnen auffallen, desto tiefer steckt der Kollege im Sumpf.
Bisher waren die Beispiele wahrscheinlich ganz interessant zu lesen, und ich gehe davon aus, dass Sie die eine oder andere ähnliche Situation schon einmal beobachtet haben.
Jetzt geht es um Sie: Wie können Sie erkennen, dass Sie selbst in einem Konflikt stecken? Nach den oben genannten Kriterien ist dies ebenfalls einfach. Lassen Sie vor Ihrem inneren Auge einige Situationen auftauchen, in denen Sie hitzigere Diskussionen oder Konflikte erlebt haben. Nun beschreiben Sie diese und hören sich genau zu. Vermutlich werden Sie sehr rasch die Unterschiede erkennen. Wenn Sie eine Situation in wenigen Worten, klar und abgegrenzt beschreiben können, war es sicherlich kein Konflikt. Kommen Sie allerdings ins Stocken, wiederholen sich und sprechen in unvollständigen Sätzen, dann wird es sich wahrscheinlich lohnen, die Situation noch einmal näher zu betrachten.
Sieg oder Niederlage, Recht oder Unrecht? Auch daran lassen sich Konflikte von Meinungsverschiedenheiten unterscheiden.
Vielleicht beginnen wir diesmal mit Ihnen selbst bzw. mit Ihren eigenen Beispielen. Nehmen Sie doch bitte ein Beispiel, bei dem Sie zuvor vermutet hatten, es handele sich um einen Konflikt. Wollten Sie damals einfach nur recht bekommen oder ging es Ihnen mehr ums Prinzip, also darum, den Kollegen mal in die Schranken zu weisen? Wenn es darum ging zu gewinnen, dann ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass es ein Konflikt war.
Merke!
Beim Konflikt geht es darum zu gewinnen – bei der Meinungsverschiedenheit geht es darum, recht zu bekommen.
In einer Meinungsverschiedenheit sind Sie viel näher an inhaltlichen Fragen und Argumenten, und die Person, also der Gesprächspartner, tritt in den Hintergrund, getreu dem Motto: Mal hat der eine recht und mal der andere.
Kommen wir zurück auf Situationen, in denen Sie hitzige Diskussionen beobachten. Falls Sie den Eindruck haben, einer oder beide Gesprächspartner beharren stur auf ihrer Meinung oder lassen eigentlich gute Argumente nicht gelten, dann könnte es sich um mehr als nur um eine Meinungsverschiedenheit handeln. Wenn dann der vermeintliche Sieger nach der Diskussion das Thema nicht loslassen kann und in kleinen Runden nach Zustimmung sucht, können Sie von einem Konflikt ausgehen.