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Der historische Roman 'Trix' von Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem entführt den Leser in das Wien des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte folgt der jungen Trix, die als Waise in die Schauspielwelt eintaucht und dabei Liebe, Intrigen und Herausforderungen erlebt. Adlersfeld-Ballestrems eleganter Schreibstil fängt die Atmosphäre der Epoche detailreich ein und bietet ein fesselndes Leseerlebnis. Mit dieser Arbeit knüpft die Autorin an die Tradition großer historischer Romane an und zeigt ihr Talent für komplexe Charakterentwicklungen und lebendige Schilderungen. 'Trix' kann als Meisterwerk in der literarischen Darstellung des Wiener Lebens im 19. Jahrhundert betrachtet werden.
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Seitenzahl: 519
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Freifrau von Sulgenbach, Äbtissin des adligen Damenstiftes Marienthal, an Justizrat Dr. Klaus, Berlin:
Lieber alter Freund! Sie haben ganz recht, wenn Sie vermuten. daß Ihr letzter Brief an mich ein wenig meine Neugierde wachrufen würde über das »Warum« der von Ihnen verlangten Auskunft; ich stehe sogar nicht an, zu sagen, daß er mich sehr neugierig gemacht hat – aber da Sie hinzufügen. daß das Amtsgeheimnis Ihnen verbietet, sich näher darüber auszulassen, so darf ich nicht fragen und beschränke mich darauf. Ihnen mitzuteilen, was Sie wissen wollen.
Sie fragen mich, ob sich unter den meiner Direktion unterstellten Stiftsdamen eine Freiin Beatrix v. Dornberg befindet, welche Erziehung sie genossen hat, und was ich von ihrem Charakter halte.
Ja. Beatrix v. Dornberg, kurzweg Trix genannt. befindet sich sehr hier, augenscheinlich zu dem Zwecke, Ihrer alten Freundin, meiner Wenigkeit, zur Märtyrerkrone zu verhelfen und dieses ehrwürdige Haus in einem unbewachten Augenblick auf den Kopf zu stellen, wie es der Zweck ihres Daseins zu sein scheint. Eben höre ich sie mit gänzlicher souveräner Verachtung aller und jeder Hausregel auf dem Hauptkorridor schwatzen und singen, jetzt wird sie gleich wie ein Wirbelwind in mein Zimmer stürmen und zu irgend einer Ungesetzlichkeit meine Zustimmung haben wollen, und – Nein, sie wird diese Ungesetzlichkeit ohne meine Zustimmung begehen, denn ein verdächtiges Geräusch, das wie ein kurzes, scharfes »Sch – sch – – sch!« klang, sagt mir, daß sie das Treppengeländer hinabgerutscht ist, um sich zu dem Felde ihrer beabsichtigten Taten zu begeben.
Ich sehe Sie, lieber Freund, Ihre Augenbrauen hochziehen und ungläubig lächeln: »Rutschen in Marienthal die Stiftsdamen das Treppengeländer herunter? Hm! Da verdient doch aber diese Äbtissin –« – usw. usw.
Nein, lieber Freund, diese Art der Fortbewegung ist gottlob unter den Stiftsdamen noch nicht eingerissen, sintemalen sie meist durch ihr Alter – Gott sei Dank! auf einen solideren Weg angewiesen sind, und ich habe auch nur von Trix Dornberg gesprochen. Trotz dieses Einzelfalles aber glaube ich fest und steif, daß es ihr noch gelingen wird, mich aus Amt und Würden zu bringen, denn die Stimmen der Mit- Stiftsschwestern sind leider in der Mehrheit, welche Zeter schreien und sich wohl nächstens beim Stiftskapitel darüber beschweren werden, daß 1. ein Auswuchs wie Beatrix Dornberg in ihrer geheiligten und heiligenden Mitte geduldet wird, und 2. daß die Äbtissin viel zu schwach ist, besagten Auswuchs zu bändigen. Offen gesagt, ich wundere mich, daß diese Beschwerde noch nicht an das Kapitel abgegangen ist, trotzdem einen bei Dingen, die mit Trix zusammenhängen, nichts wundern dürfte. Also: sie ist da als wohlbestallte Residentin des Stiftes, und wenn kein Wunder geschieht, dann wird sie wohl auch hier bleiben, denn wenn man mich auch für ihre Streiche verantwortlich machen und als Äbtissin absetzen kann, so sind anderseits diese Streiche nicht derart, daß man sie deswegen aus dem Stifte relegieren könnte. Sie kam vor etwas mehr als einem Jahre achtzehnjährig als eine Waise unter meine mütterliche Obhut – ich brauche wohl nicht zu sagen als die jüngste meiner Stiftsdamen. Ihre Mutter war meine Kusine – der Tod hat sie leider schon geholt, als Trix, ihr einziges Kind, kaum zehn Jahre alt war. Franz Dornberg hat nach dem Verlust seiner Gattin nicht wieder geheiratet, sondern sich nur seinem einzigen Kinde gewidmet, das er vergöttert hat. Er war Besitzer des Landgutes gleichen Namens, das sich seit mehr als dreihundert Jahren in der Familie vom Vater zum Sohn vererbt hat. Alle Welt hielt die Verhältnisse für gut, aber als Franz Dornberg plötzlich starb, infolge eines Sturzes auf der Schnitzeljagd, da brach die ganze, künstlich gestützte Herrlichkeit zusammen und man erfuhr, mit welchem unverantwortlichen Leichtsinn der Abberufene, der im besten Mannesalter stand, gewirtschaftet hatte. Der Rennstall, der Turf hatten ihm sozusagen das Mark aus den Knochen gesogen, – der schöne Wald war verpfändet bis auf den letzten Stamm, Gut und Haus mit Hypotheken überlastet – auch ein paar just ablaufende Wechsel aus nicht ganz lauterer Quelle stellten sich ein – kurz, der Niedergang war da, unerwartet und darum um so überwältigender. Aber Sie müssen nicht denken, daß Franz Dornberg mit bewußtem Leichtsinn in sein und seines Kindes Verderben gerannt ist – o nein! Ich habe ihn sehr genau gekannt. Er war ein Mensch von seltenen Herzenseigenschaften, ein tadelloser, fleckenloser Charakter, der treueste Freund, wo er vertraute – aber leider vertraute er immer; für seine Begriffe gab es keinen Eigennutz, keine berechnete Schlechtigkeit in der Welt – es fiel ihm nicht im Traume ein, Nachteiliges über einen anderen Menschen zu glauben, und wenn er's Schwarz auf Weiß bekam, dann hatte er gewiß noch eine Entschuldigung dafür. Und zu dieser wahrhaft himmlischen Vertrauensseligkeit in bezug auf seinen Nächsten gesellte sich eine geradezu kindliche Vorstellung und Unkenntnis alles Geschäftlichen, eine übernaive gläubige Zuversicht auf das »Inordnungkommen« der verwickelten finanziellen Angelegenheiten seines Besitzes, oder was er noch in vollkommener Selbsttäuschung dafür hielt. Er war überzeugt davon, daß die Geschichte sich ganz hübsch ordentlich »abwickeln« würde, daß er von dem Erbteil seines Kindes auch keinen Deut gefährdete – sonst hätte er auch, bei Gott, nicht in dieser Weise gewirtschaftet. Und an die Möglichkeit eines jähen Endes hat er mit demselben gläubigen Vertrauen auf seinen gesunden Körper und seine 45 Jahre natürlich auch gar nicht gedacht.
Und nun war das Unglück da, und was er an fahrender Habe besessen, reichte nicht einmal hin, den Haufen unbezahlter Rechnungen zu begleichen, der sich, ganz hübsch geordnet, nach seinem Tode vorfand. Das Vermögen war hingegangen in ein Nichts und auch die ganz anständige Mitgift meiner Kusine zerronnen wie das andere.
Da saß nun das arme Kind da, entblößt von allen und jeden Mitteln, und die Subhastation ließ ihr kaum das Nötigste – es mußte alles zur Masse geschlagen werden, was nicht als ihr persönliches Eigentum zu retten war, und von dem gab sie ohne Bedenken noch hin, was irgendeinen Wert repräsentierte – zur Ehrenrettung für ihren geliebten Vater.
Da natürlich auch kein Testament da war, wurde das Gericht Vormund der Waise, und da sich von den früheren Freunden Franz Dornbergs keiner fand, der das arme Ding zu sich genommen hätte – die Verwandten hatten sich überhaupt nicht gerührt – so mußte es sein Mündel auch irgendwo unterbringen. Zu diesem Zwecke hat man die humane Einrichtung der Armenhäuser, und eins wäre auch sicherlich des verwöhnten Mädchens Asyl geworden, wenn ich, auf Grund stark an den Haaren herbeigezogener Familienbeziehungen zwischen den Dornbergs und der Stifterin von Marienthal, es bei dem Kuratorium nicht durchgesetzt hätte, daß man Trix Dornberg in meinem Stift unterbrachte. Das ist ja nun freilich in den Augen vieler nichts Besseres als ein Armenhaus unter anderem Namen, aber es ist ein Dach über dem Haupte, ein gedeckter Tisch, ein kleines Einkommen und verhältnismäßige Unabhängigkeit oder doch ein annähernder Ersatz dafür.
Wenn ich sagte, daß die Verwandten und Freunde der Dornbergs sich nicht gerührt hätten, etwas für Trix zu tun, so ist dies scheinbar ein zu hartes und bitteres Urteil, denn tatsächlich haben drei Anverwandte und zwei Fremde sich erboten, das Mädchen zu sich zu nehmen. Gewiß. Aber von zwei Seiten war dies Anerbieten so demütigend, daß auch ein weniger stolzer Charakter, als es Trix ist, sich dafür bedankt hätte; im dritten Falle sollte sie als Entgelt für die Aufnahme im Familienkreis fünf Kinder im Alter von 1–6 Jahren beaufsichtigen, und sie hat gottlob vorher erkannt, daß dies eine für sie unmögliche Aufgabe war; ebenso der Posten als Krankenpflegerin bei einer alten Dame, den man ihr gegen Kost und Logis in vierter Reihe bot. Das fünfte Angebot war herzlich und gut gemeint, aber die armen Leute hatten es selbst so knapp, daß Trix sagte, sie hätte sich geschämt, das karge Brot dort durch ihren guten Appetit zu verkürzen. Der Bruder ihrer Mutter, mit dem diese sich durch ihre Vermählung entzweite, hat sich überhaupt nicht gemeldet, um sich seiner Nichte anzunehmen, trotzdem der gute Mann im Mammon schwimmen soll, und Trix hat sich geweigert, an eine Tür anzuklopfen, die selbst verschlossen blieb, als ihre Mutter starb. Sie werden den bewußten Herrn vielleicht kennen oder von ihm gehört haben – es ist der Graf v. Zell, welcher die Herrschaft Frauensee besitzt, auf der er wie ein menschenscheuer Klausner hausen soll.
Nun werden Sie vielleicht fragen: blieb denn der jungen Dame kein anderer Weg, sich selbständig fortzuhelfen, wie es so viele arme Mädchen tun müssen?
Lieber Freund, dazu bedarf es denn doch einer anderen Erziehung, als Trix Dornberg sie genossen hat, und ihre Erziehung war überhaupt keine, sondern sie ist aufgewachsen wie ein Füllen. Und nicht einmal das, denn das Füllen kommt in einem gewissen Alter an die Leine, und die hat Trix nie gespürt. So lange ihre Mutter lebte, ging die Sache den gewöhnlichen Gang mit Gouvernante und Ortspfarrer. Als meine Kusine starb, blieb wohl die Gouvernante, doch mit ihrer Autorität war's vorbei, denn Herr v. Dornberg behauptete, die »Erziehung« seiner Tochter ganz allein übernehmen zu wollen. Und worin bestand dieselbe? Daß er Trix zur besten Reiterin Europas machte (so sagte er wenigstens), daß er sie in allen Tollheiten, die in ihrem Kopfe entsprangen, brav unterstützte, und daß er ihr seine anständigen Gesinnungen und seinen tadellosen Charakter zur Richtschnur fürs übrige Leben machte. Was sie sonst noch an Wissenschaften sich zu eigen machte, ist, fürchte ich, blutwenig – sie würde sich damit nicht das Salz aufs Brot verdienen, geschweige denn das Brot selbst. Aber ich glaube, sie würde mit einigem guten Willen alles das spielend nachholen, was sie bisher nicht gelernt hat; sie ist musikalisch höchst begabt und spielt die Violine bezaubernd, aber nicht wie jemand, der Musik studiert hat, sondern wie der Zigeuner, als Autodidakt. Und damit ist auch in der Praxis nichts zu verdienen, ganz abgesehen davon, daß Trix zum Lehren die Kardinaltugenden fehlen, nämlich die Geduld und die Ausdauer. Die hat sie nur beim Zureiten ihrer Pferde und im roten Felde bewiesen, aber was nützt ihr das jetzt?
Nun zum dritten Teil Ihrer Frage: was ich von ihr halte? Lieber Freund, als Trix unter dem doppelten Eindrucke des Verlustes ihres heißgeliebten Vaters und des Zusammenbruchs ihrer irdischen Besitztümer in das Stift kam, war sie still und ernst genug. Aber die Jugend hat gesiegt – Gott sei Dank sage ich als Christin, Freundin und vorurteilsloser Mensch – leider sage ich als Vorsteherin dieses Stiftes. Ich habe auch gehofft, daß sie es überwinden würde und Gott inbrünstig darum gebeten, denn ich habe gefunden, daß sich der Charakter dann so oft nach einer anderen, unvorteilhaften Seite herauswächst, wenn er in seiner natürlichen Entwicklung durch innere oder äußere Einflüsse gehemmt wird. Trix Dornbergs gesunde Natur ist Herr geworden über ihre Trauer, und was den Umschlag in ihren Verhältnissen betrifft, so hat sie das für den Augenblick erschreckt, aber tiefer ergriffen hat es sie nicht. Den Vater betrauert sie, den Mammon nicht; es verbittert sie nicht einen Moment, arm zu sein, wie es sie nicht übermütig machen würde, plötzlich reich zu werden. Und das entspringt einfach aus der souveränen Verachtung der Jugend gegen das Materielle. Trix ist nichts weniger als gleichgültig, es ist alles in ihr Leben, Bewegung, Aufmerksamkeit, und wenn ich sie mit etwas vergleichen soll, so muß ich's – Gott verzeih' mir die Sünde – mit einem jungen Hunde tun, für den das Dasein den Zweck hat, es zu seinem Pläsir auszunutzen, dem kein Ding zu gering ist, damit zu spielen, der sich an die Kleidungsstücke von alt und jung, hoch und nieder anhängt und daran schüttelt, weil ihm das Spaß macht, und er absolut nicht begreifen kann, daß man doch Unterschiede machen muß.
Für Trix ist nun das unselige Stift hier, was einem jungen Hunde willkommenes Spielzeug ist.
Trix war im Hause ihres Vaters unumschränkte Gebieterin, sie durfte tun und lassen, was ihr beliebte, und ihr heiteres, urwüchsiges Naturell erfuhr keinerlei Einschränkung – um mit Franz Dornberg zu reden: sie hat nie die Kandare gespürt, kaum daß ein gelegentlicher Ruck an der Trense sie darauf aufmerksam machte, daß das Leben zu etwas anderem da sei, als den halben Tag im Sattel zu sitzen und die übrige Hälfte zuzusehen, wen sie mit einem Ausdruck ihres sorglosen Übermutes »beglücken« könnte.
Im Stifte Marienthal bin ich nominell Äbtissin – die eigentliche Herrscherin darin ist aber Trix Dornberg – daran läßt sich nichts beschönigen. Sie hat damit angefangen, sich das dienende Personal zu unterjochen, und die meisten ziehen mit strahlendem Lächeln an ihrem Triumphwagen. Nachdem sie in den unteren Regionen gesiegt hatte, ging Trix gegen die Stiftsdamen vor. Was half's, daß ich mit allem mir zu Gebote stehenden Ernste einschritt? Ich habe keine Autorität vor den lustigen blauen Augen, und wenn mir mit einem Kuß, daß mir Hören und Sehen vergeht, lachend gesagt wird: »Na, laß nur gut sein, alte Tante, du freust dich ja doch, wenn man deine alten, mausrigen Vogelscheuchen mal 'n bissel aufmöbelt« – so ist dies eine Unterstellung, vor der man eben verstummt. Nun, die meisten lassen sich ja alles gutmütig, willig oder widerwillig von ihr gefallen und finden im Grunde den frischen Wind, der mit Trixens Gegenwart durch das Stift weht, unterhaltend und erfrischend; aber es gibt unter den Damen immer sauertöpfische und humorlose Wesen, die unter allen Umständen als Verbrechen und Niederträchtigkeit auffassen, was nichts als harmlosester, jugendlicher Übermut ist. Trix vor diesen zu warnen, ist leider ganz verlorene Liebesmüh. »Laß nur gut sein«, sagt sie dazu mit einer großartigen Handbewegung, »mit den alten fossilen Giftbollen werde ich schon fertig werden.« – Und dann hallt das Stift wider von dem Zetergeschrei dieser Unglücklichen, denen Trix einen Beweis ihrer unerschöpflichen Erfindungsgabe auf dem Gebiete des Streichespielens gegeben hat. In der letzten Zeit betreibt sie das Geschäft des »Kasperstellens« mit einem Ernst und einer Gründlichkeit, die mich schon an den Rand der Verzweiflung gebracht hat, wovon drei Entwürfe von Briefen an das Stiftskapitel Zeugnis geben, in welchen ich mein Amt feierlich niederlege und Trix Dornberg als Nachfolgerin in Vorschlag bringe. Denn es ist meine feste Überzeugung, daß sie da Tüchtiges leisten kann, wo sie etwas zu tun hat. Aber originell, amüsant und etwas gewaltsam wird besagtes Tüchtiges trotzdem bleiben. Trix hat aber ein sehr gutes, liebreiches Herz, das nur von seinen Schlacken befreit zu werden braucht, um über all ihre kleinen und großen Fehler zu siegen, und wenn man den Weg zu ihrem Herzen findet, vermag man viel, vielleicht alles über sie. Unter allen Umständen aber ist sie nicht aus dem Dutzend, sie ist nicht in einen Topf mit dem Durchschnitt zu werfen, und sie hat Tugenden, die gar nicht so häufig sind, daß man sie nicht extra nennen sollte: sie ist ohne Falsch und wahr bis zur Rücksichtslosigkeit, und dann ist sie treu bis zu der Grenze, welche die Mehrzahl der Menschen in ihrer Größe nicht faßt und darum lächerlich nennt.
Das Bild zu vollenden, muß ich doch auch noch sagen, daß Beatrix Dornberg sehr hübsch ist. Manche werden sie vielleicht schön finden, aber ich glaube, das ist zu viel gesagt. Ihre Mutter war gar nicht hübsch, aber sie hatte eine Schönheit: ihre wundervollen blauen Augen, wirklich blaue Augen, von jenem herrlichen, reinen Porzellanblau, wie man es nur selten sieht – wir nannten sie scherzweise immer die »Delfter Augen«. Und diese Augen hat Trix von ihrer Mutter geerbt, doch im übrigen gleicht sie mehr ihrem Vater, der immer als schöner Mann gegolten hat. Sie hat den echt Dornbergschen Flachskopf, zu dem die dunklen Brauen und Wimpern so scharf kontrastieren, daß man das allein wohl schon als Schönheit bezeichnen kann. Auf alle Fälle wirkt es interessant und äußerst pikant. Die kurze gebogene Nase ist vielleicht zu kurz, der sonst reizend geschnittene Mund mit den herrlichen Zähnen am Ende zu groß, das Kinn zu fest und energisch, dafür aber hat sie, wenn sie lacht – und sie lacht sehr viel und eigentlich über alles – in den Wangen zwei Grübchen, denen zu widerstehen schwer, wenn nicht schlechthin unmöglich ist. Ihr Teint triumphiert in seiner gesunden Klarheit über alle Mißhandlungen seiner Besitzerin. Von Gestalt unter Mittelgröße, ist sie aber von tadellosen Proportionen. Nun, lieber Freund, habe ich alles gesagt, was Sie wissen wollen und vielleicht noch mehr. Ich bin neugierig, ob Sie sich in allem ein richtiges Bild meiner jüngsten Stiftsdame machen werden. Ich wünsche ihr – und hieraus spricht nicht etwa schnöder Egoismus – ich wünsche ihr ein besseres Los, als hier im Stifte zu bleiben, denn selbst eine so sonnige Natur wie die ihrige muß in dem einförmigen Leben versauern und geistig einschlafen. Mit unseren zeitweiligen Residentinnen ist's ja etwas anderes, die treten nach ihren alljährigen, vorschriftsmäßigen drei Stiftsmonaten wieder in die Welt zurück und holen sich dort frische Anregung, aber unsere ständigen Residentinnen sind eben die ganz Armen, denen, wenn's hoch kommt, mal eine kurze Einladung zu Freunden und Verwandten blüht, und denen man es gar nicht einmal zur Last legen kann, wenn sie sich nach und nach zu »fossilen Giftbollen« ausbilden, um in Trixens eigenem Deutsch zu reden. Es mag um viele unter ihnen schade sein, aber noch mehr schade wär's um Trix, wenn das ihr Los sein sollte. Doch sie ist ein Sonntagskind, und darauf bau' ich meine Hoffnungen. Vielleicht hat Ihre Anfrage damit etwas zu tun, trotzdem ich mir bei allem Kopfzerbrechen nicht denken kann, in welchem Zusammenhange – aber daß Sie nicht aus eitler Neugierde gefragt haben, das muß der harmloseste Mensch sich an den Fingern abzählen können, und wenn ich ja auch nicht fragen darf, so steht's mir doch frei, Vermutungen zu hegen, und voll von diesen bin und bleibe ich allzeit Ihre treue alte Freundin
Anna von Sulgenbach
geb. Gräfin Zell
Stift Marienthal, den 7. September 189 . .
Acht Monate, nachdem die Äbtissin von Marienthal diesen Brief geschrieben hatte, also Ende April im Jahre des Heils 189., stand diese würdige, wohlbeleibte und unendlich freundlich aussehende Dame an dem Tisch ihres Wohnzimmers und sah die angekommenen Postsachen durch, indem sie die für die Stiftsdamen bestimmten Briefe aus der Posttasche auf ein silbernes Tablett legte, das ein sehr alter, feinlivrierter Diener, neben dem Tische stehend, in der Hand hielt, und die an ihre eigene Adresse gerichteten Schreiben zur Seite tat. Es bildeten die letzteren immer ein ganzes Häuflein für sich, denn das Stift war groß und die »Regierungsgeschäfte« demgemäß auch ziemlich umfangreich.
»Warten Sie mal, Krause«, sagte Frau von Sulgenbach, als der Diener sich entfernen wollte. »Sie können gleich die Briefe mitnehmen, die den Herrn Verwalter angehen – so, alle die grauen, blauen und gelben Kuverts mit den Geschäftsfirmen darauf. Was an ›das Stift‹ adressiert ist, bekommt, wie Sie wissen, der Verwalter zur Erledigung, was an ›die Äbtissin‹ gerichtet ist, muß ich lesen. So, nun können Sie gehen. Was ist das? Ein Brief von Freund Klaus – wird zuerst gelesen!« Die Äbtissin öffnete das fragliche Schreiben und begann zu lesen, während der alte, im Dienste des Stiftes ergraute Diener noch die Zeitungen unter den Arm nahm und langsam aus dem Zimmer zu schuffeln begann. Aber kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, als er auch schon wieder zurückgerufen wurde.
»Krause!« rief Frau von Sulgenbach ihm entgegen, und es war deutlich zu hören, daß sie erregt war, »Krause, bitten Sie einmal gleich Fräulein von Dornberg, zu mir zu kommen, das heißt, wenn Sie wissen, wo sie ist.«
»Det kann man mit Bestimmtheit nie nicht sagen«, meinte das alte Faktotum mit einem leisen Schmunzeln. »Vor 'ner Stunde etwa sind die gnädige Fräulein Baronesse bei dem Herrn Verwalter in der Frau Verwalterin ihre Wohnstube – 'rinjejangen kann man nich sagen, aber durch det Fenster, auf den Weinspalieren ruff, sozusagen 'rinjeklettert!«
»Aber, Krause!« sagte die Äbtissin erregt.
»O, die Spaliere sind fest«, tröstete der alte Diener, seine Herrin total mißverstehend.
»Das habe ich nicht gemeint«, fuhr Frau von Sulgenbach zum Überflusse auf. »Wer hat denn das wieder gesehen?«
»Ick selber hab's jesehen, Exzellenz zu befehlen«, sagte der alte Diener nun übers ganze Gesicht schmunzelnd. »Et jing nur so – eins, zwei, drei! Exzellenz hätten et höchstselbst jar nich so flink zuwege jebracht –«
»Aber Krause!« fiel die Äbtissin nicht nur erregt, nein, ganz empört ein.
»Wenn Exzellenz sich herabjelassen hätten, es tun zu wollen«, vollendete der Diener mit unerschütterlichem Gleichmut, und die Äbtissin wandte sich rasch ab, ein unwillkürliches Lächeln zu verbergen, denn sie hatte Humor, und die Empörung hielt dem nicht stand.
»Was wollte denn die Baroneß bei Verwalters?« fragte sie, mehr um Zeit zu gewinnen, als aus besonderer Wißbegier.
»Det kann ick Exzellenz for janz jewiß noch nich sagen«, erwiderte Krause. »Ick habe nur jehört, wie die Baroneß 'raufschrien: ob der Barbuz schonst da wäre.«
»Was ist denn das?« fragte die Äbtissin hilflos.
»Sozusagen der Barbier«, erklärte Krause bereitwilligst. »Baronesse geruhen ihn aber ›Barbuz‹ zu nennen und ihn allemal allergnädigst etwas zu uzen, wenn er um den anderen Tag herkommt, den Herrn Verwalter zu balbieren.«
»Aha!« sagte die Äbtissin nicht ohne Verständnis. »Aber«, setzte sie energisch hinzu, »aber um den Barbier zu uzen, braucht man doch nicht durchs Fenster zu steigen!«
»Hat man absolut nich notwendig, Exzellenz«, gab Krause wohlwollend zu. »Baronesse jeruhten auch noch hinzuzusetzen: Heut' soll Barbuzelchen mich mal unter die Klauen kriegen und mir mit Schwung die Haare schneiden!«
»Nein –!« entfuhr es der Äbtissin im ersten Schrecken, aber schnell gefaßt setzte sie hinzu: »Baronesse haben natürlich nur gescherzt. Wenn Sie sie also sehen, Krause, dann sagen Sie ihr, ich ließe sie zu mir bitten!«
»Zu Befehl«, sagte Krause und entfernte sich wieder. Die Äbtissin genehmigte sich zunächst einen tiefen Seufzer und einen raschen, hastigen Gang durch das Zimmer – ein Zeichen, daß etwas sie beunruhigte.
»Sie wird doch nicht etwa –« murmelte sie vor sich hin, aber sie kam nicht weiter, denn die Tür öffnete sich und herein kam, nein, sauste die zierliche Gestalt eines sehr reizenden jungen Mädchens, dem die schwarze vorschriftsmäßige Stiftstracht nichts von der sonnigen, siegenden Glorie nehmen konnte, die von ihrem lichtblonden Kopfe und den strahlenden blauen Augen ausging. Sie hielt in den Händen einen langen, dicken Strähn flachsblonder Haare und legte diese mit einem graziösen Knicks der fast versteinerten Äbtissin zu Füßen.
»Was soll das heißen?« fragte diese mit total mißglückter Strenge.
»Das ist der Zankapfel, Tantel«, war die fröhliche Antwort, und auf eine ausdrucksvolle Handbewegung der alten Dame hin, setzte sie mit sichtlichem Behagen hinzu: »Na, nun siehst du mal, was ich alles für dich tun kann. Seit Monaten klöhnst du mir vor, daß meine Frisur immer verrauft ist und mein Kopf aussieht wie ein Donnerbesen. Aber meine Schuld war das faktisch nicht ganz, denn die dummen Haare sind von selbst so kraus, daß man mich zehnmal kämmen kann, ohne daß es was nutzt. Und gestern abend, wo du so schlechter Laune warst, machst du mir den Trara und sagst mir, ich wäre mit dem verrauften Kopfe die Schande und Vogelscheuche des ganzen Stiftes, und wenn ich das nicht änderte, dann würdest du mir die Haare abscheren lassen wie einem Zuchthausträfling. Hübsch war das nicht von dir, Tante, aber gutmütig wie ich nun einmal bin, dachte ich mir: bon! wir wollen ihr den Willen tun und ihr die Freude machen – fort mit den Haaren! Na, und da hast du sie und mich minus!«
Die Äbtissin machte ein Gesicht, als ob sie weinen wollte.
»Die schönen Haare!« jammerte sie. »Trix, Trix, du bist noch mein Tod!«
Trix legte den Kopf, der mit seinem kurzen, flachsblonden Kraushaar sehr reizend aussah, auf die Seite und sah die Äbtissin kritisch an. Dann faßte sie Frau von Sulgenbach um die umfangreiche Taille und zog sie vor den nächsten Spiegel.
»Da sieh dich mal an, ob du nach ›Tod‹ aussiehst,« rief sie übermütig. »I bewahre – ich bekomme dir ganz vorzüglich! Seit ich im Hause bin, hast du mindestens, na sagen wir einen halben Zentner, zugenommen. Apropos, findest du nicht, daß die kurzen Haare mir famos stehen? Der Barbuz sagt, wenn sie sich erst dran gewöhnt haben, werden sie besser fallen, und es kommt dann auch mehr Schwung in die Frisur. Und jetzt werde ich immer ordentlich aussehen. Na, was sagst du nun dazu?«
»Kleiden tut's dich, das ist wahr«, gab die Äbtissin zu. »Aber die schönen langen Haare! Und was werden die Damen dazu sagen?«
»Du, darauf freue ich mich diebisch«, versicherte Trix, indem sie auf einem Bein in der Stube herumhüpfte. »Und von meinen Haaren verteilen wir Locken, oder du läßt auf Stiftskosten Armbänder davon flechten, wie zur Biedermeierzeit – das wird die guten alten Dinger so anheimeln –«
»Trix, Trix! Du wirst auch mal so ein altes Ding werden –«
»Wenn ich nicht jung sterbe, Tantel«, war die vergnügte Antwort. »Aber ich habe überhaupt keine Lust, hier zu sterben. Ja, mach' nur Augen! Irgend etwas wird geschehen, ich werde einen Beruf ergreifen und mich auf meine eigenen Füße stellen, das werde ich. Nicht wahr, Tantel, das nimmst du mir nicht übel, weil ich dir das Asyl hier eigentlich verdanke, aber – aber das wirst du mir doch selbst zugeben, daß es hier zum Auswachsen ist!«
»Na, das letztere besorgst du ja ganz brav, und das ist wieder für mich zum Auswachsen«, erwiderte die Äbtissin trocken, aber dann seufzte sie ein wenig und setzte ehrlich hinzu: »Nein, ich nehm' es dir nicht übel, Trix. Ich sehe nur nicht ein, was du anfangen willst.«
»Gott, ich hab' ja auch daran gedacht. Tag und Nacht zerbrech' ich mir den Kopf darüber. 's wahr! Zwar, in der Nacht schlaf' ich meistens, aber dann träume ich davon, und das ist dasselbe, als wenn ich auf dem Bettrand hockte, statt in der Klappe zu liegen. Ist's nicht dasselbe? Na, das tut auch nichts, aber so bei Tage, da plagt's mich oft fürchterlich. Wenn ich so der Mamsell beim Ausgeben helfe und mir dabei die Taschen voll Mandeln, Rosinen und Backpflaumen stopfe und mich dann in mein Zimmer setze, um das Zeugs so peu-á-peu aufzufuttern, dann kommt's besonders über mich – das Nachdenken nämlich. Es denkt sich sehr gut nach, wenn man dabei etwas knabbert, besonders bei Haselnußmakronen, aber damit ist die Mamsell so gnietschig, ich kann's dir gar nicht sagen, und die Blechbüchse, worin sie die Makronen aufhebt, bewacht sie mit Argusaugen – Ja, was ich sagen wollte, was meinst du, wenn ich Konzerte gäbe?«
Die Äbtissin lächelte.
»Da müßtest du doch vorher erst das Nötige lernen«, sagte sie. »Ich habe aber die Bemerkung gemacht, daß du die Geigenstunden beim Herrn Kantor in letzter Zeit mit Vorliebe geschwänzt hast –«
»Hab' ich auch«, gab Trix ohne weiteres zu. »Siehst du, diese Geigenstunden waren eine sehr nette Idee von dir – ich sollte was lernen, und der Kantor sollte was verdienen. Na ja – ich kann's aber besser als er, und nachdem ich ihm meine Doppelgriffe und Septimengänge beigebracht hatte, hab' ich mich mit Geschäften gedrückt, denn nun weiß ich allein nichts mehr, und es ist doch peinlich, wenn man so dasteht, und der Lehrer begreift so schwer, was man ihm einpauken will –«
Die Äbtissin nickte, denn was Trix sprach, war die lautere Wahrheit – sie war des Lehrers Lehrerin, und der gute Mann mit seinem bißchen pedantischen Können stand einfach starr vor dem kühnen, ungeschulten Genie. Und dieses große Talent versumpfte und erlahmte auch im Stift mitsamt dem jungen, blühenden Leben.
»Ich kann's mir schon denken, daß man zum Konzertegeben noch eine Unmasse lernen müßte«, fuhr Trix fort, die Stuhllehne bearbeitend. »Wenn ich bloß noch was anderes könnte, aber es macht mir auch nichts anderes Spaß, als Geigen und Reiten – hurra!« schrie sie auf, daß die Äbtissin zusammenfuhr. »Hurra, ich hab's! Geigen möcht' ich und kann's nicht, und reiten kann ich und darf's hier nicht, weil ich keine Pferde habe, aber das macht mir so bald keine andere nach! Das war ja Papas Stolz, daß ich eine hohe Schule reiten konnte und die Fahrschule auch wie keine zweite! Ich geh' zu Renz und lasse mich als Schulreiterin engagieren!«
Die Äbtissin streckte abwehrend beide Hände aus. »Trix – ich bitte dich!« rief sie entsetzt. »Das solltest du nicht einmal im Scherze sagen.«
»Ich sag's auch gar nicht im Scherz, es ist mir voller Ernst damit«, versicherte Trix, den Stuhl an einem Bein balancierend. »Nein, daß ich auch darauf nicht früher gekommen bin! So dumm! Nicht wahr, Tantelchen, ich darf morgen gleich nach Berlin fahren zu Renz. Mein Reitkleid hab' ich ja noch, auch noch den roten Rock zur Hubertusjagd, bloß der Zylinder ist etwas ruppig, aber den bügelt der Hutmacher wieder auf –«
»Schwatze keinen Unsinn!« rief die Äbtissin ärgerlich. »Eine Dornberg Kunstreiterin! Da hörte doch alles auf!«
»Das seh' ich nicht ein«, behauptete Trix.
»Das ist auch gar nicht nötig, wenn ich's nur einsehe«, war die scharfe Entgegnung, die von Trix mit einem absolut harmlosen Lachen aufgenommen wurde.
»Sehr richtig, Tantchen«, lobte sie. »Dabei mußt du auch bleiben, damit du dir nachher deine Hände in Unschuld waschen kannst. Ich gebe dir zu, daß du von deinem Standpunkt aus nicht ›ja‹ sagen darfst, aber ich werde eben einfach ausreißen. Damit ist die Sache erledigt, und auf den Vormund Gericht pfeife ich, und wenn ich nicht pfeifen darf, dann wart' ich noch ein bissel, bis ich majorenn bin!«
»Und in der Zwischenzeit kannst du dir dein Kleid flicken«, sagte die Äbtissin halb lachend, halb ärgerlich, indem sie auf ein mächtiges Dreieck zeigte, das an Trixens linker Seite klaffte. Letztere sah sich den Schaden kritisch an.
»Das muß auf dem Weinspalier passiert sein, da stehen so viele Nägel heraus«, erklärte sie. »Wird besorgt. Ich habe noch einen Strähn rosa und grün schattierte Seide, damit werde ich das Loch stopfen –«
»Aber Trix – ein schwarzes Kleid –«
»Na, sieh dies doch mal an, ob das nicht fein aussieht«, meinte Trix, indem sie dicht vor der etwas kurzsichtigen Äbtissin ihr Gewand weit auseinanderbreitete wie zum Serpentinentanz und sich auf den Zehenspitzen dabei herumdrehte. »Siebenundzwanzig Löcher habe ich darin schon gestopft, und fast jedes mit einer anderen farbigen Seide, das macht den schwarzen Stoff so heiter, und wenn er erst über und über gestopft ist, dann wird er aussehen wie mit Blumen übersät. Fein, was?«
Der Äbtissin versagte die Sprache, und kraftlos sank ihr Arm mit der emporgehobenen Lorgnette herab. – »In dem Kleide darfst du dich nicht mehr zeigen«, mit den Worten fand sie endlich die Sprache wieder. »Das ist ja ein Skandal, wie du herumläufst – ich werde dir ein anderes schenken.«
»Danke, danke«, rief Trix, zärtlich ihrer Hände Werk betrachtend. »Aber siehst du, Tantel, das lohnt sich nicht, die dummen Stoffe zerreißen wie ungescheut, und überall gibt's so tückische Nägel und Splitter, die nicht eher Ruhe haben, bis sie den Stoff erwischen. Und dann, wenn ich so 'n Loch stopfe, dann tauf' ich's immer gleich – die hier rechts haben die Namen von unseren Damen – das kanariengelbe bist du – hinten da sind die Stiftsbeamten, und links habe ich mit den Sternbildern angefangen – ich glaube, das Loch hier wird der ›große Bär‹ genannt werden, denn da hab' ich ein paar Stunden daran zu stopfen. Man kann auch englisches Pflaster darunterkleben, meint Krause, aber das sieht doch nicht so hübsch aus. Apropos, Krause sagte mir, daß ich zu dir kommen sollte, was ist den los?«
»Ach du himmlischer Vater, das hätte ich ja fast über den ganzen Quatsch vergessen!« rief die Äbtissin. »Aber da bist du schuld, man hat immer so viel mit dir zu tun, sobald du dich nur sehen läßt! Ja – ich habe einen Brief bekommen von meinem alten Freunde Justizrat Klaus, der mich bittet, dir mitzuteilen, daß dein Onkel, Graf Rudolf von Zell auf Frauensee, gestorben ist.«
»Aha!« sagte Trix sehr gleichgültig. »Das heißt natürlich, es tut mir leid – aber nicht sehr, denn ich habe den Onkel nie im Leben gesehen und weiß nur, daß Papa ihn höllisch auf dem Striche hatte. Warum, hat er mir nie gesagt, und ich habe auch nie gefragt.«
»Ach«, meinte die Äbtissin, »die Sache ist eigentlich nicht recht begreiflich, wenigstens nicht für mich. Rudolf Zell war mit einer berühmten Schönheit verlobt, als er noch ein armer Kavallerieleutnant war – da kam dein Vater – mehrere Jahre bevor er deine Mutter heiratete – und da er nicht nur ein sehr schöner Mensch war, sondern auch damals recht vermögend, so gab die Schönheit Rudolf Zell den Laufpaß und verlobte sich mit deinem Vater. Von dem Augenblick an stammt die Todfeindschaft. Bald darauf fand die Schönheit – nun deines Vaters Braut – einen holländischen Millionär, der sich sterblich in sie verliebte, und da gab sie deinem Vater den Laufpaß und heiratete den Schlotkönig. Das hätte eigentlich Rudolf Zell die Augen öffnen müssen, aber er blieb blind bei seinem Haß. Als sich bald darauf seine eigne Schwester mit deinem Vater verlobte, da sagte er sich völlig von ihr los und hat auch allen Versuchen zu einer Versöhnung zum Trotz an seinem hartnäckigen Zorn festgehalten. Eine unerwartete Erbschaft hat er dann sehr glücklich angelegt und schließlich die Herrschaft Frauensee erworben. Er hat dann geheiratet, aber leider nicht glücklich – seine Frau, eine Truchseß vom Westerwald, lebte meist von ihm getrennt in Rom und ist dort auch gestorben; Rudolf Zell aber hat als verbitterter Einsiedler, menschenscheu und allein mit seinem Haß und seinem Unglück in dem großen Hause, das ein ehemaliges Nonnenkloster ist, gelebt, ohne Kinder, gemieden von den Verwandten, ohne Freunde und ohne Liebe. Und so ist er denn auch gestorben.«
»Der arme Mann«, sagte Trix bedauernd, und als die Äbtissin sie ansah, setzte sie hinzu: »Das ist doch auch traurig, wenn einer solch ein verstocktes Herz hat, daß er's nicht über sich bringen kann, zu sagen: ›Laß gut sein – ich bin nun mal so gewesen, aber es tut mir leid und hier ist meine Hand zum Frieden.‹ Papa hätte gleich eingeschlagen, er hätte es aber auch gar nicht so lange ausgehalten, nachzutragen. Ich auch nicht.
Aber die Leute sind eben doch grundverschieden. Warum hat nur der Justizrat von dir verlangt, daß du mir Onkel Rudolfs Tod mitteilst?«
»Warum?« wiederholte die Äbtissin frappiert. »Ja, darüber habe ich selbst noch gar nicht nachgedacht. Hm. Jedenfalls ist der Justizrat Onkel Rudolfs Sachwalter oder Testamentsvollstrecker und hält es als solcher für seine Pflicht, den Hinterbliebenen geziemende Kenntnis von dem Hinscheiden des Verewigten zu geben –«
Sie stockte und sah Trix nachdenklich an – es war ihr ein Gedanke gekommen: vielleicht hatte der Verstorbene seiner Nichte hier ein Legat ausgesetzt! Anzunehmen war's ja eigentlich nicht; aber unmöglich war's auch nicht, wenn man den Fall setzte, daß ihm die Reue gekommen war und er an dem Kinde seiner einzigen Schwester gutzumachen wünschte, was er dieser durch seinen blinden Haß an Weh und Leid zugefügt. Und dann – warum hatte sich der Justizrat im vergangenen Herbst so eingehend nach Beatrix Dornberg erkundigt? Das war doch zum mindesten verdächtig.
In Trixens Seele keimte ein derartiger »Verdacht« nicht – er wäre in ihrem Falle auch pure Donquichotterie gewesen. Nachdem sie ein paar Augenblicke nachdenklich dagesessen hatte, raffte sie ihre Haare zusammen und machte einen Knicks.
»Na, dann kann ich ja wieder gehen, Tantel, nicht wahr?« fragte sie. »Ich habe nämlich einen schrecklichen Hunger, und wenn du sonst nichts für mich hast, dann gehe ich und lasse mir von der Mamsell eine Stulle schmieren –«
»Die Stiftsdamen erhalten einen Imbiß zum zweiten Frühstück auf ihrem Zimmer serviert«, sagte die Äbtissin, mehr mechanisch als vorwurfsvoll oder zurechtweisend.
»Weiß schon!« nickte Trix. »Aber siehst du, so 'ne Stulle in der Speisekammer schmeckt viel besser, besonders wenn es vorher einen Kampf mit der Mamsell setzt. Wenn ich ihr drohe, daß ich ihr als Gespenst erscheinen werde, dann rückt sie mit allem 'raus, denn davor hat sie einen Mordsrespekt. Also guten Morgen, Tantelchen – oder gehst du mit auf die Stullenjagd?«
Die Äbtissin machte eine empörte Handbewegung als einzige Antwort auf diese ihrer ganzen Würde widersprechende Zumutung, und Trix war Siegerin geblieben wie gewöhnlich.
Die Äbtissin aber versank in tiefes Nachdenken. Trixens harmlose Frage hatte in ihr einen Sturm von Gedanken erregt, und die gute Seele regte sich ordentlich auf bei der Vorstellung, daß das junge Mädchen eine kleine Erbschaft gemacht haben könnte.
»Eigentlich ist's ja Unsinn, daran zu denken«, dachte sie halblaut vor sich hin. »Ich sollte Rudolf Zell doch besser gekannt haben, als ihm diese Möglichkeit zuzutrauen – der hat seinen Mammon irgend einem gemeinnützigen Zweck vermacht und Frauensee als ldiotenanstalt bestimmt. Denn die Verwandten seiner Frau sehen ebensowenig etwas wie die arme Trix. Wenn sie bloß den gräßlichen Gedanken mit der Schulreiterin vergessen wollte, denn sie ist dazu imstande und tut's. Und dabei kann man's ihr nicht einmal so sehr verdenken – neunzehn Jahre und im Stift begraben! Du lieber Himmel, was hätte ich in dem Alter nicht getan, um diesem Schicksal zu entgehen.«
Und Frau von Sulgenbach versank in tiefes Sinnen, – sie sah sich selber jung mit den Geschwistern Truchseß und Zell, ein fröhlicher Kreis, den der Tod und das Leben nur zu bald auseinandersprengten. Die Äbtissin hing mit aufrichtiger Zuneigung an ihrer Kusine Dornberg, der Schwester von Rudolf Zell, und hatte nie deren Partei verlassen. Seine Todfeindschaft mit den Dornbergs hatte ihn dem übrigen Verwandtenkreis entfremdet und es erregte viel Staunen und Gerede, als die Nachricht kam, Rudolf Zell hätte sich mit der stark verblühenden Marie Therese von Truchseß vermählt. Der unliebenswürdige, verbitterte, bissige Mann und die hochgradig nervöse, nur ihrem eigenen schönen Ich lebende Weltdame – wie würde das zusammenstimmen? Und es stimmte auch nicht. Unter schreienden Dissonanzen löste sich, was eigentlich nie einen Akkord gegeben hatte. Aber durch diese Heirat waren die Truchseß für die Dornbergs ins feindliche Lager übergegangen und das ohnehin lockere Band zwischen beiden zerrissen.
Frau von Sulgenbach nahm von dem Büchergestell neben dem Platz, wo sie saß, den letzten Jahrgang des »Taschenbuchs der freiherrlichen Häuser Deutschlands« herab und schlug den Namen »Truchseß von Westerwald« auf. Nein, der Artikel war nicht mehr lang. Da standen die drei Geschwister:
»1. Max Josef – Er fiel wenige Tage vor der Geburt seines Sohnes Johannes, der jetzt Majoratsherr auf Kroschwitz ist. Die Witwe, Luise von Truchseß geborene von Sulgenbach, meine Kusine, hat die Trauer um ihn bis zu ihrem Tode nie abgelegt.
2. Marie Therese – Rudolf Zells Frau – auch tot.
3. Sophie – vermählt mit Oberst von Graßmann, gefallen.
Hm, ja, es ist wahr – Sophie Graßmann lebt noch«, murmelte die Äbtissin vor sich hin, als sie diese kurze Stammtafel überflog. »Hm – sie hat ein kurzes Eheglück gehabt, wenn's überhaupt eins war. Entsinne mich ihrer noch genau – sie war ein schönes Mädchen, aber keine so kalte Schönheit, wie Rudolf Zells Frau. Wo mag sie hingekommen sein? Ich habe seit ewigen Zeiten nichts von ihr gehört.«
Die Äbtissin war so tief versenkt in ihre Erinnerungen, daß sie nicht einmal das Vorfahren eines Wagens unter dem Stiftsportal hörte. Wie groß war daher ihr Erstaunen, als Krause nach diskretem Klopfen sein glattrasiertes, sehr faltenreiches, immer wohlwollend lächelndes Gesicht zur Tür hereinsteckte und nach dem üblichen Räuspern meldete:
»Herr Justizrat Klaus wollten sich erlauben, Exzellenz seine Aufwartung zu machen!«
Frau von Sulgenbach sah den alten Diener an, als traue sie ihren Ohren nicht.
»Sie sind wohl nicht recht bei Troste, Krause«, sagte sie in der ersten Überraschung.
»Liebe Freundin, Sie beleidigen meinen alten Gönner hier«, rief eine tiefe, joviale Stimme hinter der Tür, und ihr Inhaber, ein rundlicher, stattlicher Herr mit großer Glatze, großen Brillengläsern und Vollbart trat, Krause beiseite schiebend, ohne weiteres ein. »Nein«, setzte er lachend hinzu, »ich bin kein Geist, sondern bin's höchstselbst und lade mich bei Ihnen zum Mittagsbrot ein, womit ich aber nicht gesagt haben will, daß mir schon vorher eine Tasse Kaffee mit etwas zum Beißen dazu unangenehm wäre, indem ich die Nacht durchgefahren bin und mich etwas nüchtern fühle!«
Die Äbtissin schlug strahlend vor aufrichtiger Freude in die dargebotene große Hand.
»Dreimal hab' ich heut' früh nüchtern geniest«, sagte sie herzlich, »das bedeutet allemal eine unerwartete Freude! Also, dreimal willkommen auch, Freund Klaus! Nein, so etwas! Krause – man soll für Herrn Justizrat sofort ein Frühstück richten und Sie können's hier bei mir servieren, da hat er's gemütlicher als unten im Speisesaal, wo alle Augenblicke eine von den Damen hereinkommt und er nichts zu tun hat, als aufzuspringen und untertänigst guten Morgen zu wünschen. Dalli, Krause, dalli! So nun schälen Sie sich aus Paletot, Gummischuhen und Cachenez, Freund Klaus, suchen Sie sich den bequemsten Stuhl aus und erzählen Sie mir, wohin Sie die Deichsel lenken wollen.«
Der Justizrat gehorchte pünktlich der gegebenen Order, und als er sich in einem der tiefen, weichen Fauteuils behaglich zurücklehnte, sagte er lächelnd:
»Ich bin am Ziel, liebe Freundin!«
»Aber nein!« machte die Äbtissin erstaunt. »Sie werden mir doch nicht aufbinden wollen, daß Sie mir erst einen feierlichen Schreibebrief schreiben und sich zwei Stunden später in den Zug setzen, um die Nacht durch extra nach Marienthal zu fahren. Etwa, weil die Sehnsucht nach mir Sie nicht schlafen ließ?«
»Das versteht sich ja überhaupt ganz von selbst«, sagte der Justizrat behaglich lachend. »Aber«, setzte er ernster hinzu, »ich muß trotzdem eingestehen, daß meine Reise noch einen anderen Zweck hatte. Zwar, wenn ich ehrlich sein soll, ein Brief, beziehungsweise ein Schreiben (bitte, den feinen Unterschied zu bemerken) hätte es auch getan, aber der Mensch hat nun einmal seine schwachen Seiten, und so konnt' ich's mir nicht versagen, mit dem, was ich zu melden habe, selber zu kommen!«
»Das muß aber etwas ganz Merkwürdiges sein!« rief die Äbtissin. »Ich brenne vor Neugierde – heraus damit!«
»Ja, so einfach ist das eben nicht«, sagte der Justizrat schmunzelnd. »Zunächst sind vier Augen dazu zu wenig – sechs müssen es sein. Würden Sie die Güte haben, zu diesem Ende die Baronesse Beatrix von Dornberg benachrichtigen zu lassen, daß ihre Gegenwart hier erwünscht wäre?«
»Klaus – ! Justizrat – Freund!« rief die Äbtissin aufspringend. »Was wollen Sie damit sagen – Herrgott! Spannen Sie einen doch nicht so auf die Folter! Hat – hat – Rudolf Zell –«
Weiter kam sie nicht, denn die Tür flog geräuschvoll auf und herein sauste Trix, in der Linken eine Brotstulle von fabelhafter Größe, zum Überlaufen dick mit einer braunen, klebrigen Masse bestrichen, die das Bestreben zeigte, nach der schrägen Seite abzulaufen, wobei sie dann immer durch die glückliche Besitzerin dieser Delikatesse aufgehalten wurde, d. h. Trix leckte einfach den braunen Strom von der Brotrinde ab und zwar mit großer Gewandtheit, die eine längere Übung verriet. In der Rechten schwang diese hungrige Jungfrau eine Zervelatwurst von zirka ein Meter Länge wie einen etwas dick geratenen Taktstock und rief dabei, als sie eigentlich noch hinter der Tür war:
»Tante, die Mamsell will deinem Gaste von dieser Wurst aufschneiden – ah! da sitzt er ja«, fügte sie hinzu, den Justizrat bemerkend, der sich halb erhoben hatte und nicht ohne staunende Bewunderung den Eindringling betrachtete, der plötzlich blutrot wurde und aus purer Verlegenheit einen Biß in die triefende Stulle tat, der jedem Scheunendrescher Ehre gemacht hätte.
»Trix!« rief die Äbtissin einer Ohnmacht nahe, »Trix, wie siehst du wieder aus! Nein, dieses schreckliche Mädel bringt einen noch um! In dem zerrissenen Kleide und mit diesem vulgären Butterbrot –!«
»Bitte, rheinisches Apfelkraut ist darauf aus dem neuen Pott«, bemerkte Trix zur Ehrenrettung ihres Frühstücks, und nachdem sie mit sehr gewandter Zunge dieses selbe Apfelkraut wieder am Ablaufen verhinderte, setzte sie trotzig hinzu: »Ich kann doch nicht wissen, daß der Herr Justizrat hier sitzt, wenn das alte Schaf, der Krause, sagt, er sollte im Speisesaal für ihn decken!«
»Nein, dieser Faselhans versteht doch alles falsch«, jammerte die Äbtissin. »Ausdrücklich habe ich ihm gesagt, er sollte hier servieren!«
»Na, ich werd's ihm noch einmal einpauken«, meinte Trix gnädig. »Er verschusselt alles, Tante, das ist nun mal eine alte Geschichte, da brauchst du dich gar nicht mehr extra aufregen. Und wegen der Wurst –«
»Was haben Sie gegen diese Wurst einzuwenden, sie sieht sehr lecker aus«, fiel der Justizrat ein, aufs höchste durch das Intermezzo belustigt. »Denn ich nehme an, daß Sie diese Wurst beanstanden, gnädiges Fräulein! Ich habe doch die Ehre, Baroneß Dornberg vor mir zu sehen?«
»Mhm!« nickte Trix, wieder rot werdend und nahm Zuflucht zu ihrer Stulle. Dabei besah sie das fragliche Objekt in ihrer Hand mit kritischem Blicke, und als sie Herrin des Bissens geworden war, erklärte sie treuherzig: »Ja, ich dachte, Sie hätten vielleicht zu Hause Zervelatwurst genug, Herr Justizrat, und wollte für Sie lieber von der Gänselebertrüffelwurst herausschlagen, mit der Mamsell so geizig ist. Und weil sie durchaus auf ihrem Kopfe bestand, so hab' ich ihr die Wurst einfach weggenommen und wollte Tante fragen, was sie dazu meint.«
»Hm«, machte der Justizrat scheinbar aufs tiefste interessiert. »Man könnte am Ende durch eine Probe feststellen, ob diese Wurst sich überhaupt eignet –« und damit zog er ein Taschenmesser vor, dessen größte Klinge er sorgsam aufklappte.
»Prächtige Idee!« rief Trix mit vollem Verständnis für die Situation, indem sie die Rechte mit der Wurst wie ein Feldherr den Marschallstab ausstreckte. Und während der Justizrat den Zipfel sachgemäß abschnitt und die erste Scheibe, auf das Messer gespießt, zwischen Trixens rosige Lippen schob, um dann selbst die nächste mit Kennerzunge zu kosten, gab die Äbtissin lieber selbst erneuten Befehl wegen des Frühstücks und kehrte darauf in ihr Zimmer zurück.
»Aber, lieber Freund«, rief sie halb lachend, halb mißbilligend, »was wollen Sie denn noch frühstücken, wenn Sie hier erst einen Meter Wurst freihändig verzehren? Und du, Trix, kleckerst mir mit deiner Unglücksstulle den ganzen Teppich voll!«
»Ich hoffe«, sagte der Justizrat, und fütterte Trix mit einer neuen Wurstscheibe, »ich hoffe, daß diese höchst delikate Braunschweigerin die Brücke ist, welche mir den Weg bahnt zum Vertrauen des Fräulein von Dornberg. Probieren geht über studieren, und nichts schmeckt so gut, als wenn man es sozusagen illegitim und freihändig verschmausen kann. Ich war immer ein Freund improvisierter Mahlzeiten!«
»Ich auch, ich auch«, versicherte Trix enthusiastisch und hielt im Kauen der Wurst ein, um das rinnende Apfelkraut zwischendurch geschickt einzufangen. »Herr Justizrat, Sie sind mein Mann! Wenn Sie Mamsell hier wären, dann wär's ein Leben wie im Paradiese mit diesen Grundsätzen!«
»Ich danke für Ihr Vertrauen, das mich ehrt«, erwiderte der joviale Herr mit dem scheinbar größten Ernst. »So verlockend indes die Stelle als Mamsell hier wäre, schon im Hinblick auf Ihre gewissermaßen gesicherte Mitwirkung, so muß ich doch auf diese etwaige Vakanz verzichten, da Sie möglicherweise meiner noch in anderer Weise bedürfen werden!«
»Ich?« fragte Trix, mit der Wurst auf ihre Brust zeigend.
»Sie«, bestätigte der Justizrat, klappte das Taschenmesser zu und säuberte seine wohlgepflegten Finger mit dem Taschentuche. Dabei sah er die Äbtissin an und diese nickte.
»Es dauert schon noch ein Viertelstündchen, bis das Frühstück kommt«, sagte sie, die stumme Frage verstehend, trat vor Trix hin, nahm dieser, nicht ohne leichte, instinktive Gegenwehr sowohl die Wurst als auch den Rest der Stulle aus der Hand und sagte, indem sie beides einstweilen auf einer leeren Visitenkartenschale deponierte: »So, mein Schatz, jetzt setz' dich mal hübsch ruhig hin und paß auf, was dir der Herr Justizrat sagen wird.«
»Mir?« wiederholte Trix erstaunt.
»Dir. Er ist extra dazu hergereist«, nickte die Äbtissin, selbst Platz nehmend, wobei sie sich dachte: »Und der alte schlaue Kunde und Menschenkenner hat sofort den rechten Weg zum Herzen dieses armen Mädels gefunden. Er hätte bloß ete tun brauchen, als sie so 'reinplatzte, und da wär's vorbei gewesen, denn Naturkind wie sie ist – diese jungen Herzen sind doch alle Mimosen.«
Der Justizrat sah liebevoll seine alte Freundin an, als hätte er ihre Gedanken abgelesen, und dann lächelte er Trix zu, die ihn mit ihren großen »Delfter« Augen betrachtete – und wenn er so lächelte, hatte er etwas ganz ungemein Gewinnendes.
»Was ich zu sagen habe, läßt sich in der Hauptsache in so wenig Worte zusammenfassen, daß sich die Reise kaum verlohnt«, sagte er freundlich. »Indes, da sich manches daran knüpfen dürfte, so hielt ich es für besser, persönlich zu erscheinen. Ihre sehr verehrte Frau Tante hat Ihnen, gnädiges Fräulein, mitgeteilt, daß Ihr Herr Onkel, Graf Rudolf von Zell auf Frauensee, gestorben ist?«
»Ja«, sagte Trix.
»Nun denn«, fuhr der Justizrat fort, »ich war nicht nur des Verstorbenen ältester Freund, sondern auch in der letzten Zeit sein juristischer Berater, wie ich jetzt sein Testamentsvollstrecker bin. Und in dieser Eigenschaft bin ich gehalten, Ihnen Anzeige davon zu machen, daß Graf Rudolf Zell Sie, Fräulein Beatrix von Dornberg, zu seiner Universalerbin ernannt hat!«
Die Äbtissin stieß einen Schrei aus, Trix aber saß ruhig da und sah den Justizrat an.
»Was heißt denn das?« fragte sie nach einer Weile.
»Nun, das heißt, daß Sie alleinige Erbin seiner liegenden und fahrenden Habe sind«, erklärte der Justizrat. Sie sind unbestrittene Besitzerin der Herrschaft Frauensee mit allem lebenden und toten Inventar und Besitzerin des bedeutenden Vermögens, das, in mündelsicheren Staatspapieren angelegt, einen Zins abwirft, der ein sehr reiches Einkommen repräsentiert. Wie Sie hier sitzen, sind Sie eine der reichsten Erbinnen des Landes.«
Trix stand auf und fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzen krausen Haare.
»Das klingt ja wie ein Märchen«, sagte sie langsam. »Und Sie sind sicher, daß es wahr ist?«
»Ganz sicher. Sie sind die nächste erbberechtigte Verwandte des Verstorbenen und sein letzter Wille ist unanfechtbar. »
»Muß ich's auch nehmen?« erkundigte sich Trix angelegentlich.
Der Justizrat lächelte.
»Nun«, meinte er schmunzelnd, »Sie können, da Sie nach dem Willen des Erblassers sogleich majorenn erklärt werden sollen, nach dieser Formalität zugunsten des Staates oder einer staatlichen Einrichtung Verzicht leisten, aber da Sie mir den Eindruck einer geistig wie körperlich durchaus gesunden Person machen –«
Trix lachte, aber es lag noch etwas Fremdes drin.
»Das heißt auf gut Deutsch, Sie würden mich für meschugge halten, wenn ich für die Erbschaft dankte«, sagte sie. »Wahrscheinlich haben Sie recht. Aber sehen Sie, Onkel Rudolf Zell hat sich gegen seine Schwester, meine Mutter, und gegen meinen lieben Vater doch recht ruppig benommen, er hat mich, als ich so schrecklich plötzlich verwaist und in Nöten war, ruhig auf der Straße sitzenlassen, ohne einen Finger zu rühren oder mir ein Stück Brot anzubieten, und ohne meine gute Tante hier wäre aus mir, wer weiß was, geworden, ohne daß es ihn bekümmert hätte. Wie kommt er dazu, mir jetzt sein ganzes Geld zu hinterlassen?«
»Mein liebes Kind«, sagte der Justizrat, »in meiner reichen Erfahrung habe ich die Beobachtung gemacht, daß, wenn der Tod anklopft, der Mensch zumeist das Bedürfnis hat, reinen Tisch zu machen und einen Strich unter die irdische Rechnung, das heißt, es treibt ihn, gutzumachen, was eine innere Stimme ihm vorwirft, verschuldet zu haben. Rudolf Zell hat längst eingesehen, daß sein Haß auf Ihren Vater eigentlich eine verjährte Geschichte war – aber er war viel zu stolz, als daß er es über sich gebracht hätte, Ihrem Vater als Erster die Hand zu bieten. Ich meine, Sie können diese Erbschaft antreten im Sinne der gereichten Friedenshand, und ich stehe nicht an, Ihnen zu sagen, wie herzlich es mich freut, der Überbringer einer so frohen Botschaft zu sein!«
Trix stand noch immer, die Augen auf den Justizrat geheftet, die schlanken Hände ineinander geschlungen, aber bei den letzten Worten des Justizrats hielt es die gute Frau v. Sulgenbach nicht mehr aus.
»Trix! Mädel! Ich gratuliere dir«, rief sie mit vor Freude überströmenden Augen, indem sie das junge Mädchen an sich zog. »Nein, wie mich das freut – ich kann's dir ja gar nicht sagen.«
Trix lächelte der guten Frau in die freundlichen Augen.
»Du bist der beste, selbstloseste Mensch von der Welt, Tante«, sagte sie und setzte stockend hinzu: »Ich muß aber vorher doch noch etwas fragen, ehe ich mich mitfreue. Als Papa gestorben war und die vielen Schulden bezahlt werden mußten, da langte leider nicht ganz zur Deckung, was der Verkauf von Dornberg und der lieben Pferde usw. brachte. Viele Leute mußten unbezahlt abziehen oder doch nur abgefunden mit Wenigem. Es waren dreißigtausend Mark Rest, die noch unbezahlt blieben, nicht wahr, Tantchen? Dreißigtausend – ich hab's genau zusammengerechnet, weil, wenn ich von meinen zweihundertfünfzig Mark jährlicher Stiftspfründe auch das ganze zur Tilgung der Schuld hergäbe, es hundertzwanzig Jahre dauern würde, bis alles abgetragen ist, ohne die Zinsen. Aber ich brauche doch auch für Kleidung etwas, nicht viel, aber doch etwas, und es ist mir oft ganz schwindlig geworden, wenn ich dran dachte, wie schrecklich lange Zeit ich brauchen würde, die Schuld zu tilgen und Papas Andenken ganz fleckenrein zu machen. Darum wollte ich auch zu Renz als Schulreiterin – da wär's rascher gegangen, denn hundertzwanzig Jahre kann ich doch gar nicht mehr leben. Nun, und da wollte ich fragen, Herr Justizrat: dürfte ich das Geld gleich von meinem Erbteil nehmen, um die Schulden zu bezahlen?«
»Gewiß dürfen Sie das«, erwiderte der Justizrat freundlich. »Sie werden den Abgang der Summe in Ihren Revenüen nicht spüren!«
Nun kam das alte Leben in Trix hinein. »Hurra!« rief sie, ihrer Tante einen Kuß gebend, daß der guten Dame Hören und Sehen verging. »Hurra, das ist fein! Jetzt freu' ich mich auch – kolossal freu' ich mich! Was hätt' ich mit dem ganzen Krempel gemacht, wenn ich nicht heran durfte, um wenigstens für Papas Andenken etwas damit zu tun.« Sie reichte dem Justizrat die Hand, und der nahm sie zärtlich in seine beiden großen Hände.
»So ist's recht«, sagte er vergnügt, aber ehe er mehr sagen konnte, erschien Krause mit einem reichbesetzten Tablett zum Frühstück für den unerwarteten Gast, und das Gespräch stockte naturgemäß, so lange der Diener, mit Servieren beschäftigt, im Zimmer anwesend war. Als er sich aber dann auf einen Wink, der Äbtissin wieder entfernt hatte, nahm der Justizrat abermals das Wort.
»Ich bringe Ihnen eine Kopie des Testamentes mit, Fräulein von Dornberg«, sagte er, mit seinem Frühstück beschäftigt. »Sie werden, außer der Summe Ihrer Erbschaft, daraus ersehen, daß Ihnen in nichts eine Beschränkung auferlegt worden ist, daß alles Ihnen ohne Klauseln zufällt. Nur zwei Wünsche drückt der Erblasser darin aus: 1. daß Sie versuchen möchten, Frauensee zum ständigen Aufenthalt zu machen und 2. daß Sie mich sozusagen zum ersten Minister für Ihre auswärtigen und inneren Angelegenheiten ernennen. Beide Wünsche – wohlgemerkt, es sind nur solche und keine Bedingungen – haben ihre Berechtigung. Rudolf Zell hat sich Frauensee zu einem seltenen Tuskulum gemacht, er hat das ganze Haus mit der liebevollen Hingabe des verständnisvollen Sammlers mit all den Dingen angefüllt, deren Finden und Erwerben die einzige Freude seines Lebens bildete, und darum war ihm der Gedanke erleichternd, daß jemand darunter weiterleben sollte, der sich daran erfreuen kann. Das Motiv zu dem zweiten Wunsch liegt auf der Hand: Sie sind noch sehr jung, und demgemäß fehlt Ihnen manche Erfahrung; es wird Ihnen in vielen Fällen lieb sein, zu wissen, daß Sie einen treuen Ratgeber, Helfer und Freund haben, an den Sie sich in großen und kleinen Fragen wenden können. Also: sie lebe hoch, die neue Herrin von Frauensee.«
Trix drückte dem Justizrat nochmals die Hand. – Schöne Worte waren ihre Sache nicht, aber wenn sie ihre Hand gab, dann war's so gut wie ein Schwur – und der feine Menschenkenner Klaus faßte es auch so auf und war vollkommen zufrieden damit.
»Also Trix siedelt nach Frauensee über – da wird's wieder recht still werden im Stift«, sagte die Äbtissin.
Trix lachte.
»Das ist sehr freundlich von dir, ein betrübtes Gesicht zu diesen Worten zu machen«, neckte sie. »Aber im Grunde deines schwarzen Herzens bist du doch froh, daß du mich los bist – nicht deinetwegen, aber wegen deiner Schäflein –«
»Trix!«
»Na, wart', ich werd' auch mal gelegentlich Extraleckerbissen schicken, daß der Name Beatrix Dornberg schließlich höher in der Achtung stehen wird als der Name der Stifterin dieses alten Kastens. Wenn ich aber wäre wie du, dann hing ich das ganze Geschäft hier an den Nagel, bäte Stift und Kapitel, mich gefälligst in Jericho zu suchen, und zöge zu meiner lieben Nichte nach Frauensee. Was?«
»Jawohl, und wenn diese meine liebe Nichte zum Beispiel Lust bekäme, zu heiraten, dann säße die liebe Tante auf dem Trockenen, und dem Stifte würde es nicht im Traume einfallen, sie aus Jericho zurückzuholen«, ging die Äbtissin lachend auf Trixens Vorschlag ein. »Dabei aber fällt mir ein«, setzte sie hinzu, »daß Trix überhaupt eine Ehrendame haben muß, wenn sie allein lebt.«
»Warum denn?« fragte Trix erstaunt.
»Das verlangt eben der Kodex der guten Sitte«, erwiderte Frau v. Sulgenbach.
»Schön«, rief Trix. »Warum aber ist für reiche Mädchen unschicklich, was bei den armen kein Mensch beanstandet? Warum braucht man eine Ehrendame, wenn man Geld hat?«
»Liebes Kind«, erwiderte der Justizrat, »in punkto ›Ehrendame‹ haben Sie mit Ihrer Frage den Nagel auf den Kopf getroffen, aber was nutzt es, Madame Etikette herauszufordern?«
»Lust zum Herausfordern hätt' ich schon und Courage auch«, versicherte Trix mit zurückgeworfenem Kopfe.
»Ei gewiß! Don Quichotte hat ja auch gegen Windmühlenflügel gestritten, aber hat er gesiegt?« fragte die Äbtissin trocken.
»Na, denn man zu – her mit dem Ehrendrachen«, damit gab Trix nach.
»Aber woher nehmen und nicht stehlen?«
»Sie haben wieder recht – die Sache ist so einfach nicht, die Wahl schwer und verantwortlich«, sagte der Justizrat, »aber ich weiß vielleicht Rat. Ganz zufällig traf ich neulich in Gesellschaft eine sehr gut aussehende ältere Dame als Ehrendame zweier junger Gräfinnen, die sich in diesen Tagen beide verheiraten. Mein Gewährsmann sagte mir, erwähnte Dame hätte die jungen Mädchen, Waisen, mehrere Jahre ausgeführt und mit großem Takt ihrem Hauswesen vorgestanden. Die Vermählung ihrer Schutzbefohlenen mache sie aber frei, und sie suche daher wieder nach einer passenden, ähnlichen Stellung. Mich nach dem Namen der Dame erkundigend, hörte ich, daß sie eine Frau von Graßmann sei, und es fragt sich nur, ob man ihr, ohne ihr zu nahe zu treten, eine bezahlte und abhängige Stelle in dem Hause anbieten kann, in welchem ihre Schwester als Rudolf Zells Frau Herrin gewesen ist!«
»Was? Sophie Truchseß?« rief die Äbtissin höchst überrascht. »Erst vorhin habe ich mir die Frage vorgelegt, was aus ihr geworden sein mag!«
»Sie ist Witwe und hat sich als ›Ehrendame‹ seitdem redlich durchs Leben geschlagen. Sie ist eine höchst sympathische Erscheinung, vielseitig gebildet, wie man mir sagt, und hat sozusagen ›hochfeine Referenzen‹. Daß die Truchseßschen Töchter vermögenslos sind, indem Kroschwitz Majorat – und kein sonderlich reiches – ist, wissen Sie, liebe Freundin; Sophie von Truchseß hat zudem noch einen armen Mann geheiratet, dessen Einkommen mit seinem Tode erlosch. Ich finde es sehr ehrenvoll und empfehlend für sie, daß sie, ohne auf die Hilfe vermögender Verwandten zu spekulieren, aus eigener Kraft den Kampf mit dem Dasein aufgenommen hat.«
»Ist sie kinderlos?« warf die Äbtissin ein.
»Ich wüßte nicht, daß sie welche hätte – habe nichts darüber gehört«, erwiderte Dr. Klaus. »Jedenfalls müßten ihre Kinder längst erwachsen und in Amt und Stellung sein. Aber ich glaube nicht, daß sie welche hat. Nach allem: würden Sie dazu raten, Frau von Graßmann zur Ehrendame bei Fräulein von Dornberg zu berufen?«
»Nach allem wüßte ich nicht, warum man es nicht tun sollte«, entgegnete die Äbtissin. »Da sie solche Stellen überhaupt annimmt, wäre es doch ganz falscher Stolz, nicht nach Frauensee gehen zu wollen, denn so lange hat doch die Herrlichkeit ihrer Schwester dort nicht gedauert, daß sie eine sentimentale Neigung für den Ort haben könnte. Sie müßte sich außerdem sehr verändert haben, denn sentimental war Sophie Graßmann nie, aber berechnend und sehr kühl denkend. Persönlich sehr geliebt haben wir uns in jenen alten Tagen nicht – mir war ihre Schwester Marie Therese viel sympathischer, trotz ihrer Fehler, unter denen die Eitelkeit den Ehrenplatz einnahm. Damit hat sie niemand geschadet als sich selbst, und ich glaube, ihr krasser Egoismus hat sich erst viel später daraus entwickelt. Aber wir haben nicht mit ihr, sondern mit Sophie zu tun, und da Sie eine so hohe Meinung von ihr haben, wird sie wohl für Trix die Rechte sein!«
»Na, und ist sie's nicht – ich gedenke mich ja nicht mit ihr zu verheiraten«, meinte Trix weise.
»Das ist auf alle Fälle eine Beruhigung«, konstatierte die Äbtissin und fügte lachend hinzu: »wie ich denn auch dem beseligenden Gedanken lebe, daß Trix mit ihrem Ehrendrachen schon fertigwerden wird. Im übrigen rechtfertigen es deine verbesserten Vermögensverhältnisse wohl, wenn du dich dieses genial zerrissenen und sinnreich gestopften Gewandes ein für allemal entledigen würdest.«
Trix warf einen zärtlichen Blick auf ihr improvisiertes mille-fleurs-Kleid und schob die Hand erweiternd in das klaffende Dreieck.
»Schade«, sagte sie, »die schattierte Seide hätte sich hier sehr fein gemacht. Aber ich gehe schon, dies deinen Augen so anstößige Gewand abzulegen. Soll ich Krause zum Abräumen schicken? Ja? Also auf Wiedersehen!«
Damit ergriff sie die ihr so jäh entrissene Stulle, nahm die Wurst unter den Arm und chassierte mit einem Knicks nach der Tür.