Trugbild des Himmels - Michael Bauer - E-Book

Trugbild des Himmels E-Book

Michael Bauer

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Beschreibung

Keine Bestands-, sondern vielmehr eine Momentaufnahme der Lyrik in Rheinland-Pfalz abzubilden, ist das Ziel der vorliegenden Anthologie. Dreißig Autorinnen und Autoren, der älteste 1914 geboren, die jüngste 1986, sind mit Gedichten vertreten, die unterschiedlichste Themen, Formen und Traditionen kaleidoskopartig widerspiegeln – jedes von ihnen ein 'Trugbild des Himmels'. Eine bunt schillernde Einladung zum Schauen, Spüren und Nachdenken. Lassen Sie sich überraschen!

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Seitenzahl: 53

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Printausgabe gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur Rheinland-Pfalz

Die Edition Schrittmacher wird herausgegeben von Marcel Diel, Sigfrid Gauch, Arne Houben und Thomas Krämer.

© 2005 eBook-Ausgabe 2011RHEIN-MOSEL-VERLAGZell/Mosel Brandenburg 17, D-56856 Zell/Mosel Tel.: 06542-5151 Fax: 06542-61158 Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-89801-764-0 Umschlag: Arne Houben

Marcel Diel (Hrsg.)

Trugbild des Himmels

Neue Gedichte aus Rheinland Pfalz

Edition Schrittmacher Band 5

RHEIN-MOSEL-VERLAG

Inhalt

»das Blaue an den Himmel schwören«»immer wieder verworfenes Ich«»Länderspielkulisse«»vom Verlieren und Finden der Sprache«»ich bin überhaupt nie angekommen«Die AutorInnen

***

»das Blaue an den Himmel schwören«

Horst Saul

Neujahr

Das Jahr beginnt

wie jeder Tag beginnt:

die Nacht zerfließt im

Grau der frühen Stunde

und langsam malen Dinge

ihre Farben neu.

Das Herz erwacht und sieht

es ist wie immer:

die Menschen, Räume

auch des Nachbarn Haus

und auch die Katze wartet

hungrig vor der Türe.

Wir sagen uns

ein gutes Jahr

erfreut und doch erschreckt

das neue zu betreten.

Es sieht uns an mit

rätselhaften Zügen

und nur das Lächeln

um den strengen Mund

verführt die Hoffnung

auf ein gutes Ende.

Michael Rumpf

Früh

Den Morgen

gerade sein lassen,

nichts drauf geben, zuwarten,

zusehen, wie er betastet.

Nachtwärme zittert aus.

Lassen, loslassen, pflichtlos,

der Laut umschließt in sich

flammblau eine Stil-

le,

die sich nicht dehnt.

Lösen, loslösen,

jeder Schein birgt

Nachklang.

Schnell ein Zeichen

gelöscht, nichts drauf geben.

Der Morgen verrät die Dinge.

Gerd Forster

Der alte Frühling

Zuerst, als er merkt, dass es höchste Zeit ist,

findet er sein blaues Band nicht gleich.

Dann beim Versuch, es flattern zu lassen,

verheddert er sich fortwährend in den Schlingen.

Rentner stehen herum mit eingefrorenen Knien

und blicken ungeduldig in die Luft.

Schallendes Gelächter vorbeirennender Kinder.

Doch das hat mit all dem nichts zu tun.

Heinz G. Hahs

.

zum hüpfseil geflochten

all die geraden Silben all

die ungeraden aus primzahlwörtern

eine geschichte gedreht

die tritt sich fest im leeren

die queratmung trainieren etwa

etwa das blaue an den himmel schwören

für dieses bißchen leuchtstoff in den venen

für diesen rest verdreckten schnees

Lutz Stehl

[Aus dem Zyklus »Diderots Nonne« (Arbeitstitel)]

oder die frischgekämmten weizen

halme in grastarnung einladend aber unbetretbar

von zahnscharfen scheiteln allseitig umzogen

ab durch die mitte des felds

die narbe der traktorfurche vom märz

dahinter längs säumiger straßen in gropiushäusern

nicht bauern werktätige : stadtrandfrisöre mit doktortiteln

die die saat bis zur schur augurisch bewachen

den kulturen die grüße entzückter spaziergänger

inlineskater pflegebedürftiger vom umland ausrichten

mit teueren messern klingen den ufern des eiligen flüsschens

den biegsamen nacken ausrasieren

den tag und die nacht färben und föhnen

und küssende männer auch bedienen

nach acht uhr dulden unter einzelnen stämmigen weiden

ein seitenblick dem zur vielfalt des lebens

nur dessen unordnung einfällt in aller bukolischer stille

über verrupften baumperücken

die tulpenzwiebel des kirchturms

von aufgeklärten despoten der launige einfall

eines italienischen Salats

Garten- und Küchenarchitektur

darüber die streng geheime

blau verschlossene

freimaurerloge des himmels

schöner elfter maimittwochnachmittag

Olaf n. Schwanke

Beim Sommersonnenuntergang am Boulevard

Gelöst, die meisten schlenkern mehr vorbei,

denn schön zu schreiten.

Wenn alles doch so einfach wäre: Wolken, kleine Weißigkeiten,

versuchen es uns vor: durch Apricot, dann Pink, dann durch

Rosé zu gleiten,

begleitet von Musik das volle Laub: Geschwalbenschrei.

Den Boulevardcafés stehn vor Erstaunen

die Münder offen: alles Draußen, gelbe Hast, dringt ein.

Der pralle Straßenabend zwingt sein Heitersein,

hat Launen.

Wen jetzt allein die Straße treibt, wird Zwielicht zart zerstören.

Vielleicht birgt Schutz vorübergehend ein Café.

Verspricht wem was, und was aus Boxen leckt ist leis und

leicht zu hören.

Der Abend, kaum mit Mensch garniert, zieht sich in

Schneckenkalk zurück.

Der Tag, gerauchte Kippe, wird zerdrückt.

Und ist passé.

Andreas Noga

Französischer Abend

nach dem vierten glas vin rouge der unser gespräch benetzte

nannten wir den küstennebel christennebel gereicht an hohen

feiertagen zur vergebung der sünden den mageninhalt eine

andere art die schmalen spalten zwischen den dielen zu füllen

wir stießen aneinander ohne zu zerbrechen wünschten das

allerbeste zumindest an diesem tag den wir auf seinen abend

reduzierten sollte es gelingen etwas mehr leichtigkeit zu

erzielen da kein recht zu behalten war und kein un

recht sich verschenkte zwischen all den zeilen die niemand

aufschrieb blieb etwas haften gelächter schäumte von den

wänden in den gläsern die getränke viel durcheinander

zwischen den gängen nur das eifelbier neben dem cidre war

ein irrtum der halb geleert zurückblieb zwischen trou normand

und mousse als einziger verlierer des frühen morgens an dem

auch die stühle ihre standfestigkeit nicht mehr glaubten

Francisca Ricinski-Marienfeld

Gegen Mittag die Lehmbeine

Die Karpatenwölfe

kommen nur nachts:

Schatten auf den schwach beleuchteten

Wänden der Dachwohnung

manchmal

sieht man an der weißen Decke eine alte

Braunbärin

sie tanzt als hörte sie noch den Zigeunerdudelsack

und tanzt auf zwei Pfoten wie auf den verschneiten

Strassen am Silvesterabend

mit der Eisenkette um den Hals

ich strecke die Hand nach ihr die Kette lässt sich

nicht mehr lösen

nach fünfundzwanzig Wintern haben sie mich

aufgespürt wo

Nebenflüsse

in den Rhein münden

manchmal

sieht man an der Decke des blauen

Holzhauses eine Spur von Himbeersaft

nein ich feiere meine

Geburtstage nicht mehr allein

dem Bärengott sei Dank

in den Mondnächten wollen meine Wölfe mit mir

heulen und die Beute teilen

ich bin immer noch schön ich

verstumme und verhungere nicht

bei Tagesanbruch verschwinden sie alle

unter der Kruste der Raufasertapeten

der Spiegel zeigt mir die Krater eines einzigen

Gesichts und ein aufgeblähtes Sonnengeflecht

gegen Mittag verfärben sich die Lehmbeine

Sinnlos gegen den Tag zu klagen

Andreas Noga

Lightshow

mit dem pointer zeigte er

eine sonne sagte wega

drehte die kuppel nach norden

wo der große wagen rollte

der polarstern festgefroren schien

das licht sei ein übel

aber er komme zurecht

gerade in diesen nächten

wenn die milchstraße sich so

spendabel zeige oder wenn ein strom

ausfall den ort verfinstere

was vorgekommen sei

aber er könne nichts

dafür!

Astrid Dinges

Herbst (aus dem Zyklus »Land-Inwärts«)

Pilz- und Schneckenmorast

im Fleisch

»ja« sagst du immer noch

die Blumen wässern

»ach ja«, der Hochsommer

mit seinen Rosen ich

am Verdursten

Pillen

verdächtigt an Ausfahrten

gewartet auf Anhalter

mitgenommen von Sirenen

angemacht auf Zwischen

stationen du gebettet

»nein«, deinen Namen

wusstest du nicht

mehr im Körper Schrecken

morast und welke Blätter nicht

leicht Teig zu kneten

alte Träume in Spitzenkleidern

über Heckenzäunen schwarz

Karolina Rakoczy

flächensammlung

die farbe des korbes

dringt