Tunisias - Johann Ladislaus Pyrker - E-Book

Tunisias E-Book

Johann Ladislaus Pyrker

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Beschreibung

Die 1816 bereits vollendete, aber erst 1820 erschienene "Tunisias" (ein Heldengedicht in 12 Gesängen) schildert die Eroberung von Tunis durch Karl V.; österreichische Adelige tun sich in seinem Heer hervor; sein Ahnherr Rudolf von Habsburg verkündet ihm als Bote Gottes die glückliche Zukunft.

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Tunisias

EinHeldengedicht in zwölf Gesängen

Johann Ladislav Pyrker

Inhalt:

Tunisias, J. L. Pyrker

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849633455

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Johann Ladislav Pyrker – Lexikalische Biografie

Österreich. Dichter und Kirchenfürst, geb. 2. Nov. 1772 in Langh bei Stuhlweißenburg, gest. 2. Dez. 1847 in Wien. widmete sich anfangs auf der Akademie zu Fünfkirchen philosophischen und philologischen Studien, trat aber nach einigen Jahren in das Cistercienserstift zu Lilienfeld in Niederösterreich ein. Nach vollendeten theologischen Studien im Seminar zu St. Pölten erhielt er 1796 die Priesterweihe, ward 1807 Pfarrer in Dürrnitz, 1811 Prior des Stiftes Lilienfeld, 1811 Bischof von Zips und 1820 Patriarch in Venedig und Primas von Dalmatien. Seit 1827 Erzbischof von Erlau und Erbobergespan der Heveser Gespanschaft, entfaltete er eine großartige gemeinnützige Tätigkeit. Seine Hauptdichtungen, meist in dem reizend gelegenen Kloster Lilienfeld entstanden, sind die Heldengedichte: »Tunisias« (Wien 1820, 3. Aufl. 1826), »Rudolf von Habsburg« (das. 1824, 2. Aufl. 1827) und »Perlen der heiligen Vorzeit« (das. 1823 u. ö.), die aber, dem Leben der Zeit fremd und abgewandt, nur als Erzeugnisse eines akademischen Epigonentums angesehen werden können. Sie erschienen als »Sämtliche Werke«, Stuttgart 1832–33 (3 Bde.; letzte Ausg. 1856). Schöne lyrische Klänge finden sich in den »Liedern der Sehnsucht nach den Alpen« (Stuttg. 1845). Außerdem veröffentlichte er: »Legenden der Heiligen« in metrischer Form (Wien 1842) und »Bilder aus dem Leben Jesu und der Apostel« (Leipz. 1843, 3. Aufl 1855).

Tunisias

Erster Gesang.

                  Tön' o Heldengesang, die Waffenthaten des Kaisers Carol, die er vollbracht' auf dem wogenden Meer' und dem Festland, Als er vom schmählichen Joch tunisischer Räuber die Christen Lös'te mit Siegers Hand, Europa's zagenden Völkern

5         Frieden errang, und dem Meer' erkämpfte die heilige Freiheit.

Haben Unsterbliche jetzt, in der Stunde der Weihe, vor allen Mir das Auge berührt? Ich seh' urplötzlich der Geister Schauderumnachtetes Reich erhellt, und im freudigen Eilflug Zahllos schreiten einher die Heldensöhne der Vorwelt,

10  Die in dem Schlachtengefild', entzweiet, die Völker empören; Sehe den Kaiser zuerst, im Sturm des Donnergeschützes, Werfen des Feindes Schiffheersmacht in den brausenden Abgrund; Dann ihn, laut umjauchzt von Tausenden, landen vor Tunis, Schimmern die Fahne des Siegs von Goletta, vom blutigen Schlachtfeld

15  Fliehen den Feind, und dort in dem Staub die entfesselten Sclaven Knieen, und netzen des Retters Hand mit glühenden Thränen, Der, o Wonne, sie heim in das Vaterland, und entgegen Segnenden Lieben führt aus Schmach, und Qual, und Verzweiflung! O wie bebt mir die Brust: herauf aus den Tiefen des Herzens

20        Strömt der Gesang, und kündet der Thaten erhab'ne Vollendung!

Hoch auf dem Erker der Burg, im Duft der Acacienblüthen, Sanftumschimmert vom Abendgold, saß jetzo der Kaiser, Sinnend allein. Er dachte des eilegebiethenden Heerzugs; D'rüben vor Tunis der Schlacht, und des wechselnden Schlachtengeschickes

25  Ernstumhülleten Blick's. Gestalten der mächtigen Vorzeit Schwebten ihm, dräuend, vorbei; er sah die verödeten Felder Einstigen Ruhms, wo Hannibals Stolz dem gewaltigen Römer Huldigte, und für den Sieg des weltversöhnenden Kreuzes Frankreichs Ludwig starb: fürwahr ein heiliger König!

30  Und ihm pochte die Brust laut auf in der Stille des Abends. Siehe, da scholl entlang die Wölbung des drönenden Thorwegs Hufesgerassel, und Leben erwacht' in den untersten Hallen! Näher die Stufen herauf, im Klirren des Waffengeschmeides, Kam ein Ritter: Alonzo-Cid, des spanischen Fußvolks

35  Führer, das an dem Meer', unferne dem Strand Barcellona's, Harrte des heiligen Kampfs für Recht, für Glauben und Freiheit. Jetzo dem Herrscher genaht, sprach er, empört in dem Busen: »Herr, von Mendoza gesandt, dem tapferen Heldengebiether, Komm' ich, ein eilender Bothe heran: uns nahen die Gegner!

40  Hairaddins Seemacht kreuzt vor Hispania's schönen Gestaden, Jetzo gerüstet zur Schlacht, dann wieder unendlichen Jammer Dräuend dem Küstenvolk und den heereversammelnden Schiffen.« »Wie,« so rief ihm der Kaiser, erstaunt: »noch wagte der Räuber Uns in Europa zu nah'n, da wir nach Afrika's Küsten

45  Wenden den Kiel, und lösen die schimmernden Segel zur Abfahrt? Wehe dem Wüthrich, denn dort, wo empor aus blutigem Raubwust Sein entsetzlicher Thron sich hob, und unzählige Christen Decket in Kerkersnacht: dort treff' ihn die Rach' und Verderben – Treffe Fluch ihn, und Schmach zur Vergeltung unendlichen Jammers!

50  Eile zurück', und entbiethe von mir dem tapferen Feldherrn, Daß er versammle sein Volk an dem Meer', und wehre den Räubern Dort den Ueberfall und die Landung: denn nur im Dunkeln, Wie der hungernde Wolf, der Nachts die Hürde bestürmet, Dräu'n sie Schrecken dem Feind, nicht im Lichte der brausenden Seeschlacht,

55  Die mein Doria kämpft, ein Adler im Fluge zum Himmel. Gehe mit Gott! Ich folge dir schnell zu dem Strande des Meers hin.« Und er winkte mit Huld dem gepriesenen Führer zum Abschied. Aber er zögerte noch, und begann: »Dem Räuber entfliehend, Wie vor dem grimmigen Luchs ein Reh durch Schnelle sich rettet,

60  Stieg, erst heute vom Bord des raschhersegelnden Schiffes Muley-Hassan an's Land, dem Hairaddin, schnaubend vor Herrschsucht, Jüngst die Krone von Tunis geraubt. Er folgte mir schweigend Nach Madrid, zum Palast, ein Flehender, daß du ihn hörest.« Jetzt erhob sich, bewegt, der hochgesinnete Kaiser;

65  Eilte die Wendeltreppe herab, und sah nach dem Fremdling Forschend umher. Er saß an der Marmorsäule der Halle, Selber ein Marmorbild, auf die kreuzenden Beine gesunken, Die das räumige Kleid umfing, und der wallende Kaftan Deckte, mit Zobel umbrämt. Sein finsteres Auge, beschattet

70  Tief von des Tulbans Bund, hing starr am glänzenden Estrich, Und er regte sich nicht, voll Grams hinbrütend, ein Schaubild Wechselnden Erdenglücks und leichtentschwindender Hoheit. Jetzo vernahm er den Tritt des nahenden Herrschers. Er bebte, Sank auf die Knie', und rief, mit tiefergreifender Stimme:

75  »König des Abendlands, dir wirft sich ein König zu Füßen, Gleich den Sclaven, die einst vor ihm zum Staube sich bückten! Ach, ein König nicht mehr: ein Flüchtling zu Land' und zu Wasser, Freundlos, reich nur an Gram und an Haß unzähliger Gegner, Fleht er um Hülfe zu dir – ein Würdiger, so du verzeihest,

80  Christenbeherrscher, daß er im Gesetz des Propheten geboren...« Also der König: da hob, im Innern erschüttert, der Kaiser Schnell von dem Boden ihn auf. Er drückte, freundlichen Blickes, Ihm die zitternde Recht', und entgegnet' ihm rasch und entschlossen: »Sey willkommen im Abendland! Den Glauben, o Fremdling,

85  Wägt ein Höh'rer, denn wir; doch Menschen ist heilig das Unglück: D'rum verkünde das deinige jetzt mit Muth und Vertrauen!« Hassan staunte mit Thränen ihn an, und als er, zum Zeichen Innigen Dankes, den wogenden Bart mit der Linken berührte – Segnend die Recht' erhob, begann er mit Muth und Vertrauen:

90  »Gott, der Alles erschuf, und die Erde mit allen Gestirnen Lenkt, allmächtigen Winks, gewähre dir Fülle des Segens, Weil du, o Herr, den Flehenden ehrst, den mitten im Frieden Hairaddins Meuchelschwert, noch rauchend vom Blute der Fürsten, Jüngst aus dem Erbe der Väter vertrieb. Er raubte Telmessans,

95  Algiers Thron: hier Selim Euthemi, den König, erdrosselnd, Dort erwürgend zugleich Abu-Hamu, den Herrscher, und Masud, Dem er die Krone verhieß, mit sieben aufblühenden Söhnen. Soll, Hohn biethend dem Recht, noch Huldigung lohnen dem Frevel? Wehe, Suleyman, der große genannt von niedrigen Seelen,

100Ehrte des Räubers That, und gab mein herrliches Erbland Ihm zum Lohn', als schändlicher Treubruch auch in des Bruders Herzen die giftigen Keime geweckt! Al-Raschid, der Frevler, Zwillinggeboren mit mir, denn liebend säugt' uns die Mutter Selbst an der zärtlichen Brust, dem grauenden Vater zur Wonne,

105Eilte nach Istambul, ein Flüchtender, frecher Empörung Strafe scheuend. Sie ward ihm dort: denn meuchlingsgemordet, Fröhnt' er nur Hairaddins List, der schnell Goletta, die Festung, Dann auch Tunis gewann, im Nahmen des Todten gebiethend, Welchem das Volk anhing, das immer der Neuerung hold ist.

110Schwer entrann ich des Wüthrichs Hand, und beuge mich jetzo Tief im Staube vor dir, Hispania's mächtiger König, Daß mir werde der Väter Thron im Kampfe der Rettung Tausender, den du beginnst! Dein sey von Tunis die Herrschaft – Muley Hassan, Mehemeds Sohn, dein treuer Vasall nur.«

115Doch mit der Recht' an der Brust begann dann jener, betheuernd: »Frei zu kämpfen mein Volk – zu rächen die Schmach und die Freveln, Die von dem frechen Korsaren es litt an den heimischen Küsten Und auf dem Meer, das segenspendend die Welten vereine, Sey mir das heilige Ziel im Waffengefilde vor Tunis.

120Dein ist der Ahnen Thron, und soll dir werden je Freiheit: Deß' sey Gott, der allwissend', ein Zeug', und ein Rächer des Meineids!« Also rief er, bewegt, und Hassans finsteres Antlitz Leuchtete gleich dem Mond, der Wetterwolken entschwebte. Gastlich sah er sich dann im hohen Palaste beherbergt.

125Aber zum heiligen Dom' hinwandelte jetzt in des Abends Stille der Kaiser allein, um dort, auf die Kniee gesunken, Seine Seele mit Muth und Stärke zu rüsten. Er flehte: »Ewiger, dein allmächtiger Arm hat Israels Scharen Durch die Tiefen geführt des seitwärtsweichenden Meeres,

130Daß sie die Fluthenwand entlang, wie auf grünenden Matten Wandelten! Schnell, wie ein Sturm herbraust, so stürzte dein Odem Ueber Pharao's Macht die Wässer zusammen, daß alle, Mann, und Wagen, und Roß, wie Blei versanken im Abgrund. Deinem allmächtigen Hauch' erbebten Jericho's Mauern,

135Und versanken in Schutt, als Josua's Volk sie im Sieg'sruf Seiner Drometen umfing. Ich ziehe zu Felde: gewähre Mir ein Zeichen der Huld und der beifallwinkenden Allmacht!« Also bethet' er leis'. Aus den farbigen Scheiben des Fensters Flog ein leuchtender Strahl der Abendsonn' ihm vorüber;

140Aber zugleich ein Glanz, dem tausende Sonnen verlöschen, Flammte mit Donnergetön' in dem Allerheiligsten nieder, Und des unendlichen Doms aufthürmende Säulen erbebten. Leise wogte der Grund. Aus der silbernstrahlenden Orgel Töneten hehr' Accorde heran, und Gesänge des Himmels,

145Wie kein Sterblicher sie noch vernahm, verhallten im Luftraum. Aber der Bethende schloß die lichtgeblendeten Augen: Denn nur ein leises Weh'n, die erblassenden Wangen vorüber, Fühlt' er noch, und Schauder der nahen Vernichtung ergriff ihn. »Ha, welch' Wunder,« er rief's, »da sinkt die sterbliche Hülle,

150Die mich im Staub' umgab, entseelt in lieblichen Schlummer, Und ich entschweb' ihr verzückt? Wie, war's ein täuschender Traum nur, Oder ein Nachtgesicht, aus Himmelsdufte gewoben?« Wie der schwebende Flaum, gerafft vom Hauche des Windes, Schnell zum Gewölk auffleugt: so hob sein geistiger Leib sich

155      Leicht von der Erd' empor, und schwebt' im sausenden Eilflug Ueber dem Luftraum schon, den keiner der Erdebewohner, Lebend, durchschifft': er mißt', urplötzlich, Besinnung und Odem.

Jetzt an dem holden Gestirn, das sonst die Nächte des Erdballs, Wechselnd, mit silbernem Schimmer erhellt, erbrauste sein Aufflug.

160Dunkeles Land mit glänzenden Meeren, und Strömen, und Flüssen, Däucht' ihn, umgeb' auch hier den rastloskreisenden Mondball, Und ihn däucht': er hörte das Rauschen der brandenden Wogen, Mächtigbevölkerter Städte Getös', und, dem Brüllen der Heerden Rings vermengt, Geschrei der befiederten Lüftebewohner.

165Doch er verweilt', und staunte, daß alle die Länder des Erdballs Und das umgürtende Meer ihm jetzt ein schimmernder Punkt nur Schien in des Weltalls Raum, dem Ozean flammender Sonnen, Sonder Gestad' – endlos nach oben, nach unten, und ringsum: Denn, wie in heiterer Nacht, wo jegliches Lüftchen verstummet,

170Und im sanftergossenen Licht der silberne See ruht, Innig bewegt, ein Wanderer bald den schimmernden Aether Ueber sich schaut, und bald in des See's hinfluthendem Spiegel, Tiefhinuntergewölbt, ihn erblickt mit den goldenen Sternen: Also ersah der Bebende dort die unzähligen Welten,

175Schimmernd, und dacht', ohnmächtig im Aethergefild zu vergehen! Aber ihm nahete jetzt, voll Hast, der Himmlischen Einer. Lieblich strahlte sein Aug' und sandte dem Erdebewohner Zärtliches Mitleid zu. Holdseliges Lächeln umschwebte Seinen rosigen Mund; es wehten die goldenen Locken

180Ihm um die denkende Stirn' und die Flammensäule des Nackens, Und vom glänzenden Leib, in Fülle der ewigen Jugend, Wallte das Strahlengewand wie morgenröthlicher Schimmer. Als er den Fremdling sanft erhob, begann er, voll Anmuth: »Fürchte dich nicht! Unzählbar blüh'n in den Auen des Himmels

185Dir die Blumen der ewigen Huld: du pflückst sie mit Andacht, Und sie duften dir noch, erquickend, im irdischen Leben, Daß du erringest das Ziel auf gottgefälliger Laufbahn.« Sagt' es, und faßt' ihn, und schwang sich mit ihm, urplötzlichen Fluges, Eilender stets, im Glanz' ätherischer Räume herunter.

190Nicht das lastende Blei, von der Zinne des Thurmes geschleudert, Sinket zur Erde so schnell; nicht der Sturm umbrauset des Erdballs Unermeßliche Reiche so rasch, und des Menschen Gedanken Dringen nicht also geschwind vom eisigen Nord- zu dem Südpol: Als der Hocherhobene jetzt, an der Seite des Freundes

195      Aus ätherischen Höh'n zur heimischen Erde herabsank. Und, als hätt' er Jahrhunderte schon in des schnellen Herabflugs Augenblicken durchlebt, so wähnt' er: ein irrender Fremdling Diesseits noch, und gebannt in des Fleisches umschränkende Hülle.

Da, wo in engerer Bahn, an Siziliens Felsengestaden

200Und Calabriens Klippen vorbei, sich die salzige Meerfluth Strömend ergießt: traf jetzt mit sanften, melodischen Tönen, Brausender Wogen Gebrüll' und wirbelnder Fluthen Getümmel Sein aufhorchendes Ohr, und seine erheiterten Augen Hafteten sehnsuchtsvoll an der dampfenden Kuppe des Aetna:

205Denn, nur eben entrückt dem mildbefreundeten Leben, War ihm die Erde noch stets die liebe, die trauliche Heimath. Doch auf den schwindligen Höh'n, wo Stille herrscht, und des Wand'rers Ohren kein Laut erschallt, wenn dort nicht der einsame Gemsaar, Von dem mittleren Raum, mit kreischender Kehle, sich aufschwingt;

210Wo in des Frühwinds frostigem Hauch nur gelbliches Steingras Rauschet, und gleißt, und am Felsenkamm kein Rasen ergrünet: Dort erblüheten jetzt rings her die erlesensten Blumen – Nickten, und trugen die beiden vereint auf den schimmernden Kelchen Sanft von der Erd' empor, und verbreiteten Düfte des Himmels.

215Doch der Unsterbliche sank auf die Knie', und sah zu dem Lichtreich Flehenden Blickes empor, die Stimme des Herrn zu vernehmen. Und sie erscholl leis' erst, wie ein Frühlingslüftchen die Blüthen, Lispelnd bewegt; dann ähnlich dem Sturm, der hoch zu den Wolken Stäubet die Felder, entwurzelt den Forst, und empöret den Waldstrom,

220Daß er mit schwellendem Grimm' ausbricht in die Fluren und wüstet Thäler und Hügel umher, zu trauererregendem Anblick; Wie der furchtbare Donner, der des umnachteten Himmels Eh'rnes Gewölb, weithin, durchbrüllt, und mit krachenden Schlägen Dumpf fortrollt, und murrt, daß die Vesten erzittern des Erdballs:

225Also, Vernichtung drohend, erscholl's dem sinkenden Fremdling, Als der Ewige sprach; doch jener vernahm's mit Entzücken. Wie der leis' Erwachende horcht, wenn nächtliche Lüftchen, Flisternden Hauchs, die Saiten der Aeolsharfe durchsäuseln, Und der entzückende Klang in den stillen Räumen dahinstirbt:

230Also horchte der Himmlische. Doch nun hob er den Fremdling Liebend an seine Brust, und drückte die rosigen Lippen Dann mit erweckender Gluth an seine geschlossenen Wimpern. Staunend blickt' er umher: er sah durch Thränen der Wonne, Fest an den Busen des Holden geschmiegt, die Gefilde des Himmels

235Plötzlich enthüllt, und stand verloren in seliger Anschau. Wie in des eisigen Winters Zeit, wenn düstere Nebel Lange die Thäler umher, dicht lagernd, verhüllten, der Ostwind Sausenden Flugs anstürmt, und die lästigen ferne verscheuchet: Da glänzt herrlicher noch der hochaufwölbende Luftraum,

240Und der bereifte Wald erhebt von den starren Gebirgshöh'n, Schimmernd, das Haupt – hell glühet der Strom im sonnigen Thal fort: Also zerfloß auch hier, vor den Augen des staunenden Fremdlings Leise die Wolkennacht, und er sah... wer wagt' es zu sagen, Was er geseh'n, gehört, und gefühlt in den Tiefen des Herzens?

245Nur in dem Augenblick, wie er uns auf Erden entschwindet, Wurden die hohen Gesicht' ihm enthüllt: im duftigen Goldglanz Schwanden sogleich vor seinen Blicken die Räume des Himmels. Aber er stand, und starrte noch immer, erschüttert, vor sich hin, Wie der Wand'rer im strahlenden Blitz die nächtliche Gegend

250plötzlich erhellet schaut, dann blind hinstarrt in die Sturmnacht. Und der Unsterbliche rief ihm jetzt ermunternden Blickes: »Sohn des Staubes, o nie vergiß der Huld des Erbarmers, Die zu Gefilden dich hob, wohin kein sterbliches Aug' noch Drang. Lobsinge dem Herrn, dem einigen Lenker des Weltalls!

255Hier auf den dampfenden Höh'n verkünd' ich dir seine Beschlüsse, Wie erst zuvor mein Ohr sie vernahm in unsäglicher Wonne. Er durchschaute dein Herz, das heiß für unzähliger Völker Wohlfahrt schlägt, und jetzt den Sclaven Errettung bereitet. Schön ist der Kampf für Recht und des Menschen heilige Freiheit;

260Gottgesegnet der Muth, die schmähliche Kette zu brechen, Die der freche Tyrann, im Wahnsinn höhnenden Stolzes, Jenen ersann, die Brüder ihm sind, und Erkor'ne des Himmels. Herrlichen Sieg gewähret dir Gott; erkenne dieß Zeichen Seiner unendlichen Huld und der beifallwinkenden Allmacht.«

265Jener beugte die Stirne zum Staub'; erhob sich, und sah dann Freudig empor: sein Aug' erglänzte von Thränen des Dankes. Jetzt ergriff er die Hand des Himmlischen, starrte verwundert Noch in die Lüfte hinaus, und sprach mit leiserer Stimme: »Ringsum sah ich die Luft von Scharen unsterblicher Geister

270Wimmeln, und dort die Wege der Sterblichen gierig erforschen. O, verhehl' es mir nicht: was sollen die hohen Gestalten, Die, verdunkelt, nicht dir, nicht mir, dem Fremdlinge, gleichen?« Und der Unsterbliche rief mit ernstumwölketen Augen: »Erdebewohner, du wolltest erschau'n des unendlichen Weltalls

275Tiefen und Höh'n; dich kühn auf der Stufenleiter der Wesen Schwingen hinauf und hinab, und erkennen, wie Glied sich auf Glied dort Reih' an der Kette, mit dem die allmächtige Rechte des Ew'gen, Alles, was athmet, und lebt, und was nicht lebet, noch athmet, Liebend umschlungen hält? Du sänkest zurück' in den Urstaub

280Vor dem Geheimniß des All's, dem selbst der Cherub erbebte. Sieh', in des Himmels Höh'n ist Seligkeit; tief in des Abgrunds Höllengefilden ist Qual: auf immer dort dem Gerechten Unaussprechlicher Lohn, hier Strafe verhärteten Frevlern! Aber inmitten der scheidenden Bahn des Heil's und Verderbens

285Dämmert der Pfad der Läuterung noch: ihn wandeln die Seelen, Schuldig des leichteren Fehl's aus Irrthum, oder Verblendung, Dem auch jene Unglücklichen dort einst fröhnten auf Erden, Daß sie, gereint, der hohen Erbarmungen würdig erscheinen, Wenn in des Richters erhobener Hand, an dem letzten Gerichtstag,

290Furchtbar die Wag' ertönt. Sie wandeln den läuternden Weg noch.« Sagt' es, und jener begann voll Hast: »Wo weilen die armen? Ueber der Erd' umher, nicht ferne der Menschen Gemeinschaft, Oder fern' im Verborgenen?« Doch, die lichte Gestalt rief: »Als das »Werde!« erscholl: da brausten die endlichen Wesen

295All', erschaffen aus Nichts, von des Herrn allmächtigem Odem In den unendlichen Raum geschleudert, mit Donnergetös' hin. Aber im kreisenden Flug vereinte sich Sprödes und Weiches, Erd' und Gestein, und strebte hinaus, zur äußersten Rundung Sich zu dehnen. So ward im finstern Schooße des Erdballs

300Weitverbreitete Leer' umwölbt, die nimmer der Sonne Strahlender Blick erfreut, nie Sterngefunkel und Mondglanz. Dort verweilt nicht selten die Schar der trauernden Geister, Deren so manchen du erst in den schimmernden Lüften erblickt hast; Doch sie nah'n, zuweilen den nächtlichen Räumen entschwebend,

305Gerne dem Menschen als Freund', und suchen ihm Hülf' und Errettung, Kraft, und Muth, und, was sie noch sonst an edler Gesinnung Einst in dem Leben erhob, in die horchende Seele zu hauchen: Denn sie erkennen schnell der Seelen geheimste Gedanken, Sterblicher Hüll' entrückt; sie schauen des irdischen Lebens

310Reinern Gehalt, und ihr Herz erglüht in heiliger Sehnsucht Nach dem erquickenden Segensborn des Guten und Wahren. Bald in dem Schlachtengemeng', umschweben sie dich und die Deinen Hülfreich; aber du kennest das Wort des ewigen Lebens: Solchem vertraue allein mit nie zu erschütterndem Herzen.«

315Sprach's, und die Stimme des Helden erklang, wie Harfengelispel Tönt in des Mondes Zauberlicht, wenn alles entzückt horcht; Doch sie erscholl, wohl hundert vereinten Donnern nicht ungleich, Welchen die Erd' erbebt, als, über dem flammenden Abgrund Schwebend, er jetzt die tieferschütternden Worte hinabrief:

320»Geister, herauf! Euch winkt die ersehnete Stunde vor Tunis.« Und ein lautes Getös' erscholl in den Tiefen des Erdballs. Wie, vom stürmenden Wind' empört, sich Wogen auf Wogen Stürzen; Geheul und Gebrüll der schrecklichen schallt, und die Küsten Ringsumher dem wilden Tumult stets lauter erdrönen:

325Also erhob, und mehrte sich tief in der Wölbung des Erdballs Dumpfes Gemurmel zuerst, und sofort unendliches Jauchzen. Schauernd wogte der Grund; aufrauschten des Meeres Gewässer; Finsterer quoll der Rauch aus dem Schlunde des Berges; die Flammen Prasselten hoch in die Luft, und die glühenden Fluthen der Lava

330      Braus'ten herauf und hinunter, im Flug durchwüthend den Abgrund.

Eilend erhob sich nun der Herrliche, der ihm der Geister Reich enthüllt', in die schimmernde Luft, und, leiseverhallend, Tönten vom Aethergefild noch die lieblichen Worte herunter: »Senke dich durch den Schlund, durch Qualm und flackernde Flammen

335Muthig hinab zur Höhl' in Schooße des dampfenden Aetna, Und erringe das Ziel nach der hehren Geistesverzückung.« Weinend hob nun jener den Blick zu dem seligen Freund' auf, Der, umstrahlt vom Glanz unsterblicher Seelengemeinschaft, Fern' in den Lüften schwand, und fuhr jetzt, brausenden Fluges,

340Nieder im finstern Schlund durch Qualm und flackernde Flammen, Bis in dem Zwielicht weit vor seinen Augen der Eingang Klafft', und die Höhle sich wies in angsterweckender Anschau! Furchtbar wölbte die Felsenwand aus schwindligen Höhen Höher sich auf. Es jagte zuweilen der wirbelnde Zugwind

345Tief in den Riesendom die Flammensäule; sie hob sich, Züngelnd, die Wände hinan, und leuchten hoch in die Nacht auf; Doch erflog ihr fernster Schimmer des nächtlichen Dunkels Hälfte noch kaum, das endlos herrscht' in des Felsens Umwölbung. Hier nicht weilet die Ruh', und athmet nicht liebliche Stille;

350Rastlos tobt – aufbraus't im Sturm, der kochenden Lava Urstoff: Erz im Gestein, und Schwefel, mit dunkelem Erdharz Gährend, zur Wolkenhöh', an des Berges geöffneten Rachen. Donnernde Ström' entstürzen rings den Schluchten; sie rauschen Tief in des Abgrunds Nacht, und wälzen, dem berstenden Kerker

355      Unten entfloh'n, zum Meeresgestade die finstere Fluth fort. Ihrem Sturz' erdrönet die Höhl', und vom eisigen Abgrund Fleugt Entsetzen, Frost, und Schauder in Windesgeheul auf.

Dorthin, kommend herab aus dem übersinnlichen Luftraum, War ihm Muhamed erst, umringt von Scharen der Geister,

360Die er entboth, voraus in die schaurige Höhle geflogen. Ueber der allbelebenden Luft, die rings an dem Erdball, So an dem Mond', und den endlos hin entflammten Gestirnen, Schwimmt umher, erhebe sich der übersinnliche Luftraum Dräuend in seiner Leer', und unwohnbar sterblichen Menschen:

365Denn, wie, umhüllt vom glockengestalten Glase, der Sperling Schnell das Leben verhaucht, wenn wißbegierige Forscher Schonungslos ihm rauben die Luft mit den künstlichen Pumpen Also würd' in des Menschen Brust urplötzlich das Leben Stocken, der in das Uebersinnliche kühn sich erhöbe;

370Aber des sterblichen Leibes beraubt, bewohnen die Fürsten,Mächt', und Gewalten des ewigen Feind's, auf Arges gesinnet, Solches mit Lust: Verworf'ne vom Herrn, die am letzten Gerichtstag Dann mit dem Tode ungleich, dem letzten der Uebel, vergehen. Dorther schwang mit Gefolg sich Muhamed, glühenden Blickes,

375Jetzo herab. Er saß in der Höhl', auf dem ragenden Felsblock, Ueber die Scharen erhöht. Der dunkelröthliche Schimmer, Welchen der Flammenstrom entsandt' aus der Ferne des Eingangs, Schwebt' in flatterndem Flug' an seinem blasseren Antlitz. Feuer sprühte sein Aug'; in silbernkräuselnden Wellen

380Floß ihm der Bart in den Busen herab, und die luftigen Glieder Hüllet' in Schatten das Unterkleid und der wallende Kaftan. Jetzt erhob er die Recht' an des Stirnbunds Zier; mit der Linken Wühlt' er die Blätter des Korans auf: sie rauschten, den Stürmen Aehnlich im Herbst, da ihr Hauch die trauernden Wälder entblättert.

385»Hör' es, mein Volk,« so rief er, »was dir im nächtlichen Dunkel, Ferne vom spähenden Blick' uns feindlichgesinneter Geister, Meine Zung' enthüllt, und zeige dich würdig des Herrschers! Unheil droht von Hesperiens Küsten dem Lande gen Aufgang – Dieser erwählten Blum' im Kranz der Schöpfungen Gottes,

390Dieser Perle der Welt, und der Wiege des Menschengeschlechtes. Jüngst erhascht' es mein Ohr auf Deutschlands gährenden Gauen, Die der Neuerung Flamme durchtobt: es sinne der Kaiser Jenem ein schmähliches Joch, und sich weltherrschende Hoheit. Seh't, was mich, den heimlichen Forscher, nur Täuschung bedünkte,

395Fügt sich in Wahrheit schon! Er ruft, und rüstet die Völker Rings zum Kampf, von den schimmernden Höh'n zu Tunis den Halbmond Niederzuschmettern, und ha, fällt Afrika jetzo, gebändigt, Seiner Gewalt: dann lechzt er wohl gar nach Asia's Herrschaft, Daß er die heiligen Städte und dort der gläubigen Pilger

400Freudiges Ziel, mein Grab, mit stolzer Ferse zerstampfe? Aber nicht also gescheh's! Wir zieh'n, des edelsten Weltteils Söhn', ihm entgegen, nicht scheuend den Trotz der Gegner im Luftraum, Welche zuvor des Erdballs Schooß' entschwebten, und uns stets Feindlichgesinnt, ihm bald mit thatenerweckendem Eifer

405Beisteh'n: denn auch Hairaddins Brust, des treuen Bekenners Meiner Lehre, will ich mit Kraft erfüllen und Kühnheit. Jetzo nach Tunis geeilt, und nie vergesset des Wortes: Wer das Eine nur will, fest will, der wird es erringen!« Sagt' es, und hob sich empor. Ihm folgten unzählige Geister,

410Jauchzend; aber es zischt' ihr Schrei nur schwach im Gewölb hin. So, wie in dunkler Gewitternacht der einsame Wand'rer, Keuchend, die Leucht' in der Hand mit halbverlöschendem Flämmchen, Endlich die Höhle betritt im verborgenen Raume der Felswand: Ihm umschwirren sogleich die Fledermäuse, geblendet,

415Rings das Haupt, und er wankt erschrocken zurück nach dem Eingang: Also bebte vor Angst der leis'aufhorchende Fremdling Vor den flüchtenden Geistern zurück', und eilt', in des Tages Lichte Gefilde zu schau'n nach schrecklicher Nacht der Verbannung. Tief zerfleischte sein Herz, voll himmlischer Milde, des Sehers

420Haßverkündendes Wort. Er saß, und drückte die Augen Fest in die Hand, und sieh', es schwebten aus kommenden Tagen Dunkler Ahnung Gebild' ihm vor: das wilde Gebären Thatenschwangerer Zeit, und zerstörendes End' im Beginne! Schatten floh'n, und kamen, und eilten vom wechselnden Schauplatz;

425Aber, weit durchströmt von den schimmernden Fluthen der Elbe, Hüllte sich Mühlbergs Heid' ihm auf. Er horchte dem Siegsruf; Sah die ihn höhnten, besiegt, ihm die Knie' umfassen, und wähnte Schon die Deutschen vereint nach des Glaubens schrecklichem Zwiespalt: Wie, und er flieht dann bald im Grau'n der finsteren Sturmnacht,

430Wehrlos, alt, und krank, dem nimmergeahneten Undank Weichend, fort aus Tyrols, der Treue geheiligten Thälern? Und so bald versah er das Ziel weltherrschender Hoheit? Aechzend erhob er den Blick: die trüben Gesichte der Zukunft Schwanden in Nacht; er floh, und kehrt' in die sterbliche Hülle.

435Sieh', und es regte sich nun der schlummernde Kaiser! Ihm pochte Hörbar die Brust; sein Athem flog, und häufiger Schweiß rann Ihm von der glühenden Stirn'. Er blickte lange verwundert Rings in den Hallen umher, und sann, ein wachender Träumer. Jetzt ein dämmernder Strahl, und jetzt – kaum wagt' er's zu denken,

440Was so erhaben und groß vor seinem Geiste dahinschwand, Und ihn entzückte zuvor: ihm drohte vernichtende Wonne, Und, was unhörbar war den Ohren sterblicher Menschen, Barg für immer sein treues Gemüth. Nie lächelt' er wieder Und sein sehnender Blick hing stets an dem Bilde des Grabes.

445Doch nun kehrt' er heim in die Burg, und Stille war ringsum.

Zweiter Gesang.

                      Siehe, der Kaiser entboth im mitternächtlichen Dunkel Noch in die Königsburg Hispania's hohe Cortezza: Denn kein Schlummer umfing sein glühendes Auge; des Kampfes Nahender Augenblick und die drängende Sorge der Rüstung

5     Scheuchten ihn fern': er sah, und hörte nur Sieg und Errettung! Jene harrten im prächtigen Saal des edelsten Herrschers. Nun, da er kam, entfuhren sie alle den schwellenden Pfühlen; Blößten vor ihm, verneigend, das Haupt, und deckten es wieder, Würdigen Ernstes voll, nach altherkömmlichem Vorrecht.

10   Aber er schritt im Gefolg der Großen und Edeln zum Thron' auf, Deß' erlesene Pracht mit Staunen erfüllte den Fremdling. Schwarz aufragte vom Dach der Doppel-Aar, mit dem Zepter Und mit der Krone geschmückt, voll hellaufblitzenden Demant's, Den der Hindou dem Schacht' entriß, und der bataver Künstler

15   Glättete, ringsumher verzierend mit schimmernden Kanten; Doch an dem Purpurtuch, vom Dach zu dem Sitze herunter glänzten die Wapen, vereint, von Gott gesegneter Länder, Die er beherrscht': ein Meisterwerk kunstfertiger Nadel. Dreizehn Königreich', umschlingend Castiliens Kronen,

20   Wies, vorstrahlend, das Tuch zum Ruhme der spanischen Herrschaft; Unter ihm Austria's Schild: den schneeigen Gürtel im Blutfeld, Der in dem Kampf rein hielt von feindlichem Blute den Panzer Leupold, des Tugendhaften, vor Ptolemais: sein Denkmahl! Rechts, im schönen Verein von sechs verbrüderten Reichen,

25   Ungerns doppelten Schild; vier Ströme durchfluthen den einen – Aber das Haupt der Karpathen hebt, dreizackig, im andern Ueber dem fruchtbar'n Land, das tapfere Völker bewohnen, Schimmernd, die Kron' und das Doppelkreutz, von Silber, zur Luft auf. Links, in dem rothen Feld Bohemia's silbernen Löwen:

30   Eines löwenmüthigen Volks hochrühmliches Zeichen. Tiefer, im grünen Feld den flammensprühenden Panther: Stiria's eisenerzausschmelzenden Essen zu Ehren; Dann Carinthia's Leu'n und Pfeile, des trefflichen Landes, Wo das Blei ausbeutet der Bergmann: schrecklich ersetzte

35   Tödlichschmetterndes Blei die Pfeil' im Felde der Waffen; Dann, aufstrebend zur Sonnenbahn, Carniolia's Adler – Morawa's Aar, und Tyrols, der Treue geheiligter Länder. Aber der Löwe Brabants, im Schooß umgränzender Gauen, Zeigt uns im hehren Ruhm des edelsten Kaisers Geburtsland.

40        Ihm zur Seite verschlingt Lombardia's Schlange den Mohren; Ihn umgibt Neapoli's Lilienglanz, und ihm huldigt, Jugendlich schön aus des Meeres Fluth aufschwebend, des Morgens Freundlicher Strahl und erhellt Amerika's winkenden Meerstrand.

Dort die Stufen hinan, die ein niederländischer Teppich

45   Hüllet, schön im Geweb' darstellend die Freude des Weidwerks, Schritt der Kaiser. Er stand, gewendet, im Glanze des Thrones; Blickte nach Allen umher, und, als er auf blähenden Purpur Nieder sich ließ, begann er mit sanfterglühenden Augen: »Edle des Reichs, und Räthe! Der Tag der Christenerrettung

50   Ruft zu dem heiligen Kampf Europa's vereinte Geschwader, Und, entfaltend am Maste die Flagg' und die wehenden Wimpel, Harren die Völker, vereint, der Abfahrt donnerndem Wink nur, Daß sie im Felde des Ruhms, vor Tunis, am frevelnden Räuber Rächen die Schmach, und dem schrecklichen Joch' entreißen die Brüder.

55   Laut ruft uns Barcellona's Gestad, wo dort auf des Meer's Höh'n, Nun gerüstet zur Schlacht, nun wehrlosen Küstenbewohnern Jammer dräuend und Noth, sein Raubgeschwader sich zeiget. Gottes Segen mit uns und dem Lande. Mein endlicher Wille Liegt gefertigt im Schrank: so im heiligen Kampf' ich erläge,

60   Und nicht wiederkehrte zu euch, zur liebenden Gattinn, Und zu dem Sohn, der einst, so Gott will, würdig den Zepter Führe nach mir, vor allen Hispania's Ländern zum Frommen. Eurer Sorgfalt, Treu', und Liebe vertrau' ich die beiden Jetzt, und scheide getrost: sie sind da trefflich geborgen.«

65   Also der Fürst. Da quoll's von Thränen im Auge der Edeln; All' entfuhren der Bank, und streckten die Händ' ihm entgegen. Wie der Gießbach rauscht, der hoch vom dauernden Regen Angeschwollen, dem Felsenbett' entstürzet, und rastlos Rasselnde Kiesel wälzt, und Felsengerölle mit fortreißt:

70   Also erscholl in dem Saal' ihr lauterbrausender Zuruf; Doch bald hier, bald dort ertönt' er vernehmlicher, lauter: »Kehre beglückt uns heim, und herrsch' in dem Segen der Völker, Allgeliebter, noch lange! Mit strahlenden Lorbern des Sieges Kommt Europa dir bald, dem Retter, entgegen, und jauchzt dir

75   Lauten Triumph in der Glocken Getön' und des ehrnen Geschützes Freudigen Donnerhall: dein Ruhm erfüllet den Erdkreis.« Aber er stand, erschüttert, am Thron', und sandte nach Allen Heiden Dank aus der Himmelsbläue der glänzenden Augen, Eilte die Stufen herab, und ging. Aufflogen der Thüren

80   Mächtige Flügel vor ihm; er schwand mit seinem Gefolg dann Fern' im Gang. Da kehrten zugleich die Großen des Reiches Nach der heimischen Flur, um dort in der einsamen Felsburg, Oder in menschenversammelnder Stadt noch heute zu fördern, Was zu dem Rettungskampf des Herrschers Wille gebothen.

85   Eh' in des Erdballs Schooß, in die düstere Wohnung der Trauer, Noch der Ruf des Unsterblichen drang, erlesenen Geistern Dort zu verkünden den bald umwüthenden Kampf in Karthago's Rühmlichem Feld, schwang Hermann, einst der kühnen Cherusker Tapferer Hort, sich herunter. Ihm flogen die goldenen Locken

90   Weit von dem Nacken, sein blitzendes Aug' und die glühenden Wangen Kündigten freudigen Muth und trostverheißende Bothschaft. Gierig forscht' er umher, die Freunde sogleich in den Scharen Gleichgesinnter Geister zu schauen, und er fand sie vereint dort. Hannibal, der dem Regulus nah', auf schwellendem Mooswuchs

95   Ruhte, erhob das Haupt, und rief ihm finster entgegen: »Freude verkündet dein Flammenblick, unbändiger Krieger! Wie, nur Kampf, Gewürg', und Schlachtengetümmel ergetzt dich Noch, das rastlos fort im Geschlechte der Sterblichen wüthet? Aber ich athme nicht Erdenluft, und meide, voll Unmuths,

100  Seit Jahrhunderten schon, der Sonn' erfreuenden Anblick. Siehe, wir führen erneueten Streite ob würdiger Roma, Oder Karthago gedacht, und gehandelt, als Herrscherin? Roma Trat mit ehernem Fuß' allwärts die Blüthe der Menschheit Nieder, als Siegerinn, da Karthago der milderen Herrschaft,

105  Segen pflanzend rings an den Küsten des Meer's, sich erfreute. O, ich hätte mein Vaterland und die Welt, die ergrimmend, Sie in dem Sclavenjoch ausmordete, schrecklich gerächt noch: Hätte nicht Haß und niedriger Neid die Scharen verweigert, Die ich entboth, euch, Wolfesbrut, ganz niederzuschmettern!«

110  Regulus schwieg; doch Hermann rief den zürnenden Helden: »Schon seit lange versöhnt, und verbunden in traulicher Freundschaft, Wollet ihr euch denn heut' entzwei'n durch Worte des Haders? Laßt die Vergangenheit; nur, wie im zaubergewaltigen Spiegel, Gaukelnd, kommen, und flieh'n die buntvermengten Gestalten,

115  Stehe vor eurem Gemüth' ihr grau'numhülletes Bild noch. Hört, was, tröstend für uns, der Erde Bewohner beginnen! Schon ist dem Heldenvolk zum fernentlegenen Tunis Offen die glänzende Bahn; schon waffnet der edelste Kaiser Scharen der Krieger am Meeresstrand, wo unzählige Schiffe

120  Decken die schimmernde Fluth, und entfalten die Segel zur Abfahrt. Ein Welttheil entboth die Tapferen gegen den andern; Ringsum regt sich die Erd', und ihr denkt hier müßig zu weilen? Auf, wir wollen vereint hinzieh'n, und entflammen die Krieger Oben im Kampf! Gedenket des Ruhms entflohener Zeiten!«

125  Hannibal schwang sich empor, und rief mit gewaltiger Stimme: »Fort, auf die Oberwelt! Ich will in dem Felde der Waffen Schauen die Helden der neueren Zeit. So herrliche Krieger, Als am Trasimen und vor Cannä die Erde gewahrte: Staunend den Söhnen des Sieg's, die werd' ich wohl nimmer ersehen.«

130  Regulus stand, verdüsterten Blicks, und sagte den Beiden: »Möget ihr immerhin dem furchtbar'n Schlachtengetümmel Horchen mit Lust, und drängen, und treiben mit stachelnden Worten Eure Erwählten: nur wenig frommt's, nur wenig genügt's euch! Aber mich reizet ihr nicht, zu entfliehen den nächtlichen Räumen.«

135  »Wie,« rief Hermann, »du bliebest zurück', und rings in Karthago's Hehrem Gefild tönt bald Siegsruf im Getümmel der Waffen? Sehntest dich nimmer zu schau'n die Heldenmaale der Vorwelt? Zwar es fing dich im Kampf der hochgesinnte Spartaner, Xanthippos, dem Volk Karthago's gebiethend als Feldherr:

140  Doch du sühntest die Schmach, gabst hin die unschätzbare Freiheit Für dein Vaterland, und auf immer preist dich die Nachwelt. Komm', und folge mir, dort zu entflammen den Muth in den Schlachtreih'n!« Also der Held: da erscholl des Unsterblichen donnernde Stimme, Die von des Aetna Schlund durch wirbelnder Flammen Geprassel

145  Brausend, die Scharen der Geister hinauf zum erwachenden Kampf lud. Neunmal umkreis'te der Donnerruf den unendlichen Raum dort; Neunmal erwiedert' ihn auch der Geister empörterer Jubel, Und die beiden entschwebten, vereint, und von Kriegern umgeben, Welchen sie einst geboten im Kampf, dem Schooße des Erdballs.

150  Aber Regulus stand, verlassen von seinen Gefährden, Sinnend, allein, und blickte starr in die Tiefe hinunter. Jetzo wollt' er entflieh'n, um fern in des eisigen Nordpols Wölbung den glühenden Durst, der mächtig ihn drängte, zu stillen; Doch er entbrannte noch mehr: das Schmettern der Kriegesdrometen,

155  Dann das Wiehern der stampfenden Ross', und der Würgenden Schlachtruf Töneten, wechselnd, um ihn, und von tausend Gebilden ergriffen, Stand er, triefend von Schweiß, und zitternd vor steigender Kampflust. Sieh', nun ballt' er die Faust, und rief mit gewaltiger Stimme: »Deutschlands Hort, so sagte zuvor der kühne Cherusker,

160  Kommend herab von der oberen Welt, entboth Europa's Völker zur Heldenfahrt: viel tausend gefangene Menschen Aus des Räubers Gewalt, aus Schmach und Fesseln zu retten?... Weh', auch ich trug einst die schmähliche Kette! Sie both mir Ruhm und Lohn; doch fühlt' ich es oft in vernichtender Schwermuth,

165  Wie in dem dumpfen Gewölb sie lastete, wo mich die Stunden Länger als Tag', und diese zu trägen Jahren gedehnet, Dünkten. Auch mir erscholl die höhnende Stimme des Wüthrichs – Drohte sein finsterer Blick stets größere Qualen; ich fühlte So die entsetzlichste: fern von der hochgesinneten Gattinn

170  Und den Erzeugten, das Leben in Kerkersnacht zu verhauchen. Jetzo hinauf, hinauf nach Tunis, dem einstigen Schauplatz Dort unsterblichen Ruhms und herzzerreißenden Jammers, Daß ich vielleicht noch selbst Unglücklichen Hülfe gewähre!«