Über den Tod von Friedrich Alfred Krupp - Thomas Schwarzkopf - E-Book

Über den Tod von Friedrich Alfred Krupp E-Book

Thomas Schwarzkopf

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Beschreibung

Am 22. November 1902 stirbt Friedrich Alfred Krupp in der Villa Hügel. Die Umstände seines plötzlichen Todes sind rätselhaft. Gibt es einen Zusammenhang mit dem sogenannten Krupp-Skandal? Der Zeitzeuge Albert Mittweg zweifelt an der öffentlichen Berichterstattung und führt eigene Recherchen durch. Seine Erkenntnisse werden zusammen mit bisher nicht ausgewerteten Dokumenten verwendet, um die Ereignisse am Todestag Krupps zu rekonstruieren und um Hinweisen auf eine Vertuschung der Todesumstände nachzugehen.

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Inhalt

Vorwort

1. Die Quelle

2. Albert Mittweg und die Familie Krupp

3. Friedrich Alfred Krupp

3.1 Capri

3.2 Margarethe Krupp

4. Dokumentensammlung Albert Mittweg

5. Die Ärzte

5.1 Das Gutachten

5.2 Das Bulletin

5.3 Die Verlautbarung

5.4 Thema Obduktion

6. Nachspiel in der Öffentlichkeit

7. Die Rolle von Margarethe Krupp

8. Abschließende Anmerkung von Albert Mittweg

9. Rudolf Korn

10. Arbeitshypothese zum Tod von F. A. Krupp

11. Fazit

Danksagung

Bildnachweis

Abkürzungsverzeichnis

Literatur- und Quellenverzeichnis

Vorwort

Am 22. November 1902 um 18 Uhr gab das Krupp-Direktorium mit Plakaten an den Werkstoren in Essen bekannt, dass Friedrich Alfred Krupp um 15 Uhr in seinem Wohnsitz, der Villa Hügel, an einem Schlaganfall gestorben ist. Die Bevölkerung war erschüttert. Wie kann es sein, dass der damals reichste Mann Deutschlands, der bedeutendste Stahlproduzent und Freund von Kaiser Wilhelm II. plötzlich tot ist?

Krupp stand in den Tagen davor unter erheblichem Druck. In ganz Deutschland wurde in den Zeitungen über den sogenannten Krupp-Skandal berichtet. Der „Vorwärts“ hatte Krupp beschuldigt, auf Capri an homosexuellen Handlungen mit jungen Männern beteiligt gewesen zu sein. War Krupp dieser Stresssituation nicht gewachsen? War sein Tod auf seine schwache Gesundheit zurückzuführen? Wäre es möglich, dass Krupp sein Leben selbst beendet hat? Unabhängige, gesicherte Informationen zu Krupps Tod gab es nicht.

Albert Mittweg wollte es damals genauer wissen. Er war Kommunalpolitiker und Geschichtsforscher in Werden, einer Kleinstadt nur zwei Kilometer von der Villa Hügel entfernt. Mittweg hat unmittelbar nach dem Tod von F. A. Krupp begonnen, Zeitungsausschnitte und andere Dokumente zu diesem Ereignis zusammenzutragen.

Das Einzigartige an dieser Sammlung sind darin enthaltene, bisher unbekannte Aussagen von Personen, die am Todestag von Friedrich Alfred Krupp in der Villa Hügel anwesend waren, sowie Mittwegs persönliche Kommentare zur Berichterstattung in den Zeitungen. Er dokumentierte Indizien, die ihn an der offiziellen Version zu den Umständen von Krupps Tod zweifeln ließen. Viele seiner Fragen blieben jedoch offen.

Mittweg fehlten wichtige Zeugenaussagen oder Dokumente, die ihm bei der Beantwortung seiner Fragen hätten helfen können. Überraschenderweise wurden jetzt in den Archiven bislang unbearbeitete Dokumente gefunden, die es ermöglichen, zusammen mit Mittwegs Indizien, die Geschehnisse am Todestag von Friedrich Alfred Krupp genauer zu rekonstruieren. Außerdem enthalten diese Dokumente Hinweise, dass eine umfassende Vertuschung von Krupps Tod stattgefunden hat. Diese hatte entscheidenden Anteil daran, dass Krupps Tod als mysteriös und ungeklärt in die Geschichtsbücher eingegangen ist.

1.

Die Quelle

Die Zeitungsausschnittsammlung (ZASM),1 von Albert Mittweg aus der Zeit zwischen 1861 bis zu seinem Tod 1930, besteht aus insgesamt 388 Heften. Diese Sammlung bildet ein einzigartiges Kaleidoskop der historischen Ereignisse von der Kaiserzeit bis in die Weimarer Republik. Über mehr als fünf Jahrzehnte hat Mittweg alles ausgeschnitten und eingeklebt, was lokal (bezogen auf Werden Stadt und Werden Land) und überregional von Bedeutung war. Dies reichte von wichtigen politischen Ereignissen, Stadtverordnetenversammlungen bis hin zu Anzeigen, Kuriositäten und persönlichen Dokumenten, wie Einladungs- und Mitgliedskarten sowie Speisekarten von Festveranstaltungen. Die Hefte haben ein Format von 33,5 x 12,5 cm. Zusammen mit dem festen Papier war dies ideal zum Einkleben von Zeitungsartikeln, die in der Regel zwischen 9 und 11 cm breit waren. Sein Vater und er betrieben einen Weinhandel. Dort wurden sie als Kassenbücher verwendet.

Standard war, dass die Hefte die Ereignisse chronologisch abbildeten. D. h., Mittweg sammelte Zeitungsausschnitte sowie andere Druckerzeugnisse und klebte diese zeitnah in ein Heft. War das Heft voll, begann er mit dem nächsten Heft.

Das Heft Nr. 203.a mit dem Titel „Friedrich Alfred Krupp, † 22/11. 02 in Bredeney“2 ist ein Sonderheft, bei dem Mittweg von seiner üblichen Systematik abgewichen ist. Zunächst sammelte er Zeitungsauschnitte und Dokumente zum Tod von Krupp über einen längeren Zeitraum. Zeitungsausschnitte aus überregionalen Zeitungen hat er sich extra besorgt. Diese standen ihm zum Zeitpunkt ihres Erscheinens in Werden nicht unmittelbar zur Verfügung. Besonders bemerkenswert ist seine Auswahl der Zeitungsartikel. Viele dieser Artikel wurden auch in späteren Abhandlungen über dieses Ereignis zitiert, weil diese die wesentlichen Punkte enthielten, die damals die öffentliche Diskussion bestimmten.

Das Heft beginnt mit dem Zeitungsartikel „Krupp auf Capri“ des „Vorwärts“ vom 15. November 1902,3 eine Woche vor dem Tod von F. A. Krupp. Zeitlich endet das Sonderheft mit einem Artikel von Ende April 1903, der sich mit der Konstituierung der Aktiengesellschaft Fried. Krupp am 22. April 1903 befasst. Abgeschlossen wird das Heft mit einem Gedenkblatt, das die Ansprache von Kaiser Wilhelm II. am 26. November 1902 auf dem Bahnhof in Essen zum Tod von Friedrich Alfred Krupp wiedergibt.

Wann Albert Mittweg seine handschriftlichen Anmerkungen zu den Dokumenten gemacht hat, lässt sich nicht genau bestimmen. Seine Kommentare lassen vermuten, dass er seine Anmerkungen bei oder kurz nach der Fertigstellung des Heftes, wahrscheinlich April/Mai 1903, hinzugefügt hat. Er benutzte hierfür blaue und rote Buntstifte, einen Bleistift sowie einen Füller, wobei sich die verschiedenen Schriften teilweise überlagern. Ein Zeichen dafür, dass er seine Kommentare mehrfach ergänzt hat.

Das Heft, wie die gesamte Sammlung, blieb nach seinem Tod im Familienbesitz. Die Sammlung war als persönliche Chronik und nicht zur Veröffentlichung gedacht.

Abb. 1. Sonderheft Nr. 203a: Friedrich Alfred Krupp, † 22/11. 02 in Bredeney. Zeitungsausschnittsammlung Albert Mittweg

1 Mittweg, 1930

2 Mittweg, Heft Nr. 203 a, 1903

3 Vgl. Vorwärts, Artikel vom 15. November 1902

2.

Albert Mittweg und die Familie Krupp

Albert Mittweg wurde am 5. Oktober 1852 in Werden geboren, einer Stadt an der Ruhr mit einer Bevölkerung, um 1900, von ca. 10 000 Einwohnern. Er arbeitete nach Abschluss seiner schulischen Ausbildung in der Weinhandlung seines Vaters, die er 1888 übernahm. Sein Interesse galt der Kommunalpolitik und der Geschichte seiner Heimatstadt.

Er war Mitglied in der Unabhängigen Bürgerpartei, später in der Partei Zentrum. Mittweg gehörte viele Jahre (1888–1922) der Stadtverordnetenversammlung in Werden an. Zeitweise (1909–1922) hatte er die Position des 1. Beigeordneten inne und war damit Vertreter des Bürgermeisters.

Abb. 2. Albert Mittweg

Albert Mittweg hat auf der Basis von Dokumenten und Gesprächen mit den Bewohnern, die Geschichte nahezu aller alten Gebäude und deren Besitzer in Werden erarbeitet. Leider gingen diese Unterlagen größtenteils verloren, als Werden 1929 nach Essen eingemeindet wurde. Dennoch haben sich seine Forschungsergebnisse in Form einer Artikelserie in der Werdener Zeitung erhalten, die mehrfach veröffentlicht wurde.

Er war Vorsitzender der Gemeindevertretung der katholischen Kirchengemeinde und Mitglied in vielen Vereinen in Werden. So gehörte er zu den Mitbegründern der Freiwilligen Feuerwehr und bekleidete das Amt des stellvertretenden Kommandanten. Mittweg kannte jeden in Werden. Hierzu gehörten auch Angestellte und Arbeiter von dem Unternehmen Krupp sowie von der Villa Hügel.

Mittweg hat sich besonders für das Schicksal von Friedrich Alfred Krupp interessiert. Nur zwei Jahr älter als Krupp, sind beide von wichtigen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in dieser Zeit beeinflusst worden: den Kriegen von 1864–1871, der Reichsgründung, dem Kulturkampf, der Kaiserdynastie von Wilhelm I., über Friedrich III. bis Wilhelm II., der fortschreitenden Industrialisierung und der Entwicklung der Arbeiterbewegung.

Mittweg war wie Krupp Patriot. Er hätte sich also der bürgerlichen Presse anschließen und ausschließlich deren Position zu den Todesumständen von F. A. Krupp in seiner Dokumentensammlung wiedergeben können. Das hat er nicht getan. Stattdessen kommt hier der Geschichtsforscher Mittweg zum Vorschein, der auch mit eigenen Recherchen, z. B. in Gesprächen mit möglichen Zeugen, versuchte, Fakten zu ermitteln und die Darstellungen in der Presse und aus dem Krupp-Umfeld auf ihre Logik und den Wahrheitsgehalt zu prüfen.

Die Familie Krupp hatte in verschiedener Weise Beziehungen zur Stadt Werden. Das lag vor allem daran, dass sie mit ihrem Wohnsitz in Bredeney seit 1865, erst auf dem Klosterbuschhof und ab 1873 in der Villa Hügel, die man von Werden aus sehen kann, zur evangelischen Gemeinde von Werden gehörte.

F. A. Krupps Vater, Alfred Krupp, war zu Pferd und per Kutsche in und um Werden zu sehen. Er sprach das lokale Platt mit den Einheimischen.4 Ein Notar von Alfred Krupp, Herr Geissel, wohnte in Werden.

Der Neubau der evangelischen Kirche (1897–1900), unmittelbar neben dem Wohnhaus von Albert Mittweg, wurde maßgeblich von Friedrich Alfred und Margarethe Krupp mit 45 000 Mark gefördert. Daran erinnert heute noch eine Plakette (F. A. Krupp) auf einer Kirchenbank. Gestiftet oder bezuschusst wurde in Werden von der Familie z. B. der Bau der Heckerschule, der Schaukamin im Rathaus und der Pelikanbrunnen bei Haus Fuhr. Die Krupps waren auch Mitglied im Historischen Verein von Werden.

Die Töchter von Friedrich Alfred und Margarethe Krupp, Bertha und Barbara, wurden in Werden getauft und konfirmiert. Pastor Geibel hat sowohl beim Tod von Alfred Krupp als auch beim Tod von Friedrich Alfred Krupp den Trauergottesdienst auf der Villa Hügel geleitet.

Im politisch konservativen und überwiegend katholischen Werden kam die Familie Krupp vom Status her gleich nach dem Kaiser. In der lokalen Presse, der „Werdener Zeitung“, gab es regelmäßig Nachrichten vom Kaiser und vom „Hügel“. Das waren Meldungen von der Familie Krupp auf ihrem Wohnsitz der „Villa Hügel“. Kam beides zusammen, wie bei den regelmäßigen Besuchen dort von Kaiser Wilhelm I. und insbesondere von Kaiser Wilhelm II., wurden in Werden Flaggen aufgezogen und die Bevölkerung zog zum Spalierstehen zum „Hügel“.

4 Vgl. Stenglein, 2009

3.

Friedrich Alfred Krupp

Friedrich Alfred Krupp war der Sohn von Alfred Krupp, der mit seiner Gussstahlfabrik und dem Unternehmen Krupp zu einem der bedeutendsten Unternehmer des 19. Jahrhunderts in Deutschland aufgestiegen war. Nach dem Tod seines Vaters, 1887, erbte er die Firma.

Abb. 3. Friedrich Alfred Krupp

Friedrich Alfred Krupp fand seinen eigenen Weg das Unternehmen zu führen. Das lag schon an seiner gänzlich anderen Persönlichkeit und seinen eigenen Interessen. Anders als sein Vater war Friedrich sensibel, freundlich und schüchtern. Er litt schon als Kind unter Asthma und Gelenkrheumatismus. Später kam noch ein Herzleiden dazu. Wie schon sein Vater ordnete er die Interessen der Familie stets denen der Firma unter.5 Auch er machte nach innen und außen deutlich, dass er bei wichtigen Unternehmensentscheidungen das entscheidende Wort hatte.6 Seine Bilanz als Unternehmer konnte sich sehen lassen. Er entwickelte und erweiterte das Unternehmen zu einem vertikal und horizontal integrierten Konzern.7 D. h., er verbreiterte die Produktpalette und vertiefte die Wertschöpfungskette, indem er Erzgruben und Endabnehmer für Stahlprodukte wie die Germaniawerft erwarb. Innerhalb von 15 Jahren steigerten sich Beschäftigungszahl, Umsatz und Gewinn erheblich.8

Anders als sein Vater, war F. A. Krupp zeitweise politisch aktiv und versuchte Einfluss auf die öffentliche Meinung auszuüben, beispielsweise durch die Beteiligung an einer Zeitung (Berliner Neueste Nachrichten). Dies war jedoch vergeblich. Sein Image war seit Ende der 1890er Jahre schlecht, insbesondere in der sozialdemokratischen Presse. Durch seine Rüstungsproduktion und die Unterstützung der kaiserlichen Flottenpolitik wurde er angreifbar.9 Das schien Krupp erheblich zu belasten. Stremmel (2010) vermutet, dass „er Mitte des Jahres 1900 ernsthaft den Rückzug … ins Private erwogen hat“. In dieser Phase entwickelte Friedrich Alfred Krupp eine Leidenschaft für Capri, wo er ab 1898 regelmäßig einige Wintermonate verbrachte. Fernab der Öffentlichkeit konnte er sich dort der Meeresforschung widmen und ein anderes Leben führen als auf der Villa Hügel.

Im Jahr 1902 wurde das Leben von Friedrich Alfred Krupp von zwei Krisen überschattet. Das waren zum einen die Geschehnisse auf Capri und zum anderen die Ehekrise mit Margarethe Krupp.

3.1. Capri

F. A. Krupp war von Capri fasziniert. Er verbrachte dort zwischen 1899 und 1902 jedes Jahr mehrere Monate im Winter bzw. im Frühjahr. Das Klima tat ihm gut. Die Insel war bereits vom Tourismus entdeckt worden, aber auch Künstler und Wissenschaftler hielten sich zu dieser Zeit auf Capri auf. Letztere waren für Krupp besonders wichtig. Er interessierte sich für viele naturwissenschaftliche Themen und hätte gerne ein naturwissenschaftliches Studium, z. B. Chemie, absolviert. Dazu kam es jedoch nicht, da sein Vater ihn als Nachfolger für das Unternehmen vorgesehen hatte. Privat hat er sich besonders auf dem Gebiet der Meeresforschung engagiert. Er selbst hat sich nicht als Wissenschaftler gesehen, eher als interessierter Laie, der sich persönlich und finanziell an Forschungsprojekten beteiligte.10

Zu seinem Freundeskreis auf Capri gehörten u. a. der Bürgermeister und Honoratioren der Stadt Capri sowie Künstler und Wissenschaftler. Er unterstützte als Mäzen die Gemeinde und einzelne Bewohner mit Geld- und Sachspenden. Sein spektakulärstes Projekt war der Bau einer Serpentinenstraße (Via Krupp), die noch heute ein beliebtes Fotomotiv ist. In Einzelfällen waren seine Spenden problematisch, da sie Neid erregten. Das galt auch für seine Darlehen, die teilweise nicht zurückgezahlt wurden. Richter (2010) zitierte den Arzt Giorgio Weber: „Unglücklicherweise war Krupp von einem Haufen Denunzianten und Pseudo-Künstlern umgeben, die ihn lediglich ausnehmen wollten.“

Abb.4. Gruppenfoto vor dem Hotel Quisiana auf Capri, 1898. Hintere Reihe von links: Rudolf Korn, Dr. Oskar Vogt, Bertha Krupp, Friedrich Alfred Krupp. Vordere Reihe von links: Margarethe Brand, Wilhelm Schröder, Margarethe Krupp, Barbara Krupp.

Ab Oktober 1902 kam es zu Presseberichten in Italien, in denen Krupp homosexueller Beziehungen zu jungen Männern auf Capri bezichtigt wurde. Richter (2010) beschreibt den Hintergrund und die möglichen Ursachen. Es sind im Wesentlichen zwei Umstände, die dazu geführt haben.

Zum einen ging es um seine Beziehung zu dem Bauernjungen Giovanni Sangiorgio, der bei ihrer ersten Begegnung, 1889, 17 Jahre alt war. Sangiorgio besuchte Krupp in der Villa Hügel. Krupp unterstützte in den nächsten Jahren dessen Ausbildung mit Empfehlungsschreiben und hatte mit ihm und seiner Familie einen regelmäßigen Briefverkehr.11 1893 sorgte Krupp dafür, dass Sangiorgio im Hotel Bristol in Berlin angestellt wurde, Krupps Wohnsitz in seiner Zeit als Reichstagsabgeordneter (1893–1898).

Der zweite Aspekt war seine Mitgliedschaft in der sogenannten Bruderschaft „Congrega di Fra Felici“ (Gemeinde des glücklichen Bruders). Die Idee, diese Bruderschaft zu gründen, entstand im Frühjahr 1901 am Stammtisch von Vincenzo Cuomo, einem Arzt aus Anacapri. Die „Congrega“ schreibt Richter (2010), „verstand sich als eine Mischung aus sozialer Bruderschaft einerseits und ‚Spaßgesellschaft‘ andererseits“. Ihr gehörten ca. 18 Männer an, die sich untereinander mit Bruder und dem jeweiligen Vornamen ansprachen.

Neben Friedrich Alfred Krupp, der als „Fra Federico“ den Titel „Padre Generale“ trug, waren u. a. der Hotelier und Bürgermeister, Federico Serena, einheimische Honoratioren, Ärzte, Künstler und Wissenschaftler Mitglieder der „Congrea“. Dazu gehörten auch die Mitarbeiter von Krupps Privatbüro, Rudolf Korn und Otto Marotz. Diese waren scheinbar auch mit speziellen Aufgaben betraut. Dafür spricht eine Sonderzahlung von F. A. Krupp an Otto Marotz in Höhe von 5000 Mark (ca. 40 000 €) vom 3. Dezember 1901 für seine Arbeit auf Capri.12

Die „Congrea“ traf sich ab 1902 auf Krupps Grundbesitz in der Grotte eines ehemaligen Einsiedlers. Krupp hatte die Grotte in mediterranen Stil umbauen lassen, mit einer Terrasse und einem säulengeschmückten Zugangsweg. Zu den Treffen dort ist wenig bekannt.13 Der Ort wurde später in der italienischen Presse als Schauplatz der vermeintlichen homosexuellen Handlungen benannt.

Abb. 5. Die umgebaute Grotte des Einsiedlers