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Wer liebt, verändert die Welt
Ein großer spiritueller Lehrer, der Zen-Meister und Benediktinermönch Willigis Jäger, schreibt über die Liebe. Sie steht inmitten jeder spirituellen Suche. Aus ihrer Kraft erwächst das Einverständnis mit sich und der Welt. Probleme lösen sich auf und müssen nicht mehr gewaltsam bekämpft werden. Die Liebe ist der Weg zum Frieden. Liebe macht unser Leben schön.
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Seitenzahl: 93
Willigis Jäger
Über die Liebe
Herausgegeben vonUrsula Richard und Christa SpannbauerMit Aquarellen von Petra Wagner
Kösel
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7. Auflage Copyright © 2009 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Umschlag: griesbeckdesign, München Umschlagmotiv: getty images / joSon
eISBN 978-3-641-19904-3V001
www.koesel.de
www.randomhouse.de
Über die Liebe ist viel geschrieben worden und wird immer noch viel geschrieben.
Dieses Buch versteht sich nicht als eine weitere Abhandlung über die personale Liebe und auch nicht als Ratgeberbuch, wie Liebe zu üben sei. Es versucht vielmehr eine Ebene der Verbundenheit erfahrbar zu machen, die ein »Ich liebe dich« und »Du liebst mich« bei Weitem übersteigt.
Es ist die Ebene der Einheit mit allem und jedem. Sie überschreitet die anthropozentrische Sicht der Welt und unsere Ich-Zentrierung.
Sie rückt die hintergründige Wirklichkeit in den Blickpunkt und macht die Anbindung an den Urgrund unseres Seins erfahrbar. Hier wird das Ich nicht mehr als getrennt von anderen erlebt, sondern gleicht einer Welle des Ozeans.
Auf dieser Ebene kann niemand aus der Liebe herausfallen. Es ist dies die Ebene der mystischen Verbundenheit, die Erfahrung der Einheit allen Seins.
Mein Leben verstehe ich als eine Liebesgeschichte zwischen Mensch und Gott. Darum rufe ich mit dem Sufi-Mystiker Ibn Arabi aus: »Ich folge der Religion der Liebe, wohin auch immer ihre Karawane zieht, denn Liebe ist mir Religion und Glaube.«
Willigis Jäger
Wenn ich in den Sprachender Menschen und Engel redete,hätte aber die Liebe nicht,wäre ich dröhnendes Erzoder eine lärmende Pauke.Und wenn ich prophetisch reden könnteund alle Geheimnisse wüssteund alle Erkenntnis hätte;wenn ich alle Glaubenskraft besäßeund Berge damit versetzen könnte,hätte aber die Liebe nicht,wäre ich nichts.Und wenn ich meine ganze Habe verschenkteund wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe,hätte aber die Liebe nicht,nützte es mir nichts.Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig.Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht,sie bläht sich nicht auf.Sie handelt nicht ungehörig,sucht nicht ihren Vorteil,lässt sich nicht zum Zorn reizen,trägt das Böse nicht nach.Sie freut sich nicht über das Unrecht,sondern freut sich an der Wahrheit.Sie erträgt alles, glaubt alles,hofft alles, hält allem stand.
1 Kor 13
»Ein Mönch war an Ruhr erkrankt«, heißt es an einer Stelle im Pali-Kanon, »und lag stinkend in seinem eigenen Urin und Kot.« Als der Buddha an seiner Unterkunft vorbeikam, fragte er ihn, warum sich niemand um ihn kümmere. »Die anderen Mönche kümmern sich nicht um mich«, antwortete der Mönch, »weil ich auch nichts für sie tue.« Der Buddha und sein Begleiter Ananda wuschen den Mönch, hoben ihn hoch und legten ihn auf ein Bett. Der Buddha stellte die Gemeinschaft zur Rede, warum sie sich nicht um den kranken Mönch gekümmert hätten, und sagte dann zu ihnen: »Mönche, ihr habt weder eine Mutter noch einen Vater, die euch pflegen könnten. Wenn ihr euch nicht umeinander sorgt, wer wird sich dann um euch kümmern? Wer auch immer mich pflegen würde, sollte auch andere, die krank sind, pflegen.«
Beziehung, Zuwendung und nicht zuletzt auch Berührung sind ein so wichtiger Teil unseres Lebens. Es ist ein großes Geschenk, von einem anderen Menschen gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Und das Größte, das ich einem anderen geben kann, ist, ihn zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren.
Die Mönche, zu denen der Buddha hier sprach, waren aus einem falschen Verständnis heraus nur an ihrer eigenen Befreiung interessiert, suchten nur für sich einen Weg zum Erwachen und kümmerten sich nicht umeinander. Indem sich aber der Buddha mit dem kranken Mönch identifizierte, signalisierte er, dass zwischen dem Erwachen und dem Leid ein Zusammenhang besteht. Ohne Geburt, Krankheit, Altern und Tod gäbe es weder ein Erwachen noch einen Erwachten. Der Buddha kann sich mit dem kranken Mönch identifizieren, weil er sieht, dass sein eigenes Erwachen und das des Mönches nichts Verschiedenes sind.
Auch Jesus setzt sein Leben mit dem eines jeden anderen Menschen gleich.
»Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.«
Meister Eckhart sagte daher zu Recht: »Wer Gott mehr liebt als seinen Nächsten, der liebt ihn noch nicht auf vollkommene Weise.« Es geht um die Einheitserfahrung mit allem und jedem, aus der die wahre Liebe aufsteigt.
In dieser Einheitserfahrung liegt die Weisheit aller spirituellen Wege begründet, eine Weisheit, die besagt, dass es keine Trennung zwischen einem Ich und einem Du, zwischen diesem Urgrund Gott und den Menschen gibt. In dieser Erfahrung der Einheit aller Wesen und allen Lebens liegt das Ziel des spirituellen Weges. Aus dieser Erfahrung erwächst Liebe. Und wer liebt, empfängt. Denn Liebe ist wie der Ruf in eine Echowand – es schallt zurück, wenn ich hineinrufe.
Diese Liebe verändert die Menschen. Ich kann dann gar nicht anders, als auf meinen Mitmenschen zuzugehen, dessen Leid ich als mein Leid erfahre und dessen Freude auch meine Freude ist. Hier gibt es keine Bevorzugung mehr, was nicht heißt, dass auf der persönlichen Ebene die Mutter ihre Kinder nicht mehr in besonderer Weise liebt und ein Partner und die Partnerin nicht in besonderer Beziehung zueinander stehen. Diese Erfahrung des Urgrunds verändert die Menschen von innen heraus, und das ist die Zielsetzung für eine Veränderung der Menschheit.
Meister Eckhart drückt dies in den folgenden Worten aus: »Wollt ihr’s recht bedenken, so ist Liebe mehr Belohnung als ein Gebot ... Wer Gott liebt, wie er ihn lieben soll und auch lieben muss, ob er wolle oder nicht, und wie ihn alle Kreaturen lieben, der muss seinen Mitmenschen lieben wie sich selbst.«
Wer liebt, steht in Ehrfurcht vor dem Leben. Die Verehrung gilt allen Lebewesen und Dingen. Alles ist heilig. Heilig kann man nicht werden, und man kann auch nichts heiligen. Heilig ist alles von Grund auf. Nichts ist heilig, sagt Bodhidharma, der in China die Zen-Tradition begründete, und meint damit genau das Gleiche. Denn alles, was existiert, ist eine Offenbarung des göttlichen Urgrundes.
Auf dem spirituellen Weg erfahren wir die Einheit mit allem Lebendigen. Wir erfahren den und das andere als eins mit unserem eigenen Leben. Alles wird zum Teil unseres eigenen Lebens, auch das, was wir als mangelhaft, schlecht oder böse bezeichnen. Wir erkennen, dass eine Unterteilung in heilig und unheilig letztlich unsinnig ist. Unser Intellekt begreift dies nicht, denn er möchte unterscheiden. Doch wahre Liebe erwächst nicht aus der Moral, nicht aus Geboten von »Du sollst« und »Du musst«. Wirkliche Liebe akzeptiert den anderen Menschen, so wie er ist, und erfährt ihn als vollkommen, so wie er ist.
ENDE DER LESEPROBE