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In diesem Buch finden Sie viele bekannte und weniger bekannte Aussagen Schopenhauers über das Schreiben. Beispiellos ist seine Anklage gegen die Verhunzung der deutschen Sprache durch die Schriftstellerkollegen, Kritiker und Rezensenten seiner Zeit.
In neuer deutscher Rechtschreibung und Korrektur gelesen.
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In diesem Buch finden Sie viele bekannte und weniger bekannte Zitate Schopenhauers über das Schreiben. Beispiellos ist seine Anklage gegen die Verhunzung der deutschen Sprache durch die Schriftstellerkollegen, Kritiker und Rezensenten seiner Zeit.
In neuer deutscher Rechtschreibung und Korrektur gelesen.
1
Zuvörderst gibt es zweierlei Schriftsteller: solche, die der Sache wegen, und solche, die des Schreibens wegen schreiben. Jene haben Gedanken gehabt oder Erfahrungen gemacht, die ihnen mitteilenswert scheinen; diese brauchen Geld, und deshalb schreiben sie für Geld. Sie denken zum Behuf des Schreibens.
Man erkennt sie daran, dass sie ihre Gedanken möglichst lang ausspinnen und auch halbwahre, schiefe, forcierte und schwankende Gedanken ausführen, auch meistens das Helldunkel lieben, um zu scheinen, was sie nicht sind; weshalb ihrem Schreiben Bestimmtheit und volle Deutlichkeit abgeht.
Man kann daher bald merken, dass sie, um Papier zu füllen, schreiben; bei unsern besten Schriftstellern kann man es mitunter zum Beispiel stellenweise in Lessings Dramaturgie und sogar in manchen Romanen Jean Pauls.
Sobald man es merkt, soll man das Buch wegwerfen: Denn die Zeit ist edel.
Im Grunde aber betrügt der Autor den Leser, sobald er schreibt, um Papier zu füllen: Denn sein Vorgeben ist zu schreiben, weil er etwas mitzuteilen hat.
Honorar und Verbot des Nachdrucks sind im Grunde der Verderb der Literatur. Schreibenswertes schreibt nur, wer ganz allein der Sache wegen schreibt.
Welch ein unschätzbarer Gewinn würde es sein, wenn in allen Fächern einer Literatur nur wenige, aber vortreffliche Bücher existierten.
Dahin aber kann es nie kommen, solange Honorar zu verdienen ist. Denn es ist, als ob ein Fluch auf dem Gelde läge: Jeder Schriftsteller wird schlecht, sobald er irgend des Gewinnes wegen schreibt. Die vortrefflichsten Werke der großen Männer sind alle aus der Zeit, als sie noch umsonst oder für ein sehr geringes Honorar schreiben mussten.
Also auch hier bewährt sich das spanische Sprichwort: honra y provecho no caben en un saco (Ehre und Geld gehn nicht in denselben Sack).
Der ganze Jammer der heutigen Literatur in und außer Deutschland hat zur Wurzel das Geldverdienen durch Bücherschreiben. Jeder, der Geld braucht, setzt sich hin und schreibt ein Buch, und das Publikum ist so dumm, es zu kaufen. Die sekundäre Folge davon ist der Verderb der Sprache.
Eine große Menge schlechter Schriftsteller lebt allein von der Narrheit des Publikums, nichts lesen zu wollen, als was heute gedruckt ist – die Journalisten. Treffend benannt! Verdeutscht würde es heißen Tagelöhner.
2
Wiederum kann man sagen, es gebe dreierlei Autoren: erstlich solche, welche schreiben, ohne zu denken. Sie schreiben aus dem Gedächtnis, aus Reminiszenzen oder gar unmittelbar aus fremden Büchern. Diese Klasse ist die zahlreichste.
Zweitens solche, die während des Schreibens denken. Sie denken, um zu schreiben. Sind sehr häufig.
Drittens solche, die gedacht haben, ehe sie ans Schreiben gingen. Sie schreiben bloß, weil sie gedacht haben. Sind selten.
Jener Schriftsteller der zweiten Art, der das Denken bis zum Schreiben aufschiebt, ist dem Jäger zu vergleichen, der aufs Geratewohl ausgeht: Er wird schwerlich sehr viel nach Hause bringen.
Hingegen wird das Schreiben des Schriftstellers der dritten, seltenen Art einer Treibjagd gleichen, als zu welcher das Wild zum Voraus eingefangen und eingepfercht worden, um nachher haufenweise aus solchem Behältnisse herauszuströmen in einen andern ebenfalls umzäunten Raum, wo es dem Jäger nicht entgehn kann; sodass er jetzt bloß mit dem Zielen und Schießen (der Darstellung) zu tun hat. Dies ist die Jagd, welche etwas abwirft.
Sogar nun aber unter der kleinen Anzahl von Schriftstellern, die wirklich, ernstlich und zum Voraus denken, sind wieder nur äußerst wenige, welche über die Dinge selbst denken: Die Übrigen denken bloß über Bücher, über das von andern Gesagte. Sie bedürfen nämlich, um zu denken, der nähern und stärkern Anregung durch fremde, gegebene Gedanken.
Diese werden nun ihr nächstes Thema; daher sie stets unter dem Einflusse derselben bleiben, folglich nie eigentliche Originalität erlangen. Jene Ersteren hingegen werden durch die Dinge selbst zum Denken angeregt; daher ihr Denken unmittelbar auf diese gerichtet ist. Unter ihnen allein sind die zu finden, welche bleiben und unsterblich werden.
Es versteht sich, dass hier von hohen Fächern die Rede ist, nicht von Schriftstellern über das Branntweinbrennen.
Nur wer bei dem, was er schreibt, den Stoff unmittelbar aus seinem eigenen Kopfe nimmt, ist wert, dass man ihn lese.
Aber Büchermacher, Kompendienschreiber, gewöhnliche Historiker und andere mehr nehmen den Stoff unmittelbar aus Büchern: Aus diesen geht er in die Finger, ohne im Kopf auch nur Transitozoll und Visitation, geschweige Bearbeitung erlitten zu haben. (Wie gelehrt wäre nicht mancher, wenn er alles das wüsste, was in seinen eigenen Büchern steht!)
Daher hat ihr Gerede oft so unbestimmten Sinn, dass man vergeblich sich den Kopf zerbricht, herauszubringen, was sie denn am Ende denken. Sie denken eben gar nicht. Das Buch, aus dem sie abschreiben, ist bisweilen ebenso verfasst: Also ist es mit dieser Schriftstellerei wie mit Gipsabdrücken von Abdrücken von Abdrücken und so fort, wobei am Ende der Antinous zum kaum kenntlichen Umriss eines Gesichtes wird.
Daher sollte man Kompilatoren möglichst selten lesen: Denn es ganz zu vermeiden ist schwer; indem sogar die Kompendien, welche das im Laufe vieler Jahrhunderte zusammengebrachte Wissen im engen Raum enthalten, zu den Kompilationen gehören.
Kein größerer Irrtum, als zu glauben, dass das zuletzt gesprochene Wort stets das richtigere, jedes später Geschriebene eine Verbesserung des früher Geschriebenen und jede Veränderung ein Fortschritt sei.
Die denkenden Köpfe, die Menschen von richtigem Urteil und die Leute, denen es Ernst mit der Sache ist, sind alle nur Ausnahmen; die Regel ist überall in der Welt das Geschmeiß – und dieses ist stets bei der Hand und emsig bemüht, das von jenen nach reiflicher Überlegung Gesagte auf seine Weise zu verschlimmbessern.
Daher, wer über einen Gegenstand sich belehren will, hüte sich, sogleich nur nach den neuesten Büchern darüber zu greifen, in der Voraussetzung, dass die Wissenschaften immer fortschreiten und dass bei Abfassung derselben die ältern benutzt worden seien.
Das sind sie wohl; aber wie? Der Schreiber versteht oft die ältern nicht gründlich, will dabei doch nicht geradezu ihre Worte gebrauchen, verballhornt und verhunzt daher das von ihnen sehr viel besser und deutlicher Gesagte; da sie aus eigener und lebendiger Sachkenntnis geschrieben haben. Oft lässt er das Beste, was sie herausgebracht haben, ihre treffendesten Erklärungen der Sache, ihre glücklichsten Bemerkungen wieder fallen; weil er deren Wert nicht erkennt, das Prägnante derselben nicht fühlt. Ihm ist nur das Platte und Seichte homogen.
Schon oft ist ein älteres, vortreffliches Buch durch neuere, schlechtere, des Geldes wegen abgefasste, aber prätentiös auftretende und durch die Kameraden angepriesene verdrängt worden.
In den Wissenschaften will jeder, um sich geltend zu machen, etwas Neues zu Markte bringen: Dies besteht oft bloß darin, dass er das bisher geltende Richtige umstößt, um seine Flausen an die Stelle zu setzen; bisweilen gelingt es auf kurze Zeit, und dann kehrt man zum alten Richtigen zurück.
Jenen Neuerern ist es mit nichts in der Welt ernst als mit ihrer werten Person: diese wollen sie geltend machen. Nun soll es schnell durch ein Paradoxon geschehn. Die Sterilität ihrer Köpfe empfiehlt ihnen den Weg der Negation: Nun werden längst erkannte Wahrheiten geleugnet, zum Beispiel die Lebenskraft, das sympathische Nervensystem, die generatio aequivoca (Urzeugung), Bichats Trennung der Wirkung der Leidenschaften von der der Intelligenz; es wird zum krassen Atomismus zurückgekehrt, und so weiter und so weiter. Daher ist oft der Gang der Wissenschaften ein retrograder.
Hierher gehören auch die Übersetzer, welche ihren Autor zugleich berichtigen und bearbeiten; welches mir stets impertinent vorkommt: Schreibe du selbst Bücher, welche des Übersetzens wert sind, und lass anderer Werke, wie sie sind.
Man lese also, wo möglich, die eigentlichen Urheber, Begründer und Erfinder der Sachen oder wenigstens die anerkannten großen Meister des Fachs und kaufe lieber die Bücher aus zweiter Hand als ihren Inhalt.
Weil aber freilich inventis aliquid addere facile est (das Gefundene zu bereichern leicht ist), so wird man nach wohlgelegtem Grunde mit den neueren Zutaten sich bekannt zu machen haben.
Im Ganzen also gilt hier wie überall diese Regel: Das Neue ist selten das Gute; weil das Gute nur zu kurze Zeit das Neue ist.
Was einem Briefe die Aufschrift, das soll einem Buche sein Titel sein, also zunächst den Zweck haben, dasselbe dem Teil des Publikums zuzuführen, welchem sein Inhalt interessant sein kann. Daher soll der Titel bezeichnend und, da er wesentlich kurz ist, konzis, lakonisch, prägnant und wo möglich ein Monogramm des Inhalts sein. Schlecht sind demnach die weitschweifigen, die nichtssagenden, die schielenden, zweideutigen oder gar falschen und irreführenden Titel, welche Letztere ihrem Buche das Schicksal der falsch überschriebenen Briefe bereiten können.
Die schlechtesten aber sind die gestohlenen Titel, das heißt solche, die schon ein andres Buch führt: Denn sie sind erstlich ein Plagiat und zweitens der bündigste Beweis des allertotalsten Mangels an Originalität: Denn wer deren nicht genug hat, seinem Buch einen neuen Titel zu ersinnen, wird noch viel weniger ihm einen neuen Inhalt zu geben fähig sein.
Diesen verwandt sind die nachgeahmten, das heißt halbgestohlenen Titel, zum Beispiel wenn lange, nachdem ich »Über den Willen in der Natur« geschrieben habe, Örsted »Über den Geist in der Natur« schreibt.
Wie wenig Ehrlichkeit unter den Schriftstellern ist, wird sichtbar an der Gewissenlosigkeit, mit der sie ihre Anführungen aus fremden Schriften verfälschen. Stellen aus meinen Schriften finde ich durchgängig verfälscht angeführt – und nur meine deklariertesten Anhänger machen hier eine Ausnahme.
Oft geschieht die Verfälschung aus Nachlässigkeit, indem ihre trivialen und banalen Ausdrücke und Wendungen ihnen schon in der Feder liegen und sie solche aus Gewohnheit hinschreiben; bisweilen geschieht es aus Naseweisheit, die mich bessern will; aber nur zu oft geschieht es aus schlechter Absicht – und dann ist es eine schändliche Niederträchtigkeit und ein Bubenstück, der Falschmünzerei gleich, welches seinem Urheber den Charakter des ehrlichen Mannes ein für allemal wegnimmt.
3
Ein Buch kann nie mehr sein als der Abdruck der Gedanken des Verfassers. Der Wert dieser Gedanken liegt entweder im Stoff also in dem, worüber er gedacht hat; oder in der Form, das heißt der Bearbeitung des Stoffs, also in dem, was er darüber gedacht hat.