Überredung. Roman - Jane Austen - E-Book
SONDERANGEBOT

Überredung. Roman E-Book

Jane Austen.

0,0
7,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Acht Jahre ist es her, dass sich Anne Elliot von ihrem Vater überreden ließ, den Heiratsantrag Frederick Wentworths zurückzuweisen. Fortan hat Anne freudlos auf dem Herrensitz ihres Vater gelebt, während aus Wentworth ein wohlhabender und weltgewandter Marineoffizier geworden ist. Als sich beide eines Tages wieder begegnen, beginnt eine zaghafte Annäherung, die in einer der originellsten Liebeserklärungen der Weltliteratur ihren Höhepunkt findet.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 458

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jane Austen

Überredung

Roman

Aus dem Englischen übersetzt vonUrsula und Christian Grawe

Nachwort und Anmerkungenvon Christian Grawe

Reclam

Englischer Originaltitel:Persuasion

1983, 2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartDurchgesehene Ausgabe 2015Covergestaltung: Anja Grimm Gestaltung, Hamburg, unter Verwendung eines Farbkupferstichs »Ipomea Quamodit« von Langlois nach Pierre-Joseph Redouté (1759–1840). akg-imagesGesamtherstellung: Reclam, DitzingenMade in Germany 2017RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartISBN 978-3-15-960977-5ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020405-4

www.reclam.de

Kapitel 1

Sir Walter Elliot von Kellynch Hall in Somersetshire1 war ein Mann, der außer dem Adelskalender nie ein Buch zum Vergnügen in die Hand nahm; dabei aber fand er Beschäftigung in müßigen und Trost in trübsinnigen Stunden; dabei erregte der Gedanke an den ausgesuchten Kreis der noch überlebenden ältesten Adelsfamilien Bewunderung und Ehrfurcht in ihm; dabei verwandelten sich alle unangenehmen Empfindungen, die wohl mit seinen häuslichen Umständen zusammenhingen, unweigerlich in Mitleid und Verachtung, wenn er die schier endlosen Adelsverleihungen des letzten Jahrhunderts durchblätterte; und dabei las er, wenn alle anderen Seiten des Buches ihre Wirkung verfehlten, mit nie versagendem Interesse seine eigene Geschichte. Dies war die Stelle, an der sich sein Lieblingsbuch unterdessen ganz von selbst aufschlug.

Elliot von Kellynch Hall

»Walter Elliot, geb. 1. März 1760, verh. 15. Juli 1784 mit Elizabeth, Tochter von James Stevenson, wohlgeb., von Southpark in der Grafschaft Gloucester. Seine Gemahlin (die 1800 starb) gebar ihm folgende Kinder: Elizabeth (1. Juni 1785), Anne (9. August 1787), einen totgeborenen Sohn (5. November 1789), Mary (20. November 1791).«

Genau so war der Absatz ursprünglich aus den Händen des Druckers gekommen, aber Sir Walter hatte ihn dadurch verbessert, dass er zu seiner eigenen Information und zu der seiner Familie hinter Marys Geburtsdatum die Worte »verh. 16. Dezember 1810 mit Charles, Sohn und Erbe von Charles Musgrove, wohlgeb., von Uppercross in der Grafschaft Somerset« ergänzt und präzise Tag und Monat eingetragen hatte, an dem ihm seine Frau gestorben war.

Dann folgten in den üblichen Formulierungen Geschichte und Aufstieg der alten und angesehenen Familie: wie sie sich ursprünglich in Cheshire niedergelassen hatten, wie sie in Dugdale als höchste königliche Beamte der Grafschaft und als Abgeordnete in drei aufeinanderfolgenden Parlamenten mit ihrem Eifer im Dienst der Krone und der Verleihung der Baronatswürde im ersten Jahr der Herrschaft Karls II. und all den Marys und Elizabeths, die sie geheiratet hatten, erwähnt wurden – was alles in allem zwei eindrucksvolle Duodezseiten füllte und nach dem Wappen und dem Wahlspruch abschloss mit: »Hauptsitz: Kellynch Hall in der Grafschaft Somerset«, und dem folgenden Zusatz, wieder in Sir Walters eigener Handschrift: »Erbe: William Walter Elliot, hochwohlgeb., Urenkel des zweiten Sir Walter.«

Eitelkeit war das A und O von Sir Walters Charakter – persönliche und gesellschaftliche Eitelkeit. Er hatte in seiner Jugend bemerkenswert gut ausgesehen und war mit vierundfünfzig noch immer ein ausgesprochen ansehnlicher Mann. Nur wenige Frauen verschwendeten wohl mehr Gedanken an ihre äußere Erscheinung als er, und nicht einmal der Kammerdiener irgendeines gerade geadelten Lords hätte begeisterter über seine Stellung in der Gesellschaft sein können. Seiner Meinung nach wurde der Segen der Schönheit nur vom Segen eines Baronats übertroffen, und der Sir Walter, der diese Gaben in sich vereinigte, war der ständige Gegenstand seiner tiefsten Ehrfurcht und Anbetung.

In einer Hinsicht war sein Stolz auf sein gutes Aussehen und seinen Rang berechtigt, denn nur ihnen verdankte er wohl eine Frau, die charakterlich allen Ansprüchen, die er diesbezüglich stellen durfte, unendlich überlegen war. Lady Elliot war eine großartige Frau gewesen, vernünftig und liebenswert; und wenn man ihr die jugendliche Verblendung vergeben kann, durch die sie Lady Elliot wurde, so waren ihr Urteil und ihre Haltung später auf Nachsicht keineswegs angewiesen. Sie hatte die Schwächen ihres Mannes hingenommen oder gemildert oder zugedeckt und siebzehn Jahre lang zu seinem Ansehen beigetragen; und obwohl sie in ihrem Leben nicht gerade glücklich gewesen war, hatten ihre Pflichten, ihre Freunde und ihre Kinder ihr das Leben lebenswert und keineswegs gleichgültig erscheinen lassen, als die Abschiedsstunde nahte. Drei Mädchen zu hinterlassen, die älteren sechzehn und vierzehn, war ein furchtbares Vermächtnis für eine Mutter, ja mehr, es war eine furchtbare Belastung, sie der Autorität und dem Schutz eines eitlen, oberflächlichen Vaters anzuvertrauen. Sie hatte allerdings eine enge Freundin, eine vernünftige, verdienstvolle Frau, die sich aus Anhänglichkeit zu ihr ganz in ihrer Nähe, im Dorf Kellynch, niedergelassen hatte und auf deren Verständnis und Rat bei der Verwirklichung all der soliden Grundsätze und Anordnungen, auf die sie bei ihren Töchtern solchen Wert gelegt hatte, sie sich vor allem verließ.

Diese Freundin und Sir Walter heirateten aber trotz allem, was ihre Bekannten in dieser Hinsicht vorausgesagt hatten, nicht. Dreizehn Jahre waren seit Lady Elliots Tod vergangen, und sie waren immer noch enge Nachbarn und gute Freunde, und der eine blieb Witwer und die andere Witwe.

Dass Lady Russell bei ihrem gefestigten Alter und Charakter und ihrer finanziellen Unabhängigkeit an eine zweite Ehe nicht dachte, bedarf keiner Entschuldigung in den Augen der Öffentlichkeit, die eher dazu neigt, unvernünftige Entrüstung zu zeigen, wenn eine Frau tatsächlich wieder heiratet, als wenn sie es nicht tut; aber dass Sir Walter weiter allein blieb, verlangt eine Erklärung. Es sei deshalb angemerkt, dass Sir Walter (nachdem er bei sehr unvernünftigen Heiratsanträgen ein oder zwei persönliche Enttäuschungen erfahren hatte) wie jeder gute Vater stolz darauf war, um seiner lieben Töchter willen unverheiratet zu bleiben. Für eine Tochter, für seine älteste, hätte er wirklich auf alles verzichtet – ein Gedanke, der ihm sonst gar nicht nahelag. Elizabeth hatte mit sechzehn, soweit irgend möglich, die Rechte und die gesellschaftliche Stellung ihrer Mutter übernommen; und da sie sehr schön und ihm selbst sehr ähnlich war, war ihr Einfluss auf ihn immer groß gewesen, und sie hatten sich immer glänzend verstanden. Seine beiden anderen Kinder bedeuteten ihm sehr viel weniger. Mary hatte sich auf Umwegen ein bisschen Bedeutung erworben, indem sie Mrs. Charles Musgrove geworden war, aber Anne mit ihrer geistigen Überlegenheit und ihrem ausgeglichenen Charakter, die ihr die Achtung aller wirklich einsichtigen Menschen einbringen mussten, bedeutete weder ihrem Vater noch ihrer Schwester etwas; ihr Wort zählte nicht, auf ihre Bequemlichkeit kam es nicht an; sie war nur Anne.

Aber sie war Lady Russells geliebte und hochgeschätzte Patentochter, Favoritin und Freundin. Lady Russell liebte sie alle, aber nur in Anne sah sie das leibhaftige Ebenbild ihrer Mutter.

Vor ein paar Jahren war Anne Elliot ein sehr hübsches Mädchen gewesen, aber ihre Schönheit war früh vergangen; und da sie für ihren Vater auch in ihrer vollen Blüte wenig Bewundernswertes gehabt hatte (so völlig verschieden waren ihre feinen Züge und freundlichen dunklen Augen von seinen eigenen), besaß sie jetzt, wo sie verwelkt und dünn war, nichts mehr, was seinen Beifall fand. Er hatte sich nie großen Hoffnungen hingegeben und hegte jetzt gar keine mehr, ihren Namen je auf einer weiteren Seite seines Lieblingsbuches zu sehen. Eine ebenbürtige Heirat kam nur für Elizabeth in Frage, denn Mary hatte lediglich in eine alteingesessene Gutsbesitzerfamilie von Ansehen und großem Vermögen eingeheiratet und war deshalb durch ihre Heirat nicht im Rang gestiegen, sondern gesunken. Elizabeth würde irgendwann einmal angemessen heiraten.

Es kommt manchmal vor, dass eine Frau mit neunundzwanzig hübscher ist als zehn Jahre zuvor; und wenn sie nicht unter Krankheit oder Kummer gelitten hat, handelt es sich im Allgemeinen um einen Zeitpunkt im Leben, an dem sie kaum an Charme eingebüßt hat. So war es mit Elizabeth – immer noch dieselbe schöne Miss Elliot, zu der sie vor dreizehn Jahren herangewachsen war, und man konnte es Sir Walter deshalb verzeihen, dass er ihr Alter vergaß, oder ihn jedenfalls nicht für ganz so naiv halten, wenn er sich und Elizabeth, während das gute Aussehen aller anderen dahin war, blühend fand wie eh und je, denn er konnte deutlich sehen, wie der Rest seiner Familie und seiner Bekanntschaft alterte. Anne hager, Mary gewöhnlich, jedes Gesicht in der Nachbarschaft heruntergekommen, und die rapide Vermehrung von Krähenfüßen in Lady Russells Augenwinkeln beobachtete er seit langem mit Beklommenheit.

Elizabeth besaß nicht ganz die Selbstgefälligkeit ihres Vaters. Seit dreizehn Jahren war sie Herrin von Kellynch Hall und herrschte und lenkte mit einer Besonnenheit und Entschiedenheit, die niemals den Gedanken nahelegten, sie sei jünger, als sie tatsächlich war. Dreizehn Jahre lang hatte sie die Rolle der Gastgeberin gespielt und die häusliche Ordnung bestimmt und war zur vierspännigen Kutsche vorausgeschritten und hatte unmittelbar hinter Lady Russell alle Wohnzimmer und Esszimmer in der Gegend verlassen. Dreizehnmal hatte der wiederkehrende Winterfrost sie jeden standesgemäßen Ball eröffnen sehen, den eine dünngesäte Nachbarschaft zustande brachte; und dreizehnmal hatte der Frühling seine Blüten gezeigt, wenn sie mit ihrem Vater nach London reiste, um jährlich ein paar Wochen die große Welt zu genießen. Sie lebte in der Erinnerung daran. Sie lebte in dem Bewusstsein, neunundzwanzig zu sein; und beides verursachte ihr ein gewisses Bedauern und eine gewisse Beklemmung. Sie war durchaus überzeugt, dass sie immer noch so schön war wie eh und je, aber sie spürte, dass sie sich den gefährlichen Jahren näherte; und die Gewissheit, dass jemand von Adel im Laufe der nächsten ein oder zwei Jahre förmlich um ihre Hand anhalten würde, hätte sie unendlich erleichtert. Dann könnte sie das Buch der Bücher wieder mit der gleichen Freude in die Hand nehmen wie in Kindertagen. Aber jetzt hatte sie eine Abneigung dagegen. Immer mit dem eigenen Geburtsdatum konfrontiert zu werden und keine Heirat folgen zu sehen als die ihrer jüngsten Schwester verleidete ihr das Buch; und wenn ihr Vater es offen in ihrer Nähe auf dem Tisch liegengelassen hatte, hatte sie es mehr als einmal mit abgewandtem Blick zugeklappt und von sich geschoben.

Sie hatte darüber hinaus eine Enttäuschung erlebt, deren Erinnerung das Buch und besonders die Geschichte ihrer eigenen Familie immer wachhalten würden. Der Erbe, genau jener William Walter Elliot, hochwohlgeb., dessen Ansprüche so großzügig von ihrem Vater unterstützt worden waren, hatte sie enttäuscht.

Schon als sehr junges Mädchen, sobald sie wusste, dass er der zukünftige Baron sein würde, wenn sie keinen Bruder haben sollte, hatte sie beschlossen, ihn zu heiraten; und ihr Vater hatte sie in diesem Entschluss immer bestärkt. Sie hatten ihn als Jungen nicht gekannt, aber bald nach Lady Elliots Tod hatte Sir Walter sich um die Bekanntschaft seines Neffen bemüht; und obwohl seine Annäherungsversuche nicht auf Begeisterung gestoßen waren, hatte er seine Bemühungen fortgesetzt, wobei er ihm die bescheidene Zurückhaltung der Jugend zugutehielt; und bei einem ihrer Frühjahrsausflüge nach London, als Elizabeth in ihrer ersten Blüte war, hatten sie Mr. Elliot ihre Bekanntschaft aufgezwungen.

Er war zu der Zeit noch ein sehr junger Mann, der gerade sein Jurastudium absolvierte. Elizabeth fand ihn ungewöhnlich anziehend, und sein persönlicher Eindruck bestätigte sie in ihren Absichten. Er wurde nach Kellynch Hall eingeladen. Man sprach von ihm und erwartete ihn für den Rest des Jahres, aber er kam nie. Im folgenden Frühjahr traf man ihn wieder in London, fand ihn nicht minder anziehend, ermutigte ihn, lud ihn ein und erwartete ihn, und wieder kam er nicht; und als Nächstes kam die Nachricht, dass er verheiratet war. Statt sein Glück auf dem Wege zu suchen, der für den Erben des Hauses Elliot vorgezeichnet war, hatte er sich seine Unabhängigkeit durch eine Verbindung mit einer reichen Frau von niederer Herkunft erkauft.

Sir Walter hatte es ihm verübelt. Als Haupt der Familie fand er, man hätte seinen Rat einholen sollen, besonders nachdem er sich mit dem jungen Mann in aller Öffentlich keit gezeigt hatte. Denn man müsse sie zusammen gesehen gaben, bemerkte er, einmal bei Tattersall2 und zweimal in der Vorhalle des Unterhauses. Er gab seiner Missbilligung Ausdruck, aber offenbar ohne jeden Erfolg. Mr. Elliot hatte sich zu keiner Entschuldigung veranlasst gesehen und sich so wenig an weiteren Aufmerksamkeiten von Seiten der Familie interessiert gezeigt, wie Sir Walter ihn für ihrer unwürdig hielt; jeder Verkehr zwischen ihnen wurde eingestellt.

Diese sehr peinliche Geschichte mit Mr. Elliot erfüllte Elizabeth, die den jungen Mann um seiner selbst willen und mehr noch, weil er der Erbe ihres Vaters war, gemocht hatte und deren ausgeprägter Familienstolz nur in ihm eine angemessene Partie für Sir Walters älteste Tochter sehen konnte, noch nach Ablauf mehrerer Jahre mit Ärger. Es gab von A bis Z keinen Baron, den sie so bereitwillig als gleichberechtigt empfunden hätte. Aber er hatte sich so schäbig benommen, dass sie sich trotz der Trauerbinde, die sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt (im Sommer 1814) um seiner Frau willen trug, nicht gestatten konnte, ihn noch einmal in Erwägung zu ziehen. Die Schande seiner ersten Ehe hätte man, da kein Grund zu der Annahme bestand, dass sie durch Nachkommen fortgesetzt worden war, verschmerzt, wäre es nicht noch schlimmer gekommen. Aber er hatte, wie sie durch die übliche Einmischung wohlmeinender Freunde erfahren hatten, sehr abfällig von ihnen allen, sehr beleidigend von dem Blut, zu dem er gehörte, und dem Titel gesprochen, der später auf ihn übergehen würde. So etwas war unverzeihlich.

Das waren Elizabeths Gesinnungen und Gefühle. Das waren die Sorgen und Aufregungen, die Eintönigkeit und Vornehmheit, Luxus und Nichtigkeit ihres alltäglichen Lebens erträglicher und abwechslungsreicher machen sollten. Das waren die Empfindungen, die einem langen, ereignislosen Aufenthalt in dem immer gleichen ländlichen Zirkel Interesse geben, die Leere beseitigen sollten, wo nützliche Tätigkeiten außerhalb, Begabungen und Talente innerhalb des Hauses fehlten, um sie zu füllen.

Aber jetzt begann eine neue Aufgabe und Sorge ihre Gedanken zu beschäftigen. Ihr Vater geriet immer mehr in finanzielle Schwierigkeiten. Sie wusste, dass er den Adelskalender nur noch in die Hand nahm, um die hohen Rechnungen seiner Lieferanten und die unangenehmen Anspielungen von Mr. Shepherd, seinem Rechtsanwalt, darüber zu vergessen. Der Besitz von Kellynch war ertragreich, aber den Ansprüchen, die Sir Walter an den Lebensstil seines Besitzers stellte, nicht gewachsen. Solange Lady Elliot lebte, hatten Überlegung, Bescheidenheit und Sparsamkeit geherrscht, so dass er mit seinen Einkünften gerade auskam. Aber mit ihr war auch alle Rechtschaffenheit dahingegangen, und seit der Zeit hatte er ständig über seine Verhältnisse gelebt. Er hatte es nicht fertiggebracht, weniger auszugeben; er hatte nur getan, wozu Sir Walter Elliot unbedingt verpflichtet war. Aber schuldlos, wie er war, geriet er nicht nur immer tiefer in Schulden, sondern bekam es auch so oft zu hören, dass es aussichtslos wurde, es auch nur teilweise länger vor seiner Tochter zu verheimlichen. Er hatte ihr gegenüber im letzten Frühjahr in London einige Andeutungen gemacht. Er war sogar so weit gegangen zu fragen: »Können wir uns einschränken? Meinst du, dass wir uns irgendwo einschränken können?« – und Elizabeth, das muss man ihr lassen, hatte im ersten Eifer weiblicher Panik ernsthaft darüber nachgedacht, was zu tun sei, und schließlich die beiden folgenden Sparmaßnahmen vorgeschlagen: einige unnötige Wohltätigkeitsspenden zu streichen und von einer Neumöblierung des Wohnzimmers abzusehen, wozu ihr später noch der glückliche Einfall kam, Anne diesmal, wie es sonst ihr jährlicher Brauch gewesen war, kein Geschenk mitzubringen. Aber diese Maßnahmen, so sinnvoll sie auch sein mochten, wurden dem tatsächlichen Ausmaß des Übels, das in seiner ganzen Tragweite ihr zu gestehen Sir Walter sich bald danach genötigt sah, bei weitem nicht gerecht. Elizabeth hatte keine tiefergreifenden Hilfsmittel vorzuschlagen. Sie fühlte sich genau wie ihr Vater missbraucht und unglücklich; und sie waren beide außerstande, Wege zu finden, ihre Ausgaben einzuschränken, ohne auf unerträgliche Weise ihre Würde zu beeinträchtigen oder auf ihre Bequemlichkeit zu verzichten.

Es gab nur einen kleinen Teil seines Besitzes, den Sir Walter veräußern konnte. Aber hätte er sich von jedem Stückchen Erde trennen können, es hätte nichts genutzt. Er hatte sich, soweit es in seiner Macht stand, zu Hypotheken herabgelassen, aber er würde sich nie dazu herablassen zu verkaufen. Nein, so weit würde er den Familiennamen nicht entehren. Der Besitz von Kellynch würde heil und ganz, so wie er ihn übernommen hatte, weitergegeben werden.

Ihre beiden engsten Freunde, Mr. Shepherd, der in der nächsten Kleinstadt wohnte, und Lady Russell, wurden um ihren Rat gebeten, und sowohl Vater als auch Tochter erwarteten anscheinend, dass einer von beiden einen Einfall haben würde, wie man ihnen aus der Verlegenheit helfen und ihre Ausgaben verringern könne, ohne dass ihre Ansprüche an Geschmack oder Stolz Abbruch erleiden würden.

Kapitel 2

Mr. Shepherd, ein höflicher, vorsichtiger Rechtsanwalt, dem ungeachtet seiner Macht oder seiner Ansichten über Sir Walter daran lag, die unangenehmen Nachrichten von jemand anderem offenbaren zu lassen, enthielt sich auch der leisesten Andeutung und erlaubte sich lediglich, dem ausgezeichneten Urteil von Lady Russell, von deren gesundem Menschenverstand er sich genau die einschneidenden Maßnahmen versprach, die er letzten Endes getroffen zu sehen wünschte, seine uneingeschränkte Hochachtung auszusprechen.

Lady Russell lag das Thema außerordentlich am Herzen, und sie machte sich ernsthafte Gedanken darüber. Zuverlässig, wenn auch nicht schnell in ihrem Urteil, war sie eine Frau, die bei dem Aufeinanderprallen zweier wichtiger Grundsätze große Schwierigkeiten hatte, eine Entscheidung zu treffen. Sie war eine durch und durch integre Frau, mit unbestechlichem Ehrgefühl. Aber sie war ebenso bemüht, Sir Walters Gefühle zu schonen, wie auf das Ansehen der Familie bedacht, ebenso standesbewusst in ihren Vorstellungen über ihre gesellschaftlichen Ansprüche, wie ein vernünftiger und aufrichtiger Mensch nur sein konnte. Sie war eine wohlmeinende, gütige, ehrliche Frau und zu starken Bindungen fähig, äußerst korrekt in ihrem Benehmen, streng in ihren Vorstellungen von Anstand und mit Umgangsformen, die für den Inbegriff einer guten Kinderstube gehalten wurden. Sie war gebildet und dachte im Allgemeinen rational und logisch – aber sie hatte Vorurteile in Fragen des Standes. Sie maß Rang und Stellung eine Bedeutung bei, die sie gelegentlich über die Schwächen derer hinwegtäuschte, die sie besaßen. Selbst nur die Witwe eines Geadelten, galt der Würde eines Barons ihre ganze Bewunderung; und Sir Walter hatte unabhängig von seinen Ansprüchen als alter Bekannter, als aufmerksamer Nachbar, als verständnisvoller Vermieter, als Gatte ihrer engsten Freundin und Vater von Anne und ihren Schwestern in ihren Augen schon allein als Sir Walter Anspruch auf eine Menge Mitleid und Nachsicht in seinen augenblicklichen Schwierigkeiten.

Sie mussten sich einschränken; daran gab es keinen Zweifel. Aber sie war sehr darauf bedacht, dass er und Elizabeth so wenig wie möglich darunter zu leiden hatten. Sie entwarf Sparmaßnahmen, sie stellte genaue Berechnungen an, und sie tat das, woran sonst niemand gedacht hatte: Sie bat Anne um ihren Rat, von der anscheinend niemand sonst irgendein Interesse an der Sache erwartete. Sie fragte sie also um Rat und ließ sich in gewisser Weise beim endgültigen Entwurf der Einschränkungsmaßnahmen, wie sie Sir Walter zu guter Letzt vorgelegt wurden, beeinflussen. Anne hatte bei allen ihren Vorschlägen für Aufrichtigkeit statt für eine standesgemäße Fassade plädiert. Sie wollte einschneidendere Maßnahmen, eine radikalere Umstellung, eine schnellere Tilgung der Schulden, eine entschieden größere Gleichgültigkeit gegenüber allem, außer was recht und billig war.

»Wenn wir deinen Vater dazu überreden können«, sagte Lady Russell mit einem Blick auf ihren Plan, »dann ist schon viel erreicht. Wenn er diese Maßnahmen akzeptiert, ist er in sieben Jahren schuldenfrei; und ich hoffe, wir können ihn und Elizabeth davon überzeugen, dass Kellynch Hall an sich ein Ansehen besitzt, dem diese Einschränkungen keinen Abbruch tun können, und dass Sir Walter Elliots wahre Würde in den Augen vernünftiger Leute durchaus nicht beeinträchtigt wird, wenn er wie ein Mann von Grundsätzen handelt. Und was tut er denn anderes, als was sehr viele unserer führenden Familien ebenfalls getan haben – oder tun sollten? Sein Fall ist keine Ausnahme, und es ist die Ausnahme, die uns oft am schlimmsten trifft oder jedenfalls unser Handeln entscheidend beeinflusst. Ich habe große Hoffnungen, dass wir uns durchsetzen. Wir müssen bestimmt und entschieden sein – denn schließlich muss der, der Schulden gemacht hat, sie auch bezahlen. Und obwohl man den Empfindungen eines Gentlemans und dem Haupt einer Familie wie deinem Vater viel Rücksicht schuldig ist, dem Charakter eines ehrlichen Mannes ist man mehr Rücksicht schuldig.«

Anne lag daran, dass ihr Vater nach diesem Grundsatz handelte und seine Freunde ihn darin bestärkten. Sie hielt es für ein unumgängliches Gebot der Pflicht, die Ansprüche der Gläubiger mit all der Geschwindigkeit zu befriedigen, die nur durchgreifende Einschränkungen garantieren konnten; und weniger als das erschien ihr ehrlos. Sie wünschte, dass ein solcher Schritt verordnet und als Pflicht empfunden wurde, sie versprach sich viel von Lady Russells Einfluss; und was die Rigorosität des Verzichts betraf, den ihr eigenes Gewissen vorschrieb, so glaubte sie, dass es kaum schwieriger sein werde, sie zu einer vollständigen Umkehr zu überreden als zu einer halbherzigen. Wie sie ihren Vater und Elizabeth kannte, würde das Opfer eines Pferdegespannes sie kaum weniger schmerzlich treffen als das von zweien, und das Gleiche galt für die ganze Liste von Lady Russells zu vorsichtigen Einsparungen.

Wie Annes rigorosere Forderungen aufgenommen worden wären, spielt keine Rolle. Lady Russells hatten keinerlei Erfolg – galten als unannehmbar – waren unerträglich. Was! Auf alle Annehmlichkeiten des Lebens verzichten! Reisen, London, Diener, Pferde, Tafelfreuden – überall Kürzungen und Einschränkungen! Sich nicht einmal mehr den Lebensstil eines einfachen Gentlemans leisten! Nein, lieber würde er Kellynch Hall auf der Stelle verlassen, als unter solch schmählichen Bedingungen weiter darin zu wohnen!

»Kellynch Hall verlassen!« Das Stichwort wurde sofort von Mr. Shepherd aufgegriffen, der ein durchaus greifbares Interesse an Sir Walters Sparmaßnahmen hatte und völlig davon überzeugt war, dass ohne einen Wohnungswechsel nichts zu erreichen war.

Da der Gedanke von genau der Seite komme, die die Entscheidungen treffen müsse, habe er keinerlei Skrupel, sagte er, zu gestehen, dass er mit dieser Meinung völlig übereinstimme. Er halte es nicht für wahrscheinlich, dass Sir Walter seinen Lebensstil in einem Haus wesentlich ändern könne, das so vom Geist der Gastfreundschaft und alter Ehrwürdigkeit durchdrungen sei. Überall sonst sei er sein eigener Herr und werde, gleichgültig, wie er seinen eigenen Haushalt gestalte, ein Vorbild für den Lebensstil anderer sein.

Sir Walter würde Kellynch Hall verlassen – und nach nur wenigen Tagen voller Zweifel und Unschlüssigkeit war die große Frage, wohin er ziehen solle, beantwortet und ein erster Plan für diese tiefgreifende Veränderung entworfen.

Es hatten drei Möglichkeiten zur Debatte gestanden, London, Bath oder ein anderer Landsitz. Annes Wünsche richteten sich ganz auf das Letzte. Ein kleines Haus in ihrer alten Nachbarschaft, wo sie weiterhin mit Lady Russell verkehren, weiterhin in Marys Nähe sein und weiterhin das Vergnügen haben konnten, ab und zu die Anlagen und Wäldchen von Kellynch zu sehen, war das ganze Ziel ihrer Wünsche. Aber es traf sie das übliche Schicksal Annes, denn man entschied sich für etwas ihren Wünschen völlig Entgegengesetztes. Sie mochte Bath nicht und konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich dort wohl fühlen werde – und ausgerechnet Bath sollte ihr Zuhause werden.

Sir Walter hatte zuerst eigentlich an London gedacht, aber Mr. Shepherd fand, dass man ihm in London nicht trauen konnte, und war geschickt genug gewesen, ihm Bath schmackhaft zu machen. Bath sei ein viel sichererer Ort für einen Gentleman in seiner schwierigen Lage: Dort habe er mit verhältnismäßig wenig Aufwand großes Ansehen. Zwei wesentliche Vorteile von Bath gegenüber London hatten natürlich den Ausschlag gegeben, und zwar seine geringere Entfernung von Kellynch, nur fünfzig Meilen, und die Tatsache, dass Lady Russell jedes Jahr einen Teil des Winters dort verbrachte; und zur großen Beruhigung von Lady Russell, die bei dem bevorstehenden Umzug Bath von Anfang an den Vorzug gegeben hatte, wurden Sir Walter und Elizabeth davon überzeugt, dass sie weder auf Ansehen noch Abwechslung verzichten müssten, wenn sie sich dort niederließen.

Lady Russell sah sich gezwungen, den ihr bekannten Wünschen ihrer lieben Anne zu widersprechen. Man mute Sir Walter zu viel zu, wenn man erwarte, dass er sich dazu herablassen werde, in ein kleines Haus in seiner eigenen Nachbarschaft zu ziehen. Anne selbst würde die Demütigung stärker empfinden als erwartet, und für Sir Walters Ehrgefühl wäre sie bestimmt unerträglich. Und was Annes Abneigung gegen Bath angehe, so halte sie sie für ein Vorurteil und einen Irrtum, der erstens darauf beruhe, dass sie dort drei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter zur Schule gegangen sei und dass es ihr zweitens in dem einzigen Winter, den sie dort anschließend mit ihr selbst verbracht habe, nicht besonders gut gegangen sei.

Kurz und gut, Lady Russell gefiel Bath, und sie neigte deshalb zu der Annahme, dass es für alle das Richtige sei. Und was die Gesundheit ihrer jungen Freundin betreffe, so werde jedes Risiko vermieden, wenn sie die warmen Sommermonate bei ihr in Kellynch Lodge verbringe. Es handle sich also um einen Wechsel, der sowohl ihrer Gesundheit als auch ihrer Stimmung guttun müsse. Anne sei zu wenig von zu Hause fortgekommen, zu wenig in Gesellschaft gewesen. Es fehle ihr an Unternehmungslust. Mehr Gesellschaft werde ihr guttun. Sie wolle sie mehr unter Leute bringen.

Das Fatale eines Hauses in derselben Nachbarschaft wurde für Sir Walter natürlich wesentlich durch ein Element verstärkt, und zwar ein entscheidendes Element des Plans, das man dem ersten Schritt arglos noch aufgepfropft hatte. Er sollte sein Heim nämlich nicht nur verlassen, sondern es in anderen Händen sehen – eine Prüfung, die für stärkere Naturen als Sir Walter zu viel gewesen wäre. Kellynch Hall sollte vermietet werden. Dies allerdings war ein tiefes Geheimnis, das nicht über ihren unmittelbaren Kreis hinausdringen durfte.

Sir Walter hätte die erniedrigende Bekanntmachung, dass sein Haus zu vermieten sei, nicht ertragen. Mr. Shepherd hatte ein einziges Mal das Wort »annoncieren« fallenlassen, aber nicht gewagt, je wieder darauf zurückzukommen. Sir Walter wies den Gedanken, dass man es auf irgendeine Weise feilbieten könne, empört von sich; verbat sich die leiseste Anspielung, er könne eine derartige Absicht haben; und nur unter der Voraussetzung, dass er ein ganz spontanes Angebot von einem ganz außergewöhnlichen Bewerber erhalte, würde er nach seinen eigenen Bedingungen und als große Gefälligkeit überhaupt vermieten.

Wie schnell wir Gründe bei der Hand haben, das zu billigen, was uns gefällt! Lady Russell führte einen weiteren ausgezeichneten Grund für ihre übergroße Freude an, dass Sir Walter und seine Familie vom Land in die Stadt zogen. Elizabeth hatte vor kurzem eine enge Freundschaft angeknüpft, die sie gern unterbunden hätte. Es handelte sich um eine Tochter von Mr. Shepherd, die nach unglücklicher Ehe mit der zusätzlichen Bürde zweier Kinder ins Haus ihres Vaters zurückgekehrt war. Sie war eine geschickte junge Frau, die es verstand, sich beliebt zu machen, jedenfalls in Kellynch Hall, und die sich so bei Miss Elliot eingeschmeichelt hatte, dass sie trotz aller Anspielungen auf Vorsicht und Zurückhaltung von Lady Russell, die diese Freundschaft für völlig unstandesgemäß hielt, dort schon mehr als einmal länger zu Besuch gewesen war.

Lady Russell hatte tatsächlich kaum Einfluss auf Elizabeth und liebte sie anscheinend eher, weil sie es sich vorgenommen hatte, als weil Elizabeth es verdiente. Sie hatte von ihr nie mehr als oberflächliche Aufmerksamkeit erhalten, nichts, was über die notwendige Höflichkeit hinausging, und es war ihr nie gelungen, sie von einer einmal gehegten Vorliebe abzubringen. Sie hatte mehrfach ernsthaft versucht, dass Anne bei den Besuchen nach London mitgenommen wurde, da sie schmerzlich die ganze Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit dieser egoistischen Unternehmungen empfand, von denen sie ausgeschlossen war, und hatte bei viel geringfügigeren Anlässen versucht, Elizabeth von ihrer eigenen besseren Einsicht und Erfahrung profitieren zu lassen – aber immer vergeblich. Elizabeth bestand darauf, ihren eigenen Weg zu gehen, und nie hatte sie ihn in entschiedenerem Widerspruch zu Lady Russell verfolgt als bei ihrer Wahl von Mrs. Clay. Sie verschmähte die Gesellschaft einer so schätzenswerten Schwester und schenkte ihre Neigung und ihr Vertrauen statt dessen einer Person, die nichts als ein Gegenstand kühler Höflichkeit hätte sein sollen.

Ihrer Stellung nach war Mrs. Clay in Lady Russells Augen eine sehr unebenbürtige, ihrem Charakter nach, glaubte sie, sehr gefährliche Freundin; und ein Umzug, der Mrs. Clay zurücklassen und Miss Elliot den Umgang von geeigneteren Gefährtinnen ermöglichen würde, war deshalb ein höchst wünschenswertes Ziel.

Kapitel 3

»Ich gestatte mir zu bemerken«, sagte Mr. Shepherd eines Morgens in Kellynch, als er die Zeitung beiseitelegte, »dass die augenblickliche Lage der Dinge uns sehr entgegenkommt. Dieser Friede3 wird alle unsere reichen Marineoffiziere an Land bringen. Sie werden alle ein Haus brauchen. Kein besserer Zeitpunkt denkbar, Sir Walter, um eine ganze Auswahl an Mietern zu haben, sehr verantwortungsbewussten Mietern. Manch einer hat während des Krieges ein stattliches Vermögen gemacht. Wenn uns ein reicher Admiral über den Weg liefe, Sir Walter …«

»Dann könnte er sich glücklich schätzen, Shepherd«, erwiderte Sir Walter, »mehr habe ich dazu nicht anzumerken. Kellynch Hall wäre wahrlich eine schöne Prise für ihn; vermutlich die bei weitem größte Prise, da kann er bisher noch so viele Schiffe gekapert haben, wie, Shepherd?«

Mr. Shepherd, der wusste, was er Sir Walter schuldig war, lachte über soviel Witz und fuhr dann fort:

»Ich erlaube mir anzumerken, Sir Walter, dass sich mit den Herren von der Marine in geschäftlichen Dingen ausgezeichnet verhandeln lässt. Ich habe ein wenig Erfahrung mit ihrer Art, Geschäfte zu machen, und bin so frei zu gestehen, dass sie sehr großzügige Vorstellungen haben und wahrscheinlich nicht weniger erstrebenswerte Mieter sind als Leute aus anderen Kreisen. Deshalb, Sir Walter, möchte ich mir vorzuschlagen gestatten, dass ich, John Shepherd …, falls infolge irgendwelcher über Ihre Absichten in Umlauf geratener Gerüchte, die man ja als Möglichkeit einkalkulieren muss, denn wir wissen, wie schwierig es ist, die Handlungen und Absichten des einen Teils der Menschheit vor der Aufmerksamkeit und Neugier des anderen Teils geheim zu halten – Größe hat ihren Preis … das Recht habe, alle Familienangelegenheiten, bei denen es mir nötig scheint, geheim zu halten, denn mich zu beobachten, würde niemand für lohnend halten, aber auf Sir Walter Elliot ruhen Augen, denen zu entgehen sehr schwierig sein dürfte … und deshalb wäre es keineswegs eine große Überraschung für mich, so viel wage ich zu sagen, wenn bei all unserer Vorsicht doch Gerüchte von der Wahrheit in Umlauf geraten würden … in welchem Falle, wie ich gerade bemerken wollte, da Mietgesuche ohne Frage folgen werden, ich es für angezeigt halten würde, denen von Seiten unserer wohlhabenden Marinekommandanten besondere Aufmerksamkeit zu schenken … und ich erlaube mir hinzuzufügen, dass ich jederzeit in zwei Stunden hier sein könnte, um Ihnen die Mühe einer Antwort zu ersparen.«

Sir Walter nickte nur. Aber bald darauf erhob er sich, schritt im Zimmer auf und ab und bemerkte sarkastisch:

»Es gibt nur wenige Herren bei der Marine, könnte ich mir vorstellen, die nicht überrascht wären, sich in einem Haus dieser Größenordnung wiederzufinden.«

»Sie würden sich umsehen, keine Frage, und ihrem Schicksal danken«, sagte Mrs. Clay, denn Mrs. Clay war anwesend. Ihr Vater hatte sie mitgebracht, denn nichts tat Mrs. Clays Gesundheit so gut wie eine Fahrt nach Kellynch. »Aber ich bin mir mit meinem Vater einig, dass ein Seemann ein sehr wünschenswerter Mieter wäre. Ich kenne allerlei Leute in diesem Beruf, und abgesehen von ihrer Großzügigkeit sind sie rundherum so adrett und umsichtig! Ihre kostbaren Bilder hier, Sir Walter, falls Sie die zurücklassen sollten, wären vollkommen sicher. Drinnen und draußen würde alles so ausgezeichnet instand gehalten werden! Park und Garten würden von dem hervorragenden Zustand, in dem sie jetzt sind, fast nichts verlieren. Sie brauchten keine Angst zu haben, Miss Elliot, dass ihr reizender kleiner Blumengarten vernachlässigt würde.«

»Was das betrifft«, fuhr Sir Walter kühl fort, »angenommen, ich wäre tatsächlich bereit, mein Haus zu vermieten, so habe ich keineswegs über die Privilegien entschieden, die damit verbunden sind. Ich bin nicht sonderlich geneigt, einem Mieter Vergünstigungen einzuräumen. Der Park stünde ihm natürlich offen, und nur wenige Marineoffiziere oder auch Leute aus irgendeinem anderen Milieu können über eine solche Fläche verfügt haben. Aber welche Einschränkungen ich ihm bei der Benutzung der Gartenanlagen auferlege, ist eine andere Frage. Mir behagt der Gedanke gar nicht, dass man in meinem Staudengarten ein und aus geht; und ich würde Miss Elliot empfehlen, Vorsichtsmaßnahmen für ihren Blumengarten zu treffen. Ich bin ganz und gar nicht geneigt, einem Mieter von Kellynch Hall irgendwelche außergewöhnlichen Vorzüge einzuräumen, das kann ich Ihnen versichern, ob Seemann oder Soldat.«

Nach einer kurzen Pause gestattete sich Mr. Shepherd die folgende Bemerkung:

»In all diesen Fällen gibt es bewährte Gepflogenheiten, die das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter klar und einfach regeln. Ihre Interessen, Sir Walter, sind in guten Händen. Sie können sich auf mich verlassen, dass kein Mieter mehr Rechte erhält, als ihm zustehen. Ich erlaube mir den Hinweis, dass Sir Walter Elliot nicht halb so sehr auf seinen Vorteil bedacht ist wie John Shepherd.«

Hier nahm Anne das Wort.

»Der Marine, die so viel für uns getan hat, steht, finde ich, mindestens der gleiche Anspruch wie Angehörigen anderer Berufe auf all die Annehmlichkeiten und Privilegien zu, die ein Haus bieten kann. Seeleute müssen für ihre Annehmlichkeiten schwer genug arbeiten, das wissen wir doch alle.«

»Sehr wahr, sehr wahr. Was Miss Anne sagt, ist sehr wahr«, war Mr. Shepherds Entgegnung, und »Oh, gewiss!« die seiner Tochter, aber Sir Walter bemerkte kurz darauf:

»Der Beruf hat seinen Nutzen, aber ich würde es bedauern, wenn einer meiner Freunde dazugehörte.«

»Wirklich!« war die von einem Blick des Erstaunens begleitete Antwort.

»Ja, er ist mir aus zwei Gründen zuwider, ich habe zwei triftige Einwände dagegen: Erstens ist er dafür verantwortlich, dass Leute obskurer Herkunft es zu unverdienter Auszeichnung bringen und Männer in ehrenvolle Stellungen gelangen, von denen ihre Väter und Großväter niemals geträumt hätten. Und zweitens verkürzt er die Jugend und Lebenskraft eines Mannes fürchterlich. Ein Seemann altert schneller als alle anderen Menschen; das habe ich mein Leben lang beobachtet. Man ist in der Marine in größerer Gefahr als in jedem anderen Beruf, durch den Aufstieg eines Mannes beleidigt zu werden, mit dessen Vater zu sprechen der eigene Vater für unter seiner Würde gehalten hätte, und auf diese Weise selbst vorzeitig Gegenstand der Verachtung zu werden. Eines Tages im letzten Frühjahr befand ich mich in London in der Gesellschaft zweier Männer, schlagende Beispiele für das, wovon ich spreche, Lord St. Ives, von dessen Vater wir alle wissen, dass er Landpfarrer war, ohne genug zu beißen zu haben. Ich sollte Lord St. Ives und einem gewissen Admiral Baldwin den Vortritt lassen, der trostlosesten Figur, die Sie sich vorstellen können, sein Gesicht mahagonifarben, rau und rissig, wie es gar nicht schlimmer geht, nur Falten und Runzeln, neun einzelne graue Haare an der Seite und nichts als ein Tupfen Puder obendrauf. ›Um Gottes willen, wer ist der alte Bursche?‹, sagte ich zu einem Freund, der in der Nähe stand (Sir Basil Morley). ›Alter Bursche!‹, rief Sir Basil, ›das ist Admiral Baldwin. Was glauben Sie, wie alt er ist?‹ – ›Sechzig‹, sagte ich, ›oder vielleicht zweiundsechzig.‹ – ›Vierzig‹, erwiderte Sir Basil, ›vierzig, und keinen Tag älter.‹ – Stellen Sie sich mein Erstaunen vor. Ich werde Admiral Baldwin so bald nicht vergessen. Ich habe nie wieder ein so trostloses Beispiel dafür gesehen, was ein Seemannsleben einem antun kann, aber ich weiß, bis zu einem gewissen Grade gilt das für sie alle: Sie werden überallhin verschlagen und sind jedem Klima und jedem Wetter ausgesetzt, bis man sie nicht mehr ansehen mag. Es ist ein Jammer, dass man ihnen nicht eins über den Kopf schlägt, bevor sie Admiral Baldwins Alter erreichen.«

»Aber Sir Walter«, rief Mrs. Clay, »Sie sind wirklich zu streng. Haben Sie doch ein bisschen Mitleid mit den armen Leuten. Wir kommen nicht alle als Schönheiten auf die Welt. Die Seefahrt ist keine Schönheitskur, weiß Gott nicht, Seeleute altern vor der Zeit; ich habe es oft beobachtet, sie verlieren bald ihr jugendliches Aussehen. Aber geht das vielen anderen Berufen nicht ebenso? Vielleicht sogar den meisten. Soldaten im aktiven Dienst sind auch nicht besser dran. Und selbst in den gesetzteren Berufen muss man sich geistig, wenn auch nicht körperlich so abrackern und mühen, dass das Aussehen eines Mannes selten seinem natürlichen Alter entspricht. Der Rechtsanwalt plagt sich, von Sorgen zermürbt; der Arzt ist Tag und Nacht auf den Beinen und muss bei jedem Wetter unterwegs sein; und selbst der Pfarrer …«, sie hielt einen Moment inne, um nachzudenken, was wohl für den Pfarrer in Frage kam –, »und selbst der Pfarrer, wissen Sie, ist gezwungen, verseuchte Zimmer zu betreten und seine Gesundheit und sein Aussehen dem verderblichen Einfluss einer vergifteten Atmosphäre auszusetzen. Wirklich, ich bin seit langem überzeugt, dass zwar jeder Beruf auf seine Weise notwendig und ehrenwert ist, dass aber nur die Leute, die keinem Beruf nachzugehen brauchen, das Glück haben, ein ungestörtes Leben führen zu können – auf dem Lande, wo sie sich ihren Tag einteilen und ihren eigenen Neigungen nachgehen und auf ihren eigenen Besitzungen leben, ohne die Mühsal, sich anstrengen zu müssen. Nur sie haben das Glück, sage ich, die Segnungen von Gesundheit und gutem Aussehen bis zum Äußersten zu genießen; ich kenne sonst keine Gruppe von Leuten, die nicht an gutem Aussehen einbüßen, wenn sie ihre Jugend hinter sich haben.«

Es schien, als sei Mr. Shepherd bei seinen Bemühungen, Sir Walter einen Marineoffizier als Mieter schmackhaft zu machen, mit prophetischen Gaben gesegnet gewesen, denn der erste Interessent für das Haus war ein gewisser Admiral Croft, mit dem er kurz danach bei den vierteljährlichen Gerichtssitzungen in Taunton zusammengetroffen war. Ja, er hatte sogar von einem Londoner Kollegen einen Hinweis auf den Admiral erhalten. Seinem unverzüglich in Kellynch abgegebenen Bericht zufolge war Admiral Croft in Somersetshire gebürtig, hatte nach Erwerb eines stattlichen Vermögens den Wunsch, sich in seiner Heimatgegend niederzulassen, und war nach Taunton heruntergekommen, um in der unmittelbaren Nachbarschaft ein paar zum Verkauf angebotene Häuser zu besichtigen, die ihm allerdings nicht gefallen hatten; und als er zufällig davon gehört – (es war genau, wie er vorhergesehen hatte, bemerkte Mr. Shepherd, Sir Walters Angelegenheiten ließen sich nicht geheim halten) – als er also zufällig davon gehört hatte, dass Kellynch Hall möglicherweise zu vermieten sei, und von seinen (Mr. Shepherds) Beziehungen zu dem Besitzer erfuhr, hatte er ihn aufgesucht, um eingehende Erkundigungen einzuziehen, und im Laufe einer ziemlich langen Unterredung für jemanden, der das Haus nur der Beschreibung nach kannte, eine außerordentlich große Vorliebe dafür verraten und Mr. Shepherd in einem ausführlichen Bericht über sich selbst jeden Beweis gegeben, dass er ein höchst verantwortungsbewusster und wünschenswerter Mieter wäre.

»Und wer ist Admiral Croft?« war Sir Walters kühle, misstrauische Frage.

Mr. Shepherd verbürgte sich dafür, dass er der Familie eines Gentlemans entstamme, und nannte einen Besitz; und Anne fügte nach kurzer Pause hinzu:

»Er ist Konteradmiral bei der Weißen Flottille.4 Er hat bei Trafalgar gekämpft und war seitdem in Indien. Er war dort, glaube ich, einige Jahre stationiert.«

»Dann ist damit zu rechnen«, bemerkte Sir Walter, »dass sein Gesicht ungefähr so gelb ist wie Manschetten und Kragen der Livree meiner Dienerschaft.«

Mr. Shepherd beeilte sich, ihm zu versichern, Admiral Croft sei ein sehr munterer, gesunder, gutaussehender Mann, ein bisschen wettergegerbt natürlich, aber nicht sehr; und durch und durch Gentleman in seiner Einstellung und seinem Benehmen; werde bestimmt keine Schwierigkeiten wegen des Mietvertrags machen; wolle nur ein bequemes Haus und so schnell wie möglich einziehen; sei sich im Klaren, dass er für seine Bequemlichkeit bezahlen müsse; sei sich im Klaren, welche Miete ein möbliertes Haus von diesem Zuschnitt einbringen könne; wäre nicht überrascht gewesen, wenn Sir Walter mehr verlangt hätte; habe sich nach dem Herrenhaus erkundigt; wäre froh gewesen über das Jagdrecht, gewiss, bestehe aber nicht darauf; nehme zwar, wie er sagte, manchmal ein Gewehr mit, schieße aber nie etwas – durch und durch ein Gentleman.

Das Thema machte Mr. Shepherd beredt. Er berichtete alle Einzelheiten über die Familie des Admirals, die ihn als Mieter ganz besonders empfahlen. Er sei verheiratet, habe aber keine Kinder, genau das, worauf man Wert lege. Ohne eine Hausfrau, bemerkte Mr. Shepherd, erhalte ein Haus nie die richtige Pflege; er frage sich ernsthaft, ob das Mobiliar ohne Hausherrin nicht in Gefahr sei, ebenso zu leiden wie mit vielen Kindern. Eine Hausherrin ohne Familie schone das Mobiliar auf denkbar beste Weise. Er habe Mrs. Croft ebenfalls kennengelernt. Sie sei mit dem Admiral in Taunton und fast die ganze Zeit, während die Sache zur Debatte gestanden habe, dabei gewesen.

»Und anscheinend eine sehr kultivierte, vornehme, scharfsinnige Dame«, fuhr er fort, »stellte mehr Fragen über Haus und Mietvertrag und Steuern als der Admiral selbst und kannte sich in Geschäften anscheinend besser aus als er. Und außerdem, Sir Walter, habe ich herausbekommen, dass sie in diesem Teil des Landes ebenso Familie hat wie ihr Mann, das heißt, sie ist die Schwester eines Gentlemans, der einmal unter uns gelebt hat; sie hat es mir selber erzählt, Schwester jenes Gentlemans, der vor ein paar Jahren in Monkford gelebt hat. Du meine Güte! Wie hieß er doch? Ich kann im Augenblick nicht auf seinen Namen kommen, obwohl ich ihn gerade erst gehört habe. Penelope, mein Kind, kannst du dich an den Namen des Gentlemans erinnern, der in Monkford gelebt hat, Mrs. Crofts Bruder?«

Aber Mrs. Clay unterhielt sich so angeregt mit Miss Elliot, dass sie die Aufforderung nicht hörte.

»Ich habe keine Ahnung, wen Sie meinen, Shepherd. Ich erinnere mich nicht, dass seit den Zeiten des alten Gouverneurs Trent ein Gentleman in Monkford gewohnt hat.«

»Du meine Güte! Wie merkwürdig! Ich vergesse demnächst vermutlich noch meinen eigenen Namen, fürchte ich. Ein Name, der mir so vertraut ist, kannte den Gentleman so gut von Ansehen, bin ihm hundertmal begegnet, hat mich einmal zu Rate gezogen, erinnere ich mich, wegen unbefugten Betretens seines Grundstücks, Einbruch eines Knechts in seinen Obstgarten, eine beschädigte Mauer, gestohlene Äpfel, auf frischer Tat ertappt, ließ sich hinterher gegen meinen Rat auf einen gütlichen Vergleich ein. Wirklich sehr merkwürdig!«

Nach kurzem Zögern sagte Anne:

»Sie meinen vermutlich Mr. Wentworth.«

Mr. Shepherd war ganz Dankbarkeit.

»Wentworth, genau das war der Name! Mr. Wentworth, genau das war der Mann! Er war doch der Pfarrer von Monkford, Sir Walter, vor einiger Zeit, zwei oder drei Jahre lang. Traf dort ungefähr im Jahre fünf ein, wenn ich mich recht erinnere. Sie müssen sich doch an ihn erinnern.«

»Wentworth? Wie! Ach so, Mr. Wentworth, der Pfarrer von Monkford. Sie haben mich durch die Bezeichnung Gentleman irregeführt. Ich dachte, Sie sprächen von einem Mann mit Grundbesitz. Mr. Wentworth war ein Niemand, erinnere ich mich, ganz ohne Beziehungen, hatte nichts mit der Strafford-Familie zu tun. Wie kommt es bloß, dass so viele unserer Adelsnamen so gängig werden?«

Als Mr. Shepherd merkte, dass diese Verbindung den Crofts in den Augen Sir Walters nicht zugutekam, erwähnte er sie lieber nicht mehr und hielt sich in seinem unbeirrbaren Eifer ausführlich bei den Umständen auf, die eindeutiger zu ihren Gunsten sprachen: ihr Alter, ihre Kinderlosigkeit und ihr Vermögen, die Wertschätzung, die sie Kellynch Hall entgegenbrachten, und ihr dringender Wunsch, das Haus mieten zu dürfen; und er tat so, als kennten sie kein größeres Glück auf Erden, als Mieter von Sir Walter Elliot zu sein, ein ungewöhnlicher Geschmack, zweifellos, denn man konnte doch nicht erwarten, dass sie von Sir Walters hohen Ansprüchen an die Pflichten eines Mieters etwas ahnten.

Er hatte allerdings Erfolg, und obwohl Sir Walter auf jeden möglichen Mieter seines Hauses mit scheelem Blick sehen und angesichts seines unerhörten Wohlstands keinen Mietpreis für zu hoch halten würde, ließ er sich doch überreden, Mr. Shepherd die Weiterführung der Verhandlungen zu erlauben und ihn zu ermächtigen, Admiral Croft, der noch in Taunton war, aufzusuchen und einen Tag für die Besichtigung des Hauses zu vereinbaren.

Sir Walter war nicht sehr einsichtig, aber er hatte immerhin Lebenserfahrung genug, um zu spüren, dass er einen empfehlenswerteren Mieter, als Admiral Croft in allen wesentlichen Punkten zu werden versprach, wohl kaum finden werde. Das sah er immerhin ein; und seine Eitelkeit fand in dem gesellschaftlichen Rang des Admirals, der gerade hoch genug, aber nicht zu hoch war, ein kleines zusätzliches Trostpflaster. »Ich habe mein Haus an Admiral Croft vermietet« würde ausgezeichnet klingen, viel besser als ein bloßes »Mr. Soundso«. Ein Mr. (abgesehen vielleicht von einem halben Dutzend in ganz England) braucht immer ein paar erläuternde Worte. »Admiral« spricht für sich selbst und nimmt gleichzeitig einem Baron nichts von seiner Würde. In all ihren Verhandlungen und ihrem Umgang miteinander würde Sir Walter Elliot immer den Vortritt erhalten.

Ohne Elizabeths Urteil konnte nichts unternommen werden, aber ihre Neigung auszuziehen war unterdessen so groß geworden, dass sie froh war, den Umzug durch einen verfügbaren Mieter besiegelt und beschleunigt zu sehen; und es kam von ihr nicht ein Wort, das die Entscheidung hinausgezögert hätte.

Mr. Shepherd wurde mit allen Vollmachten ausgestattet; und kaum war das geschehen, als Anne, die das Ganze mit großer Aufmerksamkeit verfolgt hatte, das Zimmer verließ, um ihre erhitzten Wangen an der frischen Luft zu kühlen; und während sie durch ein Gehölz ging, das zu ihren Lieblingsspaziergängen gehörte, sagte sie mit einem leichten Seufzer: »Noch ein paar Monate, dann geht vielleicht er hier entlang.«

Kapitel 4

Dieser Er war nicht Mr. Wentworth, der frühere Pfarrer von Monkford, so verdächtig die Umstände auch erscheinen mochten, sondern ein Kapitän Frederick Wentworth, sein Bruder, der nach der Schlacht vor Sto. Domingo zum Kommandanten ernannt und, da er nicht unmittelbar ein Schiff übernommen hatte, im Sommer 1806 nach Somersetshire gekommen war; und weil seine Eltern nicht mehr lebten, hatte er ein halbes Jahr lang in Monkford ein Zuhause gefunden. Er war damals ein ungewöhnlich stattlicher junger Mann, voller Geist, Leben und Feuer und Anne ein außerordentlich hübsches Mädchen, voller Sanftheit, Bescheidenheit, Geschmack und Empfindsamkeit. Schon die Hälfte dieser Vorzüge hätte vermutlich auf beiden Seiten genügt, denn er hatte nichts zu tun, und sie hatte kaum jemanden, den sie lieben konnte. Aber bei so überreichlichen Gaben konnte die Begegnung gar nicht fehlschlagen. Sie lernten sich nach und nach kennen; und als sie sich kannten, verliebten sie sich schnell und tief ineinander. Es wäre schwer gewesen zu entscheiden, wer im anderen das vollkommenere Vorbild gesehen hatte oder wer von beiden glücklicher gewesen war – sie, als sie seine Erklärung und seinen Heiratsantrag entgegennahm, oder er, als er erhört wurde.

Eine kurze Zeit ungetrübten Glücks folgte, wenn auch nur eine kurze. Bald gab es Schwierigkeiten. Als Sir Walter um die Hand seiner Tochter gebeten wurde, verweigerte er zwar nicht seine Zustimmung oder erklärte, daraus könne nichts werden, doch äußerte er seine ganze Ablehnung in auffälligem Erstaunen, auffälliger Kälte, auffälligem Schweigen und der unmissverständlichen Absicht, nichts für seine Tochter zu tun. Er hielt die Verbindung für ausgesprochen unstandesgemäß; und obwohl sich Lady Russells Stolz auf zurückhaltendere und nachsichtigere Weise äußerte, betrachtete auch sie die Partie als höchst unpassend.

Wenn Anne Elliot mit ihren Ansprüchen von Herkunft, Schönheit und Intelligenz sich mit neunzehn wegwarf, sich mit neunzehn in ein Verlöbnis mit einem jungen Mann einließ, der nichts zu bieten hatte als sich selbst, keine Hoffnung, es zu Vermögen zu bringen außer den Chancen, die ihm ein höchst unsicherer Beruf bot, und keine Verbindungen, die seinen weiteren Aufstieg in diesem Beruf garantierten, dann müsse man das wahrlich »Wegwerfen« nennen; und es tat ihr in der Seele weh, daran zu denken. Dass Anne Elliot, so jung, so unerfahren, von einem Fremden ohne Verbindungen oder Vermögen weggeschnappt werden sollte oder sich vielmehr in einen Zustand unvorstellbar aufreibender, deprimierender, jugendverzehrender Abhängigkeit stürzte! Es durfte nicht sein, wenn es sich durch gerechtes Eingreifen einer Freundin, durch die Vorhaltungen von jemandem, der beinahe die Liebe einer Mutter und die Rechte einer Mutter für sich in Anspruch nahm, verhindern ließ.

Kapitän Wentworth hatte kein Vermögen. Er hatte Glück gehabt in seinem Beruf, aber da er großzügig ausgegeben hatte, was ihm großzügig zugefallen war, hatte er kein Vermögen angesammelt. Aber er vertraute darauf, dass er bald reich sein würde. Voller Leben und Begeisterung, war er sicher, dass er bald ein Schiff haben und einen Posten übernehmen würde, der ihm alle Wünsche erfüllen sollte. Er hatte immer Glück gehabt, er war sicher, dass es so bleiben würde. Solch Selbstvertrauen, mitreißend durch seinen Enthusiasmus und bestrickend durch die geistreiche Art, in der er sich oft ausdrückte, hatte Anne offenbar genügt, aber Lady Russell sah es ganz anders. Seine optimistische Natur und seine Unerschrockenheit wirkten auf sie ganz anders. Für sie machte es das Übel nur noch schlimmer. Es wies ihn obendrein als einen Abenteurer aus. Er war brillant, er war dickköpfig. Lady Russell hatte wenig für geistreiche Bemerkungen übrig und verabscheute alles, was an Leichtsinn grenzte. Sie missbilligte die Verbindung in jeder Hinsicht.

Der Ablehnung, zu der diese Gefühle führten, war Anne keineswegs gewachsen. Jung und nachgiebig, wie sie war, hätte sie vielleicht dem Unwillen ihres Vaters trotzen können, auch wenn nicht ein einziger freundlicher Satz und Blick von Seiten ihrer Schwester ihn gemildert hätte, aber die Ratschläge Lady Russells, der immer ihre ganze Liebe und ihr ganzes Vertrauen gehört hatten, konnten bei so viel Unbeirrbarkeit und so viel Einfühlsamkeit ihre Wirkung auf die Dauer nicht verfehlen. Anne ließ sich überreden, dass die Verlobung falsch war – unbesonnen, ungehörig, mit wenig Aussicht und keinerlei Anspruch auf Erfolg. Aber als sie sie auflöste, handelte sie nicht einfach aus eigennütziger Vorsicht. Hätte sie nicht geglaubt, mehr in seinem Interesse als in ihrem eigenen zu handeln, dann hätte sie ihn kaum aufgeben können. Die Überzeugung, um seinetwillen einsichtig zu sein und Selbstverzicht zu leisten, war im Schmerz über die Trennung, die endgültige Trennung, ihr Haupttrost; und viel Trost war nötig, denn obendrein traf es sie schmerzlich, dass er einen so völlig uneinsichtigen und unnachgiebigen Standpunkt einnahm und dass er sich durch diese erzwungene Auflösung der Verlobung betrogen fühlte. Er hatte daraufhin das Land verlassen.

Innerhalb weniger Monate hatten sich Anfang und Ende ihrer Bekanntschaft abgespielt. Aber Annes Kummer war nicht in ein paar Monaten vorüber. Ihre Liebe und ihr Bedauern hatten lange Zeit jede jugendliche Heiterkeit überschattet und einen bleibenden vorzeitigen Verlust von Blüte und Lebensfreude zur Folge gehabt.

Mehr als sieben Jahre waren vergangen, seit die traurigen Ereignisse dieser kleinen Geschichte ihr Ende gefunden hatten, und die Zeit hatte sie von ihrer intensiven Zuneigung zu ihm teilweise, wenn auch vielleicht nicht ganz geheilt; aber sie war zu sehr auf die Zeit allein angewiesen gewesen, und weder ein Ortswechsel (außer einem Besuch in Bath kurz nach der Trennung) noch irgendwelche Abwechslung oder eine Vergrößerung ihres Bekanntenkreises waren ihr zu Hilfe gekommen. Niemand war je im Kreis von Kellynch aufgetaucht, der dem Vergleich mit Kapitän Wentworth, wie er in ihrer Erinnerung lebte, standhielt. Keine zweite Liebe, in ihrem Alter die einzig wirklich natürliche, glückliche und erfolgreiche Kur, war bei ihren hohen geistigen Ansprüchen, ihrem erlesenen Geschmack in den engen Grenzen der sie umgebenden Gesellschaft in Frage gekommen. Mit ungefähr zweiundzwanzig war sie aufgefordert worden, den Namen des jungen Mannes anzunehmen, der wenig später auf mehr Entgegenkommen bei ihrer jüngeren Schwester stieß. Lady Russell hatte ihre Ablehnung beklagt, denn Charles Musgrove war der älteste Sohn eines Mannes, dessen Landbesitz und allgemeines Ansehen in jener Gegend nur dem Sir Walters nachstand, besaß einen guten Charakter und ein ansprechendes Äußeres; und wenn Lady Russell, als Anne neunzehn war, auch etwas anspruchsvoller gewesen sein mochte, so hätte sie sie jetzt mit zweiundzwanzig mit Freuden auf so respektable Weise der Parteilichkeit und Ungerechtigkeit im Hause ihres Vaters entzogen und auf Dauer in ihrer Nähe angesiedelt gesehen. Aber in diesem Fall war Anne keinem guten Rat zugänglich gewesen; und obwohl Lady Russell, mit ihrer Entscheidung so zufrieden wie eh und je, das Vergangene nicht ungeschehen zu machen wünschte, überkamen sie nun doch an Hoffnungslosigkeit grenzende Zweifel, ob Anne durch einen Mann von Intelligenz und finanzieller Unabhängigkeit je in Versuchung geführt werden könnte, eine Rolle zu übernehmen, für die sie sie aufgrund ihres liebevollen Naturells und ihrer häuslichen Neigungen so besonders geeignet hielt.

Sie wussten voneinander nicht, ob die Ansicht des anderen sich im Hinblick auf einen entscheidenden Punkt in Annes Verhalten gleich geblieben war oder sich geändert hatte, denn dieses Thema wurde nie berührt, aber Anne dachte mit siebenundzwanzig völlig anders, als man sie mit neunzehn zu denken gezwungen hatte. Sie machte Lady Russell keinen Vorwurf, machte auch sich selbst keinen Vorwurf, dass sie sich hatte von ihr leiten lassen, aber sie wusste genau, dass sie einem jungen Menschen, der sich in ähnlicher Lage um Rat an sie wenden würde, niemals solch unzweifelhaftes gegenwärtiges Leiden, solch zweifelhaftes zukünftiges Glück zumuten würde. Sie war überzeugt, dass sie trotz der unglückseligen väterlichen Missbilligung und der Befürchtungen im Hinblick auf seinen Beruf, trotz aller voraussichtlichen Ängste, Verzögerungen und Enttäuschungen bei Aufrechterhaltung der Verlobung immer noch eine glücklichere Frau geworden wäre, als sie nach dem Verzicht darauf war und dies, wie sie fest überzeugt war, sogar dann, wenn ihnen das übliche Maß, ja, mehr als das übliche Maß an all solchen Belastungen und Ungewissheiten unabhängig vom tatsächlichen Ausgang der Angelegenheit zugefallen wäre, der, wie sich bald herausstellte, zu baldigerem Wohlstand geführt hätte, als man vernünftigerweise annehmen konnte; denn all seine optimistischen Erwartungen, all sein Selbstvertrauen war berechtigt gewesen. In seiner Genialität und seiner Entschlossenheit hatte er seinen erfolgreichen Lebensweg anscheinend vorausgesehen und bestimmt. Sehr bald nach dem Abbruch ihres Verlöbnisses hatte er ein Schiff bekommen, und alles, was er ihr prophezeit hatte, war eingetreten. Er hatte sich ausgezeichnet, war vor der Zeit einen Rang höher befördert worden und musste nun durch wiederholtes Kapern feindlicher Schiffe ein ansehnliches Vermögen gemacht haben. Sie besaß nur Marinekalender und Zeitungsausschnitte als Beleg, aber sie konnte an seinem Reichtum nicht zweifeln; und dass sie keinen Grund hatte, ihn für verheiratet zu halten, führte sie auf seine Beständigkeit zurück.

Wie überzeugend hätte Anne Elliot geklungen, wie überzeugend hätte sie jedenfalls für eine frühe große Liebe und ein heiteres Vertrauen in die Zukunft und gegen diese überängstliche Vorsicht plädiert, die jede Anstrengung verachtet und dem Schicksal misstraut! Man hatte ihr in ihrer Jugend Lebensklugheit aufgezwungen; was romantische Liebe bedeutet, begriff sie erst, als sie älter wurde – die natürliche Entwicklung eines unnatürlichen Anfangs.

Bei all diesen Einzelheiten, Erinnerungen und Empfindungen konnte sie nicht mit anhören, dass Kapitän Wentworths Schwester wahrscheinlich in Kellynch wohnen würde, ohne dass vergangener Schmerz wieder auflebte; und es bedurfte vieler Spaziergänge und vieler Seufzer, um das Beunruhigende dieses Gedankens zu vertreiben. Sie musste sich oft sagen, wie töricht sie war, bevor ihre Nerven der ständigen Unterhaltung über die Crofts und ihre Angelegenheiten gewachsen waren. Allerdings kam ihr dabei die völlige Gleichgültigkeit und die offensichtliche Vergesslichkeit der drei einzigen ihr nahestehenden Menschen zugute, die das Geheimnis ihrer Vergangenheit kannten und anscheinend beinahe jede Erinnerung daran verdrängten. Sie hatte dabei für Lady Russells Motive, die denen ihres Vaters oder Elizabeths überlegen waren, durchaus Verständnis; sie war sich bewusst, welchen Vorteil ihre eigene Gelassenheit bedeutete – aber die Atmosphäre allgemeiner Vergesslichkeit unter ihnen, worauf sie auch beruhen mochte, war äußerst wichtig; und falls Admiral Croft Kellynch Hall wirklich mietete, konnte sie Beruhigung aus der Überzeugung schöpfen, für die sie immer besonders dankbar gewesen war, dass nämlich die Vergangenheit nur den dreien unter ihren Verwandten bekannt war, die, wie sie glaubte, niemals eine Silbe davon würden verlauten lassen, und Zuversicht daraus, dass unter seinen Verwandten nur der Bruder, bei dem er gewohnt hatte, von ihrer kurzlebigen Verlobung wusste. Dieser Bruder war schon vor langer Zeit aus der Gegend fortgezogen; und da er ein vernünftiger Mann und zu der Zeit obendrein Junggeselle gewesen war, war es ihr lieb, sich darauf verlassen zu können, dass er keiner Menschenseele je davon erzählt hatte.

Die Schwester, Mrs. Croft, war damals gar nicht in England gewesen, sondern hatte ihren Mann ins Ausland begleitet; und ihre eigene Schwester Mary war im Internat gewesen, während sich alles abgespielt hatte; und die einen hatten aus Stolz und die anderen aus Zartgefühl hinterher nicht das Geringste davon erzählt.

Im Vertrauen darauf hoffte sie, dass die Bekanntschaft zwischen ihr und den Crofts, die sich wohl kaum vermeiden ließ, wenn Lady Russell weiterhin in Kellynch und Mary nur drei Meilen entfernt wohnte, zu keinerlei Unannehmlichkeiten zu führen brauchte.

Kapitel 5