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Rasant, bunt, tragisch - der indisch-schweizerische Detektiv Vijay Kumar ermittel undercover. In einem Waldstück nahe des Zürcher Flughafens wird eine Leiche geborgen. Der junge Mann ist Ausländer und trotz des kalten Winters nur halb bekleidet. Sein Körper ist steif gefroren, das Gesicht weist schwere Verletzungen auf. Privatdetektiv Vijay Kumar, der zufällig am Fundort anwesend war, staunt nicht schlecht, als er einen Tag später den Auftrag erhält, die Umstände des Todes von genau diesem jungen Mann aufzuklären. Erste Recherchen lassen die Vermutung aufkommen, dass sich der Tote im Radkasten eines Flugzeugs versteckt hatte, um illegal in die Schweiz einzureisen. Eine andere Spur führt in das Strichermilieu. Vijay zwängt sich in sein schwulstes Outfit und taucht in die Szene ein, in der er unerwartet bekannte Gesichter trifft. Musste der Junge sterben, weil jemand sich nicht outen wollte? Bald gibt es einen weiteren Toten. Damit hat sich Vijays Mutter keinen guten Zeitpunkt ausgesucht, um ihrem Sohn eine Horde heiratswilliger Inderinnen auf den Hals zu hetzen.
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Seitenzahl: 404
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Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Er ist als Flugbegleiter tätig, ein Job, der ihm genügend Zeit zum Schreiben lässt. Viele seiner Kurzgeschichten wurden ausgezeichnet. Mit seinem Romandebüt Fangschuss, dem ersten Krimi mit Vijay Kumar, gewann er den Zürcher Krimipreis 2010. 2011 legte er mit Lichterfest einen weiteren humorvoll-spannenden Fall für den indisch-stämmigen Privatdetektiv nach. www.sunilmann.ch
»Halt an! Da muss es sein!« Grob krallte José seine Finger in meinen Arm und deutete aufgeregt zu der Stelle im Wald, die so hell und unwirklich erstrahlte, als wäre dort hinter den Baumstämmen ein Raumschiff gelandet. Durch das dichte Schneetreiben waren Scheinwerfer auszumachen, ihr grelles Licht durchschnitt die Düsternis des frühen Morgens.
Jäh trat ich auf die Bremse und verlor dabei beinahe die Kontrolle über meinen hellblauen Käfer, der mit unvermindertem Tempo über die vereiste Straße schlitterte – einem bulligen Kastenwagen entgegen, dessen Umrisse unvermittelt aus dem Schneegestöber aufgetaucht waren.
»Pass auf!«, schrie José überflüssigerweise.
Im letzten Augenblick gelang es mir, das Steuer herumzureißen und einen Zusammenstoß zu vermeiden. Mein Wagen schleuderte um die eigene Achse und setzte gerade zu einer weiteren Pirouette an, als eine Schneewehe am Straßenrand unsere Rutschpartie knirschend stoppte.
»Das war knapp!«, keuchte José, doch mit einem Magen, der mir whiskysauer am Halszäpfchen klebte, sah ich mich außerstande, den Mund zu öffnen, geschweige denn zu antworten.
Ich schloss kurz die Augen und schickte ein knappes Dankesgebet an den Hindugott Vishnu, dem die nervenaufreibende Aufgabe zugefallen war, Menschen zu behüten. Dann holte ich tief Luft, öffnete die Augen und setzte den Käfer zurück.
Im Schritttempo umfuhr ich die offenbar in Eile zurückgelassenen Fahrzeuge, die kreuz und quer auf dem brachliegenden Feld neben der Landstraße standen, und peilte eine freie Fläche an. Noch bevor ich den Motor ausstellen konnte, hatte José die Beifahrertür aufgestoßen und war aus dem Wagen gesprungen.
»Verdammt! Warte gefälligst auf mich!«, schrie ich ihm hinterher, als ich bemerkte, dass er sich keineswegs übergeben musste, sondern zielstrebig Richtung Wald davonrannte.
Fluchend lehnte ich mich über den Beifahrersitz und zog die Tür zu. Dann stülpte ich meine fellgefütterte Mütze über, schlüpfte in die Handschuhe und rannte meinem Kumpel nach, über den Acker und ein Stück der Straße entlang zum schmalen Waldweg zurück, der in einer leichten Steigung zur Lichtung hinaufführte.
Ich holte José problemlos ein, schließlich trug er nicht nur eine schwere Fotoausrüstung bei sich, sondern auch einen Rucksack, in dem sich eine volle Thermoskanne befand, in der heißer, stark gezuckerter Kaffee schwappte – großzügig mit spanischem Brandy versetzt, wie ich bei einer ersten Kostprobe erfreut festgestellt hatte.
»Gib her!« Ich nahm José im Laufen eine der Fototaschen ab und schweigend hetzten wir durch das Waldstück bergauf. Inmitten der Bäume herrschte eine dumpfe Stille, die Stämme hielten den Sturm erfolgreich ab. Nur der hart gefrorene Boden knarrte verhalten unter unseren Schritten, vereinzelt schwebten Flocken in der Luft. An den letzten Baumreihen schlugen uns die eisigen Schneeböen erneut entgegen und der Sturm zerrte an unseren Jacken.
Die Lichtung war etwa halb so groß wie ein Fußballfeld und hell erleuchtet, ein ungenauer Halbkreis mit ausgefransten Rändern. Schemenhaft zeichnete sich nachwachsendes Buschwerk unter der Schneedecke ab und die kahlen Zweige junger Laubbäume ragten wie dürre, skelettartige Finger aus dem Weiß. Trotz des Schneetreibens waren die flatternden rot-weißen Bänder, mit denen man den Bereich um die Leiche weitläufig abgesperrt hatte, deutlich zu erkennen. Verwundert stellte ich fest, wie viele Leute sich im gleißenden Flutlicht tummelten. Etliche Uniformierte standen vor der Absperrung herum, die meisten wirkten etwas orientierungslos, ihre Augen waren glasig, die Haare – sofern sie nicht unter Mützen steckten – strähnig, die Gesichter aufgedunsen. Was auf den ersten Blick wie ein Mickey-Rourke-Lookalike-Contest aussah, war in Wahrheit wohl eher auf die Uhrzeit zurückzuführen: Es war kurz nach sieben in der Früh. Eine Zeit, die mir selbst nur vom Hörensagen bekannt war. Hätte mich José, der selbst kein Auto besaß, nicht mit penetrantem Klingeln aus dem Bett geholt, damit ich ihn unverzüglich zum Fundort der Leiche fuhr, befände ich mich noch selig schlummernd in demselben.
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