Ukraine: blau und gelb - Dirk Tilsner - E-Book

Ukraine: blau und gelb E-Book

Dirk Tilsner

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Beschreibung

Ein Krähenschwarm zieht wie Treibgut in aufkommenden Winternebel. Die Landschaften versinken wie eine stolze Flotte unter bleichem Tuch. Moschusochsen in der Arktis schütteln ihre Mähne, tragen eine brüchige Maske aus Schnee. Sintersäulenwelten begegnen uns in einer Kathedrale aus Gestein. Im polnischen Paradies finden sich Ukrainer in einen Schatten gekleidet, Fluchtbewegungen werden abgeschritten. Wie die Bukowina Rose Ausländer bewohnt, gelangt in den Spiegel. Was wird aus dem pazifistischen Streben, wenn ein Diktator es auf brutale Landnahme anlegt? Charkiw und Cherson kommen in den Blick, ebenso wie Kiew. Zahlreiche Gedichte entwickeln ihren eigenen Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, ein Schwerpunkt in diesem Band. Auf die Unvernunft nuklearer Ambitionen wird abgehoben. Vom Flurwandel ist die Rede, wie die Logistik des Menschen immer tiefer in Wald und Wiesen vordringt. Mitunter scheinen die Gesetze wie Kleider, doch was, wenn sie irgendwann nicht mehr passen? Erfahrungen des Malers Franz Marc, sein Skizzenbuch wird reflektiert. Das Kaminfeuer lodert und wärmt.

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Inhalt

Dirk Tilsner

Winternebel

nachtigall

Bitte

Ausflug

butterfly calling

Idylle, irgendwo

sieben Jahre später

wachsen, wachsen ...

Kunsthonig

Tерминатор

Eva Burt

Fichten

Anke Ames

Gesang der Eule

Peter Frank

Winterlock

Uhren

Fotoalbum

An den Moschusochsen

Demarche

Erosionen

Herbsttage

Mozartstraße 43

Raunächte

Rückkehr

Vom Graben

Willi Volka

Schreiten

PUTIN-Art

Wie lange?

Rührei bitte …

Z Z Z Z Rakete zisch

Volker Teodorczyk

In der Pflicht

Anweisungen

Hoffnung

Lebensgestaltung

Einstellung

Andrzej Kikał

Im polnischen Paradies

Sabine Aussenac

Rose, Sonnenkind der Morariusgasse

Heike Knaak

Die Farben

Kurt Bott

Collage

Der dritte Stich

Das Vierte Reich

Seelenvögelchen

Nürnberg Zwei

Basisarmut

Waldzustandsbericht

Mein Marktplatz

Kreuzfahrt

Ein kleines nervöses Feuermännchen

Fallzahlen

Eine kleine Fähre

Ein schnelles wiederholtes Lächeln der Sterne

Bleiberecht vielleicht

An alle Spritpreisleugner und Quertanker

Antizipieren

Gerade so beschlossen

Ich

Auferstehung

Ewiger Kalender

Angelika Zöllner

wintergedanke

betrachter

zeit hören

Carsten Rathgeber

Freiheit im Caféhaus

Dazwischen ein Ich

Herbststrahlung

Orientierungen

Wegführung

Rauschen

Ungezwungen

Unverzagt

beginn

Neues Leben

Karges Holz Welt

Alfred J. Signer

Fünf Esel

Opfer

Krönung 2022

Verfall und Abgesang

Pro memoria

Eva Joan

Träume

Feuerwerk

Charlotte Hattendorf

Übertritt

Blaugelb

Hobbygarten

Joachim Gräber

Selbstbefragung

Kulturträger

Flurwandel

Plauer Barock

Imago

Stefan Breitenfeld

Cherson

Magnus Tautz

Präzedenzfall

Charkiw, April 2022

Gravuren

Ich schlafe in fremden Adern

Erich Pfefferlen

kinderglück

komm

gesetze

Hannah Scheihing

Mein Kind

Baum an der Klippe

Ukraine

Andrea Rea Arežina

nach hause

Paul Busch

Stift, Papier und Regentag

Im Wachsfigurenkabinett

Nostalgia

Hans-Jürgen Gundlach

Die Hand

Ukraine 2022

Ob Mann, ob Frau ...

Erklärung

Christian Dörr

Franz Marc

Christian Otto

Des Enkels Erwachen

Großmutters Traum

Kathleen Scholz

Kartenhaus

Meeresbrise

Winterspaziergang

Abendflimmern

Fritz Feder

Heute

Neuland, ertastend

Volker Lüdecke

Binoculum

Peter Nied

Ballade vom Schützengraben

Falsche Kameraden

Der Herr Hitler

Sonntage meiner Kindheit

Leerstand in der Innenstadt

Tante Hilde vom Kindergarten

dirk stammwitz

leere glanzpaläste

gestern abend

weihnachtskarte 2021

fast mitternacht ist´s

Ella-Uschi Schröter

Deutsche Farbenlehre

Bornholm

Marko Ferst

Unterwegs im Vessertal

Tag der Stille und inneren Einkehr

Septemberwärme

Dämmerlicht

Strafreise

Östliches Schicksal

Immer im Herbst

Max-Liebermann-Villa

Kirschen

Meinungsfreiheit

Piaski

Haiku

Hanna Lurz

In den Gärten - drei -

Rainer Gellermann

Kleberlied

Etwas kriegen

Gestern im Osten

über den stolperstein

René Oberholzer

Angespannte Lage

Tag 39

Weiss lackiert

Mangellage

Tröstende Worte

Vision

Sturmwarnung

Im Untergrund

Unter dem Vollmond

Ute Windisch-Hofmann

Collage: Hundert Freuden

Der Kuss

La Cathédrale

Deine einfachen Worte

Krieg in der Ukraine

Entzauberung

Frank Maria Fischer

Hinter der Zeit

Die Transienten

die technik des wünschens

Soundcheck

was glaubst du

Laska Frederieke Bertels

Heidelberg

Zweite Heimat

Gennadi Ratson

Am Tage des Kriegs

Kain vs. Abel – Z vs. L

Die Farben der Worte in der Zukunft

Ich indes nicht

Hinter dem Newsticker

Die Ballade vom Dreizack

Europäischer Springteufel

Hendrik Trautmann

Zeitenblende

Friedrich Kieteubl

Bacchus‘ Klage

Im Zaubergarten

Mäandern gleich

Indigo

Schattenspiel

Die Aschenpfründe

Ma chère, une larme du Dieu du Soleil nous unit à présent!

Auroras Feueratem

Rosenglut

Tagtraum

Steilwand

Höhlendom

Der Ruf des Hähers

Wie damals …

Wie gestern

Das Lied der Dünen

Sternenruf

Tulúm

Atolhu (Das Atoll)

Kurparkgeflüster

Die Auenfee und der Fluss

Kholoud Charaf

Eine Gabe von Ishtar

Eugen Kluev

Der Tag von gestern

Die Flugzeuge

Das hat Marinka

Erich Spöhrer

33

Hinter Polen

Jakob weint

Der erste Gang

Frieden

Flüchtlinge

Gebete

Das

Am Springbrunnen

Nähe zum Norden

Thomas Steiner

ich mache manchmal pläne

das ungeklärte ende der katze

soll ich jetzt aufstehen?

es ist nichts neues zu sehen

Arno Reis

Im café der sprachen

Nothochzeit

Helga Loddeke

Meer Licht

Ukraine IV

Ukraine V

Ukraine VIII

Ukraine IX

Ukraine XI

Ukraine XII

Ukraine XIII

Günther Mika

Es waren nur Fische

Das Bündnis

Winter 4

Fledermäuse

Klimawandel

Herbst

Sommergewitter

Federweise

Sommerabend

Die alte Bank

Herta Andresen

Der Wind schweigt

Schau hin

Wohin

Nach dem Schlimmsten

Schöpfer

Flügellos

Abrechnung

Mauern

Herzschlag

Dies alte Haus

Krieg

Festgefahren

So oder so

Trauer

Das Leben ist ein Rosengarten

Freunde

Was ist Glück

Neubeginn

Licht und Schatten

Die große Frage

Helmut Blepp

Ein weiterer Schläfer in einem weiteren Tal

Stagnierender Sturz

Gefallene

Das schwarze Boot

Überland

Verbrannt

Romy Leininger

Sonnengold webt ...

Geborgenheit

Traumblüten verwehen ...

Melodien geworben ...

Frank Joußen

Nacht in der Ukraine

Junge in zu großer Regenjacke

Marta Hammoor

Bei Stromausfall

Helmuth Schönig

Béziers

So viel

Franz Scholles

Regeln

Alterslos

Bewegung

Generationen

Dasein

Die Schönheit der Frauen

Monika Mayer-Pavlidis

Futuro

Nymphen 3er Elfchen

Michael Matzke

Innsbrucker Weihnacht

Winterwind

Christtagsmorgen

Winterwunder

Apfelherbst

Nachtfeen

Der Tod

Trauer

Tom Stephan

Das Wissen

Die Weggefährten

Alexander Walther

Verwirrter Wiener Walzer

Dieter Küstner

Die Cloud

Die Schublade

Die Genese eines Gedichts

Tellerrandsymbolik

Umbesinnung

Bedrohung

Wolfgang Haydn

Nach dem Foltertod

Шпак Любовь

Schwache, arme Ukraine …

Sylvia Ludwig

die schaukel

an das ukrainische Volk

Nikolaus Luttenfeldner

Der Baum

Selina Weiß

Der Umgang

Stadtroutine

Ingrid Münsch

Das Leben

Atmen

Requiem

Pelusa ist fort

Antje Eierle

Eigentlich unbedenklich

Blackout

Sich Ruhe gönnen

Dunkelheit

Aus Fehlern lernen

Karl Prieler

Nachspielzeit

Herbst

Klimadissonanzen

Consilio nocturno

Susan Levermann

Mariupol

Am Tage des Geburtstages meiner Schwester

Dämmerung

Auf dem Weg (nach Berlin)

Venus

Formen

Du, ich und der Horizont

Wolf Grade

West-Berliner

Welche Farbe hat das Meer?

Wald

Ich-Baum

Ingeborg Henrichs

Die Berührung

Kern

Wolkenpoesie

Benedikta Ambach

Bruder: Wir sind in einer Schlacht!

Sonnes Bruder

Mihai Udrea

Der existentielle Bahnsteig

Duft der Unsterblichkeit

Ohne Titel

Die transphänomenale Seite des Spiegels

Sentimentale Skizze

Helen A. Preidt

Im Nebel

Ein Teil davon

Klagelied

Kathrin Ganz

Achter Januartag

Verwehte Traurigkeit

Traurig wegen dem Herbst

Frederik Durczok,

Vielleicht die Ballade von Ina Simeon

Marion Engelhardt

Als Regentropfen

Winter

Schnee am Morgen

Sternenhimmel

Herbstwald

Kaminfeuer

Die See

Geliebte Erde

Perlen im Glas

Unwetter

C. R. Gorr

Spuren der Vergangenheit

Jens Gottschall

Die Welt hat sich total verändert

Gartenfreunde

Katharina Baus

Probleme dieser Welt

Ellen Schönberger

Die Zeit hat einen neuen Duft

In mir blühen Worte

Amour fou

Exit

Veronica Scholz

Fliegende Fische

Poet:innen

Tränen

Abschied

Auf See

Seeseelen

Karin Sikora

Ukraine blau und gelb

Erwin Macher

Erinnerungen an den „gelben Karl“

Unterschiedliche Wünsche und Schicksale

April, auf mich wirkst du beinahe menschlich

Michael F. Panchyrz

Ein neuer Tag

Ein Schritt noch

Omas Abschied

Tagträume

Nicht jeder Tag

Fred Mengering

Was blieb

Wenn die Gondeln Trauer tragen

Das wäre doch was

Alternativlos

Gerard J. Duerschke

Mensch – Zeit – Poem

Saskia Wolter

Albtraum oder Wirklichkeit

Heinz Zach

In meiner Ruh‘

Schöpfung

Stille

Sehnsucht

Klage

Vater

Garten

Unterwegs

Landschaft

Sinnen

Begegnung

Geliebter

Raimund Jünger

Vulkan

Elisabetta Monte

Hinter dem Horizont

Das Leben - eine einzige Veränderung

Christiane Maria Kranendonk

Alle Worte

Abstände überwinden

Spuren

Blätterbunt

Regenbogentage

Carola Jun

Am Rand der Welt.

High

Träume.

In der Stille der Nacht

Lass mich in Liebe leben.

Wo?

Vom Tod und der Liebe, die bleibt.

Meilenweit für dich.

Wolken in Berlin.

Absturz meines Herzens

Tanz mit mir bis zum Ende.

Die Partitur meines Lebens.

Lea Wenner

Ein anderer Ort

Judith Manok-Grundler

Flügelleicht

Lachschwebeleicht

Es wagen

Ein Strahlekind

Felix Engelhorn

Algarve

Sternschnuppe

Noah Brandt

Ardenne

Feuerbüchsen

Kira Homola

Spaziergang mit dir

Der Lüstling

Für Oma

Materie im All

Der erste Frust

Ich vermisse dich

Die Ballerina

Julian Gick

Ein Bett für uns alle

Dirk Tilsner

Winternebel

Der Abend graut. Ein Meer von Feldern liegt

in kühler Stille. Auf verglaster Haut

ein Krähenschwarm, der sich als Treibgut wiegt.

Vermächtnis eines Sturms, längst abgeflaut.

An der Chaussee lief die Armada auf.

Kein Mast, an dem sich nur ein Segel bläht.

Ihr Schicksal nimmt wie üblich seinen Lauf.

Am Himmel fliehen Schwäne. Alles steht.

Der weiße Hein erwacht. Die bleiche Hand

erklettert nach und nach das erste Deck,

ein zweites, drittes … zieht sich hoch und spannt

das Tuch des Todes über Bug und Heck.

Es dämmert. Die einst stolze Flotte sinkt.

Kein Hauch von Luv und keine Hoffnung Lee.

Kein Wesen, das nicht gnadenlos ertrinkt.

Die letzte Rah, samt Top. Dann schweigt die See.

Dirk Tilsner

nachtigall

dann sank die schwarze stunde

ein ins wuchernde geäst

aus grübelwurz und geißeldorn,

die klauen des diskreten würgers

inkubus. sein atemdunst, die

stille selbst, sein puls, ein fernes

rauschen nur, die zeichen seiner

vigilanz: beklemmung und schimären

da brach ein zweig und etwas zupfte

unerlaubt am finsteren gewand,

erhob, zunächst noch zaghaft seinen

kopf, bezwang die angst, vibrierte, sang

und brachte licht in diese nacht

Dirk Tilsner

Bitte

lass dich noch einmal bewundern

jetzt wo du fast fertig bist

wobei es mir weniger um die Eleganz deiner Form geht, zu eng

geschnitten ist ohnehin démodé; das Kleid trägt heute

den Körper, nicht umgekehrt

zeige ihn ohne zu entblößen, sonst wirkst du banal

bedenke: die herrlichste Blüte verlockt niemanden ohne ihren Duft

und willst du verführen, brauchst du ein besonderes Bouquet:

die Phantasie des Betrachters, also erlaube

vage Einsichten, nicht mehr, die schönsten Stellen dürfen

nur durchschimmern, dann enthüllt dich jeder auf seine Weise

erzähle aber keinem etwas! von mir schon gar nicht, das langweilt

oder besser: halte meine Narben im Spiegel der Perlen und meine

Sehnsüchte im Glanz deiner Augen, wer immer sich darin verliert,

wird sich finden, Blick für Blick

bereit für die Bühne? – gib acht, im Publikum

lauert die eine oder andere Hyäne; doch bei Applaus

bitte nicht eitel werden, immerhin bist du nicht mehr als

ein Gedicht

Dirk Tilsner

Ausflug

Was für ein Wetter! Aus dem Himmel quillt

das Blau von der Zugspitze bis nach Sylt.

Ein Ur-Instinkt. Schon seit Abel und Kain.

Jetzt will man und darf wieder Sapiens sein.

Mit Blechgesängen. Zinnober und Zimt.

Die Wachsfiguren am Wühltisch verstimmt.

In Bäuchen. Der metabolische Drang.

Man setzt das Zungengebläse in Gang.

Im Volk der Dichter. Das Tugend-Geschlecht.

Ein Gutmensch rückt sich die Brille zurecht.

Beim Schach-Krieg der Fakten im Dämmerlicht.

Ins Rektum der Nexus. Wir schaffen‘s nicht!

Wie hinter den Schergen die Dinge stehn,

das muss keiner wissen und niemand sehn.

Ein-Blick stellt im Nu wieder Ordnung her:

Das Volk ist gern blau und der Himmel leer.

Dirk Tilsner

butterfly calling

wir waren auf dem flug nach

xanadu, die fühler stets am puls

der wiese hielten wir mit grüner

dünung unter uns den kurs

auf löwenzahn und anemone

die wonne sank, der mohn zog auf

ein bett für einen roten traum

drei flügelschläge lang, nicht mehr!

und doch, als wir erwachten, flogen

unsere schatten längst voraus

nun treiben wir durchs fahle licht

der dämmerung, erblindet fast

im odem eines scheusals, das

die wiesen hier verschlungen hat

im irren über stein und teer

wollen wir endlich wieder heim

Dirk Tilsner

Idylle, irgendwo

Hier war der Ort. Geheimes Atelier

des Malers, der die Unermesslichkeit

verewigte, auf Aquarell, die See

von Feld und Flur im Sturm der Blütezeit.

Asyl des Träumers und Refugium

der Liebenden beim Sonnenuntergang.

Im Nebel, hieß es, gingen Elfen um.

Man sah sie nie, doch lauschte dem Gesang.

Das ist der Ort. Gebleichter Monoton,

der jeden Schöpfungsdrang verkümmern lässt.

Ein Meer voll Durst im Sturm der Erosion.

Was nicht verdorrt, erliegt alsbald der Pest.

Kein Mensch, der sich in dieses Nichts verliert.

Kein Lied, das unverhofft dem Dunst entsteigt.

Kein Herz, das trotzt und noch nach Freude giert.

Die Mutter stirbt und selbst die Stille schweigt.

Dirk Tilsner

sieben Jahre später

Die Stümpfe – schwarz, sie gleichen Leichensteinen

auf einem Grabfeld in Verlassenheit.

Die Toten selbst beklagen stumm ihr Leid,

als Spukgestalten mit verkohlten Beinen.

Nur zögernd macht sich wieder Farbe breit.

Die Blüten hier und dort, so will es scheinen,

wird irgendwann ein grüner Teppich einen.

Die alte Weberin, sie lässt sich Zeit.

Der neue Wald, er wird vom Wind getragen,

im Schoß der Asche sachte Stöße wagen,

bis eines Tages erste Blätter winken.

Dann wird er sich gebären und in Kreisen

die unzählbaren Wunder in ihm speisen

und schließlich Licht in seinen Wipfeln trinken.

Dirk Tilsner

wachsen, wachsen ...

zunächst zählt jeder Zentimeter, Zug um Zug und Löffel um Löffel quillt der Teig in dir, schon drückt ein erster Wunsch, darauf ein zweiter, bereits größer, Puppe oder Ball, der springt im Nu zum ersten Auto und das nächste ist längst Teil deiner Pläne, willst dich zeigen und beweisen, ziehst gen Troja mit all deinem Wissen über das Mehr, bis auf die weiß-gebleichten Zähne bewaffnet mit iPod, Seidenkrawatte und Zitaten von Steve Jobs, wirbelst auf jedem Absatz, steigst auf im Heer der Eroberer fremder Länder und Konjunkturen, hin und wieder raubst du Kunden, häutest öffentlich Rivalen, wirfst der Stockmutter immer gewaltigere Brocken in den Schlund, denn wer am meisten frisst, der wächst viel schneller als die böse Konkurrenz, der Markt ist unbarmherzig frei

nach der Maxime ALLES! was nicht bläähht, ist wert, dass es zugrunde geht

man denke dabei mal an Luftballons und Lemminge, die Steuern und den Preisverfall karierter Hemden, alles dehnt sich oder kollabiert, sprießen oder schließen, Primus oder Exitus, wir haben keine Wahl, wir müssen uns entwickeln, ergo steigern, irgendwie muss man den Fortschritt schließlich finanzieren, wir schleudern Blitze, bezwingen Gezeiten und Gletscher, selbst das Brucheis in der Arktis ist uns nicht gewachsen, dafür trennen wir ja unseren Müll, sind eloquent am Tisch, unterschreiben Konventionen und legen Pflaster auf die wunden Ecken einst ewiger Kreise

Dirk Tilsner

Kunsthonig

Natürlich liebst du die Natur. Im Wald indes

bewacht ein nadel-neues Preußen-Korps in Reih und Glied

die linientreu genähten Felder. Jenes Flickwerk aus

der Luft ist eine Kunst für sich, bloß ohne

Käfer, Grillen, Würmchen und was sonst noch alles

Flügel-spreizend twisten, singen oder leuchten würde,

ohne Weizen, Mais und selbst auf deinem Rasen, pflegeleicht

und einrollbar. Die Hecke wohl-bemerkt ist echt.

Ich frage: Weißt du wo die Disteln blühen? Geheimnis-

voll und schön wie Anemonen, ihre Schwestern aus der Tiefsee;

stolz und waffenstarrend auch, als Samurai der Wiese.

Du könntest mit den Schultern zucken, Google fragen

oder mich, mit aufgerissenen Augen! Nein, du lächelst

nur verlegen. Honigsüß gewiss, doch – raffiniert.

Dirk Tilsner

Tерминатор

Du bist die heilige, perfekte Waffe,

der Traum des Kriegers, ein Excalibur,

wenn hehre Diplomaten im Geblaffe

zwar höchst besorgt sind, aber keine Schnur

aus ihrem Irrgang führt, weil die Legende

ein fake ist; denn von Ausweg ... keine Spur.

Da schlägst du zu und bringst die große Wende,

mit einem Armageddon erster Wahl,

und so den blöden Streit im Nu zu Ende.

Was in Verträgen stand, wird nun egal.

Das Ziel ist längst erreicht, nur für den Frieden

schreibst du die Regeln um, mit Blut und Stahl.

Wer dich entwarf, hat ganz bewusst vermieden,

dir irgendeine Emotion gepaart

mit Logik einzupflanzen. So entschieden,

hat man sich deine Durchschlagskraft bewahrt.

Doch setzten sie auf einen effizienten

Autopiloten für die Himmelsfahrt,

und tarnten dich dazu als Präsidenten.

Eva Burt

Fichten

Häuserkonferenz

auf dem Stadtrandplatz

Wolkenkratzertreffen –

Dächer neigen,

Antennen verbeugen sich.

Bald werde ich aufgeteilt sein,

zerlegt und begraben,

wenn kein Schatten

mehr ausbleiben kann.

Grün ist das Hochzeitskleid

meiner Mutter,

eine Farbe von Fichten.

Ich, bis zum Hals in Schnee,

möchte Weiss mich färben,

bevor das Leben mich auftaut.

Sie lesen den Psalm,

mein Herz zu besingen.

Ich komme zu spät,

die Füße noch immer in Eis.

Meine Vertretung, mein Spiegelbild,

das spricht fremde Sprachen,

die jeder versteht,

bloß ich nicht.

So kann ich schweigen

und zuschauen.

Ohne Entschuldigung,

ohne Abschied.

Anke Ames

Gesang der Eule

Dein Mund an meinem Ohr,

Dein Schweigen und deine Stimme

Erfüllen mich, Nähren mich, Tau

Wie Nektar, der du bist,

süß, wie das Kind sagt,

Honig gleich und schwarz wie Teer.

Du bist Harz und Lack,

Ein Corpus schön wie der Mond,

Und meiner, mein eigener Körper,

klingt, resoniert, sanft und wild

wie der Frühling,

der Galoppierende.

Ich weine nicht, aber

Meine Tränen fließen unaufhörlich.

Tinte und Feder.

Bogen und Saite.

Das habe ich gehört…

Peter Frank

Winterlock

Staub

von kalter Sonne

denunziert.

Zimmertage

wie in Bernstein

eingeschlossen.

Das Draußen

Moment, Monolog,

maskenstarres Gestrüpp,

von Dornen

gewürgtes Eichenlaub,

verharscht,

braungeädert

die Lederhaut der

Birken.

Weite Flächen

schwarzen, stehenden

Wassers,

an den Rändern

Krähen wie letzte

Konstanten.

Peter Frank

Uhren

Stoisch

drehn sie ihre Runden

auf Bahnhöfen

in Kasernen

Wartezimmern

Mathestunden

Irgendwo

hängt immer eine

Sie schauen herab

maskenhaft

uninteressiert

an unserer Hast

der Ungeduld in

unseren Blicken

unserem

langsamen Vergehn

unter ihrem stillen

Ticken

Peter Frank

Fotoalbum

Gesichter

seltsam brillenlos,

die Kamera bedenkend,

in den Blicken etwas,

das sich weigert,

das bleibt.

Die Momente, die Namen

schweigen an aus braunen Sonntagen,

Kaffeetafeln, Kommoden,

Uhren, Ölgemälden,

Königssee, Sankt Bartholomä,

aus guten Stuben,

der Kronleuchter,

der Kachelofen,

der Tisch mit der Kurbel,

das Brillenetui,

Der Kleine Brockhaus,

zweibändig, unberührt,

nicht nachzuschlagen

der Zigarrengeruch,

die weiße Stille des Porzellans.

Die vor uns waren

in schweren Kleidern,

Broschen daran,

in schmalen Kostümen,

den Strumpf am Spann,

mit vollem Haar,

schlanken Händen,

Siegelringen,

Manschettenknöpfen,

gestärkten Hemden,

die Toten-

aufgeblättert im Leben.

Peter Frank

An den Moschusochsen

Seit eisiger Zeit

Stampfen deine Hufe die Erde von

Barrow bis zur Barents-See.

Seit eisiger Zeit

Trägt dein sanftes Gesicht

Die brüchige Maske aus Schnee.

Seit eisiger Zeit

Hörst du das Heulen der Wölfe,

Hast du Hunger unter dem Himmel.

Iss dich satt, alter Freund,

Ich weiß, du bist nicht wählerisch,

Iss dich satt,

Um weiterzuleben im

Weißen Wahn des Piteraq.

Schamane, Bartträger, Bruder,

Heb die Schauermannhaken deiner

Hörner in die messerscharfe Luft,

Stoß den Nebenbuhler in die

Baffin Bay,

Schüttle deine Mähne &

Verström deinen Duft.

Peter Frank

Demarche

Als die Nachricht kam,

wurde der Sohn geschickt,

einen Laib Brot zu holen,

ließ die Mutter für den Hund

ein Stück Käse in der Kammer.

Als die Nachricht kam,

knisterten Funksprüche,

glänzten Helme im Regen,

standen ein paar Mutige,

schrien, schrieben in die Welt,

strichen Zensoren

einen letzten Antrag,

wurden zwei Stühle in einen

leeren Raum gestellt.

Unbesiegbar das Wort.

Als die Nachricht

zwischen den Kiefern versank,

schlugen sie Spaten in den

Gestank der Erde,

rauchten, sprachen leise,

gruben die Toten aus,

trugen die weißen Säcke fort.

Peter Frank

Erosionen

Ich ziehe meine Schuhe aus,

als sei es für immer,

gehe den alten Weg,

Sand, kühl, fremd,

vertrauter,

das Bootshaus,

tiefer versunken,

Geruch von langen,

heißen Sommern,

Holz, Urin,

ich komme an,

wo ich ende,

wo ich begann,

nehme einen Stein,

weiß, flach,

wiege ihn in der Hand,

betrachte ihn lange,

begreife

das uralte Handwerk der See,

lege ihn wieder hin.

Peter Frank

Herbsttage

Die Glut der Malven zerstoben im Sand,

Die Asche der Rosen kalt & grau.

Kranichrufe versinken hinterm Land,

Spinnen hängen weiße Räder in den Tau.

Der schwarze Wind weht übers Krähenfeld,

Wolkenwagen fahren schwere Regenfracht.

Noch hält der Mais sein hohes hartes Gelb,

Der Schnecken Silber dunkelt in der Nacht.

Über frühen Wiesen Nebelschwaden,

Die mit schmalen Händen tasten.

Sonnenblumen senken ihre

Leergepickten Waben.

Kastanien fallen still wie Masken

Ins braune Laub der Schenken.

Peter Frank

Mozartstraße 43

Der kleine Balkon, das Gurren der Tauben,

die sommerhelle Vitrine, die Jedentaggläser,

die Gläser der Abende, die der Tod nie vergaß,

die Kelche, Schalen, das Schwanenpaar,

das Erbstück der Terrine, das gute, goldgesäumte Service,

das kein Krieg zerbrach, weiß, tief, unberührt

wie die Spuren der Jäger in Pieter Bruegels Schnee.

Der lange Korridor mit dem klackenden Lichtschalter,

der die Bewohner verabschiedete, ankündigte,

Kurator der Dunkelheit, der Dinge,

der Schrubber, der Feudel, der Besen, der Aufnehmer,

Batterien, Glühbirnen, Schrauben, Werkzeuge,

von Spinnen bewunderte Artefakte im

Museum der Abstellkammer,

die den Schlössern vertrauten Schlüssel,

an der Garderobe die Erinnerung der Mäntel,

die schlafenden Fledermäuse der Schirme.

Das grüne Telefunkenradio auf der schmalen Anrichte,

das schwarze Telefon mit der Wählscheibe,

als sei es einer Amtsstube entliehen,

Folianten, Fotoalben, Atlanten, Enzyklopädien,

schwer wie Buchstützen,

der große, runde Esstisch unter dem Leuchter,

Stillleben der Teller, Gabeln, Messer, Löffel, Servietten,

die dampfenden, goldgelben Kartoffeln, der Bratenduft,

die Sauciere, der nur der Sonntag den Tisch bereitete.

Das Badezimmer mit der Kettenspülung, den Kacheln,

der Klorolle, dem Duschvorhang, den bunten Handtüchern,

der wie das Leben schwindenden Seife,

den drei Zahnbürsten in den drei Bechern,

dem Rasierpinsel, den filigranen Flakons,

die ihren Duft wie Blätter durch die Zimmer wehten

an einem Abend vor dem Kino, dem Theater,

der unerbittlichen Chronik des Spiegels.

Das Jugendzimmer mit den Büchern, dem Bett,

den dunklen & den hellen Träumen,

den Briefen, den Gedichten in der Schublade,

den nur einmal gehörten Liedern,

dem kleinen Schreibtisch mit den Hausaufgaben,

Vokabeln, Aufsätze, Gleichungen, Gesetze, Algebra,

geflutet von einem Wasserfall aus langem, lockigem Haar,

irgendwann wohnte Leere zwischen den Postern.

Die Stille der Topflappen über der Spüle,

Mehl, Zucker, Zimt, das weiße & das schwarze Brot,

das Lebensaroma der Speisekammer, die blaue Flamme,

der Küchentisch, die wie ein Kreuz

in die Frühe gerückten Stühle,

von denen sich die Tage erhoben,

die weißen & die schwarzen Tage,

versunken im Salz der Jahre, erinnert, vergessen

wie an manchen Morgen das Pausenbrot.

Das Schlafzimmer mit dem Ehebett, den Gesprächen,

den in der Remise der Nacht tickenden Taxis,

den über die Tapete huschenden Schatten,

der Frisierkommode, der Haarbürste,

den Kleidern, den Hemden, den Anzügen, den Krawatten,

den in die Ewigkeit gewuchteten Schrank,

dunkelschwere Wolke, die sich vor die Sonne zwängte –

dann fiel der Regen auf die nackten, verschlungenen Körper.

Wir unterschrieben den Auflösungsvertrag,

trugen die letzten Tränen der Dinge hinunter.

Ein Mann mit Cargohosen & einem Klemmbrett

sah noch nach dem Zähler, dem Sicherungskasten.

Peter Frank

Raunächte

Sei wie zuvor,

sieh das Gesicht,

schließ die Augen,

atme ruhig.

Nimm den Stamm

In deine Arme,

bedanke dich,

flüstere,

fühl den Kuss

der Rinde.

Lass den Baum dich lehren,

trenn dich von den

alten Lasten,

den Dingen,

die geliebte Hände

einst fassten.

Wenn zwischen den Jahren

der Tag der Nacht den

Schlüssel übergibt,

eisig der Bart,

lausche dem Schlaf der Tiere

& geh mit dem Schnee.

Peter Frank

Rückkehr

Wort,

bewohnbar,

unbewohnbar.

Wort

wie Leben,

wie Tod.

Kein Leben

im Rieseln des Staubs,

im Pendel der Uhr.

Kein Tod,

der lange wartet,

leise klopft.

Überleben

in verbrannten Gärten,

in Kellern, Trümmern.

Tod,

der vom Himmel fällt,

so blau wie gestern.

Wie das Ortsschild,

verbogen,

durchschlagen,

kommen die Gesichter näher,

die Fragen.

War dieser Kollaborateur?

War jener Partisan?

Wer erinnert die Namen

der Verschleppten?

Auf Karren, Fahrrädern

ziehen sie, schieben sie,

was sie retten konnten,

Teppiche, Kissen,

Kühlschränke, ein Foto,

einen armlosen Teddy.

Mit müden Gesichtern

kehren sie zurück

zu zerbrochenen Fenstern,

zu Dächern aus Regen.

Sie stellen Tische zusammen,

essen, sprechen, lachen.

Morgen

stemmen ihre Schultern

den ersten Balken.

Peter Frank

Vom Graben

Wo beginnen?

Im Wiesenschaumkraut

vielleicht,

unter der rohen Wurzel

der Kiefer,

dem schwarzen Archiv der

Verwesung.

Ein Feldbesteck,

ein Kinderzahn,

eine Augenbinde,

der Zacken einer

Baggerschaufel.

In der Nähe eines Dorfes

vielleicht,

die Saat der Erinnerung,

ausgeworfen,

aufgegangen

im nie gealterten Gedächtnis

der alten Frauen.

Graben im Flüstern der

Toten,

graben mit Spaten, Hacke,

einer hölzernen Kelle,

dass nicht zerkratze der

Oberschenkelknochen.

Wer ihn in sich trug,

einst darüber ging,

war sehr groß.

Irgendwann

verrät die Erde

alles.

Willi Volka

Schreiten

Im Passieren

hallende Krähennähe

schwärmen wohin?

Lichterketten

dicht gezogen

überbrückt.

Der weiße Biss

Laub von Ästen löst

trudeln im grauen Licht.

Schreite aus auf

modernden Blättern

über ihre Ruhe weg.

Vom Eis gelockt

knistert der Schlittschuhläufer

köchelnd gereizt.

Schnatterkrächzende

Gänseschar.

füllt stumpfen Glanz

Willi Volka

PUTIN-Art

P otz, Blitz und Donner

U vollendetes Grollen Ohren verschmalzt

T ransaktionssplan Infrastrukturen zerschmettert

I nfernale Kaltzeit als Geisel servieren gegen Widerstand

N iederträchtiges Autokratenhirn entrümpelt Raketen.

Willi Volka

Wie lange?

Nicht mehr lang

bis 365 fällt.

Bombenschwer

Granaten Artilleriebeschuss

Raketen Drohnen.

Ungewogen.

Atemzüge sind endlich.

Zuviel des Hoffens?

Zur Unendlichkeit

reicht die Luft nicht.

Sie geht aus.

In der Endlich-

vor der Unendlichkeit

steigt Hoffnung.

Tagelanges zählendes Zittern

im ziehenden Jahr …

Willi Volka

Rührei bitte …

Einmal Rühreier

bitte –

in der Ecke kauern

unter perlenden Schlagern

vom Kopftuch geschützt.

Aufmerksamkeit

die Sprache

das Frühstück

Brötchen Butter

Wurstscheiben Quark.

Latte Macchiato

Obst Gemüse

mit Appetit

mahlendes Mümmeln

vom gedeckten Tisch.

Gesicht gegerbt

trägt Trauerfalten

wortlos

zur Begleiterin

in sich gebeugt.

Schrilles Tönen

Augenaufschlag

gegen das Martinshorn

auf Langstillöffel Milchschaum

Rührei bitte …