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Konstanze Beckmann, Sekretärin aus Leidenschaft, verbringt mit ihrer besten Freundin Annemarie ihren Urlaub im hessischen Bad Sooden-Allendorf. Sie verliebt sich Hals über Kopf und plant, ihr Leben von Grund auf zu verändern. Doch dann kommt alles ganz anders... Eine Liebesgeschichte mit Happy End, zwischen Karriere, Träumen, Sehnsucht und Orchideen verbindet Cuxhaven mit Bad Sooden-Allendorf
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Seitenzahl: 113
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Juni 1993
August 1993
September 1993
Oktober 1993
Dezember 1993
Endlich Urlaub. Die Koffer waren gepackt, das Ticket war bestellt und im Frühjahr hatten wir ein Hotel in Bad Sooden-Allendorf gebucht.
Bereits vor einem Jahr hatten wir uns im Internet nach Fachwerkstädten umgeschaut. Fritzlar stand ganz oben auf unserer Wunschliste. Auch wären wir gerne nach Soest oder Rothenburg ob der Tauber gefahren. Nach langer Überlegung und Preisvergleichen hatten wir uns endlich für Bad Sooden-Allendorf entschieden
Meine Freundin Annemarie war mindestens eben so aufgeregt wie ich. Schließlich war es unser erster gemeinsamer Urlaub. Wir waren in einem verschlafenen Dörfchen im Norden Deutschlands aufgewachsen, waren auch nach der Schulzeit dort geblieben und wohnten nur knapp einen Kilometer voneinander entfernt.
Bislang kannten wir beide nur unsere Arbeit. Annemarie war Schneiderin. Sie zauberte wundervolle Modellkleider aus Stoffen, die sie oftmals auf Flohmärkten fand. Außerdem verarbeitete sie farbenfrohe Stoffreste zu exquisiten wundervollen Patchworkarbeiten. In ihrem kleinen Haus, das sie von ihren Eltern geerbt hatte, barg jedes Zimmer Kostbarkeiten, in denen ich gerne stöberte. Dort stapelten sich Gardinen, Kissenhüllen, Tischdecken und allerhand Nützliches und Dekoratives für die Wohnung.
Oftmals vergaß ich die Zeit, wenn ich sie an den Wochenenden besuchte. Bei einer guten Tasse Kaffee oder Tee und einem Stück ihres selbst gebackenen Kuchens schien mir Annemaries Haus wie eine Oase in einer für mich hektischen Zeit.
Annemarie spielte Gitarre. „Nur so zum Zeitvertreib“, wie sie sagte. Sie spielte mit einem verträumten Lächeln im Gesicht. Die Töne schienen zu schweben, ganz besonders, wenn sie mit leiser klarer Stimme dazu sang. Es tat meiner Seele gut, ihr zuzuhören.
Meine Freundin war so ganz anders als ich. Mein Leben verlief in geradlinigen Bahnen, war durchstrukturiert und karriereorientiert. Als Sekretärin in einem Pharmakonzern hatte ich mehr als genug zu tun. Mein Chef verließ sich blind auf mich. Er war gewohnt, dass ich nur selten Urlaub machte und die vielen Überstunden gerne in Kauf nahm. Auch gab es für mich keine Krankheitsausfälle. Gearbeitet wurde trotz Fieber, Husten oder Schnupfen. Ich galt als diszipliniert und absolut zuverlässig.
Als ich einige Jahre zuvor als Abteilungssekretärin meine berufliche Karriere startete, organisierte ich umgehend die Ablagesysteme, die sich in einem schrecklichen Zustand befanden. Bereits nach wenigen Tagen war alles neu geordnet. Nebenbei erstellte ich Statistiken über Produktverkäufe, den damit verbundenen Flaschen- und Verpackungsformen. Auch die Schriftfarben und Größen waren zu beachten, um zu analysieren, wie die einzelnen Kunden auf unsere Produkte reagierten. Ich fand es spannend zu sehen, wie die Umsatzkurven nach oben schnellten, wenn alles optimal organisiert und berücksichtigt wurde.
Die vielseitige Arbeit machte mir Spaß. Außerdem lernte ich zahlreiche interessante und einflussreiche Menschen kennen. Der Aufstieg in die obere Chefetage war nur eine Frage der Zeit und erfolgte bereits nach kurzer Zeit. Die Bezahlung meines Traumjobs war hervorragend und erlaubte mir ein angenehmes luxuriöses Leben. Nahezu jeden Cent des großzügig bemessenen Gehaltes steckte ich in die Ausstattung meiner Wohnung. Designermöbel, edle Teppiche, Gemälde und wertvolle Kunstobjekte gaben mir das Gefühl von Sicherheit und Exklusivität. Meine Kleidung war elegant bis exzentrisch. Während der Arbeitszeit kleidete ich mich klassisch elegant, genau so, wie es sich für eine Sekretärin gehört.
Es gab kaum Pausen in meinem Leben. Die wenigen freien Stunden verbrachte ich oft gemeinsam mit meiner Freundin Annemarie. Wir besuchten Galerien oder ließen uns im Café oder in der Eisdiele mit Leckereien verwöhnen. Bis auf wenige kleine Flirts gestaltete sich mein Liebesleben gleich Null. Mein Traumprinz musste wohl erst noch gebacken werden, so dachte ich mir.
Annemarie, von mir liebevoll nur Anne genannt, und ich trafen uns am Bahnhof unseres Dorfes. Wir hatten eine lange Bahnfahrt vor uns und freuten uns schon sehr auf dieses noch unbekannte Vergnügen. Die Plätze im ICE waren reserviert.
Wir hatten einen Großraumwagen gewählt, wollten das Bad in der Menge genießen. Das Umsteigen auf den Bahnhöfen bereitete uns noch ein wenig Kopfzerbrechen, als wir an unsere ungewohnt schweren Koffern dachten, jedoch hofften wir auf Kavaliere vom alten Schlag und dass wir alle Anschlusszüge schafften. Als die klapprige Regionalbahn endlich pfeifend unseren Bahnhof erreichte, waren wir die einzig Wartenden am Bahnsteig.
Der erste Fahrtabschnitt führte uns nach Buxtehude, wo wir eine halbe Stunde Aufenthalt hatten, bis der Anschlusszug eintraf. Zum Glück fanden wir ein Abteil mit vielen freien Plätzen und freuten uns über die morgendliche Ruhe. Anne hatte Hunger. Ich musste lachen, als die zierliche kleine Person ein übergroßes, mit Schinken und Käse belegtes Baguettebrötchen auspackte und herzhaft hinein biss.
„Warum lachst du, Conny?“, fragte sie mich erstaunt. „Ich habe die ganze Nacht vor Aufregung kein Auge zugemacht und heute Morgen war ich so aufgeregt, dass ich nichts essen konnte. Außerdem muss ich dann nicht mehr so viel Proviant mit mir herumschleppen. Willst du mal beißen?“, grinste sie mich an.
„Ach, du halbe Portion, verdrück dein Brötchen mal ganz alleine. Vielleicht wächst du dann noch ein bisschen!“, alberte ich herum.
Anne war ein wenig kurz geraten. Außerdem war sie gertenschlank, wenn nicht sogar mager. Dagegen wirkte ich neben ihr mit meiner Größe von 1,72 m beinahe wie eine Riesin. Obwohl mein Gewicht noch im normalen Bereich lag, erschien ich neben Anne als sehr weiblich gerundet, beinahe füllig.
Anne war übrigens die Einzige, die mich „Conny“ nennen durfte. Meine Eltern hatten mir den strengen Namen Konstanze verliehen und ich legte auch besonderen Wert darauf, so genannt zu werden.
Neugierig schauten wir aus dem Fenster des langsam fahrenden Zuges. Überall gab es nur Wiesen, Weiden, Moor und Waldlandschaften. In der Ferne sahen wir einsam liegende Gehöfte.
Nach unserer Ankunft in Buxtehude wurde der Bahnhof von uns neugierig inspiziert. Um zum Ausgang zu kommen mussten wir durch eine Unterführung und hätten dafür sogar einen alten rostigen Fahrstuhl benutzen können. Wir machten uns Gedanken darüber, ob dieses veraltete Teil überhaupt funktionierte und entschieden uns für die Unterführung.
Es war kein beschaulicher Weg. An den Wänden prangten undefinierbare Graffiti-Schmierereien. Uringestank waberte durch den engen Gang, an dessen Ende wir uns mühsam mit dem schweren Gepäck die Treppe hoch schleppten.
Wir überlegten, unsere Koffer einzuschließen, um ein wenig den Ort anzuschauen. Doch dann entschieden wir uns dagegen und genossen auf einer Bank die herrliche Sommersonne. Lachend und gackernd wie junge Mädchen zogen wir neugierige amüsierte Blicke auf uns und genossen in vollen Zügen das neue und unbekannte Gefühl von Freiheit.
Die nächste Station unserer Fahrt war Neugraben. Hier hieß es, die Beine in die Hand zu nehmen und samt schwerem Gepäck die lange Treppe nach oben zu steigen. Dann mussten wir einen eben so langen Gang durch eine Halle hasten und erneut viele Stufen abwärts zum nächsten Gleis eilen. Dort stand abfahrtbereit die S-Bahn zum Hauptbahnhof Hamburg. Ach du liebe Güte, so stressig hatten wir uns das Umsteigen nun doch nicht vorgestellt. Anne hatte mit ihrem Gepäck mächtig zu kämpfen. Die Koffergriffe drückten in unseren Hände und wir jammerten und stöhnten. Natürlich gab es keine Kavaliere weit und breit, die uns halfen. Jeder hatte mit sich selbst genug zu tun. Nach vielen Mühen saßen wir endlich in der total überfüllten S-Bahn.
Neugierig schauten wir die Mitreisenden an. Menschen unterschiedlicher Nationen begleiteten uns auf unserer Fahrt. Mit rasantem Tempo kamen wir voran und schon nach wenigen Haltestellen hieß es für uns erneut auszusteigen, zur Rolltreppe zu eilen, um endlich den ICE nach Göttingen zu erreichen. Wie zu erwarten war, fuhr dieser Zug auf der anderen Seite des riesigen Bahnhofs ab.
Unter großen Mühen schafften wir es gerade noch rechtzeitig einzusteigen, bevor der Pfiff des Zugführers ertönte und der ICE sich in Bewegung setzte. Wir waren erstaunt über die vielen Reisenden, die in den Gängen zwischen den einzelnen Abteilen auf dem Boden saßen. Dazu gehörten Anzugträger, Studenten, Kinder und sogar alte Leute.
Es war mühsam, mitsamt Gepäck durch den Zug zu laufen. Aber endlich erreichten wir unser Abteil mit den reservierten Plätzen. Allerdings hatten es sich bereits andere Mitreisende darauf gemütlich gemacht. Wir zeigten unsere Platzkarten und ernteten enttäuschte Gesichter. Ein eleganter älterer Herr half der kleinen Anne, ihren schweren Koffer in das Gepäcknetz zu heben. Sie schwebte wie auf Wolken und schenkte ihm ein zauberhaftes Lächeln. Mir Vollblutweib allerdings half leider niemand und so durfte ich mein Gepäck selber im Netz verstauen.
Aufatmend ließen wir uns in die schmalen aber gemütlichen Sitze fallen. Nun hatte sogar ich Hunger bekommen und vertilgte genüsslich meine mitgebrachten Früchte und zwei Riegel leckerer Schokolade.
Wir freuten uns, als uns vom ICE-Personal Kaffee und andere Getränke angeboten wurden und genossen die lange Fahrt bis Göttingen. Wie immer ging uns der Gesprächsstoff nicht aus.
Nach mehrstündiger Fahrt erreichten wir endlich den Göttinger Bahnhof. Wie es nicht anders zu erwarten war, gab es nochmals einen weiten Weg zum letzten Bahnsteig dieser Fahrt. Ich überlegte, wie es wohl Menschen im Rollstuhl oder ältere Leute schaffen würden, pünktlich von einem zum anderen Bahnsteig zu kommen. Menschen mit Behinderungen konnten solche Strapazen ohne Hilfe überhaupt nicht schaffen.
Die Aufenthaltszeiten für uns waren überaus knapp bemessen. So waren wir froh und glücklich, als wir endlich unseren Zielbahnhof erreichten und sogar mehrere Taxis auf Fahrgäste warteten. Kurz nach Mittag war es und wir waren sehr froh und erschöpft, als wir endlich in unserem Hotel im Ortsteil Sooden ankamen. Da wir beide enormen Hunger verspürten, brachten wir lediglich unsere Koffer in die kleinen sparsam eingerichteten Zimmer und machten uns auf den Weg, eine Pizzeria zu finden. Denn Pizza und ein kühles Alsterwasser waren für uns jetzt das Erstrebenswerteste, das wir uns vorstellen konnten.
Wir hatten Glück. Nicht weit vom Hotel entfernt fanden wir, was wir suchten und draußen waren sogar Plätze frei. Ein überaus gut aussehender Mann kam lächelnd an unseren Tisch und fragte nach unseren Wünschen. Auf der Karte fanden wir ein übergroßes Angebot. Wir entschieden uns für einen kleinen Salat und eine Salami-Pizza.
Das „Alsterwasser“ trug hier einen anderen Namen, es wurde „Radler“ genannt. Aber das tat der Freude und dem Genuss keinen Abbruch.
Als wir endlich gesättigt und gestärkt waren, schlenderten wir gemächlich durch die Weinreihe in Richtung unseres Hotels. Wir wollten uns ein Stündchen Schlaf gönnen und dann den Ort genauer erkunden. Neugierig sahen wir uns um. Der Kurpark zur linken Seite war üppig bepflanzt. Unter den großen Schatten spendenden Bäumen standen zahlreiche Bänke.
Die Cafés waren gut besucht. Überall waren unter riesigen Sonnenschirmen Stühle und Tische aufgestellt und luden zum Verweilen ein. Wir beschlossen, am späten Nachmittag ein Kännchen Kaffee und Sahnetorte zu genießen und danach ausgiebig in den Modegeschäften nach Besonderheiten Ausschau zu halten. Weit waren wir noch nicht gekommen, da hörten wir in der Nähe Tanzmusik erklingen.
„Bist du sehr müde, Anne?“, fragte ich meine Freundin.
„Ach Conny“, meinte sie nur, die Augen verdrehend, „selbst wenn ich müde wäre, du würdest ja doch keine Ruhe geben. Also lass uns den Klängen nachgehen und einen Umweg machen.“
Anne schenkte mir ein bezauberndes Lächeln, fasste meine Hand und wir kehrten um. Ein kleiner gepflasterter Weg führte uns durch den Kurpark. Viele Leute saßen vor einem Hotelcafé an mit Blumen geschmückten Tischen und freuten sich über eine Lifeband, die zum Tanz aufspielte. Einige mutige Gäste wagten bereits die ersten Schritte. Wir blieben stehen und schauten uns das Szenario in Ruhe an.
„Meine Güte!“, entsetzte sich Anne. „Siehst du, wie alt die hier alle sind? Hier sitzen ja überhaupt keine jungen Leute, das ist reinstes Mumienschieben.“
„Also bitte! Mäßige dich mal“, empörte ich mich grinsend. „Vielleicht gehören die alle zu einer Ausflugsfahrt und machen hier Pause. Das wird ja wohl nicht immer so sein.“
„Na ja“, meinte Anne. „Auf jeden Fall können die älteren Herren gut tanzen. Wollen wir noch einen Augenblick bleiben und schon jetzt einen Kaffee zu uns nehmen?“
„Meinetwegen“, antwortete ich. „Vielleicht werden wir dann wieder munter.“
Es dauerte nicht lange, da wurden wir auch schon von zwei Männern zum Tanz gefordert. Zum Glück hatte ich einen sehr netten attraktiven Tänzer erwischt. Sein Auftreten war höflich, galant und selbstsicher.
Anne hatte es nicht so gut getroffen. Bei ihrem Tanzpartner handelte es sich um einen weiß gekleideten sehr alten Herrn mit wettergegerbter Haut, roter Krawatte und Einstecktuch. Zudem hatte er eine Blume ins Knopfloch gesteckt und trug einen weißen Hut. Er zitterte mehr als er ging und beide zusammen gaben ein äußerst seltsam anmutendes Pärchen ab.
Während ich beschwingt meine Kreise drehte und über die gepflasterte Steinfläche schwebte, holperte die arme Anne mit ihrem Tänzer unbeholfen im Kreis herum. Es war ein jämmerlicher Anblick, aber die Höflichkeit verbot ihr, den sonderbaren Tänzer einfach stehen zu lassen.
Auch der längste Tanz endet zum Glück einmal und wir trafen uns an unserem kleinen runden Tisch wieder. Wir wollten gerade unseren Kaffee genießen, als die Musiker schon wieder anfingen zu spielen. Entsetzt bemerkten wir, dass der alte zittrige Tänzer seine Schritte erneut in die Richtung unseres Tisches lenkte.
„Oh nein, nicht schon wieder!“, stöhnte Anne. Aber dieses Mal kam der weißgekleidete Sonderling auf mich zu gestolpert. Ich beschloss, unhöflich zu sein. So eine Blamage wollte ich mir nicht gönnen. Ein Tanz mit einem schlotternden Gartenzwerg. Nicht mit mir! Und so bekam der kleine Mann eine spezielle Abfuhr. Ich würdigte ihn keines Blickes und überhörte geflissentlich seine Aufforderung. Gekränkt nahm er daraufhin Anlauf zum nächsten Tisch, an dem zwei äußerst elegante Damen bereits auf ihn warteten.
Wir bemerkten einen starken Überschuss an älteren tanzfreudigen Damen. Die Männer hatten es bei der Auswahl ihrer Tänzerinnen sehr leicht. Anne und ich lachten uns an und beobachteten amüsiert das bunte Treiben. Nachdem wir eine Weile zugeschaut und über vieles herzlich gelästert hatten, beschlossen wir, unser Hotel aufzusuchen und eine Mütze voll Schlaf zu nehmen.