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2012 erfüllte ich mir einen lang gehegten Traum, kaufte eine Vespa und machte mich auf den Weg, um auf Landstraßen von Berlin ans Mittelmeer zu fahren.Zwischen dem spannenden Straßenalltag, den Wetterkapriolen und den Tücken der italienischen Sprache wollte ich einfach mal den Kopf freikriegen.Und während mich die kleinen Reifen meiner Vespa Kilometer für Kilometer in Richtung Süden trugen, wurde meine Fahrt auch eine Reise zu mir selbst.Ich begriff, wie wichtig meine Familie und Freunde in meinem Leben als Musiker sind, und welches Glück ich habe, mir Träume verwirklichen zu können.
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Seitenzahl: 100
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www.tredition.de
Mein Name ist Pivo Deinert und ich freue mich sehr, dass du dieses Buch in den Händen hältst. Warum?
Weil ich hauptberuflich Musiker und nicht Schriftsteller bin.
Mit sechs bekam ich meine erste Gitarre, gründete in jungen Jahren die erste Band, machte eine Ausbildung zum Fotolaboranten und kündigte drei Jahre später wieder, um Musik zu studieren.
Musik ist mein Leben! Ich stehe auf der Bühne, spiele Gitarre, komponiere Songs und arbeite in meinem Tonstudio an Musikproduktionen. Von meinen Ideen lasse ich mich nicht abbringen, gebe zweihundert Prozent und finde immer wieder spannende, neue Herausforderungen.
Seit einem Dreivierteljahr arbeite ich an diesem Buch und bin glücklich und stolz, nun diese letzten Zeilen zu schreiben.
Lehne dich zurück, nimm dir Zeit und komm mit auf eine einzigartige Reise.
Pivo Deinert
… und dann kaufe ich mir eine
Vespa und fahre
damit nach Italien
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© 2013 Pivo Deinert
Umschlaggestaltung, Illustration: Pivo Deinert
Korrektorat/Beratung: Beatrix Niederöst
Fotos: Pivo Deinert, Lina-Marie Deinert, Nicky Deinert
Korrektorat ital. Text: Fabrizio Levita
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN: 978-3-8495-4390-7
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Dieses Buch ist für Nicky, Linarie, Sylvia und Wolfgang. Ohne Euch könnte ich niemals das machen, was ich tue.
Ideen können sich entwickeln.
Manche werden verworfen, andere wachsen wie Kinder.
Sie reifen im Laufe der Zeit und werden größer.
Aus Ideen kann alles werden:
ein Wunsch, eine Sehnsucht, ein Lebenstraum.
Ich wünsche jedem, dass seine Träume,
auch wenn ihre Verwirklichung in weiter Ferne scheint,
in Erfüllung gehen.
Ich weiß allerdings ganz genau,
was meine Frau denkt, wenn sie das hier liest.
Ja, Schatz,
deinen Traum kriegen wir auch noch verwirklicht!
Vorwort
Meine Wurzeln führen nach Italien. Paolo Caneva, mein Urgroßvater, kam um 1900 aus San Giorgio al Tagliamento in Venetien nach Deutschland und heiratete Agatha Bertha Maria Kruk. Ihre gemeinsame Tochter, meine Oma Mafalda, schenkte mir Jahre später eine rote Lego-Tür mit blauem Rahmen. Für einen kleinen Jungen, dessen Lego-Häuser bis dahin keine Türen hatten, das perfekte Geschenk. Ich weiß noch genau, wie sie am Wohnzimmertisch saß und sie mir überreichte. Leider starb meine Oma, als ich vier war.
Trotz familiärem Bezug kannte ich Italien nur als Durchfahrtsland. Die Ferien meiner Kindheit verbrachte ich in Südfrankreich und auf Korsika. Meine Eltern hatten sich bei einem Urlaub 1972 in die Landschaften beider Regionen verliebt. Meine Liebe zu bella Italia sollte sich erst später entwickeln.
Als mein Freund AJ und ich 1989 mit dem Fahrrad in Schweden über etliche kleinere Berge in Richtung Malmö strampelten, beschloss ich, meinen nächsten Fahrradtrip definitiv im Flachland zu planen. Ich wollte durch die Po-Ebene in Italien.
Zwei Jahre danach lernte ich Nicky, eine Halbitalienerin, kennen. Ihre Patentante Karin und deren italienischer Mann Gianni hatten ein wunderschönes Sommerhaus in Diano Marina, wo wir 1997 zum ersten Mal unseren Urlaub verbrachten. Das Land zog uns sofort in seinen Bann. Das mediterrane Klima, das hervorragende Essen, der sensationelle caffe1. Es ist schlichtweg das Dolce Vita, das uns jährlich nach Italien zieht.
Meine Idee der Fahrradreise nahm in den letzten Jahren
neue Gestalt an. Aus dem Fahrrad wurde eine Vespa
und aus der Po-Ebene wurden die Alpen.
Aus meiner Idee – ein Lebenstraum!
Und immer wieder erzählte ich:
… und dann kaufe ich mir eine Vespa
und fahre damit nach Italien.
2009 – 2011
Die Reaktionen auf meine Reisepläne waren sehr unterschiedlich und schwer einzuordnen. Klar, wer kann sich schon vorstellen, Hunderte von Kilometern auf der Sitzbank einer Vespa zu verbringen. Die Zweifler konnten mich jedoch nicht von meinem Vorhaben abbringen. Schließlich ist mein Umfeld voller Leute, die sich große Träume erfüllt haben. Meine Eltern wanderten durch die Sahara und den Himalaja. Mein Freund Olli fuhr ein 540-km-Radrennen von Trondheim nach Oslo und mein cafè-Verbündeter Stefan hat sich den Traum einer eigenen italienischen Bar in Berlin erfüllt. Warum sollte ich also nicht mit einer Vespa über die Alpen?
2009 setzte ich mich an den Routenplaner, um mir einen Überblick zu verschaffen. Inzwischen wollte ich nicht mehr nur über die Alpen, sondern sogar bis ans Mittelmeer. Naheliegend wäre es gewesen, wieder nach Diano Marina zu fahren, aber das Haus von Karin und Gianni war zwei Jahre zuvor verkauft worden. Die Alternative hieß Vernazza, ein kleines Dorf im Cinqueterre, von dem ich in Stefans Bar ein Bild gesehen und mich sofort darin verliebt hatte. Meine Reise wollte ich alleine bewältigen, spontan losfahren und einfach mal den Kopf freikriegen. Ich plante, die Vespa auf den Autoreisezug nach München zu verladen. Von dort wollte ich 634 km auf der Route Achenpass, Brenner, Bozen, Gardasee und Parma bis ans Meer fahren, ohne die Autobahn zu nutzen.
„Eigentlich wäre es cool, mit der Vespa direkt vor unserer Haustür zu starten“, schoss es mir durch den Kopf. Das klang noch viel spannender.
„Wenn ich schon ans Mittelmeer fahre, wäre es doch erbärmlich, zugeben zu müssen, die Hälfte der Strecke mit dem Zug gefahren zu sein! Anderseits wären das ca. 600 km mehr auf der Vespa.“
Ich war hin- und hergerissen, denn ich hatte eigentlich keine Lust, auch nur einen einzigen Tag auf deutschen Landstraßen zu verbringen. Eine schwierige Entscheidung, die ich vorerst offenließ.
Für die Rückreise wollte ich auf jeden Fall ein Ticket für den Autoreisezug Verona-Berlin kaufen. So schön ich mir ausmalte, wie sich auf der Hinfahrt das wetterdurchwachsene Deutschland in ein warmes Italien verwandelt, so unvorstellbar war es, diese motorisierte Metamorphose in ihrer Umkehrung zu erleben. Aber ich konnte mir sehr gut vorstellen, vom Meer knapp 250 km bis Verona zu fahren, um von dort mit der Bahn nach Hause zu reisen.
Ich machte einen Screenshot der ersten Routenplanung. Ein Jahr lang öffnete ich ihn in regelmäßigen Abständen, um mir die Strecke anzusehen.
„Aber was mache ich eigentlich, wenn ich dort bin? Trinke ich in Vernazza einen caffè, mache einen U-Turn und fahre direkt nach Verona?“
Irgendwie klang das unbefriedigend. Also überlegte ich, meinen Solo-Trip mit einem Familienurlaub zu verbinden. So hätte ich Zeit für mich alleine sowie gemeinsame Zeit mit meiner Frau Nicky und unserer Tochter Linarie. Dann müsste allerdings frühzeitig ein Ferienhaus gebucht werden. Die Spontaneität wäre dahin.
Ich durchstöberte das Internet nach einer 250er-Vespa. Zum Glück besitze ich den Motorradführerschein und darf somit auch größere Modelle fahren. Aufgrund der Höhenmeter, die ich bewältigen wollte, und der Tatsache, dass ich ein ganz schlechter Mechaniker bin, entschied ich mich für eine neue. Im nicht selbst verschuldeten Schadensfall könnte ich auf meine Garantieansprüche verweisen. Der Preis von 4500 Euro ließ mich jedoch zusammenzucken. Eine akribische Suche im Internet, die sich über mehrere Monate hinzog, begann.
„Muss es wirklich eine Vespa sein? Brauche ich unbedingt eine 250er?“
Ich durchforstete etliche Foren nach Erfahrungsberichten. Die Recherchen endeten schließlich bei einer roten Vespa LX125 mit beiger Sitzbank. Die sollte es werden! Irgendwann. Den immer noch stolzen Preis von 3800 Euro würde ich über Raten finanzieren.
Als ich ein Bild der Vespa ausdruckte, war die Farbpatrone fast leer, und sie bekam einen regenbogenähnlichen Verlauf. Ich kommentierte das Bild mit „Coole Lackierung“ und pappte es an meine Studiowand. Meine zukünftige Vespa wollte ich jeden Tag sehen.
2011 nahm mein Plan deutliche Strukturen an. Wir verbrachten unsere Sommerferien in der Nähe von Diano Marina. Nachdem wir in den Jahren davor im Cilento, am Gardasee und in der Gegend von Rom gewesen waren, fühlte sich die Rückkehr nach Ligurien ein wenig wie „nach Hause kommen“ an. Einen großen Anteil daran hatte die Bar al molo in Laigueglia, dem für uns schönsten Dorf der Region. Anstelle der Küstenstraße verläuft dort eine Promenade zwischen den Cafés und dem Strand. Wie früher war auch 2011 die Bar unsere erste Anlaufstelle. Es ist einfach herrlich, nach einer langen Anreise dort den ersten Cappuccino sowie die erste brioche con crema2 zu genießen. Man setzt sich an die kleinen, weißen Tische und wird augenblicklich gefangengenommen vom Trubel der Piazza und dem Blick auf das tiefblaue Meer.
„Wenn alles klappt, komme ich nächstes Jahr mit der Vespa“, sagte ich zu unseren Vermietern und legte damit einen weiteren Grundstein zu meiner Reise. Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Auch wenn es total wahnsinnig klang, würde ich für die Hinreise auf den Zug verzichten. Meine Vespa sollte mich von Berlin nach Laigueglia bringen. Die Bar al molo erklärte ich zum offiziellen Reiseziel.
Dolce Vita am Strand: die Bar al molo in Laigueglia
13. – 19. April 2012
Ich kenne mich sehr gut. Wäre ich damals in einen Vespa-Laden gegangen, hätte ich gleich zugeschlagen. Also wartete ich. Im Frühjahr 2012 entschied ich mich zum Kauf und stand am 13. April in der Tür. Mein Blick fiel sofort auf zwei rote Vespas: eine LX125 und eine GTS125. Auf den Bildern im Internet hatten sie nahezu identisch gewirkt. Ich wandte mich direkt an den Verkäufer, der mir erklärte, dass es die 125er-Motoren in zwei verschiedenen Chassis gebe. Das kleine LX-Modell, das man auch von den 50er-Vespas kenne oder die Granturismo-Variante. Die GTS habe 4 PS mehr, sei mit Flüssigkeit gekühlt, etwas größer und deshalb besser für Langstreckenfahrten geeignet.
„Allerdings kosten diese geringfügigen Unterschiede auch ca. 600 Euro mehr“, dachte ich.
Der Verkäufer stellte mir die entscheidende Frage:
„Was wollen Sie denn mit der Vespa machen?“ Sollte ich ihm sagen, dass ich seit drei Jahren plante, ans Mittelmeer zu fahren? Ich wand mich durch Halbwahrheiten:
„Ach. So ‘n paar Überlandfahrten.“
„Na ja“, antwortete er, „wenn Sie an die Ostsee wollen, dann macht die große Vespa schon mehr Spaß.“
„Bis an die Ostsee?“, tat ich überrascht. „Ich glaube, die kleine reicht mir.“
Ich war mir sicher, er würde mir die LX ausreden, wenn er von meinem Vorhaben wüsste. Schneller als ich mich versah, unterbreitete er mir ein Finanzierungsangebot, forderte eine Schufa-Auskunft an und legte mir die Verträge zur Unterschrift vor. Nicht einmal eine Stunde nach dem Betreten des Ladens hatte ich sie gekauft: meine rote Vespa LX125 mit Viertaktmotor, Einspritzanlage und 95 km/h Spitzengeschwindigkeit.
Mit der Unterschrift gab es kein Zurück mehr. In die Vorfreude mischte sich eine gewisse Anspannung.
„Ich werde es wirklich tun. Ich werde mit dieser roten Vespa die Alpen bezwingen!“
In den Tagen zwischen der Unterzeichnung des Vertrages und der Auslieferung meiner Vespa liefen die Vorbereitungen weiter. Ich buchte ein Mietauto, die Flüge für Nicky und Linarie und kaufte ein Ticket für den Autoreisezug zurück nach Berlin. Infolge von Fahrplan- und Routenänderungen der Bahn musste ich auf der Rückreise nun nicht mehr nach Verona, sondern nach Alessandria, das nur 150 km von Laigueglia entfernt liegt.
„Praktisch!“
Dann brauchte ich neue Klamotten. Die Idee, wie die italienischen Geschäftsleute im Businessanzug zu fahren, wurde schnell verworfen. Im T-Shirt und kurzer Hose, wie die restlichen Italiener, kam natürlich auch nicht in Frage, und die Vorstellung mit einer Motorradkombi auf dem Roller zu sitzen, jagte mir einen Schauer über den Rücken. Die Zwischenlösung fand ich schnell in einer neutralen Motorradjacke mit Regeninlet sowie einer Jeans mit Protektoren und Sitzpolsterung. Beim Helm tat ich mich etwas schwerer. Mit einem visierlosen Retrohelm hätte ich mehrere Stunden am Tag Fliegen gefressen. Also entschied ich mich für ein offenes Modell mit einem großen Visier, das bis zum Kinn reicht. Was dabei an Coolness auf der Strecke blieb, wurde durch einen klappbaren Sonnenschutz ausgeglichen. Diese Erfindung war mit völlig neu. Meinen letzten Helm hatte ich Mitte der Neunziger gekauft.
Musiker auf Abwegen: Robocop reloaded
„Seitdem hat sich einiges weiterentwickelt“, erklärte mir die geduldige Verkäuferin. Der Sonnenschutz war für mich als Brillenträger nicht nur unfassbar praktisch, sondern ließ mich auch ein bisschen wie das Remake von Robocop aussehen. Um für alle Wetterlagen gewappnet zu sein, kaufte ich zusätzlich eine Regenhose und wasserdichte Überschuhe.
Von da an erzählte ich allen, dass ich es tun würde. Nach einem Gig fragte mich mein Freund Matze:
„Bist du denn körperlich fit dafür?“
„Wie meinst ‘n das?“, beantwortete ich mir die Frage eigentlich gleich selber.