UND EWIG SINGEN DIE WÄLDER - Trygve Gulbranssen - E-Book

UND EWIG SINGEN DIE WÄLDER E-Book

Trygve Gulbranssen

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Beschreibung

Die reichen Bauern Björndal und die benachbarte Adelsfamilie von Gall sind tief verfeindet. Als Tore, der Sohn des alten Björndal, bei einem Duell um die Nachbarstochter stirbt, beschwört der unversöhnliche Hass des Alten eine Tragödie herauf...

Der Roman Und ewig singen die Wälder des norwegischen Schriftstellers Trygve Gulbranssen (* 15. Juni 1894 in Kristiania; † 10. Oktober 1962 in Eidsberg) erschien erstmals im Jahr 1935 und gilt als einer der großen Klassiker des Heimatromans.

1959 wurde der Roman unter der Regie von Paul May überaus erfolgreich verfilmt. In den Hauptrollen: Gert Fröbe (als der alte Dag), Hansjörg Felmy (als Tore), Joachim Hansen (als der junge Dag), Anna Smolik (als Elisabeth von Gall), Hans Nielsen (als Oberst a. D. Barre), Maj-Britt Nilsson (als Adelheid Barre) und Carl Lange als (Oberst a. D. von Gall).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe der Björndal-Trilogie.

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Trygve Gulbranssen

 

 

Und ewig singen die Wälder

Erster Band der BJÖRNDAL-Trilogie

 

Roman

 

 

 

 

Apex Heimat, Band 1

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

UND EWIG SINGEN DIE WÄLDER 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

 

 

Das Buch

 

Die reichen Bauern Björndal und die benachbarte Adelsfamilie von Gall sind tief verfeindet. Als Tore, der Sohn des alten Björndal, bei einem Duell um die Nachbarstochter stirbt, beschwört der unversöhnliche Hass des Alten eine Tragödie herauf...

 

Der Roman Und ewig singen die Wälder des norwegischen Schriftstellers Trygve Gulbranssen (* 15. Juni 1894 in Kristiania; † 10. Oktober 1962 in Eidsberg) erschien erstmals im Jahr 1935 und gilt als einer der großen Klassiker des Heimatromans.  

1959 wurde der Roman unter der Regie von Paul May überaus erfolgreich verfilmt. In den Hauptrollen: Gert Fröbe (als der alte Dag), Hansjörg Felmy (als Tore), Joachim Hansen (als der junge Dag), Anna Smolik (als Elisabeth von Gall), Hans Nielsen (als Oberst a. D. Barre), Maj-Britt Nilsson (als Adelheid Barre) und Carl Lange als (Oberst a. D. von Gall).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe der Björndal-Trilogie.

   UND EWIG SINGEN DIE WÄLDER

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

Erstes Kapitel

 

 

Die schroffen Felsklippen über dem Jungfrautal verblauten in der herbstkühlen Abendluft. Dahinter flammte der Himmel mit blutrotem Schein. Auf der äußersten Klippe stand, dunkel wie der Berg selbst, ein Bär und witterte hinab in das weite Land der Menschen, wo Nebel über Teichen und Bachläufen dampften.

Des Bären Schädel war scharf und kantig, der Hals lang und mager mit dünnen, struppigen Zotteln. Er war die letzten Jahre erst spät im Herbst ins Winterlager gekommen. Soviel er auch schlug und in sich schlang - es wollte nicht verschlagen. Die sichere, satte Fülle, die er früher zur Herbstzeit immer im Leibe gespürt hatte, wollte und wollte sich nicht einstellen. Dieses Jahr war es ganz schlimm. Da murrte irgendwo im Leibe ein Schmerz, und kein Fraß wollte mehr schmecken wie einst. Von den Tieren, die er schlug, blieb das meiste liegen; warmes Blut, noch zuckende Herzen und andere leichte Bissen, damit war er satt.

Er vermochte auch nicht mehr dem Elch durch die Wälder zu folgen. Die Muskeln wurden steif und müde - und dann bohrte der Schmerz da drinnen so heftig. Vielleicht stammte er von damals her, wo es von dem Menschen so gräulich donnernd knallte droben im Norden, im Wald von Björndal. Der Knall bohrte sich ihm in die Flanke, dass das Blut in Strömen rann, und noch lange schmerzte und fraß es dort. Aber konnte er auch den Elch nicht mehr verfolgen, so hatte er doch manches Schaf gerissen, manche Kuh geschlagen. Diesen Herbst hatten die Menschen ihr Vieh allzu zeitig eingetrieben. Er musste sich mehrmals im Dunkel der Nacht bis zu den Häusern wagen und Stalltüren einschlagen, um Blut und Fraß zu finden. Die Menschen waren mit Hallo und Geschrei hinter ihm her gewesen, aber da hatte er mit der Tatze nach einem ausgeholt, dass er liegenblieb. Seitdem ließen sie ihn in Ruhe.

Hier in dem offenen Lande waren Menschen und Hunde anders als droben im Norden, im Björndal - dem Bärental, wo er in seinen jungen Jahren gehaust hatte. Dort hatten sie Hunde, die darauf losgingen und bellten, dass man ganz wirr wurde - und die Menschen schrien und lärmten nicht, die kamen so leise, dass man sie nicht gewahr wurde, ehe sie einem dicht auf dem Pelz waren. Und dann knallte es und ging einem durch Mark und Bein und schmerzte noch lange danach im Leibe. Hier im offenen Lande verkrochen sich die Hunde ängstlich hinter den Menschen, und es gab nur Lärm, aber keinen Knall. Hier wollte er bleiben und am Abend zu einem Stall Vordringen, wenn die Lichter dort unten erst einmal verschwunden waren.

Lange stand der Bär schwarz und drohend gegen den Himmel, der mehr und mehr dem Blut und der Nacht entgegendunkelte. Das Haupt war eckig, der Hals weit vorgebeugt mit struppigem Haar - riesig der Leib, aber dürr, und in scharfen Kanten standen die Schulterblätter unter dem Pelz heraus.

Der alte Bär - der reißende Bär!

Am gleichen Abend waren die Männer des Bezirks in Haufen zum Pfarrhof gekommen. Herr Diderich, der Pfarrer, herrschte mit väterlicher Gewalt über den Bezirk, wenn der Oberst auf Borgland fort war - und der war jetzt nicht daheim.

Herr Diderich war neu in der Gegend, aber er hatte schon gezeigt, wes Geistes Kind er war. Für Krankheit bei Mensch und Vieh wusste er Rat, und für die geistliche Wohlfahrt der Gemeinde besaß er eine gewaltige Rednergabe. So musste er wohl auch für Bären und anderes Unglück Hilfe finden können.

Viele hatten die abendliche Glut des Himmels als ein Vorzeichen genommen - es deutete auf Unheil. Ja, einer behauptete sogar, am Himmel ein blutiges, flammendes Schwert gesehen zu haben, und da bildeten sich auch andere ein, sie hätten es bemerkt. Sie saßen in der Wohnstube des Geistlichen und redeten von den schweren Zeiten. Schafe waren geschlagen, Kühe gerissen worden.

Lange vor der Zeit hatten sie ihr Vieh heimgeholt. Doch da war das Unerhörte geschehen: Stalltüren waren eingeschlagen, in Stücke gesplittert, Vieh erwürgt und die anderen Tiere erschreckt und verstört worden. Per Veit, der junge Knecht auf Björkland, hatte von dem Untier eins hinter die Ohren bekommen, dass er seitdem ohne Besinnung lag.

Das war kein gewöhnlicher Bär! Das war ein Untier, wie man noch keines gesehen hatte, mächtig und mager und eckig - mit grünen, blitzenden Augen - und dann hatte es auf der einen Seite eine Blesse, das hat kein natürlicher Bär auf dieser Welt.

Sie warteten in der Stube des Pfarrherrn. Und Herr Diderich ließ sie warten. Er ahnte wohl, was sie wollten, und musste sich erst bedenken, um auftreten zu können, wie es sich gebührte.

In der Stube war es still geworden. Bleich und ratlos starrten sie einander an. Die einen dachten wohl an das blutige Himmelsschwert und an kommendes Unheil - andere vielleicht an den Heimweg im Dunkeln und ob das Ungeheuer über sie herfallen würde. Und wieder andere ärgerten sich über den Alten von Björkland, der sie veranlasst hatte, zu nachtschlafender Zeit hierherzukommen.

Wohl alle fürchteten, dass vielleicht gerade in diesem Augenblick das Untier in ihren eigenen Stall einbrach und das Vieh schlug.

Und wozu waren sie eigentlich hier? Was für einen Rat konnten sie erwarten? Der Pfarrer hatte am vergangenen Sonntag von der Kanzel herab um Schonung vor Strafen und Ungeheuern gebetet. Die Stimme hatte wie Donnerrollen durch die Kirche gedröhnt - aber zwei Tage später brach der Bär in den Stall von Björkland ein. Was konnte da selbst der Pfarrer noch ausrichten?

Mit Hunden und Büchsen waren sie zum Treiben ausgezogen. Aber die Hunde waren bange und die Büchsen rostig; außerdem kam keiner zum Schuss, wenn der Bär sich gegen ihn wandte. Schande genug - aber mit feigem Geheul liefen sie davon, als sie Per Veit vor der Bärentatze zu Boden stürzen sahen.

Wäre wenigstens der Oberst auf Borgland daheim gewesen! Er war doch ein tapferer Krieger; aber auch er würde kaum mit einem solchen Untier anbinden wollen. Es wäre auch so eine Sache, meinten einige, bei einem Wesen, das nicht von dieser Welt war.

Da kam Herr Diderich.

Alle erhoben sich ehrerbietig, und der Bauer von Björkland musste heraus mit dem, was er auf dem Herzen hatte. Der Pfarrer forderte sie auf, sich zu setzen, und selber stehend, redete er zu ihnen Gottes Wort von Strafen und der Zuchtrute des Herrn und frommer Ergebung in das Unabänderliche.

Der letzte Rest von Mut schwand den meisten bei dem Gedanken an all das Unabänderliche, das auf dem Heimweg im Dunkeln auf sie lauern mochte.

Der einzige, der nach der Rede des Pfarrherrn noch des Wortes mächtig war, der geizige Björklandbauer, der verlangte Rache an dem Untier für seine Schafe und die gute Sterke, die in ihrer Bucht zerrissen worden war - und er war es auch, der auf einen Gedanken kam, den kein anderer in der Gesellschaft hätte ausdenken können.

Er räusperte sich und senkte den Blick, so tief er konnte; denn er wusste, welchen Eindruck sein Vorschlag machen würde. Wenn unser Herrgott versagte, gab es eben keinen anderen Ausweg. Dann musste man versuchen, ob der Böse und seine Helfer auf Erden in dieser Sache ausrichten konnten, was andere nicht vermochten.

Er räusperte sich nochmals und krächzte heraus: Wenn es keinen besseren Rat gäbe, so müssten sie sich droben im Bärental umhören, ob ihnen nicht von dort Hilfe kommen könne.

Einer hob den Kopf und versuchte, zornig auszusehen, andere duckten sich tief, als wagten sie niemandem ins Auge zu blicken.

Zentnerschwer lastete die Stunde auf den steifen Nacken der Bauern. Sie, die in allem so viel größer und bedeutender waren als diese Waldläufer oben in Björndal - sie sollten zu diesem Pack um Hilfe schicken? Aber das Wort war gefallen, und es schien doch, als atme jede Brust erleichtert auf. Jetzt war das Schlimmste überstanden, jetzt, da es in nackten Worten ausgesprochen war. Keiner wagte zu widersprechen.

Aber wen nordwärts senden? Es ging nicht an, etwa einen Knecht oder so jemanden zu schicken, denn das Gesindel dort war hochnäsig über die Maßen. Das konnte man schon merken, wenn sie vorbeifuhren oder sich, selten genug, an der Kirchentür zeigten.

Ein dunkler Bergwald schied das offene Land und die Gemarkung von Björndal - ein Bergwald, in den sich seit Menschengedenken kein Christenmensch aus der Landschaft gewagt hatte. Durch diesen Wald führte der Weg - und wie mochte es dahinter aussehen? Vermutlich nur wieder Wald, und vielleicht kam der Bär mitten auf dem Wege über einen. Und die Menschen, die so hochmütig und stocksteif waren, wenn sie einmal herunterkamen, waren vielleicht noch wilder als der Bär, falls man in ihren Bereich gelangte. Seit Urzeiten hatten die Leute im offenen Land hässlich und verächtlich über die Waldleute im Norden geredet, so dass sie sich jetzt vor dem eigenen Gerede fürchteten.

Niemand dachte daran, dass die Reise ihn selber treffen könne. Niemand wagte einen Namen zu nennen. Aber - einer musste dran. Da zeigte sich Herr Diderich als wahrer Vater des Bezirks. Wenn jemand kutschieren wolle, so sei er morgigen Tages bereit, zu fahren. Schließlich blieb die Fuhre auf dem hängen, von dem der Vorschlag ausgegangen war - und der Björklandbauer musste einwilligen.

Das offene Land war seit Menschengedenken Ackerland mit sesshaftem Volk. Die Wälder wurden östlich und westlich immer weiter zurückgedrängt. Erst schoben sich lichte Weidegehege hinein, dann folgten Vorgebäude, und endlich wogten breite Felder nach. Nur an den Bachbetten und längs der Einhegungen, die Hof von Hof schieden, durften Laubbäume als Erinnerung an die einstigen Wälder verbleiben. Aber der Wald, der richtige, große, singende Wald, lag nur wie eine Ahnung weit hinter all den Feldern im Osten und Westen. Die Waldplätze, die dort weit draußen zu den Höfen gehörten, dienten nur dem Hausgebrauch, zu etwas Zimmerholz, falls ein Hausbalken ersetzt werden musste, oder zu Brennholz.

In alter Zeit hatten die Wälder hier drinnen, fern von der Küste, keinen Wert. In den weiten Landschaften siedelte der Bauer mit Äckern und Wiesen und Vieh im Stall. Er kümmerte sich nicht um Jagd und Weidwerk und Herumtreiberei. So hatte sich das bebaute Land über den alten Waldboden nach Osten und Westen gelagert, und nach Süden schloss sich Siedlung an Siedlung.

Aber es gibt noch den Norden. Und nördlich vom offenen Land hatte der Wald seit jeher bestehen dürfen. Dunkel und mächtig sang er sein altes Lied über Höhen und Hänge unendlich nach Norden fort.

Trolle, Huldren und Spuk aller Art waren dort zu Hause. Im offenen Lande diente der Wald im Norden dazu, die Kinder zu schrecken. Kein Wunder also, dass die Kinder in dem Glauben aufwuchsen, alles Böse lauere dort oben. Und es war auch etwas Wahres an dem Schrecken der Wälder. Kam der Bär zu blutigem Streifzuge ins Land herunter, so kam er aus den Wäldern im Norden. Schweiften allerwegen Wolfsrudel, wie es in alter Zeit geschehen war, so kamen sie aus den Wäldern und Bergen im Norden. Schwebte der Adler über den Viehweiden und raubte Lämmer und anderes Kleinvieh - er kam von Norden. Kreiste der Habicht hungrig über der Hühnerschar - er war aus dem Norden. Schlich Reineke umher, um die fetteste Gans zu stehlen - seine Spur wies nach Norden. Fegte eisiger Sturm im Herbst und Winter über die Wege und kahlen Felder - dann war er als Nordwind am schlimmsten. Alles Böse kam von Norden - aus den Wäldern.

Doch die Menschen sind verschieden; und wenn die Leute des offenen Landes sich nicht in die Wälder wagten, so setzt doch der Mensch seinen Fuß überallhin, und es wohnten also in jenen Wäldern Menschen. Vielleicht waren sie von Norden gekommen, vielleicht von Osten oder Westen, niemand in den Siedlungen wusste es, und niemand wusste, wann. Es musste viele, viele Menschenalter her sein. Mit der Zeit war dort oben eine Gemarkung entstanden, Leute zeigten sich auf den Straßen des offenen Landes. Aber sie kamen einander nicht nahe, die Menschen aus den Wäldern und die aus dem offenen Land. Nie hatten sie miteinander gesprochen. Stolz gingen die aus dem offenen Lande an den Waldleuten vorbei, wenn sie sich trafen - hielten sie für Pack und Schlimmeres und begegneten ihnen nicht gern in der Dunkelheit.

Wie die Zeiten gingen, hatten sich die Bauern daran gewöhnen müssen, die Leute aus dem Norden immer häufiger auf ihren Wegen zu treffen. Früher sollten sie einen Weg westlich durch die Wälder zu den anderen Siedlungen gehabt haben; aber der geriet wohl über der besseren Straße nach Süden in Vergessenheit. Sie brachten ihre Waren, Felle und anderes mit, was sie im Süden verkauften. Es konnte Vorkommen, dass sie in südlicheren Gemeinden Handel trieben, niemals aber hier mit ihren Nachbarn. Sie bezahlten bar und erregten kein Ärgernis. Es waren Männer darunter, so groß und stolz, dass sie auf die Bauern hinabsahen. Das trug wohl das Seine dazu bei, dass sie von den Bauern scheel angesehen wurden.

Nach und nach - je mehr die Nordleute mit den Siedlern im freien Lande in Berührung kamen, drang einiges über das Leben dort oben in die Gemeinden. Aber selbst, wenn man sie nicht mehr gerade für Pack nahm, blieben sie doch missachtet. Sie waren die Leute hinterm Wald, verachtet wie der Wald selbst. Man hielt sie kaum für Christen, und Zauberei, Zügellosigkeit und wüste Schlägereien wurden ihnen nachgesagt.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Am Morgen nach der Versammlung im Pfarrhof kam ein Wagen mit zwei Männern an Borgland vorüber und bog nordwestlich um den grausigen Absturz des Jungfrautals, tief unter den schwarzen Felszinnen in die Waldberge, die das Bärental umschließen.

Der Alte von Björkland hatte es schwer bereut und gehofft, auch der Pfarrer würde sich besinnen. Aber auf dem Pfarrhof war schon bei Morgengrauen Nachricht eingetroffen, der Bär habe heute Nacht in Bö im Osten des Kirchspiels gehaust. Der Pfarrer war mächtig wütend und trieb nur umso mehr, zu fahren, was das Pferd laufen konnte. Er war erst neu in der Gegend, und wenn er auch schon gut über den Ruf Bescheid wusste, den Björndal und seine Bewohner genossen, so hatte ihn die Angst noch nicht so durchdrungen wie die Eingesessenen. Doch wechselten er und der Björklandbauer während der Fahrt kein Wort, und sie krochen tief in sich zusammen, als sie unter den Klippen des Jungfrautals entlangfuhren.

Dort in der Tiefe hausten gefährliche, lockende Jungfrauen, und in dunklen Nächten stiegen von dort Klänge wie von Saitenspiel und Gesang auf. Leute, die sich des Abends auf diesen Weg gewagt hatten, waren nie wieder gesehen worden. In den Klippen, die sich auf der anderen Seite des Weges erhoben, hatten Huldren und Trolle ihre Behausung, und nächtlicherweile war dort wüster Lärm zu hören.

Der Bergwald auf dem Weg nach Björndal war finster, seine riesigen Bäume rauschten drohend und dumpf. Am Waldrand, wo sie sich lichteten, wo der Blick über die Gemarkung schweifen kann, auf der Höhe, wo der Hügel steil abfällt, dort hielten sie an.

Der Pfarrer zog die Brauen hoch, und der alte Björkland tat es ihm nach; im hellen Leuchten der bleichen Herbstsonne lagen die weiten Ketten der Wälder und Hügel vor ihnen, alles Böse und Dunkle, was sie hatten sagen hören, schwand dahin bei diesem Anblick. Der Pfarrer räusperte sich nur, und der Alte hinter ihm schwieg.

Dann fuhren sie weiter, jetzt bergab, und bogen in Hammarbö, den ersten Hof des Bezirkes, ein. Alle ältesten Söhne des Hofes hießen seit undenklichen Zeiten Örnulf, wurden aber nur Örn (Adler) genannt. Immer zwei, manchmal drei, aber es war auch schon vorgekommen, dass vier zugleich Örn hießen.

Die beiden, die von Süden dahergefahren kamen, trafen auf dem Hof eine Viehmagd und schickten sie hinein. Während der Wartezeit sahen sie sich um. Sie betrachteten die dunklen Blockhäuser, auf deren Dach das Gras üppig wuchs, betrachteten den Wald dahinter und die Felsklippe, die sich wild und blau in den hellen Himmel hinauftürmte, drohend schwer, als habe sie im Sinn, Hof und Leben dereinst unter sich zu zermalmen.

Der älteste Örn trat in die Laube hinaus und blieb stehen - ein Alter am Stock. Der Pfarrer winkte ihn heran, aber der alte Örn auf Hammarbö stand in seiner Laube, rührte nicht Fuß noch Stock, sagte nur: »So, der Herr Pastor ist unterwegs.« Der Pfarrer runzelte wohl unmutig die Stirn, nannte aber den Zweck seiner Reise. »Ach so, Bärenjäger«, antwortete der Alte nur und wies quer über das Tal hin, gerade nach Norden. »Altbjörndal.« Der Pfarrer folgte der Richtung des Stockes, und dort im Norden, am Waldsaum, noch über dem Tale, thronte ein Hof mit vielen großen Gebäuden, dunkel wie der Wald selber; nur hin und wieder blitzte ein Sonnenstrahl in den Fenstern auf. Der Pfarrer und der Bauer hatten ja von dem Hof gehört, der Altbjörndal hieß - und ahnten wohl, dass es damit eine besondere Bewandtnis haben müsse. Denn von jenem Hof kamen die großgewachsenen Männer, die auf alles Volk in der Niederung hinuntersahen, und von dort die Gespanne mit den wilden schwarzen Gäulen, die alle anderen überholten. Etwas Großartiges lag über ihnen, das die Leute im offenen Land nur den Größten ihrer eigenen Leute gestatteten, keineswegs aber Männern aus einer Waldsiedlung.

Gerade über die Männer von Björndal waren die Gerüchte über Mord und Totschlag und wildes Leben im Umlauf. All das schrumpfte jetzt so merkwürdig zusammen, als sie den Hof dort oben liegen sahen, stark und sicher wie keinen anderen, den sie kannten. Vielleicht begriffen sie jetzt, dass jene Männer das Recht hatten, so aufzutreten. Und dann wurde es dem Pfarrer und dem Bauern gleichzeitig klar, hier waren sie mit ihrem Bären recht unwichtig, und beide fühlten sich beschämt über den Klatsch, den sie mit angehört und weitergetragen hatten. Wohl aus diesem Gefühl heraus wandte sich der Pfarrer wieder dem alten Örn zu und fragte, ob man nicht auch anderswo Bärenjäger auftreiben könne. »Oh« -der Alte zog das Wort lang -, »Fremde müssen sich da oben melden.« Zweierlei fiel dem Pfarrer an dieser Antwort auf. Erstens einmal, dass er, der Pfarrer, ein Fremder genannt wurde - und dann, dass es wie ein Gesetz klang, Fremde hätten sich auf Altbjörndal zu melden. Weiter war dann wohl nichts mehr zu sagen; sie grüßten und fuhren weiter bergab.

Unten im Tal gab es mehr menschliche Behausungen, als sie erwartet hatten. Wohl sahen sie dürftig aus; aber sie kamen durch eine Siedlung nach der anderen mit Gebäuden, Vieh und Menschen, die ihnen verwundert nachstarrten. Also traf man auf diesen Wegen doch keine Bären, und die Gemarkung bestand nicht nur aus dunklem Wald. Ackerbreiten und Wiesen lagen zwischen lichten Birkenhainen, und Laubbäume überschatteten die Häuser.

Ein Gedanke keimte in dem Pfarrer auf. Er erinnerte sich, gehört zu haben, dass einer seiner Vorgänger den Leuten aus dem Walde strenge Vorhaltungen gemacht habe, es zieme sich für Christenmenschen nicht, bewaffnet zur Kirche zu kommen. Und dass sie seitdem nicht mehr in der Kirche erschienen waren, außer wenn ein Neugeborenes getauft oder ein Mensch beerdigt werden sollte, oder wegen einer Heirat. Das war Aufsässigkeit gegen die Kirche. Jetzt wusste er, woher diese kam, under warf finstere Blicke zu dem dunklen Hof am Waldrand hinauf. Doch rasch verflog sein Zorn. Da ging er mit diesen Waffenleuten ins Gericht - und kam doch gerade, um Waffenhilfe zu erbitten. Eben hatte er geglaubt, auf diesem Hof noch großartig gebieterisch auftreten zu können, jetzt spürte er, wie er den Boden unter den Füßen verlor.

Der Weg durch das Tal war länger, als er erwartet hatte, und der Hang zu ihrem Ziel hinauf beschwerlich. Sie wunderten sich beide, als sie droben zwischen Äckern und Wiesen dahinfuhren. Wohl war längst alles eingebracht; aber die Felder zeigten ihnen noch, wo Korn und Flachs gestanden, wo leuchtende Wiesen im Sommerlicht gewogt hatten. Da kamen sie immerhin zu sesshaften Christenmenschen.

Am meisten wunderten sie sich vielleicht, als der Wagen auf dem Hof hielt und die Reise zu Ende war. Der Hofplatz war noch nicht so weit und groß wie in späteren Zeiten, doch damals schon stattlich genug, und viele große Gebäude warfen ihre Schatten. Der Hof lag still da, merkwürdig einsam und still. Es war wohl Essenszeit und niemand auf den Beinen. Aber selbst ein stiller Hof hat wache Augen; im Laubengang erschien ein junger Mann, eine blonde Erscheinung mit sonnengebleichtem Haar und lichtem, schönem Antlitz; die Augen aber waren seltsam blau und scharf.

Herr Diderich stutzte. Er war weit umhergekommen, hatte in Rostock studiert und auf seinen Wegen viele Menschen gesehen. Dieser Jüngling mit dem behutsamen, weichen Gang, der schlanken Gestalt und dem schönen, hocherhobenen Kopf - er gemahnte ihn an vornehme Leute, denen er begegnet war - an sehr vornehme Leute. Sein Blick täuschte ihn nicht; das war kein Pack. Der Bursche betrachtete ihn scheu und forschend; der Pfarrer winkte ihn heran. Das war seine Art, niemals stieg er ab, wenn er durch die Gemeinde fuhr, außer da, wo der Tod im Hause war. Die Leute hatten dorthin zu kommen, wo er saß, und ehrerbietig vor ihm stehenzubleiben. Nur auf dem alten adligen Herrensitz Borgland, dem Beherrscher des offenen Landes, trat er untertänig lächelnd ein. Der junge Mann kam auf des Pfarrers Wink heran und stand vor ihm; der Pfarrer wollte mit dem Vater reden - denn er sei doch wohl der Sohn des Hauses.

Ja, er sei der Sohn; und er wandte sich, den Vater zu holen. Doch er kehrte allein zurück. Der Vater habe gesagt, der Pfarrer möge hereinkommen. Da wurde Herr Diderich rot. »Ich bin hier der Pfarrer und habe mit deinem Vater zu reden, wenn du das bestellen willst, und ich habe Eile!«

Wieder war der Bursche drinnen, und wieder kam er allein heraus. Er solle bestellen, auch der Pfarrer sei drinnen willkommen; es lag eine Schärfe in seinen Worten. Der Pfarrer zog die Brauen hoch in die Stirn, und es zuckte um seine Mundwinkel, als er abstieg, mit großen Schritten über den Hof ging und eintrat, wohin ihn der Bursche wies. Der Björklandbauer folgte verwundert.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

Der Pfarrer und der Alte traten in eine dunkle Diele mit Türen zu beiden Seiten. Der Bursche führte sie durch die Tür zur Rechten und durch ein Zimmer in die innerste Stube.

Hier bekam das Gesicht des Pfarrers einen anderen Ausdruck. Es war ein kleiner Raum; mächtige Pfosten trugen die niedrige Decke, und die Wandbalken waren von gewaltigen Maßen. In der langen Südwand war ein breites, niedriges Fenster mit kleinen dunklen Scheiben. Jetzt warf die Sonne einen goldenen Schimmer hindurch. In der Nordecke der westlichen Kurzwand sprang ein Windfang bei einer Tür in das Zimmer vor; in der Südecke war ein Fenster gleich dem ersten. Dieses Westfenster stand offen, und das Tageslicht fiel dort quer über einen Tisch. Darauf lagen eine Bibel und ein anderes Buch und geschnittene Federn neben einem Tintenfass. Der Pfarrer sagte sich nochmals, dass sie hier nicht zu kleinen Leuten gekommen waren. Damals gab es noch nicht sehr viele Höfe, wo man die Bibel las und schreiben konnte. Alles Gerät im Zimmer war schwer und gewichtig und mit großer Kunstfertigkeit geschnitzt. Oben im Halbdunkel an den Wänden unter Dachbalken und Decke blinkte es kalt von Waffen.

Der Pfarrer und der Björklandbauer blickten sich stumm an. Dann ging die Tür auf, und ein Mann trat herein. Nach allem, was sie bisher gesehen hatten, musste es der Vater des Burschen sein; aber er wirkte nicht ganz so licht, und sein Gesicht war wie von Eisen. Als sei es durch viele Geschlechter geübt, keine Gefühle zu zeigen-weder Kummer noch Freude. Die strengen Worte, die dem Pfarrer auf der Zunge lagen, bleiben unausgesprochen.

»Hier ist Platz zum Sitzen«, sagte der Mann nur und setzte sich selbst an die Längswand, wo die Sonne vom Fenster ihn nicht erreichte. Der Pfarrer suchte sich auch einen Platz, und der Bauer von Björkland tat es ihm in allem nach. So schwierig hatte sich der Pfarrer seinen Auftrag nicht vorgestellt. Alle Gedanken stockten vor dem Mann dort drüben, und die Worte blieben ihm im Halse stecken.

Eine Wolke zog über die Sonne und verdunkelte das Zimmer. Der Auftrag wurde dem Pfarrer dadurch nicht leichter. In dieser großen, abendlich dunklen Stube kam er sich vor wie in einer fremden Welt. Aber er musste mit der Sprache heraus, und als er erst in Gang gekommen war, fügte sich Wort an Wort. Sie wurden zu einem Bericht von dem, was draußen geschehen war, von dem Besuch auf Hammarbö und wie der Alte dort ihn hierher gewiesen habe. Jetzt setzten sie ihr Vertrauen auf ihn und seine Leute und bäten ihn um Hilfe gegen die Verheerungen des Untiers.

Torgeir hieß der damalige Bauer auf Björndal - jener, der so stumm vor dem Pfarrer an der Wand saß - stumm, denn er erwiderte kein Wort auf dessen Rede. So musste der Pfarrer denn wieder loslegen, wie Christenmenschen einander in der Not beistehen müssten und wie es auch geschehen könne, dass in Missjahren oder zu anderen Zeiten das offene Land die Hilfe so oder so vergelten werde. Da erhob Torgeir Björndal langsam den Blick zum Pfarrherrn: »Ihr braucht mich nicht an Christenpflicht zu mahnen, und bis jetzt haben wir hier oben weder in Notzeiten noch sonst Hilfe vom Flachland erbeten. Ich denke, wir schlagen uns schon selber durch, wie es Mannespflicht ist.«

Der Pfarrer stand auf und gab dem andern zu verstehen, er werde für die Mühe bezahlt werden, wenn er mitkäme. Er selbst geizte mit allem, was Wert hatte, und geizig waren sie alle draußen im Lande. Darum schien es dem Pfarrer ein so verlockendes Angebot. Auch der andere erhob sich, Torgeir Björndal, und blickte zum Fenster, als wolle er hinaussehen. Doch das Glas war blind und dick und taugte nur dazu, Licht hereinzulassen, nicht hinauszuschauen. Dann wandte er sich dem Pfarrer breit zu und ließ die Worte fallen: »Wir haben selbst ein paar Bären, mit denen wir uns herumschlagen müssen - hier im Norden; wir brauchen nicht deswegen zu Euch hinunter zu reisen.«

Da legte der Pfarrer alle Großspurigkeit und Würde ab und bat schlecht und recht in Gottes Namen um Hilfe. Und erzählte, ohne etwas hinzuzutun, wie sie selbst versucht hätten, das Untier zu erlegen, und wie übe! es abgelaufen sei. Und er schilderte auch die mächtige grausige Bestie von Bären mit dem grünen Glanz in den Augen und der Blesse an der Seite - so gewaltig und grimmig war der Bär, dass er die Menschen zu Tode erschreckt hatte.

Torgeir saß wieder dem Fenster zugekehrt; als der Pfarrer jedoch die Blesse an der Flanke des Bären erwähnte, da wandte er sich jäh und durchbohrte den Pfarrer mit seinem Blick. Diderich fuhr mit einem großen Schritt zurück; dieser Blick war wie ein Stoß mit blauem Stahl. Lange stand Torgeir Björndal so, dann sah er über den Pfarrherrn fort nach der nördlichen Längswand. Dort hing ein Bärenmesser, blank und gefährlich, ohne Rost. Schließlich wandte er sich still und blickte lange zu dem offenen Westfenster hinaus. Die Sonne leuchtete drüben am Hang auf, ein bleicher Herbstschein. Die Schärfe schwand aus seinem Blick, die Züge wurden von neuem eisern, nichts war in ihnen zu lesen. Er setzte sich auf seinen alten Platz neben dem Südfenster, wo die Sonne jetzt wieder in der Scheibe blinkte. Er stemmte die Ellbogen auf die Knie und stützte das Kinn auf die Fäuste. Auch der Pfarrer hatte sich wieder gesetzt. Er wagte nicht, weiterzusprechen, er überlegte nur, ob er etwas gesagt hätte, was den andern erzürnen konnte. Torgeir Björndal rührte sich immer noch nicht, aber es bewegte sich etwas um Kinn und Mund, und dann kamen die Worte. Es war, als fasse er nur für sich selbst seine Gedanken in Worte. Die Stimme war tief und rau. »Meines Vaters Vater starb« - hier schwieg er, und der Pfarrer sah ihn verwundert an, während der Bauer von Björkland nach der Tür schielte, um sich zu vergewissern, dass er den Rücken frei hatte.

»Er starb«, wiederholte Torgeir, »ein Bär schlug ihn.« Der Pfarrer begann zu begreifen und blickte gespannt vor sich hin. Der Alte von Björkland beugte sich ebenfalls lauschend vor; sein Mund öffnete sich vor Verwunderung.

»Mein Vater starb - ein Bär fällte ihn.«

Der Alte von Björkland stieß einen hörbaren Seufzer aus. Und der Pfarrer kroch in sich zusammen.

»Ich hatte einen Bruder; auch er geriet mit einem Bären zusammen und hatte den Tod davon.«

Hier schwieg Torgeir lange. Der Pfarrer saß wie versteinert, und dem Alten hinter ihm stand der Mund weit offen; seine Augen waren so groß und starr aufgerissen, dass ihm Tränen über die Backen liefen. Torgeir fuhr noch leiser fort: »Ich hatte auch drei Söhne. Jetzt habe ich nur noch zwei. Der älteste ging voriges Jahr auf den Bären. Er war noch ein junger Bursche; ich sagte, er solle nicht, aber er musste natürlich los, und heim ist er nicht gekommen - bisher.« Lange Pausen lagen zwischen den Worten, und das letzte war wie ein Hauch. Was da erzählt wurde, klang den beiden wie eine Sage, fern, fern aus einer anderen Welt. Dann richtete er sich wieder auf, der Mann vor ihnen, und wandte den Blick zum offenen Fenster: »Mein Großvater erlegte siebzehn, und mit dem letzten zugleich blieb er.« Wieder schwieg er eine Weile. »Der Bär hatte an der Flanke einen hellen Streifen - wie ein falbes Pferd

Der Pfarrer zog die Brauen hoch in die Stirn hinauf, seine Hände zitterten ein wenig. Der Alte hinter ihm ließ die Unterlippe hängen, und Speichel rann ihm in den Bart, seine Knie bebten leicht. Torgeir Björndal fuhr fort-und seine Stimme war fast unhörbar: »Mein Vater erlegte siebzehn, der letzte gab ihm den Tod - und hatte an der Flanke einen hellen Streif wie ein falbes Pferd.« Es knackte im Stuhl des Bauern von Björkland, und der Pfarrer vergaß zu atmen.

»Wir haben zwei solche Bärenfelle hier im Hause. Auf beiden trug man Leichen heim.« Die Sonne schwand gerade, als das letzte Wort fiel, Dunkelheit füllte den Raum mit Schauder. Da erhob sich Torgeir und blickte zum Fenster. Fest klangen jetzt seine Worte: »Ich selber habe sechzehn erlegt. Mehr gedachte ich nicht zu jagen. Hat aber dieser eine helle Flanke, so ist er wohl aus der Sippe derer, die meinen Vater und dessen Vater schlugen - und dann muss ich dran. Es geht zu Ende mit den Bären dort unten bei Euch, ahnt mir - und - vielleicht auch mit mir.« Der Pfarrer hätte wohl etwas sagen wollen, fand jedoch kein einziges Wort. Auf so starke Dinge war er nicht gefasst. Torgeir gab ihnen zu verstehen, sie könnten heimfahren. - »Ich komme nach.«

Wenn sie Essen haben wollten, ehe sie aufbrächen, so sei genug da. Die beiden erhoben sich nur und fanden still hinaus. Zu essen vermochten sie nach dem, was sie gehört hatten, nicht. Auch wurde auf dem Heimweg nichts zwischen ihnen gesprochen. Torgeirs Worte erwähnten sie niemals.

Früh am nächsten Morgen kam von Norden her ein Mann zum Pfarrhof; wie ein starkes Tier ging er mit weichen, zähen Schritten, langbeinig wie ein Elch. Er trug das Haupt hoch und aufrecht, und seine Schultern waren gewaltig breit. Die Kappe saß knapp auf dem Kopf und hatte über der Stirn einen Schirm zum Schutz gegen die Sonne. Die Jacke war kurz und eng, darunter trug er eine Weste von gegerbtem Leder. Die Hosen waren gleich unterhalb der Knie geschnürt bis hinab zu den fest um die Waden geschnallten ledernen Wickeln; und seine Schuhe saßen weich um den Fuß. Über der einen Schulter hing an einem Riemen das Felleisen, über der anderen die Büchse. An der rechten Hüfte steckte ein kurzes, breites Messer in einer Scheide, und zwei grauborstige Hunde führte er an der Leine.

Seine ganze für einen Jäger geeignete Ausrüstung war abgenutzt und verschlissen vom Umherstreifen in Wald und Fels. Viel Staat war nicht damit zu machen, aber an den Handgelenken und am Halse schimmerte das Hemd so weiß, wie nur die Sonne es bleichen kann, und die Knöpfe an der Weste blinkten wie Silber.

Das war Torgeir Björndal.

Der Pfarrer fragte höchlichst verwundert, ob er allein käme. »Nein«, antwortete Torgeir, »ich habe Büchse und Hunde mit.« Seine Miene war eisern und der Ton der Stimme so, dass der Pfarrer keine weiteren Worte fand. Torgeir wollte nur noch wissen, ob der Pfarrer seit dem Besuch des Bären auf Bö in der vorigen Nacht etwas gehört habe; aber das hatte er nicht.

Dann ging Torgeir. Der Pfarrer folgte ihm lange mit seinem Blick.

Nach der großen Angst kam es wie ein Gefühl der Sicherheit über die Gemeinde. Von Hof zu Hof lief die Kunde von dem Schützen, der ausgezogen war. Die beiden, die ihn geholt hatten, gaben über ihren Besuch auf Björndal nichts von sich; nur so viel ließ der Björklandbauer über seine Lippen kommen, dass die Leute merkten, in diesem Bären trieb der Teufel sein Spiel. Dass der Schütze allein auszog, zeugte von unglaublichem Mut; und es musste Zauberei dahinterstecken.

In Stuben und Winkeln gab ein Wort das andere unter alten Weibern in Röcken und alten Weibern in Hosen. Man redete von dem brennenden Himmel und dem blutigen Schwert am Tage vorher - von den grünglühenden Augen des Bären, die von Gift und Teufelei so grün waren - von der Blesse des Untiers, die es bekam, als der Teufel hineinfuhr; von dem Schützen, der allein auszog, weil er Zauberwerk im Felleisen und eine Teufelsflinte hatte und mit geweihtem Silber schoss.

 

 

 

Viertes Kapitel

 

 

Ein gutes Stück östlich von Bö, wo der Besitz anderer Gemeinden beginnt, wandelt der Wald seinen Charakter. Die mageren Waldstücke gehen in wilden Hochwald über. Drinnen, hinter Hügeln und Höhen stürzt ein Steilhang zu einem Fluss hinab, der unendlich weit drunten in der Tiefe schäumt. Struppiger alter Baumwuchs hat sich in den Schründen festgekrallt und verbirgt Fluss und Abgrund dem Blick.

An dem Tag, als Torgeir Björndal hinter dem Bären her war, lag der Wald dort am Abgrund nicht anders da als sonst. Mächtige Auerhähne wateten sorglos im Heidekraut und schmatzten die Früchte des Sommers, blaue Beeren, rote und schwarze. Scharfe Hufe gewichtiger Elche hatten tiefe Spuren im Moos hinterlassen. Hoch droben im bleichen Herbsthimmel schwebte ein Adler mit weit ausgebreiteten Schwingen, und über allen Wäldern glänzte weiß das Sonnenlicht.

Fiel da nicht ein Tannenzapfen vom Baum? Der Auerhahn rauschte mit lärmendem Flügelschlag auf, warf sich pfeilschnell über den Abgrund und verschwand.

Knackte da nicht ein dürrer Zweig? Über die Heidekrautbüschel und Moospolster glitt ein kantiger Schatten, der sich schwerfällig auf die Felsen über der Tiefe zu bewegte. Und hinter dem Schatten wuchtete still ein großes dunkles Tier und wiegte sich vorwärts, hinter dem Schatten drein.

Es war ein Bär von gewaltigem Ausmaß, aber alterssteif und mager. Der Kopf hing auf dünnzotteligem Hals vornüber, der Rachen japste halb offen, die Schnauze witterte, und die Ohren horchten nach dem Brausen des Flusses hin. Zwischen zerquetschten Beeren und plattgedrückten Heidekrautbüscheln hatten die schweren Tatzen tiefe, breite Fährten gezeichnet. Sprang da ein Eichhörnchen von einem Ast?

Mit einem mächtigen Schwung drehte sich der Bär, lauschte mit gesenktem Kopf, und die kleinen funkelnden Augen starrten unablässig den Weg zurück.

Leichtes Tapsen von Tieren auf dem Hügel, pfeifende Atemzüge - und dann durchschnitt rasendes Hundegebell die Stille.

Wo war der alterssteife Bär geblieben, woher dieses reißende Untier gekommen, das hochaufgerichtet inmitten der Lichtung stand und um sich schlug? Die Tatzen gingen wie ein Mühlrad in einem brausenden Wassersturz. Die Hunde kläfften und winselten, prallten weit zurück und fuhren mit gesträubtem Fell und wildem Knurren wieder auf ihn los, und alles übertönte das heisere Gebrüll aus dem schäumenden Rachen des Bären.

Hatte der Blitz eingeschlagen? Einem der Hunde war es gelungen, die Zähne tief in den Schenkel des Bären zu graben - da traf ihn der Schlag; wie ein Kreisel sauste der Hund durch die Luft und blieb, mit aufgerissenem Leib und heraushängendem Gedärm, viele Klafter entfernt im Walde liegen. Der zweite Hund stutzte einen Augenblick, als er sich allein sah; da zog sich der Bär ein paar Schritte weiter nach dem Abgrund zurück, und der Hund kläffte von neuem los.

Die Bewegungen des Bären waren jetzt ruhiger geworden. Vorsichtig lauernd, musterte er seinen hitzigen Feind; und jedes Mal, wenn sich der Hund in Reichweite wagte, holte er zu einem Schlage aus, der einen Ochsen hätte töten können. Doch der Hund war fort wie der Blitz. So ging es Schritt für Schritt auf den Abhang zu, und jetzt zuckte der Blitz zum zweiten Male. Die Bärentatze traf nicht mitten auf den Hundekörper, sie streifte ihn nur der Länge nach; aber das genügte. Im hohen Bogen sauste der Hund in den Abgrund hinunter. -

Der Bär glotzte erstaunt umher. Waren seine Plagen zu Ende? Ach - nein - er erinnerte sich nur zu gut daran: einmal - in der Jugend - war er mit solchen Hunden zusammengeraten. Damals, als er den brennenden Knall in die Flanke bekam. Jetzt war das gefährlichste aller Tiere zu erwarten - der Mensch aus Björndal.

Geschmeidig wie ein Luchs duckte sich der Bär und glitt über den Abhang hinaus. Nein, diese Kluft führte nur auf eine Felsplatte, von der kein Weg weiterging; so schwang er sich auf die darüber liegende Kante, schob sich über eine vom Wind entwurzelte Föhre und bückte sich in eine Mulde dahinter. In der gleichen Sekunde war er steif wie ein Stock. Nur die lauernden Augen lebten; mit einer Mischung von sinnloser Angst und teuflischem Hass starrten sie unter dem dürren Kiefernstamm nach der Richtung, aus der die Hunde gekommen waren.

Und da kam der Mensch. Nicht mit Lärm und Geschrei, wie dort unten im offenen Lande; nein, gebückt lauernd wie ein Fuchs im Grase, ein Luchs auf dem Ast, mit wachen, gespannten Blicken, lauschenden Ohren, witternder Nase. Das gefährlichste Tier auf Erden. Der Mensch hatte seinen Hund wohl im Walde gefunden. Die Augen suchten auf dem Boden, die breite Fährte des Bären sagte ihm, dass er auf dem rechten Wege sei. Lange blieb er stehen, wo der Kampf mit den Hunden getobt hatte, und in der Hand trug er das lange gefährliche Knallrohr bereit.

Dem Bären brannte es heiß im ganzen Leibe. Der Hundebiss im Schenkel begann zu schmerzen, so dass er kaum still liegen konnte, und irgendwo drinnen im Leibe fraß der alte Schmerz schlimmer und schlimmer. Der Bär wurde rasend. Was wollte dieser Mensch hier, der allen Schmerz mit sich brachte? Oh, wie es im Leibe fraß und wie der Hundebiss brannte! Der Mensch kam näher und näher, lautlos, gespannt. Jetzt glitt er in die Kluft hinab, wo der Bär zuerst Spuren hinterlassen hatte, und auf die Felsplatte gerade unter seinem Versteck.

Der Schmerz im Leibe des Bären war zu fressendem Feuer gewachsen, der Hundebiss brannte, als säßen die Zähne noch drin, das Blut rauschte wie ein Wasserfall durch den Körper, spülte in den Schädel hinauf, raubte alle Überlegung. Rasender Hass war sein ganzer Trieb, in einem einzigen wilden Sprunge war er auf und warf sich über den Rand hinunter über den Mann auf der Felsplatte.

Torgeir Björndal spähte in den Abgrund hinab, ob der Bär etwa dort unten wäre. Wie in einer Ahnung sah er ihn noch auf den Felsen hinunterstürzen, und mit einer jähen Wendung gelang es ihm, einen Schritt zurückzutreten. Das bewahrte ihn davor, des Bären ganzes Gewicht auf sich zu bekommen. Die Büchse entglitt ihm in die Kluft - und dann war alles zu Ende.

Nein, noch nicht. Der Mensch aus dem Bärental kann auch ohne Büchse gefährlich werden. Und so geschah es: Torgeir Björndal, gewandter als der Bär, duckte sich etwas, warf sich ihm gegen die Brust und rannte seinen Kopf wie eine Ochsenstirn gegen die Bärenkehle. Und indem er Schultern und Rücken zu einem Ball von Kraft spannte, brachte er die Ellbogen nach vorn, und im gleichen Augenblick schloss sich der Griff des Bären um ihn.

Alles spielte sich in einem einzigen Atemzuge ab. Über seinem Kopf dröhnte das wütende Heulen des Bären, und die Tatzen zerfleischten ihm den Rücken. Kleider, Fleisch und Blut fetzte er heraus. Torgeir schob den Arm an der Flanke des Bären hinab, bekam das Messer zu fassen, stemmte sich von der Brust des Tieres ab, hob das Messer bis zu der Stelle, wo das Herz sein musste, trieb ihm die Schneide hinein und drehte sie. Ein Krampf ging durch den Körper des Bären, seine Tatzen gruben sich tief in Torgeirs Rücken - dann brach die Kraft des Tieres, und beide sanken nieder.

Torgeir erwachte. Er lag da, die eine Hand krampfhaft um den Messergriff geschlossen, die andere im Halspelz des Bären vergraben. Vorsichtig lugte er bergwärts zur Seite. Lebte er noch; oder war dies das Erwachen nach dem Tode?

Doch - er musste wohl noch leben. Er sah ja das Zittergras schwanken, und die Glockenblümchen in dem Felsspalt läuteten wie immer mit ihren seidenen Glocken. Er lebte also - und der Bär war erlegt. Ein hartes Lächeln glitt über sein Gesicht; so war er doch nicht weniger wert als seine Väter. Da durchfuhr ihn ein eisiger Schrecken. War es auch der richtige Bär?

Er versuchte sich zu erheben, doch der Rücken war wie zerbrochen, und eine unbegreifliche Kälte saß in seinem ganzen Körper. Es gelang ihm, sich ein wenig zu drehen, so dass er die Flanke des Bären sehen konnte; nein, sie war nicht falb. Funkelnde Sterne tanzten ihm vor den Augen. Dann versuchte er, den Kopf zu wenden. Er spürte, wie sich sein Körper vor Frost und zugleich vor Spannung schüttelte. So lag er lange, ehe er es wagte, die andere Seite des Tieres zu betrachten. Langsam hob er den Kopf - mit geschlossenen Augen - lag wieder eine Weile, bog dann den Hals hinunter und öffnete sacht die Lider. Er starrte mit offenem Blick. Der Pelz war an dieser Flanke blassgelb - wie bei einem falben Pferd.

Sein Rücken zog sich vor Schmerz und Kälte zusammen - sein ganzer Körper war wie von Eis, aber die Augen starrten auf die gelbe Flanke, das harte Lächeln blieb um seinen Mund. Dann wurde alles rot, feuerrot - leuchtend - und dann sank alles in Dunkel, und es wurde Nacht             

Ein Hund kam auf drei Beinen gehinkt, das vierte war gebrochen und baumelte lose. Er war hart mitgenommen von jener Luftfahrt, der Ärmste, aber er hatte so lange umhergeschnuppert und gestöbert, bis er gefunden hatte, was er suchte. Erst kläffte er einen Augenblick den Bärenkadaver an, dann winselte er seinem Herrn glücklich zu; doch keiner von beiden rührte sich. Winselnd, wedelnd und blaffend hinkte er immer im Kreise herum; zuletzt blieb er stehen - verwundert -, und dann heulte er klagend in den Wald und die Ewigkeit hinaus.

Beim nächsten Tagesgrauen strich ein armes Hundevieh hinkend durchs offene Land und verschwand auf dem Weg nach Björndal. Noch am gleichen Tag kam ein Wagen mit zwei Männern und dem Hund von Norden her, der Rappe durchjagte in wilder Fahrt das Land. Sie sprachen auf dem Pfarrhof vor und bogen nach Bö ab. Dort fuhren sie in den Hof. Die beiden im Wagen waren noch junge Burschen; der eine schmächtig und eckig, hell wie ein Sommertag, der andere älter, grobgliedrig und dunkler. Beide waren hoch gewachsen, mit kühnen Zügen. Sie ließen Pferd und Wagen auf Bö, während sie mit dem Hund ein Stück in den Wald hineingingen.

Als die Abenddämmerung herabsank, sah man auf Bö die Burschen von den Weideplätzen her über die Waldwiesen herunterkommen. Sie gingen hintereinander her und trugen schwer. Schließlich lenkten sie in den Hof ein und legten ihre Bürde vor sich nieder. Der Bauer von Bö trat scheu und ängstlich hinzu.

Auf dem Boden lag ein Bärenfell, durch dessen Tatzen Stangen zum Tragen getrieben waren. Das Fell war dünnhaarig wie bei alten Bären und hatte einen merkwürdig hellen Streifen auf der einen Seite. Auf dem Fell ruhte die Leiche des Bärenjägers, der gestern von Bö ausgezogen war. Die Rechte war um den Griff eines kurzen, breiten Messers gekrampft. Hand und Schneide waren schwarz von Blut, aus der geballten Linken starrten Büschel von Bärenhaar. Das Antlitz war eisern, der Mund lächelte hart.

»Eine böse Fahrt«, meinte der Bauer von Bö, um irgendetwas zu sagen. Die Burschen antworteten nicht und wandten den Blick zu Boden, der Bauer redete von Essen; aber sie schüttelten nur die Köpfe. Dann hoben sie die Bahre auf den Wagen, lehnten jede Hilfe ab und fuhren nordwärts davon.

Ob man im offenen Land die Männer droben im Walde jetzt mit anderen Augen ansah? Man sollte es glauben; aber so sind die Menschen nicht - nicht die im offenen Lande. War es nicht eine Schande für sie, dass ein einzelner Mann aus dem Norden so viel Mut besessen, ja sein Leben hingegeben hatte, um dieses Tier zu erlegen, das vom Teufel besessen war? War seine Kühnheit nicht ein Hohn für sie? Rasch vergaß man im offenen Lande diese Kühnheit, und aus dem Gefühl der Scham entstanden böse, gemeine Worte gegen alles und jedes, was von Norden kam. Bei neuen Geschlechtern verschmolz die Erzählung von diesem Ereignis mit anderem Gerede über Björndal und machte seine Bewohner zu gefährlichen Tiertötern, ja wohl gar zu Menschenmördern?

Das ist der Welt Lohn!

 

 

 

Fünftes Kapitel

 

 

Jahr und Tag vergingen nach diesem Geschehnis, und im offenen Lande kamen keine weiteren Bärengeschichten vor. Wohl konnte es noch einmal geschehen, dass im Sommer ein Schaf verschwand und man die Fährte eines Bären entdeckte; aber das kam selten vor und mit den Jahren immer seltener.

Dafür zeigten sich mit der Zeit die Bauern vom Norden häufiger auf den Wegen. Es kam auch vor, dass Leute aus dem Süden dort oben Dienst annahmen, und dadurch hörte man Näheres von denen auf Björndal und ihrem Leben. So lernte man unterscheiden, von welchem Hofe Pferde und Menschen stammten. Ein Pferd mit goldener Mähne gehörte nach Hammarbö. War es rabenschwarz und wild, dann hielten die Leute den Atem an und glotzten mit großen Augen, denn es war eine Fuhre von Altbjörndal. Und die schwarzen Gäule zeigten sich am häufigsten. Alles ließ erkennen, dass sich Altbjörndal zu einem immer mächtigeren Hofe auswuchs. Darüber sollte man sich wohl ärgern. Missgunst ist ein altes Wort und gedeiht so gut bei den Menschen.

Immer öfter sah man die rabenschwarzen Gäule. Stark und schwer trabten sie in Nord und Süd den Weg durch das Tal und fuhren wohl geradezu bis in die Stadt, denn es währte oft Tage, bis sie heimkehrten. Mit Fracht fuhren sie aus, und Fracht brachten sie oftmals zurück. Betriebsam waren sie offenbar dort oben. In den Talgemeinden wunderte man sich, womit sie wohl zur Stadt führen, aber man konnte es nicht herausbringen.

Zu jener Zeit, als die Stadtfahrten so stark in Gang kamen, wirtschafteten auf Björndal die beiden jungen Burschen, die ihren Vater im Walde bei Bö geholt hatten; ernste, tüchtige Kerle, voll jugendlichen Mutes bei allem, was sie unternahmen. Tore, als der ältere, hätte wohl mehr zu sagen haben sollen, aber sein Bruder, der so hell und hübsch war und Dag hieß, war auch nicht zu verachten, als er heranwuchs.

Tore war groß und breit gebaut. Wie ein Hauch von schwerer Kraft kam er daher, dunkelhäutig und auch dunkelhaariger als Dag, mit strengen, scharfen Augen. Ganz der Vater, sagten die Leute.

Dag war nicht so breit in den Schultern, doch auch kräftig genug, und er war so geschmeidig und beweglich, hell an Haut und Haar; seine Augen waren tiefblau und leuchteten ständig wie vor Freude. Einen so hübschen Burschen habe dieser Boden noch nie getragen, meinten die Alten, und er sähe am meisten dem Vater seines Vaters ähnlich.

Die Gerüchte, die den Weg ins Tal hinausfanden, waren richtig. Altbjörndal war schon damals ein Hof von bedeutender Größe. Mit dem Wirtschaften der beiden jungen Burschen wäre es allerdings kaum ganz gut abgelaufen, wenn sie sich nicht bei Örn auf Hammarbö hätten Rat holen können. Mit seiner Hilfe kamen sie gut über die ersten schwierigen Jahre hinweg, und dann halfen sie sich selbst. Von alters her war es üblich gewesen, hin und wieder eine Fuhre mit feinen Fellen und anderem, was sich bezahlt machte, geradeswegs zur Stadt zu schicken; andere Erzeugnisse von minderem Wert sandte man lieber in die Nähe, wo die Preise wohl niedriger, die Wege dagegen kürzer waren. In der Stadt hatten sie allmählich Verbindungen mit dem großen Handelshause Holder angeknüpft, das sogar mit Städten im Ausland Handel trieb. Holder konnte für seine gute Ware den besten Preis zahlen; die Bauern von Björndal blieben darum bei ihm und wurden niemals übervorteilt.