Und ewig währt die Schuld - Anne Bensberg - E-Book
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Und ewig währt die Schuld E-Book

Anne Bensberg

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Beschreibung

Atemlose Spannung und eine verhängnisvolle Liebe: „Und ewig währt die Schuld“ von Anne Bensberg jetzt als eBook bei dotbooks. Wenn sich hinter der makellosen Fassade ein Geflecht aus Lüge und Leidenschaft verbirgt … Die junge Kunsthistorikerin Lisa lernt auf einer Vernissage den attraktiven Unternehmer Marc von Alnor kennen. Als er ihr vorschlägt, auf dem Schloss seiner Familie den wertvollen Kunstbesitz zu sichten, kann sie dieses Angebot nicht ausschlagen. Schon bald entwickelt sich zwischen ihr und Marc eine zarte Liebesbeziehung. Doch immer wieder reagiert Marc seltsam distanziert. In Lisa wächst der Verdacht, dass er ein Geheimnis mit sich trägt. Als plötzlich ein Schlossmitarbeiter spurlos verschwindet und Lisa mysteriöse Handymitteilungen erhält, fühlt sie sich nicht mehr sicher. Welches gefährliche Spiel wird hier gespielt? Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Und ewig währt die Schuld“ von Anne Bensberg. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Wenn sich hinter der makellosen Fassade ein Geflecht aus Lüge und Leidenschaft verbirgt …

Die junge Kunsthistorikerin Lisa lernt auf einer Vernissage den attraktiven Unternehmer Marc von Alnor kennen. Als er ihr vorschlägt, auf dem Schloss seiner Familie den wertvollen Kunstbesitz zu sichten, kann sie dieses Angebot nicht ausschlagen.

Schon bald entwickelt sich zwischen ihr und Marc eine zarte Liebesbeziehung. Doch immer wieder reagiert Marc seltsam distanziert. In Lisa wächst der Verdacht, dass er ein Geheimnis mit sich trägt.

Als plötzlich ein Schlossmitarbeiter spurlos verschwindet und Lisa mysteriöse Handymitteilungen erhält, fühlt sie sich nicht mehr sicher. Welches gefährliche  Spiel wird hier gespielt?

Über die Autorin:

Anne Bensberg ist promovierte Kunsthistorikerin und hat an renommierten Museen und Universitäten gearbeitet. Seit einigen Jahren ist sie im IT-Bereich tätig, um Kunst und Kultur in die digitale Welt zu befördern. Und ewig währt die Schuld ist ihr erster Roman und spielt – wie sollte es anders sein – im Kunstmilieu.

***

Originalausgabe November 2015

Copyright © 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Creative Travel Projects

E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-266-1

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Für meine Mutter

Anne Bensberg

Und ewig währt die Schuld

Thriller

dotbooks.

Die Wurzel des Bösen ist die Habgier.

(The Pardoner’s Tale, Geoffrey Chaucer, um 1340–1400)

Prolog

Heute habe ich ihn gesehen. Ich ließ mir den Weg zu seinem Zimmer weisen und trat ein. Man hat mich nicht gehindert.

Da lag er, regungslos, die Augen geschlossen, die Wangen bleich und eingefallen, der Körper bedeckt von einem weißen Laken, das sein Leichentuch sein wird. Sein Brustkorb hob sich kaum merklich. Seine Arme hingen an Schläuchen, wie die Marionette an ihren Schnüren. Ein beständiges Summen, das der medizinischen Apparate, erfüllte den Raum.

Ich betrachtete ihn einige Minuten lang mit kaltem Herzen, mitleidlos. Tod ist Todes Ausgang, rief ich ihm stumm zu. Dann ging ich.

Kapitel 1

Sie lernte ihn auf einer Vernissage kennen. Er hatte sich neben sie gestellt, vor das Gemälde, das sie gerade betrachtete. In jeder Hand hielt er ein gefülltes Sektglas. Das eine bot er ihr wortlos an. Überrascht starrte sie auf das Glas und dann auf ihn.

»Ohne die Schönheit wäre die Kunst nichts«, bemerkte er, während er ihr beiläufig das Glas in die Hand drückte. »Jeff Wall soll das gesagt haben. Kennen Sie Jeff Wall?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Ich auch nicht«, gestand er lächelnd. »Doch ich stimme mit ihm überein. Was denken Sie?«

Sie zuckte verwirrt mit den Schultern und blieb stumm.

»Wie finden Sie die Ausstellung«, setzte er erneut an. »Gefallen Ihnen die Gemälde?«

Sie räusperte sich, bevor sie zögernd antwortete. »Ich bewundere den Maler. Es gelingt ihm hervorragend, Emotionen in seinen Gemälden zu visualisieren.«

»Visualisieren«, wiederholte er. »Ich vermute, Sie sind vom Fach?«

»Ich bin Kunsthistorikerin.«

»Ein interessanter Beruf.«

Er hob sein Glas. »Auf die Kunst und auf die Schönheit!«

Sie stieß mit ihm an. Das Klirren ihrer Gläser hallte durch den Raum, so dass einige der Gäste die Köpfe verdrehten. Das war ihr peinlich.

»Marc von Alnor«, stellte er sich vor.

Sie sah ihn an, sah direkt in seine Augen. Bernsteinaugen, dachte sie und zuckte innerlich zusammen. Schwarzes, lockiges Haar fiel ihm in die Stirn. Sein Gesicht war schmal mit einer kräftigen Nase und einem sinnlichen Mund. Ein sinnlicher Mund! Wie kam sie auf solche Gedanken? Er trug einen dunklen Anzug, darunter ein weißes Hemd, doch keine Krawatte. Das gab ihm eine verwegen wirkende Lässigkeit. Er sah gut aus, verdammt gut!

»Und mit wem habe ich das Vergnügen.«

»Ich … heiße Lisa«.

»Lisa! Ein schöner Name für eine schöne Frau.« Sie spürte seinen bewundernden Blick und errötete.

»Haben Sie auch einen Nachnamen?«

»Ja«, antwortete sie einfältig. Du führst dich auf wie eine Idiotin, schimpfte sie lautlos mit sich selbst.

»Schmidt, Lisa Schmidt, sehr erfreut.« Sie reichte ihm die Hand, die er mit sanftem Druck umschloss. Sein Daumen strich kaum merklich über ihr Handgelenk. Ein Schauer lief ihr über den Arm. Einen Moment betrachtete er sie mit erhobenen Augenbrauen. Schließlich sagte er: »Sie können mir bedenkenlos Ihren richtigen Namen nennen.«

Sie schnappte nach Luft. Er hatte einen wunden Punkt getroffen. »Das ist mein richtiger Name«, stieß sie hervor.

In Kunstkreisen schien es offenbar absurd, einen Allerweltsnamen wie den ihren zu tragen. Kunstexperten hatten seltene, klangvolle Namen. Schmidt hießen Handwerker, Sachbearbeiter, allenfalls Lehrer.

»Es tut mir leid«, entschuldigte er sich sofort. Doch er konnte sich ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen.

Eine unangenehme Pause entstand. Lisa nippte verärgert an ihrem Sekt.

»Würden Sie mir die Freude machen …« – er hielt kurz inne – »und mich durch die Ausstellung führen?«

Sie beäugte ihn misstrauisch. »Warum?«

»Sie könnten mein Wissen über Kunst mehren.«

»Sind Sie Sammler?«

»Auch, aber vor allem Liebhaber«, antwortete er vieldeutig.

»Nun gut, wenn Sie mögen«, seufzte sie. Zumindest auf diesem Gebiet fühlte sie sich sicher.

Gemeinsam schlenderten sie von Bild zu Bild. Lisa sprach über den Maler und seine künstlerischen Ambitionen. Sie erläuterte Thematik, Komposition sowie Farbgebung, und Marc von Alnor hörte aufmerksam zu. Sie waren in ein intensives Gespräch vertieft, als der Galerist zu ihnen trat und sie zu einem abschließenden Schlummertrunk in ein benachbartes Lokal einlud. Da erst bemerkten sie, dass sich die Galerie fast vollständig geleert hatte. An jedem anderen Abend wäre Lisa, ohne zu zögern, mitgegangen, schließlich kannte sie den Galeristen seit Jahren und besuchte regelmäßig seine Ausstellungen. Doch an diesem?

Sie sahen sich fragend, dann in stillschweigendem Einverständnis an.

»Sehr freundlich, aber wir haben andere Pläne«, dankte Marc. Er umfasste leicht Lisas Arm und führte sie aus der Galerie.

»Ich kenne ein nettes Restaurant nicht weit von hier. Sind Sie mit dem Auto gekommen?«

»Nein, mit dem Bus.«

»Das trifft sich gut. Mein Wagen steht in der nächsten Straße.«

Nach wenigen Metern blieb er vor einem Sportwagen stehen. Lisa pfiff leise durch die Zähne. Ein Jaguar, nicht schlecht.

Er öffnete ihr die Tür. In Zeiten der Zentralverriegelung eine fast ausgestorbene Geste der Höflichkeit, die ihr imponierte.

In zügigem Tempo steuerte Marc den Jaguar durch die nachtstillen Straßen. Ganz so nah schien das Restaurant dann doch nicht zu liegen, musste sie bald feststellen. Wie kannst du auch zu einem wildfremden Mann ins Auto steigen, schalt sie sich beunruhigt.

Doch schließlich bog er in eine Seitenstraße ein und lenkte den Wagen auf eine herrschaftliche Villa aus der Gründerzeit zu, deren Fenster in der Dunkelheit einladend leuchteten. Er parkte neben anderen hochpreisigen Fahrzeugen, und sie stiegen aus. Gedämpftes Stimmengewirr und leises Lachen drang aus den halb geöffneten Fenstern in die milde Frühlingsnacht. Wie selbstverständlich ergriff Marc Lisas Hand, und gemeinsam schritten sie dem Eingang des Restaurants entgegen.

Eine elegant gekleidete junge Frau empfing sie an der Tür. »Guten Abend. Graf von Alnor, wie schön, Sie wieder einmal bei uns begrüßen zu dürfen.«

»Vielen Dank, Madeleine.«

»Ihr bevorzugter Tisch ist frei.«

»Ausgezeichnet!«

Lisa bildete sich ein, die Augen sämtlicher Gäste in ihrem Rücken zu spüren, als sie Madeleine mit steifen Schritten quer durch das Lokal folgte.

»Sie sind bekannt hier«, sagte sie, als Marc ihr formvollendet den Stuhl zurechtrückte.

»Das Chez Olivier ist eines meiner Lieblingsrestaurants. Die Küche ist raffiniert und dennoch bodenständig, was heißt, man wird genussvoll satt. Außerdem besitzt der Wirt einen vorzüglichen Weinkeller. Sie trinken doch Wein?«

»Gewiss«, antwortete Lisa geziert und verschwieg lieber, dass sie von Weinen absolut keine Ahnung hatte.

Ein Kellner brachte ihnen die Speisekarten, und eine Weile studierten sie schweigend die angebotenen Gerichte, die in einem phantasievollen sprachlichen Gemisch aus Französisch und Deutsch beschrieben wurden.

Lisa hatte sich schnell entschieden, so dass sie Zeit fand, Marc hinter ihrer erhobenen Speisekarte verstohlen zu mustern.

Sie befand sich in der Gesellschaft eines Mannes, von dem sie eigentlich angenommen hatte, dass es ihn nicht gab. Dr. von Apoll hatte sie ihn in ihrer Jugend genannt. Der Doktortitel stand für Intelligenz, das von für Reichtum und Apoll für Attraktivität. Und hier saß er ihr gegenüber: Dr. von Apoll!

Er hat schöne Hände, kräftig und doch … Himmelherrgott, Lisa, was phantasierst du dir da zusammen? Sie fühlte verräterische Hitze in ihrem Gesicht aufsteigen, die noch weiter anstieg, als Marc plötzlich hochsah und sie angrinste, so als hätte er ihre Gedanken erraten.

»Haben Sie gewählt?«

»Ja.« Sie strich sich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich hätte gern das Barbarie-Entenbrustfilet mit Sauce à la moutarde violette de Brive.« Was auch immer das sein mochte, dachte sie.

»Ich nehme das Boeuf bourguignon. Man muss bei Kräften bleiben«, zwinkerte er ihr zu.

Lisa lächelte unsicher. Sie wandte den Kopf und ließ ihre Augen durch den Raum schweifen. Das Restaurant war wirklich sehenswert. Die Wände schmückten zartfarbige Malereien, umrahmt von Ranken und Rocaillen aus Stuck. Prächtige Lüster spendeten festliches Licht, beleuchteten das Mobiliar aus runden Tischen und mit Damast bezogenen Stühlen. Auf den eingedeckten Tischen blitzten Ansammlungen von Kristallgläsern, glänzten blank polierte Silberbestecke und all die anderen schönen Dinge, welche die Nahrungsaufnahme zum stimmungsvollen Erlebnis machen.

Der Kellner trat an ihren Tisch, und Marc bestellte für sie beide. Danach wandte er seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit ihr zu. Sie sah, wie sein Blick versonnen über ihr Gesicht, ihr blondes, bis auf die Schultern fallendes Haar, ihren langen, schlanken Hals und noch tiefer hinabglitt. Sie glaubte, ihn leise seufzen zu hören.

»Worüber wollen wir sprechen?« Seine direkte Frage brachte sie in Verlegenheit.

»Ich weiß nicht.«

»Erzählen Sie von sich!«

»Da gibt es nicht viel zu erzählen.«

»Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen? War Kunsthistorikerin Ihr Traumberuf?«

Lisa überlegte. »Eigentlich nicht. Als ich noch ein Kind war, wollte ich Krankenschwester werden, … später dann Malerin, aber auch … Einreiterin!«

Marc lachte auf. »Das sind in der Tat sehr unterschiedliche Berufswünsche. Einreiterin gefällt mir am besten. Da haben wir ja schon ein gemeinsames Thema gefunden. Das heißt, Sie können reiten!«

»Ich konnte reiten«, verbesserte sie ihn. »Aber es ist lange her, dass ich auf einem Pferd gesessen habe.«

»Warum?«

»Geld«, stellte sie schlicht fest. »Reiten ist zu kostspielig für mich.«

»Verdient man nicht gut als Kunsthistorikerin?«

»Ausreichend, wenn man denn verdient.«

»Das heißt, Sie haben im Moment keine Arbeit«, brachte er es auf den Punkt.

Sie nickte betreten.

»Aber Sie brennen darauf zu arbeiten?«, fuhr er fort.

Brennen wäre übertrieben, gestand sie sich im Stillen ein.

»Ja«, log sie ungeniert.

»Dann hätte ich eine Aufgabe für Sie.«

»Und was?«

»Dazu komme ich gleich.«

Er macht es spannend, dachte sie gereizt und verlor schon halb das Interesse. Leere Versprechungen kannte sie mittlerweile zur Genüge.

»Zunächst möchte ich Ihnen einiges von mir und meiner Familie erzählen. Ich bin Teilhaber eines Softwareunternehmens, eines erfolgreichen, wie ich mit einigem Stolz sagen kann. Unser Unternehmenssitz ist Schloss Schöntal, nahe dem gleichnamigen Dorf, etwa 80 km von hier entfernt. Es ist das Schloss meiner Familie. Und wie es heißt: Was man ererbt von seinen Vätern … Kurz und gut, das Schloss ist vollgestopft mit den Dingen meiner kunstbegeisterten und sammelfreudigen Vorfahren. Bis auf wenige Räume, meine eigenen privaten und die der Firma, sind alle anderen noch original eingerichtet, das heißt vor allem im Stil des Barock und des Rokoko. Und diese Räume sind zahlreich.«

Marc machte eine Pause, und Lisa wartete gespannt.

»Zum Inventar zählen Gemälde, Möbel, Silber, Porzellan und die Bibliothek. Sie umfasst Tausende von Büchern. Keiner hat sie jemals gezählt. Nicht zu vergessen das Familienarchiv, das leider schon lange Zeit in ungeordnetem Zustand brachliegt.«

Wieder hielt er inne wie ein geübter Dramaturg, der den Spannungsbogen steigert.

»Und was soll meine Aufgabe sein?«, fragte sie ungeduldig.

»Ordnung schaffen.«

Sie runzelte skeptisch die Stirn.

»Ich möchte, dass das gesamte historische Inventar in einer Datenbank erfasst wird. Hätten Sie Interesse an dieser Aufgabe?«

Das Essen wurde serviert, und Lisa erhielt willkommene Bedenkzeit. Zwei Kellner brachten die Teller mit Speisen, die von silbernen Hauben bedeckt waren. Wie auf Kommando hoben sie die Hauben hoch, ein theatralischer Effekt, der seine Wirkung auf Lisa nicht verfehlte. Marc hatte einen Pinot noir bestellt, wie er ihr erklärte, woraufhin Lisa Kennerschaft mimte. Der Kellner schenkte ihnen ein.

»Auf unseren ersten gemeinsamen Abend«, prostete Marc ihr zu. Eine Weile aßen sie schweigend.

»Wussten Sie, dass die Haute Cuisine in Frankreich als eigenständige Kunstform gilt, ähnlich der Malerei oder der Literatur? Und dass sie wie diese bestimmte Materialien, Motive und eine Komposition benötigt, um ein vollkommenes Kunstwerk zu werden?«

»Ach ja, auf dem Gebiet kenne ich mich nicht aus«, bekannte Lisa kauend. »Ich weiß nur, dass dieses Essen wahnsinnig lecker ist.«

»Lecker allein genügt nicht. Die Haute Cuisine hat den Anspruch, das Beste vom Besten zu bieten, gewissermaßen das gesamte kulinarische Universum. Erstklassische Produkte, perfektes Arrangement und erlesene Weine gehören ebenso dazu wie eine vollendete Tischkultur.«

»Sind Sie Gourmet?«

»Gourmet wäre zu viel gesagt, dazu fehlen mir die Kenntnisse, Genießer, das trifft es eher«, erklärte er mit einem hintergründigen Lächeln.

»Den Franzosen verdanken wir auch das erste Restaurant in der Form, wie wir es heute kennen«, dozierte er weiter. »Es wurde 1780 in Paris von einem Mann eröffnet, der ein epochales Buch über die Haute Cuisine geschrieben hat, L’Art du cuisinier.«

»Kulturgeschichte hat mich immer interessiert, beinahe noch mehr als Kunstgeschichte«, sagte Lisa. »Kulturgeschichte ist umfassender. Erst durch kulturgeschichtliche Forschungen ergibt sich ein vollständiges und lebendiges Bild der Vergangenheit.«

»Dann hätten Sie Interesse?«

»Interesse woran?«

»Für mich zu arbeiten.«

»Grundsätzlich schon«, antwortete sie unentschieden.

»Sind Sie familiär gebunden?«

»Nein.«

»Und was wird Ihr Partner sagen?«, fragte er, wobei sein Blick eine gespannte Wachsamkeit offenbarte.

»Hab keinen«, antwortete sie knapp. »Diese Aufgabe wird Zeit brauchen, vielleicht Jahre dauern«, gab sie zu bedenken.

»Umso besser«, erwiderte er.

Die Gedanken wirbelten durch Lisas Kopf. Ein Traumangebot, oder etwa nicht? Das ist die Gelegenheit, auf die du lange gewartet hast. Einerseits zu schön, um wahr zu sein, meldete sich ihr Argwohn, andererseits … warum sollte sie nicht auch einmal Glück haben?

Marc schien ihre blitzschnellen Überlegungen als Zögern zu deuten. »Sie würden selbstverständlich auch gut verdienen«, lockte er. »Und erhielten zudem noch eine Einödzulage«, fügte er launig hinzu. »Schloss Schöntal liegt nämlich ziemlich abgeschieden.«

»Und Sie trauen mir diese Aufgabe zu?«

»Warum nicht?«

»Weil, ich meine, Sie wissen doch gar nichts über mich und meine Qualifikation. Vielleicht bin ich ein Computeridiot oder habe keine Kenntnisse über historische Möbel.«

Mach dich doch nicht selbst klein, warnte ihre innere Stimme.

»Ich weiß mehr über Sie, als Sie denken, ich bin schließlich nicht naiv«, entgegnete er leicht verstimmt. »In erster Linie bin ich Geschäftsmann und beurteile Mitarbeiter allein nach ihrer Kompetenz.«

»Das bezweifle ich auch nicht«, entschuldigte sie sich hastig. »Aber wir haben uns doch gerade erst kennengelernt!«

»Ich habe mich über Sie erkundigt.«

»Bei wem?«

»Ich habe den Galeristen ausgefragt.«

»Landmann?«

»Landmann. Meine Familie kennt ihn gut. Wir gehören zu seinen Kunden. Er hat Sie vorgeschlagen. Fragen Sie die schöne Lisa, hat er mir geraten, sie ist zufällig heute Abend in der Galerie! Ich musste nicht lange suchen. Die Beschreibung war perfekt. Er scheint Sie sehr zu schätzen.«

Marc lächelte süffisant, und Lisa senkte den Kopf. Landmann war ein Kapitel für sich, und das wollte sie in diesem Moment gewiss nicht aufschlagen.

»Jedenfalls hat er von Ihnen in den höchsten Tönen geschwärmt … rein beruflich natürlich. Er hat mir berichtet, dass Sie bereits mehrere, auch größere Kunstsammlungen wissenschaftlich dokumentiert haben. Außerdem haben Sie ein Buch über expressionistische Revolutionsgemälde geschrieben, sehr speziell«, bemerkte er mit einem schiefen Grinsen, »und für das Kunstmuseum eine Ausstellung zu Rokokoporträts konzipiert. Sie sehen, ich bin ausreichend über Sie informiert.«

Marc lehnte sich zurück und fixierte sie.

»Nun, wie lautet Ihre Antwort?«

»Ja«, sagte Lisa.

Kapitel 2

Die Lautsprecherstimme schnarrte wie eine schlecht geölte Tür. »Nächste Bahnstation Schöntal!« Lisa hatte ihr Ziel erreicht. Mit einem leisen Knall klappte sie ihr Buch zu, so als setze sie einen Schlusspunkt, unter was auch immer. Dann zog sie ihre Jacke an, hangelte mit Mühe ihre Reisetasche aus der Gepäckablage, hängte sich ihre voluminöse Schultertasche um und postierte sich wartend vor der Zugtür.

Der Zug lief langsam in den Bahnhof ein und kam mit einem letzten Ruck zum Stehen. Lediglich ein einzelner Fahrgast verließ mit Lisa den Zug. Doch im Gegensatz zu ihr schien der Mann seinen Weg zu kennen, denn er steuerte zielstrebig auf das kleine Bahnhofsgebäude zu. Der Zug fuhr wieder an und war wenig später verschwunden. Stille senkte sich über den Ort. Lisa stand verloren auf dem Bahnsteig.

Na, dann mal los, munterte sie sich auf. Hier wird sich doch wohl jemand finden, der mir den Weg zum Schloss Schöntal zeigen kann.

Sie betrat die kleine, schummrige Bahnhofshalle. Sie war leer und der einzige Fahrkartenschalter geschlossen. Lisa durchquerte die Halle und öffnete die schwere Eingangstür, die sich quietschend widersetzte. Viele Fahrgäste schienen nicht hindurchzugehen.

Vor ihr lag das Halbrund eines mit Kopfsteinen gepflasterten, von hohen Bäumen umstellten Platzes. Wenige alte Häuser duckten sich unter ihren mächtigen Kronen. Kein Mensch war zu sehen, kein Laut zu hören. Nur die Blätter der Bäume rauschten im Wind. Bestürzt blickte sie sich um. Grundgütiger! Wo war sie hingeraten? In ein Zeitloch gefallen?

Was mache ich denn nun? Wie sollte sie zum Schloss kommen? Sie konnte wohl kaum zu Fuß gehen. Sie wusste weder Richtung noch Entfernung!

»Kann ich Ihnen helfen?« Erschrocken drehte sie sich um. Vor ihr stand der Mitreisende. »Warten Sie auf jemanden?«

»Nein.« Sie war nervös. Warum? Weil sie beide allein auf diesem Platz standen? Der Mann sah nicht gefährlich aus, oder doch? Er sah gefährlich gut aus. Ein richtiger Mann, hätte ihre Mutter gesagt, nicht wirklich schön, aber sehr attraktiv. Er war groß, wirkte athletisch. Sein Gesicht wurde durch kantige Linien modelliert. Das dunkelblonde Haar trug er militärisch kurz geschnitten. Äußerst irritierend fand sie seine Augen, schmal und schillernd grün wie die einer Katze.

»Sie stehen hier wie bestellt und nicht abgeholt«, stellte er wenig taktvoll fest.

»Was geht Sie das an?«

»Wo wollen Sie denn hin?«

»Schloss Schöntal«, murmelte sie.

»Das trifft sich gut. Ich auch.«

Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. »Wie – Sie auch? Ist das Zufall?«

»Vielleicht Vorsehung«, lachte er. »Ich arbeite auf Schloss Schöntal, Thomas Linden«, stellte er sich vor.

»Darf ich fragen, was Sie zum Schloss Schöntal führt?«

Gott, wie gestelzt er sich ausdrückte! »Dasselbe.«

»Dasselbe?«, fragte er.

»Arbeit!«

»Aha.«

Er war verwirrt, bemerkte sie mit boshafter Befriedigung.

»Thomas, hallo!« Beide sahen gleichzeitig in die Richtung der rufenden Stimme. Auf einem Fahrrad holperte eine junge Frau über das Kopfsteinpflaster heran. »Was machst du hier?« Rasch taxierten ihre Augen Lisa.

»Hallo, Britta. Ich bin gerade mit dem Zug angekommen. Ich hatte Termine in der Stadt. Die junge Dame will zum Schloss und weiß nicht, wie. Ich habe ihr angeboten, sie mitzunehmen, aber … sie hat Angst vor mir«, grinste er frech.

»Ich habe keine Angst«, Lisa merkte, dass sie sich wie ein quengeliges Kind anhörte. »Aber ich kann doch nicht mit jedem Daher… Arbeitet der hilfsbereite junge Mann wirklich auf Schloss Schöntal«, versuchte sie zu scherzen.

Doch Britta verzog keine Miene. »Ja«, antwortete sie knapp. »Mach’s gut, Thomas, wir sehen uns am Montag!« Mit diesen Worten trat sie in die Pedale und fuhr davon.

»Wollen wir?« Er sah Lisa fragend an. »Sonst müssen Sie auf den Bus warten. Der fährt allerdings nur alle zwei Stunden. Und von der Bushaltestelle ist es noch gut einen Kilometer zu Fuß bis zum Schloss.«

Ohne ihre Antwort abzuwarten, griff er ihre Reisetasche und marschierte los. Lisa blieb nichts Besseres übrig, als hinter ihm herzustolpern. Das Kopfsteinpflaster war nicht eben geeignet für ihre schicken, hochhackigen Schuhe, oder eher umgekehrt?

»Wo steht denn Ihr Wagen?«

»Gleich um die Ecke.« Thomas ging um das Bahnhofsgebäude und blieb vor einem Motorrad stehen. Entgeistert betrachtete Lisa die schwere Maschine. »Das ist nicht Ihr Ernst, da steige ich nicht drauf«, protestierte sie.

»Irgendwelche Probleme?«

»Ja, ich habe noch nie auf so einem Ding gesessen.«

»Das ist kein Ding«, belehrte er sie, »das ist eine Moto Guzzi!«

»Eine was?«

»Steigen Sie auf«, kommandierte er.

»Wo soll ich mich denn festhalten? Außerdem habe ich keinen Helm, und für meine Reisetasche ist auch kein Platz!«

»Helme habe ich zwei, die Reisetasche wird am Gepäckträger befestigt, und festhalten müssen Sie sich an mir«, entgegnete er leicht genervt.

»Was, wie soll das gehen? Wieso haben Sie zwei Helme dabei?« In Lisas Stimme vibrierte Panik.

»Wieso ich zwei Helme dabeihabe? Na, überleg mal, Rotkäppchen, damit ich dich besser fressen kann.«

Sein aufreizendes Lachen dämpfte der Motorradhelm. Er reichte ihr den zweiten, den sie ungeschickt aufsetzte, schwang sich auf den Sitz und ließ den Motor an. Ein tiefes, sattes Brummen ertönte. Schwerfällig kletterte Lisa hinter ihn.

»Festhalten«, befahl er.

»Wo denn?«

»Schlingen Sie die Arme um meinen Oberkörper.«

Lisa legte ihre Hände auf seine Schultern.

»Fester, sonst fallen Sie gleich beim Anfahren runter.«

Sie verstärkte ein wenig den Druck.

»Himmel noch mal, nun stellen Sie sich nicht so an.« Thomas packte ihre Arme und schloss sie fest um seine Brust.

»Fertig?«

»Ja«, schrie sie gegen den Motorenlärm an. Er hob den Daumen und rollte los.

Die ersten Meter steuerte er seine Maschine langsam und bedächtig durch den Ort, der kaum mehr als drei Straßen zu haben schien. Schnell gelangten sie auf die Landstraße. Thomas beschleunigte, Lisa spürte den Fahrtwind im Gesicht. Sie schmiegte sich an seinen Rücken, und ihr Herz begann aufgeregt zu klopfen, nicht nur aus Furcht.

Sie fuhren durch eine hügelige Landschaft. Bäume in zartem Frühlingsgrün rahmten die Landstraße und boten reizvolle Durchblicke auf blühende Wiesen und dunkle Wälder. Rapsfelder glänzten golden im Sonnenschein. Duftige Wolken zogen am blauen Himmel entlang. Es war ein prächtiger Tag, und Lisa begann ihn zu genießen.

Nach weniger als zehn Minuten Fahrt, auf dem Kamm eines Berges, wies Thomas mit ausgestrecktem Arm in die Ferne. Und da lag es, das Schloss, eingebettet in ein anmutiges Tal, Schloss Schöntal!

Die Straße schlängelte sich den Berg hinunter und führte in der Talsenke an der langen, hohen Schlossmauer entlang. Lisa staunte über die Ausmaße des Besitzes.

Thomas bog ab und steuerte auf ein großes Tor zu. Zwei wuchtige Pfeiler, gekrönt von je einer steinernen Ananasfrucht, hielten die beiden Torflügel, die einladend offen standen. Ein Gespinst aus schmiedeeisernen Ranken und Bogen wuchs auf jedem Torflügel bis zur Spitze empor und fügte sich zur Form des Wappens der Grafen von Alnor, jedenfalls vermutete Lisa dies.

Sie hatte sich nur unzureichend informieren können, denn sowohl über das Schloss und seine Geschichte als auch über die früheren und heutigen Bewohner gab es kaum Literatur. Lediglich auf der Website des Softwareunternehmens hatte sie einige knappe Zeilen gefunden.

Hohe Lindenbäume flankierten die Schlossallee. Sie wuchsen mit ihren Kronen zu einem Dach aus Blättern zusammen und geleiteten das Motorrad wie durch einen Tunnel zu dem fern und verheißungsvoll im Sonnenschein schimmernden Schloss. Thomas drosselte die Geschwindigkeit, und gemächlich näherten sie sich dem herrschaftlichen Gebäude.

Die lange Allee mündete in ein ovales, mit Kies bestreutes Rondell, in dessen Mitte Wasser munter in einen Brunnen plätscherte. Eine steinerne Brunnenfigur erhob sich auf dem Brunnenrand.

Sie stiegen vom Motorrad und nahmen ihre Helme ab. Lisa sah sich um.

»Gefällt es Ihnen?«, fragte Thomas.

»Wunderschön«, seufzte sie. »Ein maison de plaisance.«

»Ein was?«

»Ein Lustschloss!«

»Davon habe ich noch nichts gespürt«, lachte er. »Doch was nicht ist, kann ja noch werden.«

»Ich bringe das Motorrad in die Scheune«, rief er ihr zu, während er seine Maschine in Richtung eines der beiden Nebengebäude schob, die zu jeder Seite rechtwinklig an das Schloss grenzten. Sie nickte flüchtig, war schon versunken in die Betrachtung des Schlosses.

Heiter und beschwingt wuchs das pfirsichrosa verputzte Bauwerk an vier Achsen in die Höhe. Aus der Fassadenmitte sprang ein zweistöckiger Risalit hervor, akzentuiert von Pilastern mit korinthischen Kapitellen und bekrönt von einem Dreiecksgiebel. Die geschwungene Treppe führte zum doppelflügeligen Portal, das von hohen Sprossenfenstern gerahmt wurde. In der zweiten Etage fassten die Fenster einen Balkon ein. Das Mansarddach wies zwei große, runde Fenster auf, die wie staunende Augen in die Ferne zu blicken schienen.

»Darf ich Sie ins Schloss geleiten?«

Galant bot Thomas ihr seinen Arm, und Lisa ging auf sein Spiel ein. Gemessenen Schrittes stiegen sie die Treppe hoch, wobei Lisa ein albernes Kichern nicht unterdrücken konnte. Wenn mich jemand beobachtet!

Kaum oben angelangt, öffnete sich auch schon die Tür, und ein junges Mädchen trat auf die Schwelle. »Herzlich willkommen auf Schloss Schöntal.«

»Danke«, sagte Lisa und musterte das Mädchen neugierig. Sie war vielleicht zwanzig Jahre alt, doch klein und zierlich wie ein Kind. Sie trug ein dunkles, langärmliges Kleid, darüber eine winzige, weiße Schürze. Nur das Häubchen fehlt, spottete Lisa insgeheim. Mich hat es tatsächlich in die Vergangenheit verschlagen.

»Ich bin Charlotte. Graf von Alnor ist ausgeritten und wird zum Tee zurück sein.«

Lisa war enttäuscht. Seit ihrem Zusammensein im Restaurant, seit seinem Angebot, das sie leichtfertig, so schien es ihr mitunter, angenommen hatte, waren mehrere Wochen vergangen. Immer wieder hatte sie in der zurückliegenden Zeit ihren Entschluss überdacht, mal gezaudert, mal gezweifelt. Mehrmals hatte sie mit Marc telefoniert, Fragen gestellt, sich von ihm ihre Kleinmütigkeit ausreden und sich von seinem Charme betören lassen. Nun gut. Er war nicht zu ihrer Begrüßung erschienen. Sie durfte sich keinen Illusionen hingeben.

Charlotte bat Lisa hinein. Sie betrat die Halle. Ihre Augen brauchten eine Weile, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen, das nur durch drei breite Sonnenbahnen, die schräg durch die offene Tür und die beiden seitlichen Fenster fielen, erhellt wurde. Allmählich schärften sich die Konturen. Lisa sah sich um.

»Großartig«, flüsterte sie, während sie unbefangen in einer langsamen Pirouette jedes Detail der Ausstattung in sich aufnahm. Abrupt blieb sie stehen, verwirrt von ihrem eigenen Spiegelbild. Staunend betrachtete sie den prunkvollen Spiegel, der über einer marmornen Barockkonsole hing. Wuchernde Blattrocailles quollen aus den vergoldeten, kunstvoll geschnitzten Leisten, türmten sich auf zu einem mächtigen, bekrönenden Giebelornament, aus dessen verwirrendem Geflecht ein kleiner Putto hervorlugte. Die niedliche Figur saß auf einer Schnecke und hielt einen Papagei im Arm.

»Wie entzückend, die kleine Figur dort«, wies sie mit dem Arm nach oben. »Wie fein geschnitzt sie ist – und die Rocailles, einfach umwerfend!«

»Mmh, ja, okay. Ich habe mich gelegentlich gefragt, auf was die Figur sitzt«, bekannte Thomas.

»Das ist eine Schnecke!«

»Aha, eine Schnecke, warum nicht? Und was soll das Ganze?«

»Was Sie hier sehen, ist eine barocke Allegorie«, erklärte Lisa ihm. »Das pummelige, nackte Kind ist ein Putto und stellt Amor dar, den Liebesboten aus der römischen Mythologie.« Sie zögerte kurz und hob fragend die Augenbrauen. Thomas wie auch Charlotte beeilten sich, kundig zu nicken.

»Die Schnecke … die Schnecke also war in der barocken Kunst ein Symbol für die Sexualität.« Erwartungsvoll hielt sie inne und betrachtete ihr kleines Publikum.

»Die gab es damals auch schon?«, fragte Thomas. Um seine Mundwinkel begann es, verräterisch zu zucken, bevor er in ansteckendes Gelächter ausbrach.

Lisa versuchte vergeblich, sich das Lachen zu verkneifen.

»Wollen Sie jetzt Ihr Zimmer sehen?«

Lisa nickte und folgte Charlotte durch die Halle. Ihre Schritte hallten über den schwarz-weiß gefliesten Steinfußboden. Doch am Fuß der Treppe blieb sie erneut stehen. Eine solche Treppe hatte sie noch nie gesehen.

In breiten, flachen Stufen führte sie in die Höhe, löste sich allmählich von der Hallenwand, um in eleganter Drehung frei tragend nach oben zu schwingen. Geschnitzte Bildfelder mit den Darstellungen von Putten bei allerlei müßigen Tätigkeiten füllten die Treppenwangen. Putten, die musizierten, Putten, die Blumenkränze flochten, Putten, die mit Tieren spielten. Lisa konnte nur staunen über ein Kleinod vergangener Handwerkskunst!

»Was ist da unten los?« Eine brüchige Altmännerstimme schreckte sie auf. »Charlotte, komm und hilf mir!«

Charlotte schaute zuerst Thomas und dann Lisa an. »Der Graf«, raunte sie und hastete die Treppe hinauf.

Bald darauf hörte man das dumpfe Pochen eines Stockes und schwerfällige Schritte. Lisa blickte gespannt nach oben. Unwillkürlich lief ihr ein Schauer über den Rücken.

Als Erstes sah sie seine alte, knochige Hand, die den Handlauf ruckweise nach unten rutschte. Dann erschien der Mann selbst. Graf Albrecht von Alnor, Herr des Schlosses und Großvater von Marc. Lisa wusste, dass er im Schloss lebte. Marc hatte ihr seinen Großvater voller Zuneigung beschrieben. Von ihm war er großgezogen worden, als seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren.

Doch als der Graf vor ihr stand, ein schmächtiges, spitznasiges Männlein in einem altmodischen Anzug, und sie aus funkelnden Augen musterte, empfand Lisa eine spontane Abneigung.

»Wer sind Sie?«

»Das ist Frau Dr. Schmidt«, antwortete Charlotte an Lisas Stelle. »Sie ist …«

»Kann die junge Frau nicht selbst antworten?«, fiel der Graf ihr ins Wort.

Lisa räusperte sich. »Ich bin Lisa Schmidt. Marc von Alnor hat mich engagiert, um Ihre Kunstsammlung zu inventarisieren. Ich soll am Montag damit beginnen.«

Die Miene des Alten blieb abweisend. »So, so, Sie sind diese … Kunstexpertin, von der mein Enkel gesprochen hat.« Ein herablassender Zug hatte sich in seine Mundwinkel geschlichen. »Ich hoffe, Sie sind Ihr Geld wert.«

Lisa spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Auf diesen Empfang war sie nicht vorbereitet.

»Wenn ich nicht erwünscht bin, kann ich sofort wieder gehen.« Ihre Stimme klang schrill. »Wo ist meine Reisetasche?« Blind schaute sie um sich, krampfhaft bemüht, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen.

»Nun mal langsam«, hörte sie Thomas sagen. »Ich denke, die Worte des Grafen klingen anders, als er sie meint, ist es nicht so?«

Der Alte brummte vor sich hin und setzte sich auf seinen Stock gestützt in Bewegung. »Ich bin in der Bibliothek und erwarte dort meinen Tee«, rief er Charlotte zu, die sichtlich erleichtert davoneilte.

Lisa griff nach ihrer Reisetasche. »Ich gehe!«

»Bitte, Lisa, beruhigen Sie sich. Graf von Alnor ist ein alter Mann. Lassen Sie sich von seiner schroffen Art nicht entmutigen. Er spricht mit allen im Schloss so.«

»So unhöflich, meinen Sie. Mit mir spricht er nicht so!«

»Warten Sie, bis Marc zurück ist«, bat Thomas sie eindringlich. »Was würde er sagen, wenn ich Sie so einfach gehen ließe.«

Lisa sah in seine Augen, als könnte sie darin ihre Zukunft lesen. »Also gut«, seufzte sie.

Kapitel 3

Ihr Zorn war vergangen, doch ebenso die Freude. Vielleicht hätte sie doch abreisen sollen, erhobenen Hauptes.

Zugegeben, das Zimmer, in das Charlotte sie geführt hatte, war wunderschön, groß und hell, mit erlesenen, antiken Möbeln ausgestattet. Ein grandioses Himmelbett stand in der Mitte des Raumes. Seine geschwungene Form erinnerte an ein Boot, die Bettpfosten glichen Säulen aus Papyrusbündeln und waren vergoldet. Die Krönung im doppelten Sinne war jedoch der Baldachin, der unter der Decke an einem Lorbeerreif aus Messing hing. Üppige Stoffdraperien aus gelb-weiß gestreiftem Seidendamast waren zu beiden Seiten des Bettes an der Wand befestigt. Mit demselben Stoff waren die zwei hohen Fenster des Zimmers umhüllt und sogar die Wände bespannt.

Lisa öffnete ein Fenster und atmete die frische Frühlingsluft ein. Ihr Zimmer lag in der Beletage, wie sie mit Genugtuung feststellte. In früheren Zeiten war die Beletage allein den hohen Herrschaften vorbehalten. Und jetzt wohnte sie hier, Lisa Schmidt. Bis zum entfernten Tor konnte sie die Allee übersehen, die schnurgerade auf ihre Fenster zulief.

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