Und plötzlich sind sie 13 - David Arp - E-Book

Und plötzlich sind sie 13 E-Book

David Arp

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Beschreibung

Der Bestseller unter den Erziehungs-Ratgebern für Eltern von Kindern in der Pubertät von den Bestsellerautoren Claudia und David Arp komplett überarbeitet und aktualisiert Der Bestseller "Und plötzlich sind sie 13 oder: Die Kunst, einen Kaktus zu umarmen. Reiseführer durch die Pubertät" ist seit seinem Erscheinen zu einem Klassiker der Eltern-Ratgeber geworden. In dieser komplett überarbeiteten, erweiterten und aktualisierten Ausgabe finden sich wieder alltagstaugliche Tipps, wie die Pubertät nicht zur latenten Dauerkrise wird. Eltern können stattdessen entdecken, dass die Teenagerjahre eine einmalige Gelegenheit sind, ihre Kinder Schritt für Schritt in mehr Verantwortung und Selbstständigkeit zu führen. Und wie sie ihre Kinder unterstützen und begleiten können, ohne sich selbst zu verlieren. Ergänzt werden die praktischen Hinweise und Beispiele von nützlichen Expertentipps und Erfahrungsgeschichten von Teenie-Eltern. Besonders berücksichtigt wurden in dieser überarbeiteten Ausgabe die Situation von Patchworkfamilien und Alleinerziehenden, die fortschreitende Digitalisierung, der Umgang mit LGBTQ-Kindern und vieles mehr. "Die Kunst, einen Kaktus zu umarmen" bietet einer modernen Generation von Eltern mit einer neuen Generation von Teenagern kompetente, erfahrungsnahe und umsetzbare Tipps. So können alle Beteiligen die abenteuerliche Reise durch das Land der Pubertät gut überstehen!

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Was andere an diesem Buch begeistert

Alle gegenwärtige Forschung hat uns gezeigt, dass der wichtigste Faktor für langfristiges Lebensglück in guten nahen Beziehungen liegt, vor allem in Familien. Sie sind auch der wichtigste Schutzfaktor gegen seelische Belastungen.

Schwierige Phasen in Familienbeziehungen umzuwandeln in ermutigende gemeinsame Entwicklungen, ist eine der speziellen Gaben von David und Claudia Arp. Mit ihren über dreißig Jahren Erfahrung haben Sie großartige Lösungen für die besonderen Probleme entwickelt, denen Eltern und Kinder während der Teenagerkrise gegenüberstehen. Ich wünsche diesem ausgezeichneten Buch die Verbreitung, die es verdient.

Dr. Arne HofmannFacharzt für Psychotherapeutische und Innere Medizin,Traumaexperte,Träger des Verdienstkreuzes am Bande desVerdienstordens der Bundesrepublik Deutschland

Wie gelingt es, in der Teeniezeit eine gute Beziehung zu den Kindern zu halten und ihnen gute Wegbegleiter zu bleiben? In diesem Buch finden Eltern umsetzbare Antworten auf die großen Herausforderungen der Pubertätszeit: Umgang mit der digitalen Welt, Selbstwert, Gruppendruck, Gefühlschaos, Geschlechtsentwicklung, Werte und Überzeugungen.

Die Autoren sind Praktiker mit sozialwissenschaftlicher Kompetenz und reichlich eigener Erziehungserfahrung. Alle Inhalte sind wissenschaftlich abgesichert und mit zahlreichen Elterninterviews ergänzt.

Ein geniales Ratgeberbuch, das Eltern nicht nur hilft, Jugendliche zu verstehen, sondern ihnen eine Anleitung bietet, ihr pubertierendes Kind wertschätzend zu erziehen und auf dem Weg zum Erwachsenwerden liebevoll zu begleiten.

Susanne & Marcus MocklerPaar- und FamilientherapeutinJournalist und KommunikationstrainerEltern von acht Kindern

Ein köstlicher Ratgeber, der weder von idealen Eltern noch von idealen Teenagern ausgeht und durch Anschaulichkeit, Realitätsnähe und Fachkompetenz gekennzeichnet ist.

Friederike KlenkReferentin, Seelsorgerin, Pädagogin undMutter von drei Kindern

Dieses Buch hilft Eltern, das mitunter stachelige Verhalten ihrer Teenager zu verstehen und liebevoll abzufedern. Es ist voller praktischer Tipps, wie man die Reise durch die Pubertät so gestalten kann, dass die Jugendlichen eines Tages als gefestigte Personen mit eigenen Werten und sozialer Kompetenz ins Erwachsenenleben treten können.

Gleichzeitig ist die Neuausgabe des Bestsellers ein Update, das sich aktuellen Herausforderungen wie dem Einfluss des Internets auf die junge Generation sowie der zunehmenden Zahl von Alleinerziehenden und Patchwork-Familien besonders annimmt – ein zeitgemäßer Blick auf die Welt, der den Autoren hervorragend gelungen ist.

Beate ZobelÜbersetzerin,Mutter von drei Kindern

Claudia und David Arp

Und plötzlich sind sie 13

oder

Die Kunst, einen Kaktus zu umarmenReiseführer durch die Pubertät

Deutsch von Beate Zobel

Diese Publikation enthält Links zu Webseiten Dritter, auf deren Inhalte der Verlag keinen Einfluss hat. Es wird deshalb keine Haftung dafür übernommen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden zumeist das generische Maskulinum verwendet, also z. B. von „dem Teenager“ gesprochen. Bei konkreten Beispielen wechseln sich männliche und weibliche Bezeichnungen und Pronomen teilweise ab. Wo nur männliche Begriffe und Pronomen stehen, gelten diese im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Menschen und beinhalten keine Wertung.

Copyright © 2022 Claudia und David Arp

Alle Rechte vorbehalten.

47. Auflage, vollständig überarbeitet, aktualisiert und erweitert

© 1996/2022 Brunnen Verlag GmbH, GießenÜbersetzung, Beratung und Textbeiträge: Beate ZobelLektorat: Konstanze von der Pahlen, Brunnen VerlagUmschlaggestaltung: Daniela Sprenger, Brunnen VerlagUmschlagillustration: BONNINSTUDIO/Stocksy; Adobe StockSatz: Brunnen VerlagISBN Buch 978-3-7655-3682-3ISBN E-Book 978-3-7655-7652-2www.brunnen-verlag.de

Für Beate Zobel,unsere gute Freundin und ÜbersetzerinDu bist eine echte Wortkünstlerin, ausgezeichnete Kritikerin,wertvolle Mitarbeiterin und unsere deutsche Stimme.

Danke auch an Linda, Manuel und Jonathan,die uns wichtige Einblicke in die Herausforderungengewährt haben, denen Teenager in der heutigen digitalen Weltwährend der Kaktus-Zeit gegenüberstehen.

In großer Dankbarkeit,Claudia und David ArpAugust 2022

Inhalt

Einleitende Gedanken von Claudia und David Arp

1 Vier Säulen einer stabilen Beziehung – Navigation durch die Pubertät

Teil 1: Schritt halten – Stimmt die Beziehung zu Ihrem Teenager?

2 Kann man Teenager verstehen?

3 Die Gehirnentwicklung und die bedingungslose Liebe

4 Die Geschlechter und ihre Unterschiede

5 Eine neue Perspektive

Teil 2: Verantwortung übertragen – Hilfestellung für Teenager

6 TeenPrep, das individuelle Übergangsritual

7 Countdown zur Volljährigkeit: Die Jahresbox

Teil 3: Beziehung bauen, Hindernisse ausräumen

8 Reden ist Silber, Zuhören ist Gold

9 Von beschädigten und reparierten Brücken

10 Wichtiges und weniger Wichtiges

11 Generation online: Sicher in der digitalen Welt

12 Gute Werte und weise Entscheidungen

13 Kurskorrektur auf halber Strecke

14 Wenn manches anders ist: Von Alleinerziehenden und Patchwork-Familien

Teil 4: Locker bleiben – Akzeptieren, was man nicht ändern kann

15 Locker bleiben – kann man das lernen?

Dank

Über die Autoren

Anmerkungen

Vorwort

Einleitende Gedanken von Claudia und David Arp

Herzlich willkommen! Wir freuen uns, Ihnen die vollständig überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Ausgabe von „Und plötzlich sind sie 13“ vorlegen zu können, Ihrem Reiseführer durch die Pubertät. Die Welt der Heranwachsenden hat sich in den dreizehn Jahren, seit wir dieses Buch zuletzt überarbeitet haben, sehr verändert.

Wir müssen uns bewusst machen, dass gerade die erste Generation heranwächst, die von klein auf mit dem Handy vertraut ist. Vor wenigen Jahren schleppten die Schüler noch schwere Ranzen voller Bücher, Hefte und Stifte. Heute ist der Rucksack leicht, oft werden nur noch Tablet und Handy gebraucht. In der letzten Ausgabe von „Und plötzlich sind sie 13“ haben wir den Eltern noch erklärt, was Facebook ist. Jetzt ist Facebook eher die Plattform der älteren Generation, WhatsApp, Twitter und YouTube werden generationsübergreifend genutzt, während die Jugendlichen sich gern bei Instagram, Snapchat, TikTok und Discord aufhalten. Bis Sie dieses Buch lesen, wird sich das vielleicht schon wieder verändert haben.

Wir möchten Sie mit der Welt der Teenager von heute vertraut machen. Lassen Sie sich auf diese abenteuerliche, nervenaufreibende, holprige, beglückende Reise durch die Pubertät ein. Sie können als Familie unbeschadet durch diese Zeit kommen – die Pubertät ist kein Krieg zwischen den Generationen. In der Pubertät will man die Welt entdecken, ist leidenschaftlich und intensiv. Teenager brauchen den Abstand zu ihren Eltern und die Nähe zu Gleichaltrigen. Sie testen Grenzen aus, das ist normal. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Es ist möglich, gute Beziehungen zu den Heranwachsenden zu führen und ihren Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenleben bewusst zu gestalten. Dabei wollen wir Sie und Ihre Teenager unterstützen.

Während die Überarbeitung dieses Buches zum Abschluss kommt, ist – hoffentlich – auch das Ende der Corona-Pandemie in Sicht. Anstrengende Jahre liegen hinter uns. Manche Jugendlichen hatten mit depressiven Verstimmungen und Ängsten zu kämpfen, während andere die ruhige Zeit im Lockdown genießen konnten. Weder eine Pandemie noch sonstige Herausforderungen müssen immer nur negativ sein, auch nicht die Phase der Pubertät. Es können Jahre werden, in denen Sie auf besondere, neue Weise mit Ihren Teenagern verbunden sind. Wir wollen Sie dazu motivieren, die Beziehungen mit Ihren Kindern bewusst zu pflegen – eine Investition, von der Sie Ihr restliches Leben profitieren werden.

Hier das Feedback einer Mutter von drei Kindern, deren Reise durch die Pubertät sich gerade dem Ende zuneigt:

Wir sind aus dem Gröbsten raus – und damit meine ich nicht die Windelphase, sondern die Tatsache, dass bald auch mein jüngstes Kind volljährig sein wird. Da fällt mir wieder dieses Buch in die Hand. Ich hatte es damals gelesen, als die Pubertät noch wie eine bedrohliche Unbekannte vor uns aufragte. Danach vergaß ich es – dachte ich.

Nun stelle ich rückblickend fest, dass die Prinzipien, die ich in den letzten Jahren angewandt, anderen empfohlen und für meine eigenen Erkenntnisse gehalten habe, tatsächlich diesem Buch entstammen. Beziehung und Kommunikation, die beiden Werte, für die Claudia und David Arp sich mit höchster Priorität stark machen, waren zu den Leitplanken geworden, die meine Kinder und mich auf dem Weg gehalten haben, von ihrer Kindheit bis zur Volljährigkeit.

Wir haben miteinander Höhen und Tiefen erlebt, aber die Beziehung zueinander und die Kommunikation zwischen uns standen für mich immer an erster Stelle, manchmal auch unter Verzicht auf gesellschaftliche Normen und Erwartungen. Egal, was finanziell sinnvoll, gesund, logisch und für die spätere Laufbahn gut gewesen wäre – das Wichtigste war immer, dass die Kinder mir alles sagen können und sich in der Beziehung zu mir sicher fühlen.

Ich verdanke den Autoren dieses Buches das Glück, mit meinen erwachsen werdenden Kindern herzlich verbunden geblieben zu sein. Ihre kritische Offenheit in unseren Gesprächen hält mich jung.

Auf den folgenden Seiten teilen wir manche unserer eigenen Erfahrungen, dazu die Geschichten anderer Eltern von Teenagern. Sie waren bereit, ihre Gedanken und Erlebnisse einzubringen, natürlich mit geänderten Namen oder anonym. Wir lassen entwicklungspsychologische Fachleute zu Wort kommen und geben Einblicke in die neuere Gehirnforschung. Überall im Text haben wir unter der Überschrift „Was Experten sagen“ hilfreiche Einsichten eingestreut. All das soll dazu dienen, die Gründe für das Verhalten der Teenager nachvollziehbar zu machen.

Das Buch enthält viele Tipps, wie Sie eine gute Beziehung zu Ihrem Teenager aufbauen bzw. bewahren können. Am Ende jedes Kapitels finden Sie Ideen zum Gespräch. Solange Sie miteinander reden, können Sie auch Lösungen für die Probleme finden, die immer wieder auftauchen werden. Wir ermutigen Sie, dabei die Erwartungen an sich und Ihre Kinder nicht zu hoch zu setzen. Alle werden Fehler machen. Sie als Eltern werden mal zu streng, mal zu nachlässig sein. Es wird Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten geben, manchmal wird es so aussehen, als hinge die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Teenager an einem seidenen Faden. Was dann? Im Gespräch bleiben, immer wieder neu den Kontakt suchen – dann wird Ihre gemeinsame Reise durch die Pubertät gelingen.

Und noch etwas: Versuchen Sie nicht, jeden Vorschlag dieses Buches umzusetzen! Es reicht völlig, wenn Sie sich ein paar Anregungen herauspicken, die zu Ihnen und Ihrer Familie passen.

Nun wünschen wir Ihnen eine entspannte Zeit mit diesem Buch und hoffen, dass die Reise für Sie und Ihre (angehenden) Teenager nicht nur herausfordernd, sondern auch erfüllend sein wird.

Alles Gute!David und Claudia Arp

Kapitel eins

Vier Säulen einer stabilen Beziehung – Navigation durch die Pubertät

Meine Eltern lieben mich überhaupt nicht. Ich kann kommen und gehen wie ich will. Selbst wenn ich die ganze Nacht wegbleibe, sagen sie nichts. Ich bin ihnen einfach egal.

Ein Sechzehnjähriger

Wer mit etwa dreizehn- bis sechzehnjährigen Teenies zu tun hat, kann sich nie sicher sein, was von einem erwartet wird. Reden oder schweigen, lachen oder weinen, Nähe oder Distanz? Manchmal wechseln die Stimmungen von Teenagern rasend schnell, wie das Auf und Ab einer Achterbahn, bei der man nie weiß, in welcher Richtung es nach der nächsten Kurve weitergeht. Hatten die Eltern mit ihrem Teenager gestern noch ein vernünftiges Gespräch auf Augenhöhe, kann er heute plötzlich uneinsichtig und verzweifelt sein wie ein Dreijähriger. Doch auch wenn Eltern sich dann manchmal an die Kleinkindzeit erinnert fühlen, ihre Teenager sind in einer ganz anderen Situation: Hormone wirken auf sie ein, sie müssen sich in der digitalen Welt behaupten und von den Erwachsenen trennen sie manchmal Welten.

Für Jugendliche in der Pubertät verliert die Familie an Bedeutung, während Freunde immer wichtiger werden. Gleichzeitig reagieren Teenager impulsiv, lassen sich unüberlegt auf Abenteuer ein, scheuen auch vor riskanten Unternehmungen nicht zurück und ignorieren die besorgten Einwände ihrer Eltern. Wenn die Erwachsenen im falschen Moment oder auf die falsche Weise die Nähe ihrer Kinder suchen, haben sie das Gefühl, einen Kaktus umarmen zu wollen. Das kann richtig wehtun. Kein Wunder, dass es vielen Eltern Angst macht, wenn sie bei ihren Kindern die ersten Anzeichen der Pubertät entdecken.

Wie begründet diese Angst manchmal sein kann, zeigt die folgende Geschichte.

„Den Sommer, als Simon dreizehn wurde, werde ich nie vergessen“, erzählte Kristin. „Alles fing ganz harmlos an. Die Kinder hatten Sommerferien und Simon, unser Ältester, wollte gern einige Zeit bei meinen Eltern verbringen. Als frischgebackener Teenager freute er sich auf eine Zeit ohne die kleinen Geschwister, außerdem konnte er auf dem Pferdehof der Großeltern mitarbeiten und ein bisschen Geld verdienen.

Simon arbeitete fleißig mit seinem Opa zusammen, sie reparierten Zäune und hielten die Ställe sauber. Gelegentlich mussten die Großeltern in die Stadt, um Besorgungen zu machen. Dann luden sie Simon ein, mitzukommen und vielleicht zusammen etwas essen zu gehen. Aber Simon sagte immer ab, er sei zu müde von der ungewohnten Arbeit, eine Begründung, die seine Großeltern natürlich akzeptierten.

Simon war wirklich müde, aber das war nicht der Grund, warum er allein im Haus seiner Großeltern bleiben wollte“, seufzte Kristin. „Meine Eltern hatten in diesem Sommer zwei neue Autos gekauft, einen kleinen, hellgrauen Opel und einen dunkelblauen BMW, der es unserem Jungen angetan hatte. Die Schlüssel hingen immer entweder am Schlüsselboard neben der Tür oder sie steckten im Zündschloss.“

Wir ahnten schon, in welche Richtung Kristins Geschichte weitergehen würde. Simon liebte Autos. Obwohl es bis zum Führerschein noch Jahre dauern würde, bat er seine Eltern immer wieder, ihm das Autofahren beizubringen.

In diesen Augustwochen konnte Simon der Versuchung nicht widerstehen. Er beschloss, sich das Fahren selbst beizubringen. Immer wenn die Großeltern weg waren, setzte er sich ans Steuer des neuen BMW. In seiner ersten „Fahrstunde“ beschränkte er sich auf die lange, asphaltierte Einfahrt zum Hof. Dann wagte er sich auf den Feldweg neben dem Haus, wo er unermüdlich Kurven fuhr und das Lenken übte. Als er sich sicher genug fühlte, lenkte er den Wagen auf die hügelige Landstraße, die zu dem Pferdehof führte.

Alles ging gut. Bis sich eines Tages ein Wolkenbruch über der Gegend entlud, während Simon Auto fuhr. Auf einem rutschigen Straßenabschnitt verlor er die Kontrolle, das Auto kam von der Fahrbahn ab, schlitterte über den Seitenstreifen, stieß mit dem Kotflügel gegen die Steinblöcke am Straßenrand, drehte sich um hundertachtzig Grad und krachte mit dem Heck erneut dagegen.

Am Abend erzählte ein blasser Simon seinen Großeltern, jemand hätte das Auto geklaut und damit einen Unfall gebaut. Gemeinsam gingen sie zur Unfallstelle und betrachteten den Schaden, doch die Großeltern nahmen Simon die Geschichte nicht ab. Irgendwann gab er alles zu, beschämt und voller Angst. Da sagte sein Opa: „Simon, eine Sache ist jetzt ganz wichtig. Du bist unser Enkelsohn. Oma und ich haben dich sehr lieb, ganz egal, was mit dem Auto ist. Wir sind froh, dass dir nichts passiert ist. Um alles andere sollen sich deine Eltern kümmern.“

Ein paar Tage später, als Simons Eltern und Geschwister auf den Hof fuhren, fiel ihnen gleich auf, dass der neue BMW nicht an seinem Platz stand. Als Simon aus dem Haus trat, um sie zu begrüßen, kam sofort die Frage: „Sind Oma und Opa nicht da? Ihr Auto steht ja gar nicht im Hof.“ Simon versuchte zu lächeln. „Oma und Opa sind da, es ist alles in Ordnung. Den Rest erzähle ich euch später.“ Ralf und Kristin waren beunruhigt und versuchten, von den Großeltern zu erfahren, was los war, doch die verrieten nichts. Erst als seine Geschwister im Bett waren, erzählte Simon die ganze Geschichte.

In dieser Nacht schliefen Ralf und Kristin schlecht. Wie sollten sie sich jetzt verhalten? Was hatten sie bloß falsch gemacht? Hätten sie den Großeltern vorher sagen müssen, wie sehr Simon sich für Autos interessierte? Hätte man die Autoschlüssel verstecken müssen? Aber Simon war kein kleiner Junge mehr, vor dem man alles in Sicherheit bringen konnte, was ihm vielleicht gefährlich werden könnte. Schließlich versuchten sie, die Sache positiv zu sehen. Niemand war verletzt worden, niemand würde eine Strafanzeige stellen. Die Steinblöcke am Straßenrand waren bis auf ein paar Lackspuren, die sich entfernen ließen, unversehrt.

Aber natürlich konnten Ralf und Kristin die Angelegenheit nicht einfach auf sich beruhen lassen. Außerdem würden sie für die Reparatur aufkommen müssen, die Versicherung zahlte in diesem Fall nicht. Und – war diese Geschichte vielleicht nur ein Vorgeschmack auf die bevorstehenden Jahre der Pubertät?

Am nächsten Tag luden sie Simon zur Eisdiele ein, um in aller Ruhe mit ihm zu reden. Zunächst löffelten sie schweigend ihr Eis. Mit einem Seufzen begann Ralf schließlich: „Als du klein warst, konnten wir dich vor allem Bösen beschützen. Wenn du den anderen Kindern Sand auf den Kopf geschaufelt hast oder mit Steinen nach Autos werfen wolltest, dann haben wir dich davon abgehalten. Aber das ist jetzt eine andere Dimension. Stell dir mal vor, da wäre ein anderes Auto gekommen und es hätte Verletzte gegeben!“

„Oder auch ohne Gegenverkehr, du selbst hättest bei dieser Aktion ernsthaft verletzt werden und für dein restliches Leben behindert sein können. Und ja, du hättest auch sterben können.“ Ralf schwieg und auch Simon starrte schweigend auf die Tischplatte. Als Simon gar nicht reagierte, sprach Kristin sanft, aber eindringlich weiter: „Simon, wir haben dich lieb, das weißt du. Aber wir müssen dir auch klar machen, welche Folgen dein Verhalten hätte haben können. Es wird noch viele Situationen geben, in denen du unbeobachtet sein wirst und Lust haben wirst, etwas Verbotenes zu tun. Du musst dir überlegen, nach welchen Regeln du leben willst. Letztlich wird das deine Entscheidung sein.“

Sie saßen noch lange in der Eisdiele, während Ralf und Kristin mit ihrem Sohn über seine zunehmende Eigenverantwortung sprachen. Der Schreck von dem Unfall saß Simon noch in den Gliedern, er war offen für die Worte seiner Eltern und entschlossen, in Zukunft klügere Entscheidungen zu treffen.

Trotzdem musste auch eine Strafe sein und die Eltern überlegten sich, welche Konsequenzen sinnvoll wären. Doch an erster Stelle stand die Vergebung, die sie Simon ausdrücklich zusprachen. Sie wollten nicht zu lange bei dem verharren, was sich nicht mehr ändern ließ, sondern daraus gute Schlüsse ziehen und zuversichtlich weitergehen.

Als wir später mit Kristin über das Ereignis sprachen, meinte sie: „Wir glauben, dass Simon aus dieser Erfahrung einiges gelernt hat. Unser Ziel war nicht, dass er sich schlecht fühlte und der Vorfall ihn langfristig belastete. Er sollte keine Angst vor zukünftigen Fehlentscheidungen haben und sich auch nicht als Versager oder als Sorgenkind fühlen. Also beschlossen wir nach dem Gespräch in der Eisdiele, dass die Sache damit erledigt war, und es gab keine größeren Gespräche mehr.“

„Wie habt ihr es geschafft, den Vorfall nicht mehr zu erwähnen?“, fragte Claudia.

„Ich habe mir schon manchmal auf die Zunge gebissen“, grinste Kristin. „Es war nicht so einfach. Aber wir wollten auf keinen Fall die Beziehung zu Simon beschädigen, also haben wir ihm ganz bewusst gezeigt, dass wir ihm auch in Zukunft vertrauen würden.“

Können Sie mit dieser Geschichte etwas anfangen? Wenn Sie Kinder im entsprechenden Alter haben, fällt es Ihnen wahrscheinlich nicht schwer, sich in Simons Eltern hineinzuversetzen. Solche Dinge passieren immer wieder. Nicht jedes Mal ist am Ende das Auto kaputt, aber die meisten Familien haben ihre eigene Version der BMW-Geschichte. Doch auch Eltern, denen solche Erfahrungen bisher erspart geblieben sind, machen sich Sorgen um ihre Teenager. Die Jahre der Pubertät können einem Angst machen. Jugendliche sind oft risikofreudig und überlegen nicht lange, bevor sie etwas tun. Die Sorgen, die das bei den Eltern auslöst, sind berechtigt; Statistiken über die Sterblichkeitsrate bei Jugendlichen belegen das.1

Aber die Veränderungen in der Pubertät bringen nicht nur Risiken, sondern auch Chancen mit sich. Mit ein bisschen Unterstützung können die Jugendlichen ihre Abenteuer genießen und gleichzeitig Gefahren vermeiden. Doch das geht nur, wenn Eltern und Kinder gemeinsam unterwegs sind. Sie müssen Kontakt halten und miteinander reden, dann kann die Reise durch die Pubertät zu einer positiven Erfahrung für alle Beteiligten werden.

Was Experten sagen

Das größte Ziel darf nicht sein, die Pubertät einfach nur zu überleben. Stattdessen sollen Jugendliche in dieser Zeit aufblühen dürfen. Es gehört zu ihrem Wesen, Grenzen zu testen und Neues auszuprobieren. Dabei wird ihr Charakter heranreifen und sie können zu Erwachsenen werden, die ein erfülltes Leben führen.2

In Verbindung bleiben

Als unsere Kinder auf die Pubertät zugingen, haben wir bewusst geschaut, wie andere Familien es schaffen, entspannt und gut gelaunt durch diese Jahre zu gehen. Was war deren Geheimnis? Gab es bestimmte Prinzipien, die manche Familien für sich entdeckt hatten? Wir hielten auch nach Psychotherapeuten Ausschau, die selbst Eltern waren und deren Kinder gut durch die scheinbar so schwierigen Jahre gekommen waren. Von allen Seiten bekamen wir viele gute Ratschläge, die sich letztlich auf zwei Punkte reduzieren ließen:

•miteinander im Gespräch bleiben

•eine gute Beziehung zueinander pflegen

Diese beiden einfachen Tipps wurden für uns und unsere Jungen extrem hilfreich; deshalb geben wir sie gern an alle weiter, die diesen Lebensabschnitt noch vor sich haben – oder schon mittendrin stecken.

Der Weg durch die Pubertät

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um zu entscheiden, wie Sie Ihr Kind durch die Pubertät begleiten wollen, nicht erst, wenn Ihr Teenager schon mit dem BMW gegen die Mauer gefahren ist oder sich mitten in einer emotionalen Krise befindet. Sie brauchen einen Plan, wie Sie die kommenden Jahre meistern wollen. Dafür werden wir Ihnen aber kein Regelwerk vorlegen, an das Sie und Ihre Kinder sich halten müssen, sondern wir wollen einige Grundsätze aufzeigen, die Ihnen helfen werden, nicht vom Weg abzukommen.

Stellen Sie sich das Ganze wie ein Navigationsgerät vor, das Ihren aktuellen Standort markiert und die Route anzeigt, die Sie zum Ziel führen wird. Wir wollen Ihnen Tipps geben, wie Sie eine gute Beziehung mit Ihrem Teenager führen können, während seine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit immer weiter zunehmen.

Die Vorstellung, dass ihr Teenager eines Tages das Nest verlassen wird, ist für Eltern oft beängstigend – aber der Moment wird kommen, egal, ob ihr Kind dann darauf vorbereitet sein wird oder nicht. Mit einer stabilen, vertrauensvollen Beziehung können Sie Ihm helfen, die Höhen und Tiefen der Pubertät gut zu überstehen und sich auf das Erwachsenenleben vorzubereiten.

Das Navigationsgerät, das wir Ihnen an die Hand geben, hat vier Funktionen: Schritt halten, Verantwortung übertragen, Beziehung bauen und locker bleiben. Wir haben jedem dieser vier Bereiche einen Teil des Buches gewidmet.

1. Schritt halten – Stimmt die Beziehung zu Ihrem Teenager?

Immer wenn wir dachten, jetzt verstehen wir unsere Kinder, hatten sie sich schon wieder verändert. Hatten wir endlich die Antwort auf eine Herausforderung gefunden, dann tauchte eine andere auf. Ständig mussten wir uns anpassen, weil immer neue Anforderungen an uns gestellt wurden.

Um mit der Entwicklung ihrer Kinder Schritt zu halten, müssen Eltern ihr Verhalten laufend ändern.

Diese Veränderung ist nötig, damit wir dieselben bleiben – so paradox das auch klingen mag. Wir haben unsere Kinder im Kindergartenalter genauso lieb wie davor, als sie noch Krabbelkinder waren. Doch unsere Liebe drückt sich anders aus. Dieser Prozess der Anpassung findet ständig und unmerklich statt. Oft erkennen wir erst im Rückblick, wie sehr sich unser Verhalten im Laufe der Jahre verändert hat.

Das gilt natürlich ganz besonders dann, wenn Kinder in die Pubertät eintreten. Um ihnen gegenüber gleichermaßen liebevoll und verlässlich zu bleiben, müssen die Eltern sich im Gleichschritt mit ihren Kindern entwickeln. Egal ob Eltern zu lange in alten Mustern verharren oder zu schnell davon ausgehen, ihre Kinder seien jetzt groß, in beiden Fällen leiden die Beziehungen.

Eltern müssen immer wieder eine Bestandsaufnahme machen und sich selbst, ihre Kinder und die familiären Beziehungen begutachten. Dazu gehört die Frage, wohin man möchte und was man tun muss, um gemeinsam dort hinzukommen. Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Rolle sich während der Pubertät Ihrer Kinder ständig verändern wird.

2. Verantwortung übertragen – Hilfestellung für Teenager

Wie schnell oder langsam sollen Teenager in die Eigenverantwortung entlassen werden? Ihr Drang nach Selbstständigkeit ist gut und richtig, aber nicht jede Freiheit ist altersgerecht.

Die Aufgabe der Eltern ist es, den Kindern immer mehr Verantwortung zu übertragen, aber in der jeweils angemessenen Dosierung.

Unsere Probleme begannen damit, dass ich unserem Dreizehnjährigen nicht erklärt hatte, was mein Ziel war. Eigentlich hätte ich ihm gern gezeigt, wie man weise Entscheidungen trifft und ein verantwortungsbewusster Erwachsener wird. Doch er dachte immer, ich wolle ihn nur kontrollieren.

Ein Vater

Für die Gratwanderung zwischen Helfen und Kontrollieren haben wir als Familie zwei Instrumente gefunden, die uns und unseren Kindern sehr geholfen haben.

Das Erste könnte man als ein „Übergangsritual“ bezeichnen, dem wir den Namen „TeenPrep-Projekt“ gegeben haben. Dabei steht „Prep“ für „preparation“, also Vorbereitung – ein Konzept, das in den Monaten vor dem dreizehnten Geburtstag zum Einsatz kommt und das Kind auf den Beginn der Pubertät vorbereiten soll.

Das zweite Instrument haben wir „Jahresbox“ genannt. Das ist ein Plan, wonach ein Teenager von Jahr zu Jahr mehr Freiheiten und mehr Verantwortung erhält, bis er dann mit dem achtzehnten Geburtstag in die vollständige Selbstverantwortung eintreten wird.

Beide Instrumente halfen uns, in Kontakt mit unseren Kindern zu bleiben, während wir sie schrittweise losließen. Dabei lief nicht alles glatt und wir gingen mit unseren drei Jungen auch durch herausfordernde Phasen. Aber wir haben mittlerweile von Tausenden von Eltern gehört, dass ihnen „Teen-Prep“ und die „Jahresbox“ geholfen haben, ihre Teenager auf dem Weg durch die Pubertät altersgerecht zu begleiten.

Den Kindern Verantwortung zu übertragen, heißt auch, ihnen zu vertrauen und ihre Fehlentscheidungen auszuhalten, statt falsche Wege zu verhindern. Nachdem man jahrelang für Schutz und Sicherheit der Kleinen gesorgt hat, ist es für viele Eltern von Jugendlichen schwer, damit aufzuhören. Ein Freund von uns hat das so ausgedrückt: „Es ist nicht die Aufgabe der Eltern, den Kindern die Taschen zu tragen. Das können die Kinder selbst, es ist ihre Verantwortung.“

Wenn Eltern ihre Kinder jedoch als einen Teil von sich selbst wahrnehmen, können die Kinder sich nicht altersgerecht entwickeln.

Was Experten sagen

„Mein Kind ist nicht mein Arm“ ist ein gedanklicher Ansatz, der helfen will, sich eine zu enge Bindung bewusst zu machen. Eltern und Kinder, die sich jeweils als eigenständige Personen sehen, können einander auch Fehler zugestehen und damit Entwicklung zulassen.3

Meine Teenager erinnern mich immer wieder daran, wenn ich mich zu sehr in ihr Leben einmische. „Mama, denk dran, ich bin nicht dein Arm!“, ist bei uns zu einem geflügelten Wort geworden. Es bedeutet, sie wollen Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen und Entscheidungen treffen und werden dabei auch negative Konsequenzen erleben und verletzt werden. Ich versuche, meinen Teil gut zu machen, aber sie sind verantwortlich für ihren Teil. Wenn bei ihnen etwas schiefgeht, ist das ihr Problem, ihr Arm wird schmerzen, nicht meiner.

Eine Mutter

Wichtig ist, dass Eltern sich immer wieder selbst fragen, ob es ihnen in einer bestimmten Situation um das Wohl des Kindes oder um ihr eigenes Wohlbefinden geht. Wird der Erfolg der Eltern nicht durch das Verhalten ihrer Teenager definiert, dann können die Eltern es riskieren, den Kindern immer mehr Eigenverantwortung zu übertragen.

3. Beziehung bauen – Hindernisse ausräumen

Haben wir das Navi eingeschaltet, ist das Ziel festgelegt und wird die Route durch die Pubertät angezeigt? Dann müssen wir noch herausfinden, wo Staus und Baustellen auf der Strecke lauern. Bei welchen Stichworten bricht unsere Kommunikation regelmäßig zusammen? Welche Themen sorgen immer für Spannungen? Geht es um den Umgang mit dem Handy und den sozialen Medien? Um Haare, Make-up und Outfits, den Zustand des eigenen Zimmers, Hausaufgaben und die Mithilfe im Haushalt? Es gibt unendlich viele potenziell schwierige Themen.

Manche Dinge müssen Eltern durchsetzen, weil sie sonst gegen das Gesetz verstoßen oder ihr Kind sich in ernsthafte Gefahr begeben würde. Andere Dinge entsprechen vielleicht nicht dem, was Eltern sich wünschen; aber um der guten Beziehung willen ist es besser, ein Auge zuzudrücken. Doch was ist was?

Ist es entscheidend, wie mein Kind sich anzieht, welche Musik es hört, ob seine Haare pink oder abrasiert sind, ob es plötzlich ein Tattoo hat und wo es sich Piercings stechen lässt? Oder sind eine vernünftige Einstellung und gute Werte vielleicht wichtiger? Kann das Kind negativen Einflüssen widerstehen? Hat es eine klare Haltung in Bezug auf Alkohol und Drogen? Kann ich davon ausgehen, dass mein Teenager sich nicht in sexuelle Abenteuer stürzt?

Es gibt wirklich wichtige Themen, auf die wir auch in diesem Buch eingehen werden, wie Mobbing und Cybermobbing, Pornografie und der Einfluss der sozialen Medien. Die junge Generation wächst mit dem allzeit verfügbaren Internet auf, sie sind Digital Natives, deren Identität sich unter völlig anderen Bedingungen entwickelt als die ihrer Eltern.

Wir wollen dazu beitragen, dass Sie klar definieren können, was in Ihrer Familie wichtig ist und was nicht. Das wird Ihren Umgang mit den Teenagern entspannen. Sie werden dann mit Ihrem Reden und Tun dazu beitragen, dass Ihre Kinder die wichtigen Werte übernehmen.

Natürlich ist das nur Theorie. In der Praxis wird vieles schiefgehen, Sie selbst und Ihre Kinder werden Fehler machen. Dann kommt es darauf an, trotzdem weiter miteinander zu reden und den entstandenen Schaden soweit möglich zu beheben. Auch wenn Sie sich gelegentlich sehr verrannt haben: Es ist immer möglich innezuhalten, eine Kurskorrektur vorzunehmen und die Beziehung wiederherzustellen.

4. Locker bleiben – akzeptieren, was man nicht ändern kann

Als unsere Kinder noch Teenager waren, dachten wir oft an diesen berühmten Satz: „Gott gebe mir die Kraft, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden.“4

Es ist nicht einfach, locker zu bleiben, wenn man sich für Dinge verantwortlich fühlt, die man nicht beeinflussen kann.

Je länger wir über diesen Satz nachdenken, desto mehr Dinge werden uns einfallen, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Dieses Thema wird uns hier in diesem Buch noch öfter beschäftigen. Wir müssen lernen, klar zu unterscheiden zwischen dem, was wir beeinflussen können, und allem anderen, was wir akzeptieren müssen, weil es nicht in unsere Zuständigkeit fällt.

Locker bleiben? Gemeinsam geht es besser!

Vielleicht möchten Sie sich mit anderen Eltern zusammentun und gemeinsam dieses Buch lesen? Es kann sehr ermutigend sein, sich mit anderen Teenager-Eltern auszutauschen. Wir haben im Laufe der Jahre viele solcher Gruppen ins Leben gerufen und immer wieder beobachtet, wie sehr die Teilnehmer davon profitiert haben. Allein die Tatsache, dass andere Familien Ähnliches erleben wie man selbst, kann schon sehr entlastend sein.

Einmal ging es in einem dieser Treffen darum, dass Teenager schrecklich vergesslich sein können. Fordert man sie auf, vier Dinge zu machen, erledigen sie oft nur eines und vergessen den Rest. Wir sprachen darüber, dass dies mit der Gehirnentwicklung der Teenager zu tun hat, die vorübergehend fast nicht fähig sind, klar zu denken. Man muss sich ihr Gehirn wie eine große Baustelle vorstellen.

Als wir uns das nächste Mal trafen, erzählte eine Mutter:

Ich hatte mich oft über meine Tochter geärgert, weil ich dachte, ihre Vergesslichkeit sei nur eine Ausrede, wenn sie keine Lust hatte, das zu tun, was ich wollte. Plötzlich tat es mir richtig leid, wie oft ich deshalb mit ihr geschimpft hatte. Ich erzählte ihr, was ich über die Gehirnentwicklung gelernt hatte, und entschuldigte mich bei ihr. Davor hatten wir schon länger nicht mehr vernünftig miteinander reden können. Doch an diesem Abend waren wir ganz offen, wir weinten zusammen und viele Gefühle kamen hoch.

Zum guten Schluss

Funktioniert das wirklich? Wir können es Ihnen nicht versprechen. Ein Buch allein kann keine Wunder tun. Aber wir glauben, dass Sie als ganze Familie besser durch die Zeit der Pubertät kommen, wenn Sie so viel wie irgend möglich in die Beziehung investieren und dem Gespräch miteinander die höchste Priorität geben – gerade auch in den konfliktreichen Phasen. Dazu wollen wir Sie ermutigen und das Buch soll Ihnen helfen, den Kontakt zu Ihren Teenagern zu halten. Vielleicht werden Sie dabei sogar herausfinden, dass man einen Kaktus umarmen kann.

Miteinander reden

Es ist eine Sache, dem Teenager gute Fragen zu stellen, aus denen ein Gespräch entstehen kann (zum Beispiel: „Wie geht es dir eigentlich so als Teenie? Was findest du dabei besonders schwer? Gibt es auch Sachen, die du an deinem Alter gerade richtig cool findest?“).

Eine andere Sache ist es, den richtigen Moment dafür zu finden. Teenager haben nicht immer Lust zum Reden. Verschwenden Sie Ihre gut überlegten Fragen nicht in Momenten, in denen Sie nicht viel mehr als ein „Ok“ oder „Alles gut“ erwarten können.

Wir werden später im Buch noch ausführlich darauf eingehen. Hier schon einmal ein paar Hinweise, die uns eine Mutter schrieb:

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich meine Teenager nicht zu einem Gespräch zwingen kann, sie müssen in der richtigen Stimmung sein. Also versuche ich, Redestimmung herzustellen.

Essen hilft fast immer.

Oder ich lasse mir das erklären, was sie gern tun (Computerspiele).

Manchmal lasse ich mir von ihnen am Handy Musik, Sportarten, lustige Memes5 oder Bilder von Freunden zeigen. Das präge ich mir ein, um später wieder darauf Bezug nehmen zu können.

Was immer geht: Ich hole sie mit dem Auto irgendwo ab und frage, wie es war.

Manchmal bitte ich sie, mir in der Küche, am Computer oder im Garten zu helfen. Dabei fangen sie manchmal an zu reden.

Oder wir gehen zusammen shoppen, unterwegs essen wir etwas (es darf dann auch mal ungesund sein) und kommen ins Gespräch.

Teil eins

Schritt halten Stimmt die Beziehung zu Ihrem Teenager?

Kapitel zwei

Kann man Teenager verstehen?

Was ist nur mit meiner Tochter los? Seit sie zwölf geworden ist, kommt sie mir vor wie ein Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann. Dabei hatten wir immer eine herzliche Beziehung zueinander.

Eine Mutter

Als unser Sohn vierzehn war, haben wir uns super verstanden. Aber seit er fünfzehn ist, geht gar nichts mehr. Es ist, als würde er sich rückwärts entwickeln.

Ein Vater

Eine andere Mutter berichtet:

Meine Jüngste versicherte mir noch vor einem Jahr, dass sie auf keinen Fall so aufsässig werden wollte wie ihre älteren Geschwister. Damals war sie zwölf. Ich freute mich: „Das ist aber schön – und wenn du dann später trotzdem mal nicht gut drauf sein solltest, ist das auch nicht so schlimm.“

Inzwischen ist sie dreizehn und ja, sie ist in letzter Zeit vergesslich und ziemlich vorlaut geworden. Doch sobald es ihr auffällt, entschuldigt sie sich sofort. Ich kann direkt sehen, wie sich die Rädchen in ihrem Kopf drehen, wenn sie bemerkt, dass sie sich nun doch so verhält, wie sie es nie wollte. Die Arme! Dann drücke ich sie ganz fest und sage ihr, wie lieb ich sie habe. Es ist ja auch wirklich nicht leicht, dieses Alter!

Dabei mache ich mir immer wieder bewusst, was ich eigentlich will. Ich wünsche mir, dass meine Kinder zu gefestigten Persönlichkeiten heranreifen, die sich ihrer Fähigkeiten und Grenzen bewusst sind und auch die Stärken und Schwächen anderer Menschen im Blick haben. Sie sollen Erwachsene werden, die anderen gegenüber freundlich und hilfsbereit sind.

Vielleicht geht es Ihnen so ähnlich wie dieser Mutter. Diese Zeit des Übergangs kann sowohl für die Eltern als auch für den frischgebackenen Teenager eine Herausforderung sein. Als Eltern wollen wir unserem Kind, das „plötzlich 13“ ist, dabei helfen, sich zu einem stabilen, ausgewogenen Teenager zu entwickeln. Fragt sich bloß, wie.

Man weiß heute, dass während der stacheligen Kaktusjahre viel passiert, körperlich, emotional, auch im Gehirn. Darauf wollen wir in diesem Kapitel eingehen und die Entwicklung, die bis weit in die Zwanzigerjahre hineinreichen kann, in verschiedene Stufen unterteilen. Dann werden wir vier exemplarische Teenager skizzieren, die Ihnen helfen sollen, Ihre eigenen Kinder zu verstehen. Auch verschiedene Elterntypen werden wir uns anschauen und feststellen, dass auch Sie an sich arbeiten können, damit das Familienleben harmonischer wird.

Phasen der Pubertät

Bei allen Veränderungen, die Ihr Kind durchlaufen wird, ist es hilfreich, im Voraus die Abfolge der fünf typischen Phasen der Pubertät zu kennen. Wobei individuelle Unterschiede natürlich erheblich sind und es hier nur um die Grundzüge der Entwicklung gehen kann. Letztlich wird jeder Teenager sein eigenes Tempo vorlegen, das von vielen Faktoren beeinflusst wird und in kein Schema passt.

1. Die Vorpubertät, 8 bis 10 Jahre

Eine für Eltern und Kinder meist ruhige und angenehme Zeit. Der Hormonspiegel steigt bei manchen Mädchen bereits an, was sich in einem Wachstumsschub zeigt. Bei den Jungen tut sich da noch nichts. Die Kinder lernen, logisch zu denken, sind vielseitig interessiert und hören meist gern auf ihre Eltern. Eine Phase, die man einfach nur genießen kann!

2. Die Präadoleszenz, 10 bis 12 Jahre

Die Hormonpegel steigen nun bei Jungen und Mädchen, mit vielfältigen Auswirkungen. Manche Eltern haben das Gefühl, ihre Kinder würden sich über Nacht verändern. Bei anderen vollziehen sich die Prozesse allmählicher. Es gibt große Unterschiede zwischen den Geschlechtern und auch von Kind zu Kind. Manche Mädchen sind an ihrem 13. Geburtstag schon ausgewachsen, während manche Jungen im selben Alter noch wie Grundschüler wirken.

3. Die Frühadoleszenz, 12 bis 14 Jahre

Jetzt spielen die Hormone verrückt. Mädchen denken viel über ihr Aussehen nach und können launisch und extrem verletzlich werden, manche Jungen ebenfalls. Im Schnitt wachsen die Jungen jetzt zehn Zentimeter pro Jahr. Die Meinung der Gleichaltrigen wird immer wichtiger, während Eltern, Lehrer und andere Autoritätspersonen hinterfragt werden.

4. Die mittlere Adoleszenz, 14 bis 18 Jahre

Die meisten Teenager erreichen jetzt ihre endgültige Größe, aber einige Jungen wachsen auch noch, wenn sie schon über zwanzig sind. In diesen Jahren fällt es den Teenagern oft schwer, Autoritäten zu akzeptieren, und sie drehen sich im Wesentlichen um sich selbst. Die Gleichaltrigen spielen weiterhin eine sehr wichtige Rolle.

Im Gehirn der Jugendlichen passiert rund um das 14. Lebensjahr besonders viel. Die Teenager können inzwischen etwas rationaler denken, handeln aber oft noch nicht rational. Das hängt mit ihrer Gehirnentwicklung zusammen. Das erwachsene Gehirn verarbeitet Gefühle in den Frontallappen, wo auch die Impulskontrolle erfolgt (erst denken, dann handeln). Bei Jugendlichen findet die Verarbeitung der Emotionen in der Amygdala statt, einer Gehirnregion, die für das impulsive Handeln zuständig ist (erst handeln, dann denken).

In dieser Phase agieren die Jugendlichen oft unüberlegt, was für Eltern manchmal schwer zu ertragen ist.

5. Die Spätadoleszenz oder der Übergang ins Erwachsenenalter, 18 bis 25 Jahre

Offiziell gelten Jugendliche mit achtzehn Jahren als Erwachsene und sehen auch so aus, sind aber oft noch nicht auf das Erwachsensein vorbereitet. Sie möchten ihre eigenen Entscheidungen treffen, brauchen aber teilweise noch Unterstützung. Während einige Achtzehnjährige recht gut zurechtkommen, dauert die Entwicklung des Gehirns bei manchen bis in die Mitte der Zwanzigerjahre. Doch eines Tages werden alle Eltern feststellen, dass sich ihr ehemals verrückter Teenager in einen „normalen“, vernünftigen Erwachsenen verwandelt hat.

Was Experten sagen

Die Gefühlslage der Jugendlichen in der Pubertät kann stark schwanken – Stolz, Scham, Angst und andere Gefühle wechseln sich ab. Die zahlreichen unangenehmen Erlebnisse in dieser Zeit