Unheilvolles Schweigen - Ana Dee - E-Book

Unheilvolles Schweigen E-Book

Ana Dee

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Beschreibung

Ella Blom hat ihren Traum verwirklicht und lebt zurückgezogen in einem Haus im Wald. In letzter Zeit wird sie jedoch von Albträumen und Schuldgefühlen geplagt. Obwohl sie versucht, ihren Emotionen auf den Grund zu gehen, bleiben die Erinnerungen verschüttet. Zunehmend fühlt sie sich bedroht und spürt eine ernstzunehmende Gefahr, der sie sich nicht entziehen kann. Zeitgleich wird eine junge Frau in einer leer stehenden Kirche tot aufgefunden. Sie liegt nackt auf den Stufen vor dem Altar und ein großes Kreuz ist in ihre Haut geritzt. Leider bleibt es nicht bei einem Opfer und Kriminalkommissarin Ava Brenner trifft zum ersten Mal in ihrer Laufbahn auf einen Serienmörder. Die Ermittlungen gehen anfangs nur schleppend voran, weil keiner der Involvierten sein Schweigen bricht. Aber schon bald wendet sich das Blatt und die Vergangenheit holt alle Beteiligten ein. Dieser mysteriöse Fall wird für Ava Brenner und ihrem Team zu einer Bewährungsprobe.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Unheilvolles Schweigen

ELIN SVENSSON

ANA DEE

Inhalt

Anmerkung

Protagonisten

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

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Impressum

Anmerkung

Auf das in Schweden übliche Duzen wurde zugunsten der Lesbarkeit verzichtet.

Die Geschichte sowie sämtliche Protagonisten, Institutionen und Handlungen sind in diesem Roman frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Wo tatsächlich existierende Orte erwähnt werden, geschieht das im Rahmen fiktiver Ereignisse. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.

Protagonisten

Ella Blom – HauptprotagonistinLuisa Sund – beste Freundin von EllaBen Nilson – Freund von LuisaAva Brenner – KommissarinJanne Fredrikson – Ava Brenners KollegeHelge Malmquist – RechtsmedizinerLennart Bergman – StaatsanwaltAlma Hermanson – Leiterin des KinderheimesPeder Hermanson – Sohn von Alma Hermanson

KapitelEins

Ella schreckte aus dem Schlaf und blieb mit klopfendem Herzen aufrecht sitzen. Die Albträume und der daraus resultierende Schlafmangel machten ihr mehr und mehr zu schaffen. Etwas regte sich in ihrem Unterbewusstsein, wollte an die Oberfläche gelangen, wollte sich Gehör verschaffen.

Die intensiven Träume versuchten Ella in die entsprechende Richtung zu dirigieren, aber sie war noch nicht bereit, sich dem zu stellen. Aber sie ahnte, dass sie damals einen schweren Fehler begangen hatte. Ihr seelischer Zustand wechselte ständig von himmelhochjauchzend zu Tode betrübt und das hatte einen bestimmten Grund – Alma Hermanson war aus der Haft entlassen worden.

Ella hatte davon aus der Zeitung erfahren, auch wenn es nur eine Randnotiz gewesen war. Sie fühlte sich schuldig, auf eine so unerträgliche Art und Weise, dass sie aus diesem Moment heraus beschloss, die Vergangenheit aufzuarbeiten. So konnte sie keinesfalls weitermachen, ihre Stimmungsschwankungen wirkten sich auf ihren gesamten Alltag aus. Und nicht nur das, auch Noah hatte die Beziehung beendet, weil ihre Gereiztheit für viel Unmut und Streit auf beiden Seiten gesorgt hatte. Jetzt saß sie in einem halb fertigen Haus und musste sich um die restlichen Renovierungsarbeiten allein kümmern.

Müde fuhr sie sich über das Gesicht und lauschte dem Wind, der heulend um die Ecken des Hauses fegte und an den Fensterläden rüttelte. Der Winter hatte sich breitgemacht und war mit Schneefall und Minustemperaturen über die Landschaft hergefallen. Selbst im warmen Bett konnte Ella den kühlen Luftzug spüren, der unter der Tür hindurch ins Zimmer zog. Die neuen Fenster und Türen sollten nun erst nächste Woche geliefert werden und ihr graute vor dem Einbau, der mit Verzögerungen einhergegangen war.

„Genug jetzt“, seufzte sie und schlug die Bettdecke zurück. Die abgeschliffenen und frisch geölten Dielen des alten Hauses knarrten unter ihren Sohlen, als sie in die Küche lief, um sich einen Tee zuzubereiten. Er sollte eine beruhigende Wirkung besitzen, aber sie hielt den Aufdruck der Packung sowieso nur für eine ausgeklügelte Werbestrategie. Nachdem der Tee einige Minuten sein Aroma entfaltet hatte, rührte sie noch einen Löffel Honig hinein und kuschelte sich auf der Couch in die flauschige Decke.

Gedankenverloren trank sie einen Schluck und ging die möglichen Optionen durch, denn es war gar nicht so leicht, sich zu einer Selbstanzeige durchzuringen. Außerdem, würde ihr überhaupt jemand Glauben schenken? Nach all den Jahren, in denen sie bewusst oder unbewusst geschwiegen hatte? Aber sie musste etwas unternehmen, um ihren Seelenfrieden wiederherzustellen, sie hatte gar keine andere Wahl. Auf Dauer hielt sie diese depressiven Verstimmungen einfach nicht aus.

Nachdem sie die Tasse geleert hatte, entsorgte sie die Asche aus dem Holzofen, um ein neues Feuer zu entfachen. Sie schichtete die Scheite auf und entzündete mit einem Streichholz das Feuer. Gierig züngelten die Flammen am Papier und an den Spänen. Ella spürte die Wärme in ihrem Gesicht und schloss die gläserne Ofentür. Es knisterte und knackte und der flackernde Lichtschein des Feuers erhellte den Raum.

Der Ofen war die erste gemeinsame Anschaffung mit Noah gewesen, wenn man vom Haus einmal absah. Das Anwesen lag etwas abseits, versteckt zwischen den hohen Wipfeln der Fichten, aber genau das war der ausschlaggebende Grund für den Kauf gewesen. Es hatte ein kuscheliges Liebesnest werden sollen, ihr erstes Heim, in Eigenregie hergerichtet. Am Ende hatten Noah und sie verkrampft vor dem Notar gesessen, der das Haus auf Ella inklusive eines Schuldenbergs überschrieben hatte. Tja, auch die Liebe konnte tragisch enden.

Aber Ella konnte gut auf einen Partner verzichten, der bei den ersten Problemen das Handtuch warf und sich aus dem Staub machte. Sie würde es schon irgendwie schaffen, das in die Jahre gekommene Haus in ein wohnliches Refugium zu verwandeln. Davon war sie felsenfest überzeugt.

Widerwillig schälte sie sich aus der kuscheligen Decke und begann, die wenigen Möbelstücke zur Seite zu räumen, damit die Handwerker genügend Platz haben würden, um die Fenster und Türen einzubauen. Mittlerweile war es Mittag und sie beschloss, ihr Vorhaben nicht länger aufzuschieben und auf direktem Wege zur Polizei zu fahren. Das unangenehme Gefühl in der Magengegend verstärkte sich, als sie in den Wagen stieg und den Motor startete.

Sie war damals noch ein Kind gewesen, man würde sie unmöglich für ihre Aussagen belangen können. Zumindest hoffte sie das. Ihre Hände zitterten leicht, als sie auf die Hauptstraße bog und in Richtung Ljusdal fuhr. Von Storhaga war es nicht sehr weit, sie musste nur die Brücke überqueren und wäre fast da. Aber je näher sie der Behörde kam, desto nervöser wurde sie. Hatte sie auch wirklich alles bedacht? Oder würde das doch härtere Konsequenzen nach sich ziehen?

„Verdammt!“

Wütend schlug sie mit der flachen Hand auf das Lenkrad und wendete den Wagen in einer Nebenstraße. Der Mut hatte sie wiederholt verlassen und nun hockte sie wie ein Häufchen Elend hinter dem Steuer. In ihrer Fantasie hatte sie sich diesen Gang bedeutend leichter vorgestellt. Ein freundlicher Kommissar, der verständnisvoll über den Rand seiner Brille hinwegschaute und ihr aufmunternd zunickte. Der ihr sagte, dass er das alles schon geahnt und nur auf ihre Aussage gewartet habe.

Was für ein Blödsinn. Sie sollte lieber zusehen, dass sie wieder nach Hause zurückfuhr. Dort wartete eine Menge Arbeit auf sie, denn sie wollte endlich das Waschbecken im Badezimmer montieren. Eine erneute Herausforderung, der sie sich stellen musste. Noah hätte das ganz sicher in ein, zwei Stunden erledigt, während sie laut fluchend einen ganzen Tag damit verbringen würde. Aber was solls, es war ihr eigenes Reich, in dem sie schalten und walten konnte, wie es ihr beliebte.

Als sie den alten Volvo wieder unter dem Carport abstellte, hatte leichter Schneefall eingesetzt, der die Umgebung mit einer Schicht Puderzucker bestäubte. Die Landschaft sah bezaubernd aus, aber der schneidende Ostwind hatte auch eine gehörige Portion Kälte mitgebracht.

Ella stieg aus und zog fröstelnd die Schultern hoch, als sie die Tür aufschloss. Sie hängte die Jacke an den Haken und der Blick zum Ofen ließ sie innehalten. Das Feuer war ausgegangen. Seltsam, das war ihr noch nie passiert. Sie beließ es dabei, denn heute schien sowieso nicht ihr Tag zu sein. Missmutig schichtete sie wieder das Holz und zündete es an. Innerhalb weniger Minuten brannten die Scheite lichterloh und Ella blieb einen Moment vor dem Ofen stehen, um die wohlige Wärme zu genießen.

Dann suchte sie das Badezimmer auf, um das Waschbecken hochzuheben und in die Halterung zu setzen. Sie brauchte dafür mehrere Anläufe und die schwere Keramik wäre ihr beinahe aus den Händen gerutscht. Das würde ihr gerade noch fehlen, denn sie hatte das Ausstellungsstück günstig für den halben Preis erworben. Schließlich war es ihr doch gelungen und sie beugte sich zum Werkzeugkasten hinunter, der neben der Dusche stand. Zumindest hatte er am Morgen noch dort gestanden.

Kopfschüttelnd suchte Ella das gesamte Badezimmer ab, aber der Werkzeugkasten blieb unauffindbar. Erst im Flur, in der winzigen Kammer unter der Treppe, wurde sie fündig. Dabei war sie sich sicher, ihr Werkzeug im Badezimmer abgestellt zu haben. Sie hatte sich doch am Morgen den kleinen Zeh daran gestoßen? Oder nicht? Wahrscheinlich war sie einfach nur überarbeitet. Vormittags kam sie ihrem Job als freie Lektorin nach und nachmittags werkelte sie am Haus.

Als ein Holzscheit im Ofen knackte, zuckte sie zusammen. Seit die Albträume sie plagten, war sie sehr schreckhaft geworden, und sie fragte sich, ob sie tatsächlich schon so durcheinander war, dass sie Dinge tat, an die sie sich nicht erinnern konnte.

Es half nichts, sie brauchte dringend eine kleine Auszeit und jemanden, der sie auf andere Gedanken brachte. Also schickte sie Luisa, ihrer besten Freundin, eine Nachricht, die prompt darauf antwortete. Eine halbe Stunde später stand Luisas roter Flitzer in der Einfahrt und die beiden Frauen saßen bei einer Tasse Kaffee am Küchentisch.

„Schön, dass du kommen konntest“, sagte Ella.

„Kein Problem. Heute ist sowieso mein freier Tag, da passt es perfekt“, antwortete Luisa. „Schieß los, wo drückt der Schuh? Sehnsucht nach Noah?“

„Nein, nicht wirklich. Ich ärgere mich noch zu sehr über sein Verhalten und meine Wut ist noch nicht verraucht“, antwortete Ella. „Wie du weißt, leide ich seit geraumer Zeit unter immer wiederkehrenden Albträumen. Aber das ist noch nicht alles. Ich mache mittlerweile Dinge, an die ich mich später nicht erinnern kann.“

„Ist es wegen der Geschichte von früher?“

Ella nickte.

„Ich bin ziemlich durcheinander, weil Alma Hermanson aus der Haft entlassen wurde.“

„Fürchtest du dich vor ihr?“

„Ein wenig schon“, erwiderte Ella.

„Aber du hast damals das Richtige getan“, sagte Luisa mitfühlend.

Ella drehte die Tasse gedankenverloren zwischen ihren Händen.

„Hast du doch, oder?“, hakte Luisa nach, als Ella nicht antwortete.

„Ich hoffe es“, murmelte sie.

Luisa drückte tröstend Ellas Hand.

„Sämtliche Ratschläge, die ich dir erteilen könnte, wären völlig daneben, weil ich gar nicht nachempfinden kann, wie schlimm das damals für dich gewesen sein muss. Aber eines kann ich dir versichern – ich werde dich immer unterstützen.“

„Ich bin sehr froh, dich als Freundin zu haben“, erwiderte Ella dankbar.

Luisa war ein echter Schatz. Ohne viele Worte darüber zu verlieren, war sie zur Stelle, wenn man sie brauchte. Sie machte keine leeren Versprechungen, sie ließ stattdessen Taten folgen.

„Wir vertrauen einander, das ist die beste Voraussetzung für eine gute Freundschaft. Wie geht es mit dem Umbau voran?“

Ella winkte ab.

„Es geht nur sehr schleppend voran, weil ich die doppelte Zeit für alles veranschlagen muss.“

„Solltest du Unterstützung benötigen, dann scheue dich nicht, uns darum zu bitten. Ben und ich würden am Wochenende gerne behilflich sein.“

„Nein, nein, das lasst mal schön bleiben“, sagte Ella und deutete auf Luisas wachsenden Bauch. „Ich weiß doch, wie viel ihr momentan um die Ohren habt. Außerdem habe ich alle Zeit der Welt.“

„Okay. Aber wenn Not am Mann ist, dann meldest du dich?“

„Ganz bestimmt.“ Ella nickte.

„Tut mir leid, wenn ich auf das Thema Albträume wieder zurückkomme, aber hast du schon einmal darüber nachgedacht, dir therapeutische Hilfe zu suchen?“

Ella verneinte und errötete leicht.

„Ehrlich gesagt fällt es mir ausgesprochen schwer, darüber zu reden.“

„Das kann ich gut verstehen. Aber wenn du seelisch so darunter leidest, solltest du dich an jemanden wenden, der dir therapeutisch unter die Arme greifen kann. Ich halte das für sinnvoll.“

Ella schwieg, weil sie sich schämte. Es gab noch so vieles, das aufgearbeitet werden musste, weil sie es all die Jahre verdrängt hatte. Außerdem fiel es ihr sehr schwer, zwischen Wahrheit und Fiktion zu unterscheiden. Hatte sich damals alles tatsächlich so ereignet? Oder hatte sie die Anschuldigungen nachgeplappert, die ihr in den Mund gelegt worden waren?

„Was ist los?“, fragte Luisa, die Ellas Wandel bemerkt hatte. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Nein, du doch nicht“, widersprach Ella. „Ich bin nur so durcheinander, dass ich nicht einmal weiß, wie ich es dir erklären soll.“

„Du musst dich vor mir nicht rechtfertigen“, antwortete Luisa verständnisvoll. „Vielleicht würde dir eine Auszeit ganz guttun, ein Wochenende in einem Hotel zum Beispiel.“

„Ach Luisa, um meine Finanzen ist es nicht besonders gut bestellt“, seufzte Ella. „Die neuen Fenster und Türen haben ein Vermögen gekostet.“

„Ich könnte dir ein paar Kronen borgen“, bot Luisa an.

„Danke, ich werde es mir überlegen“, erwiderte Ella lächelnd, um nicht unhöflich zu sein. Sie würde nirgendwohin fahren und schon gar nicht in ein Hotel.

„Egal, welche Entscheidung du treffen wirst, mein Angebot steht“, sagte Luisa und warf einen Blick auf die Uhr. „Oh, schon so spät. Die Wetter-App hat starken Schneefall vorausgesagt, da mache ich mich mal lieber auf den Weg.“

„Schade, aber nicht zu ändern“, erwiderte Ella.

„Du solltest genügend Holz im Haus haben, damit du nachts nicht nach draußen musst. Könnte ungemütlich werden.“

„Gute Idee.“ Ella begleitete Luisa zur Tür und umarmte sie zum Abschied. „Komm gut nach Hause.“

„Das werde ich und pass du bitte auf dich auf. Es ist ziemlich einsam hier draußen.“

„Das finde ich gar nicht schlimm“, sagte Ella. „Bis zum nächsten Nachbarn sind es nur ein paar hundert Meter und bis jetzt habe ich mich noch nie gefürchtet.“

„Dann hoffen wir einmal, dass das auch so bleibt.“

Luisa winkte Ella noch einmal zu, bevor sie in den Wagen stieg und hinter der nächsten Kurve verschwand. Ella kehrte ins Haus zurück. Der Wind hatte an Stärke zugelegt und die hohen Wipfel rauschten. Das Wetter konnte um diese Jahreszeit innerhalb weniger Minuten umschlagen und heftige Stürme waren keine Seltenheit. Aber Ella fühlte sich wohl und empfand die hohen Fichten als eine Art Schutzwall, der ihr Haus vor fremden Blicken schützte.

Sie machte sich wieder an die Arbeit, verschraubte das Waschbecken und brachte den Siphon und die Armatur an. Prüfend ließ sie das Wasser in das Becken plätschern und zu ihrer großen Überraschung war alles dicht. Perfekt. Dann schnappte sie sich den großen Weidenkorb, der neben dem Ofen stand, zog sich die Jacke über und lief nach draußen.

Der stürmische Wind hätte ihr beinahe die Klinke aus der Hand gerissen und sie eilte hinüber zum Schuppen, in dem Noah einen stattlichen Holzvorrat eingelagert hatte. Das musste man ihm zugutehalten, er hatte vorgesorgt. Die Scheite waren bis unter das Dach gestapelt und Ella würde sich über den Winter keine Sorgen machen müssen.

Sie warf die Holzscheite in den Korb und stöhnte leise, als sie diesen anhob und zum Haus schleppte. Sie hatte die Hälfte des Weges bereits zurückgelegt, als ganz in der Nähe ein Schuss durch die Stille des Waldes peitschte. Ella hätte vor Schreck beinahe den Korb fallen gelassen und legte in Rekordgeschwindigkeit die letzten Meter zurück.

Atemlos stellte sie den Korb neben dem Ofen ab. Sie wusste, dass die Jagdsaison schon längst vorüber war und die Schonzeit begonnen hatte. Auch die Fehlzündung eines Motorrads, die ähnlich klang, kam nicht infrage. Der Herbst hatte sich schon vor einigen Wochen verabschiedet. Wenn das Holz der Bäume bei starkem Frost knackte, hörte sich das ähnlich an. Aber noch waren die Temperaturen in einem Bereich, der dieses Phänomen nicht hervorrufen konnte.

Ella schichtete beunruhigt die Scheite in die dafür vorgesehene Halterung. Für die kommende Nacht war sie versorgt, aber schon am nächsten Morgen würde sie für Nachschub sorgen müssen. Zögerlich trat sie ans Fenster und starrte nach draußen. Die Dämmerung tauchte die Umgebung in ein einheitliches Grau und man konnte nur noch wenige Meter weit sehen.

Es musste definitiv ein Schuss gewesen sein, eine andere Erklärung gab es nicht. Außerdem bestand immer die Gefahr, versehentlich getroffen zu werden. Und wenn der Schuss ihr gegolten hatte? Weil Alma Hermanson sich an ihr rächen wollte?

Nein, sie durfte diese Art der Gedanken auf gar keinen Fall zulassen. Schließlich war sie damals noch ein Kind gewesen und erinnerte sich kaum an diese Zeit. Dennoch, die Albträume und das permanent schlechte Gewissen wollten sich Gehör verschaffen und diese Tatsache ließ sich nicht so leicht ignorieren.

Ellas Herz flatterte wild wie ein Vögelchen, das in einem Käfig gefangen war. Zum ersten Mal überhaupt spürte sie die Auswirkungen einer Panikattacke und rang keuchend nach Luft. Wie sollte das nur enden?

KapitelZwei

Ava Brenner schaute hinüber zum Gebäude und zog fröstelnd die Schultern hoch. Das Absperrband flatterte verloren im Wind, die Szenerie wirkte auf eine gewisse Weise gespenstisch. Die Kriminaltechniker hatten sich umgezogen und mit ihrer Arbeit bereits begonnen.

„Die liebe Ava kann es wieder einmal nicht abwarten, bis wir grünes Licht gegeben haben“, seufzte Helge Malmquist, der Rechtsmediziner.

„Du bist schon fertig?“, fragte sie.

„Ja.“ Er nickte noch einmal zur Bestätigung.

„Mord?“

„Leider …“

„Dürfte ich einen Blick auf die Leiche werfen?“, unterbrach sie den Rechtsmediziner.

„An deinen Umgangsformen solltest du noch arbeiten. Nie lässt du mich ausreden.“

„Jetzt komm schon, Zeit ist Geld.“

Helge murmelte ein paar unverständliche Worte und lief voraus. Seit dem gestrigen Abend schneite es ununterbrochen und die Landschaft sah wie verzaubert aus. Bevor Ava und Helge die leer stehende Kirche betraten, klopften sie sich den Schnee von der Kleidung.

„Mistwetter“, brummte Helge. „Ziemlich zeitiger Wintereinbruch dieses Jahr.“

„Stimmt, der Schnee hat sämtliche Spuren unter sich begraben. Besser hätte es gar nicht laufen können“, erwiderte Ava.

„Höre ich da eine Spur von Sarkasmus heraus?“ Helge musterte sie.

„Wäre möglich.“

Die halb verfallene Kirche sollte in Kürze renoviert werden, aber es hatte ewig gedauert, bis die Gelder genehmigt worden waren. Überall blätterte die Farbe von den Wänden und die eindringende Feuchtigkeit, die durch das undichte Dach begünstigt wurde, hatte für zahlreiche Schäden gesorgt. Ava schaute sich um und ihrem aufmerksamen Blick entgingen nicht die vielen Kerzenstummel und die Pentagramme auf dem Boden.

„Bitte nicht wundern, hier werden von Jugendlichen illegale Partys gefeiert und Séancen abgehalten. Lost Places sind in der Szene heiß begehrt.“

„Was du nicht so alles weißt“, stellte Ava fest. „Aber diese Dinge sind mir nicht fremd.“

„Ich wollte es ja nur erwähnt haben“, brummte Helge, dessen äußere Erscheinung der eines Grizzlys ähnelte. Groß und hünenhaft, aber innendrin ein Herz aus Gold.

„Bring mich lieber zur Leiche, bevor sie abtransportiert wird.“

„Kein Wunder, dass du Single bist“, merkte er an.

„Was willst du damit sagen?“

„Dass dein Befehlston wahrscheinlich jeden Prinzen verschrecken wird.“

Ava lachte kurz auf und schüttelte den restlichen Schnee aus dem kastanienbraunen Haar.

„Prinzen, schön wärs.“

„Wer weiß, wer weiß“, unkte Helge und lief voraus. Vor dem weiblichen Leichnam stoppte er seine Schritte. „Schade um dieses junge Leben“, sagte er mit Bedauern.

„Wie recht du doch hast.“ Ava stimmte ihm traurig zu.

Zu ihren Füßen lag eine junge Frau, ungefähr Anfang zwanzig, das rötlich schimmernde Haar fächerartig um ihren Kopf ausgebreitet und die Augen geschlossen. Ein dezentes Make-up betonte ihre Schönheit selbst im Angesicht des Todes. Ansonsten war sie vollkommen nackt. Der Täter hatte ein Kreuz in ihre Haut geritzt, das vom Hals bis zum Bauchnabel reichte, und sie dann auf den Stufen, die zum Altar führten, abgelegt. Kein schöner Anblick.

„Konnte die Identität der Toten schon festgestellt werden?“, erkundigte sich Ava.

„Nein“, antwortete Helge. „Weder ihre Kleidung noch ein anderer Hinweis sind am Tatort zurückgelassen worden.“

Ava nahm die Eindrücke in sich auf, um sie zu gegebener Zeit abzurufen. Sie hatte das Glück, ein fotografisches Gedächtnis zu besitzen und sich später an jedes noch so kleine Detail erinnern zu können.

„Also wenn du mich fragst, dann sieht das nach einem Racheakt aus.“

Helge warf Ava einen Seitenblick zu und wartete darauf, dass sie seine Vermutung bestätigte.

„Kirche und Kreuz sprechen eindeutig für Sühne. Aber ob es tatsächlich das Motiv für diesen Mord war, müssen wir erst noch ermitteln.“

„Zum Glück ist auf dein Team Verlass“, erwiderte Helge zuversichtlich.

„Ja“, sagte sie knapp. „Was kannst du mir über die Todesursache sagen?“

„Sie ist innerlich verblutet, ein mehr als grausamer Tod.“

„Hoffentlich hat der Täter sie vorher betäubt.“

„Ich werde das Blut auf sämtliche Substanzen im Labor untersuchen lassen.“

„Möglicher Todeszeitpunkt?“

„Frühe Morgenstunden. Genaueres kann ich erst nach der Obduktion sagen.“

„Wann werden wir mit dem Bericht rechnen können?“, hakte Ava nach.

„Wie immer, in ungefähr zwei Tagen“, antwortete er.

„In zwei Tagen erst?“ Ava klang enttäuscht.

„Es ist Winter, meine Liebe. Die Kälte und die Dunkelheit legen sich auf das menschliche Gemüt, meine Kühlfächer sind gut gefüllt.“

Ava stieß einen tiefen Seufzer aus.

„Nach diesem heißen und langen Sommer fällt es mir außerordentlich schwer, diese Jahreszeit mit offenen Armen zu empfangen. Ich habe noch den Geruch von Sonnencreme in der Nase und überlege, welches Sommerkleid ich zur nächsten Grillparty anziehen könnte.“

„Damit bist du nicht allein. Aber jetzt muss ich los, meine Arbeit ist hier erledigt.“

„Helge, könntest du unseren Fall bevorzugt bearbeiten?“ bat Ava und imitierte einen perfekten Augenaufschlag.

„Na, sieh einer an, du kannst auch anders, wenn du willst. Ich werde mal schauen, was ich für dich tun kann.“

„Ich nehme dich beim Wort.“

„Dessen bin ich mir bewusst.“

Ava verließ mit Helge die Kirche, um den Kriminaltechnikern das Feld zu überlassen.

„Dann frohes Schaffen“, wünschte Helge, tippte zum Abschiedsgruß an seine Hutkrempe, stieg in den Wagen und fuhr davon, während Ava die Nummer ihres Kollegen wählte.

„Hallo Janne, könntest du schon einmal die Vermisstenanzeigen durchgehen?“, bat sie ihren Kollegen.

„Selbstverständlich, kein Problem. Wonach suchst du denn?“

„Weiblich, Anfang zwanzig, rötliches Haar, zierliche Statur.“

„Ich bin schon dran“, erklärte er.

„Danke, ich werde jetzt auch zurückfahren.“

„Bis gleich.“

Bevor sie einstieg, warf sie einen letzten Blick zurück. Der Kirchturm ragte in die Dunkelheit wie ein mahnender Finger Gottes. Die weiße Farbe war größtenteils abgeblättert und hatte dunkle Stellen hinterlassen. Aus den Fenstern schimmerte kein goldenes Kerzenlicht, sondern der grelle Schein der Flutlichter. Dieser zerstörte den mystischen Anblick, den die Kirche unter anderen Umständen vermutlich gehabt hätte.

Ava schlug die Autotür zu und startete den Motor. Der Wagen rutschte über den frisch gefallenen Schnee, bis die Räder endlich Grip bekamen. Sie bog auf die Hauptstraße und fuhr auf dem schnellsten Weg zur Behörde zurück. Sie hatte sich auf einen gemütlichen Abend vor dem Kamin gefreut, doch der Job hatte wieder einmal ihre Pläne durchkreuzt. Es würde mit Sicherheit eine lange Nacht werden.

Janne hob den Blick, als sie das Büro betrat. Er war einige Jahre jünger als sie und hatte die Stelle seiner Hartnäckigkeit und seinem Ehrgeiz zu verdanken. Hin und wieder merkte man ihm an, dass ihm in gewissen Bereichen die Erfahrung fehlte, aber über die Zusammenarbeit konnte sich Ava keineswegs beschweren.

„Bis jetzt ist keine Vermisstenanzeige eingegangen, die deiner Beschreibung entspricht“, erklärte er.

„Und landesweit?“

„Ich bin gerade dabei, das zu checken.“

Ava rollte ihren Bürostuhl neben seinen.

„Ich darf doch?“

„Klar.“

Gemeinsam schauten sie die Vermisstenanzeigen durch, ohne einen Treffer zu landen.

„Insgeheim habe ich gehofft, dass wir sofort loslegen können“, sagte Ava enttäuscht.

„Sieht nicht danach aus“, erwiderte Janne. „Wir sollten jetzt Feierabend machen und noch einmal richtig durchschlafen, bevor uns die Ermittlungsarbeit samt anfallender Überstunden wieder in Beschlag nimmt.“

„Du hast ja recht. Erste Ergebnisse der Kriminaltechniker werden nicht vor dem Morgengrauen auf unserem Schreibtisch landen“, sagte Ava, schaltete den Computer aus und zog sich den Mantel über. „Dann bis morgen, Herr Kollege.“

„Bis morgen, und genieße deinen freien Abend“, antwortete er.

„Ja, es wird wahrscheinlich der letzte für die nächsten Wochen sein.“

Ava verließ das Gebäude und stapfte zu ihrem Wagen. Es schneite noch immer und sie versank knöcheltief im Schnee. Der Wettergott, falls einer existierte, war selten gnädig zu ihnen. Ihr Volvo geriet in den Kurven immer wieder einmal ins Rutschen, weil der Räumdienst seiner Aufgabe nicht hinterherkam. Zum Glück war man als Schwede das Winterwetter gewohnt.

Das Haus lag dunkel vor ihr, als sie in die Einfahrt bog. Sie stellte den Wagen in der Garage ab und gelangte trockenen Fußes von einer Nebentür in den Flur. Wohlige Wärme strömte ihr entgegen und der vertraute Geruch ließ einen Teil der Anspannung von ihr abfallen. Kari und Duke, die beiden Findelkinder, die ihr vor drei Jahren als Kitten zugelaufen waren, begrüßten sie und strichen ihr laut maunzend um die Beine.

„Gleich gibt es frisches Futter in euren Näpfen“, sagte Ava und kraulte ihre Lieblinge hinter den Ohren, die augenblicklich zu schnurren begannen. „Ich weiß, ich weiß, ihr habt kein zuverlässiges Personal, aber immerhin ein Dach über dem Kopf.“

Sie entledigte sich ihres Mantels und betrat die Küche. Für einen Einkauf hatte die Zeit nicht mehr gereicht und der Blick in den Kühlschrank war ernüchternd.

„Gut, dann eben Rührei ohne Speck und Zwiebeln“, sagte sie.

Bevor sie die Eier in die Pfanne schlug, fütterte sie die Katzen, deren forderndes Miauen ihr schlichtweg auf die Nerven ging. Nach dem Abendessen setzte sie sich ins Wohnzimmer, um ein wenig zu entspannen. Kari hatte es sich inzwischen auf dem Fensterbrett bequem gemacht und putzte ausgiebig ihr Fell, während Duke zusammengerollt auf dem Sessel lag. Sie las ein paar Buchseiten, bis ihr die Augen zufielen, und zog sich dann ins Schlafzimmer zurück.

Doch der Schlaf ließ auf sich warten. Ava konnte die junge Frau, die leblos auf den Stufen vor dem Altar gelegen hatte, nicht aus ihren Gedanken verbannen. Warum war noch keine Vermisstenmeldung eingegangen? Und welcher Unmensch hatte sie so zugerichtet? Fragen über Fragen, die sie nicht zur Ruhe kommen ließen. Erst weit nach Mitternacht verabschiedete sich Ava ins Land der Träume.

KapitelDrei

Ella saß vor ihrem Computer und versuchte, sich auf das Manuskript zu konzentrieren. Sie hatte schlecht geschlafen und fühlte sich matt. Immer wieder war sie aufgewacht und hatte beunruhigt den Geräuschen der Nacht gelauscht. Aber es waren keine weiteren Schüsse gefallen und im Nachhinein konnte es alles Mögliche gewesen sein.

Ella schob sich gedankenverloren einen Cracker in den Mund, den sie mit einem Schluck Tee hinunterspülte. Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen und nur wenige Minuten später sah sie ein, dass es wenig Sinn machte, ihrem Brotjob nachzugehen. Also holte sie den Farbeimer aus der Abstellkammer unter der Treppe und begann, die Wände weiß zu streichen. Es war eine eintönige Arbeit, die nicht sehr viel Geschick erforderte, und so konnte Ella in aller Ruhe ihren Gedanken nachgehen. Mit Macht beschwor sie die Erinnerungen herauf, die tief in ihrem Inneren verschüttet waren. Aber bis auf dieses diffuse Gefühl, etwas Verwerfliches getan zu haben, kam nichts zum Vorschein.

Am späten Vormittag fuhren die Handwerker auf den Hof, um die neuen Türen und Fenster einzubauen. Ella war froh über die willkommene Ablenkung und verköstigte die Männer mit Kaffee und belegten Broten. Innerhalb von fünf Stunden war der ganze Spuk wieder vorüber und Ella ließ sich mit einem erleichterten Seufzen aufs Sofa fallen. Obwohl sie ständig Holz im Ofen nachgelegt hatte, war das Haus wegen der offenen Fenster und Türen ausgekühlt, und sie kuschelte sich in ihre Decke. Jetzt konnten ihr die widrigen Temperaturen nichts mehr anhaben.

Nach einigen Minuten, in denen sie sich aufgewärmt hatte, stand sie auf und öffnete probehalber eines der neuen Fenster. Es funktionierte tadellos. Dabei wanderte ihr Blick über die verschneite Landschaft und stoppte unvermittelt. Handelte es sich um eine Sinnestäuschung oder stand dort zwischen den Bäumen eine dunkel gekleidete Gestalt, die zu ihr herüberschaute?

Ella meinte, einen hochgewachsenen Mann zu erkennen und wich erschrocken zurück. Hastig zog sie die Vorhänge zu, die sie eigentlich nur zu Dekorationszwecken angebracht hatte. Am liebsten hätte sie nach dem Rechten gesehen, aber sie traute sich nicht, das Haus zu verlassen. Mit einem Satz war sie an der Eingangstür, um diese abzuschließen. Jetzt fühlte sie sich einigermaßen geborgen.

Da Ella aber auf Nummer sicher gehen wollte, schnappte sie sich die Taschenlampe und kehrte zum Fenster zurück. Der Lichtstrahl schnitt eine hell erleuchtete Schneise hinüber zum Waldrand und sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Aber an der Stelle, an der soeben noch eine Gestalt gestanden hatte, war niemand mehr zu sehen. Die kahlen Sträucher streckten ihre Zweige in Richtung Himmel und die Wipfel der Fichten bewegten sich sacht mit dem Wind. Sie musste sich getäuscht haben, eine andere Erklärung gab es nicht.

Erschöpft vom Tag machte sie es sich wieder auf dem Sofa bequem und schaltete den Fernseher ein. Obwohl sie es gern gruslig mochte, verzichtete sie darauf und entschied sich für einen Liebesfilm. Dieser war aber so langweilig, dass ihr währenddessen die Augen zufielen.

Ella schreckte aus dem Schlaf und lauschte mit klopfendem Herzen den nächtlichen Geräuschen. Sie hörte das leise Knirschen von Schnee und setzte sich auf. Jemand schien um das Haus zu schleichen, die Schritte waren deutlich zu hören. Ob Noah vielleicht …?

Nein, die Beziehung war endgültig beendet. Außerdem hatte ihr Luisa berichtet, dass er sogar schon eine Neue am Haken hatte. Aus den Augen, aus dem Sinn, dachte Ella betrübt. Sie würde noch einige Zeit brauchen, um über die Trennung hinwegzukommen, obwohl sie wusste, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.

Das Knirschen der Schritte war mittlerweile verstummt und Ella fragte sich, was wohl als Nächstes folgen würde? Konnte es sich tatsächlich um Alma handeln, die auf dem Grundstück herumschlich, um ihr Angst einzujagen? Falls das ihre Absicht war, so funktionierte es jedenfalls perfekt.

Die Furcht kroch Ella den Nacken hinauf und nistete sich in ihrem Inneren ein. Schützend presste sie die weiche Decke vor ihren Oberkörper, als sie plötzlich das Geräusch von splitterndem Holz vernahm. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und das Blut rauschte in ihren Ohren. Was ging hier vor sich?

Sie erhob sich und huschte auf leisen Sohlen zum Fenster. Vorsichtig schob sie den Vorhang zur Seite und stellte verärgert fest, dass jemand die Schuppentür aufgebrochen hatte. Die Tür schwang mit dem Wind auf und zu und prallte dabei immer wieder gegen den Rahmen. Die Reparaturkosten dürften ein weiteres Loch in die Haushaltskasse reißen. Ella hatte für die neuen Fenster und Türen schon einen Kredit aufnehmen müssen, denn sie verdiente als freie Lektorin nicht sonderlich viel.

---ENDE DER LESEPROBE---