Urban Gardening mal anders - Benjamin Vogt - E-Book

Urban Gardening mal anders E-Book

Benjamin Vogt

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Beschreibung

Die Geschichte der Cityfarm Augsburg beginnt 2011 mit einer Idee. Benjamin Vogt und seine Frau Ildikó träumen von einem Rückzugsort mitten in der Stadt, einem Leben abseits von Mainstream und Kommerz und davon, als Selbstversorger im Einklang mit der Natur zu leben. Doch bis zum offiziellen Gründungstag der Cityfarm 2012 und auch danach sind die beiden vor viele Herausforderungen gestellt. Wie macht man ein ungeschütztes Grundstück einbruchsicher? Wie fängt man einen Bienenschwarm ein? Welche Tiere eignen sich für die Haltung in der Stadt? Mal humorvoll, mal kritisch, aber immer unterhaltsam führt Benjamin Vogt durch die turbulenten Geschehnisse auf der Cityfarm. Er gibt wertvolle Tipps und erzählt ganz offen von den Lektionen, die die Cityfarm ihn gelehrt hat.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Nachdruck 2018

© 2017 by riva (powered by 100 FANS),

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch, München

Umschlagabbildungen: Ildikó Reményi-Vogt

Satz: Röser Media, Karlsruhe

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-95705-018-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95708-028-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95708-029-5

Weitere Informationen zum Verlag finden sie unter

www.100fans.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

INHALT

Wie alles begann

Die schwebende Phase

Lehrmeister

Knall auf Fall

Das Ende der Kindheit

Branding, Promotion und andere wirre Dinge

Finde deinen inneren MacGyver!

Generationen-Bashing der besonderen Art

Gedanken zur Selbstmachkultur

Wolken, Blitz und Donnerwetter

Altenheim

Hautflügler und andere Insekten

Die Nackthuhnbande

Kopfweiden, ein Zeugnis unserer Geschichte

Survival im Winter

Väterchen Frost

Frühlingsgefühle

Mein Mopsele – ein Nachruf auf Salli

Sprachlos

»Die schlimmste Form der Massentierhaltung«

Aus dem Tagebuch einer Weisel

Bipperle

Die Vielfalt der Netze

Das Ende?

Für Opa Rolf

WIE ALLES BEGANN

Um es kurz zu machen: Ich hatte mich unsterblich verliebt. Alles begann damit, dass mir eine knapp zehn Jahre ältere Ossi-Braut den Kopf verdrehte, mein heutiges Eheweib, Ildiko. Sitzt da einfach vor mir mit einem merklich in die Jahre gekommenen, von oben bis unten bunt beklebten Laptop, mit Dreadlocks, gewandet in ein auffällig unauffälliges Samtkleid. Sie war die erste Person, die mir im voll besetzten Hörsaal ins Auge gestochen war.

Wir waren beide Rebellen. Als Teil einer verschworenen Gruppe von Besetzern hielten wir den Audimax, den größten Vorlesungssaal der Uni Augsburg, über Monate okkupiert. Studiengebühren, miserable Lehrbedingungen und diverse andere himmelschreiende Ungerechtigkeiten ließen uns zu diesem drastischen Mittel greifen.

Jedenfalls ist die Geschichte der Cityfarm genauso eine Liebesgeschichte zweier gleicher Seelen, wie es ein Zeugnis der harten Arbeit, zahlreicher Rückschläge, aber auch bahnbrechender Erfolge ist.

Ich gebe gerne zu, dass meine Wenigkeit, damals gerade zwanzig geworden, noch grasgrün hinter den Ohren war, und mir der Umgang mit ein wenig lebenserfahreneren Kommilitonen nicht schadete. So ergab es sich etliche Besetzungstage später, dass ich mit Freude eine rosarote Brille auf mein bis dahin farbenblindes Haupt setzte. Ildiko hatte mein Herz erobert, sodass ich mich bereitwillig mit um ihr Pferd kümmerte, das mich übrigens als Aufmerksamkeitskonkurrent mehrmals über den Haufen rennen wollte.

Unser Theastral, die einäugige Schnuti

Ildis obligatorische Dauerpflegehunde Fin, Fenja, Ronja, Falco, Gino und Lucky, um nur einige zu nennen, waren in die Pflege mit eingeschlossen.

Ach ja, da gab es ja noch das Garnelenaquarium und im Nachbarzimmer mindestens einhundert tödlich giftige Vogelspinnen. Sonst war unsere Welt aber vollkommen in Ordnung.

Als von Mami und Papi finanzierter Lehramtsstudent – Danke noch mal dafür! – hatte ich kein hartes Leben. Aber nichtsdestotrotz suchte ich mir nebenbei Knochenjobs wie Stahlbauer oder Fahrradkurier. Wer will einem Jungspund das Ausloten seiner Grenzen verbieten? Schließlich hatte ich gerade meine Schwarzgurtprüfung bestanden und die Noten im Sportstudium konnten sich auch einigermaßen sehen lassen.

Frisch verliebt plätscherte der erste gemeinsame Winter in frostiger Eiseskälte zwischen Universität, Staatsexamen und der Pflege von Schnuti, besagtem Pferd, dahin. Nur für den Zweck, die zehn Kilometer zu unserem »Theastral« zurückzulegen, holte ich mein Moped Mitte Januar aus der Mottenkiste. Theastral deshalb, weil Schnuti einäugig war. Heute, acht Jahre später, fährt mein Moped mit zehntausend Kilometer auf dem Tacho immer noch im Dienste der Cityfarm.

In diesen Monaten wurden wir zu ILBE (ILdi + BEnni), dem unzertrennlichen Zweiergespann, das wir bis heute mit Zuneigung und Hingabe zelebrieren, mit »Liebeeeee«!

Im ersten gemeinsamen Frühling begann uns dann eine meiner Meinung nach genetisch verankerte, bäuerliche Betriebsamkeit zu ereilen. Mein Balkon, bis dahin nur bevölkert von einem einzelnen Stuhl und einem meistens leeren Kasten Bier, verwandelte sich unter den fähigen Händen meiner Liebsten in ein blühendes Biotop. Tomaten, Bonchis (Bonsai-Chilis), diverse Gewürze sowie etliche eingeschleppte Ackerunkräuter begrünten von nun an den Balkon meines bisher als Junggesellenbude genutzten Heims.

Da ergab sich eine Gelegenheit – ein Wink des Schicksals sozusagen –, die sich nur einmal im Leben ergibt. Peter und David von Dohlen, beide selbst aus Berufung professionelle und leidenschaftliche Gärtner sowie Besitzer eines echten Bulldogs samt Gerätschaften, boten uns eine üppige Parzelle in ihrer Gärtnerei an, Know-how und Saatgut inklusive. Sie nutzten das Gelände hauptsächlich für ihr Start-up der Jungpflanzenanzucht für die Gemüseselbsternte, die sie im nächsten Jahr den Augsburgern anbieten wollten. Leider lief ihr Direktvermarkter-Gemüse verkauf nicht mehr so gut, seit ein Kind nahe ihrer Gärtnerei verunglückt war. Als unbeteiligte Dritte konnten sie zwar wahrlich nichts dafür, waren aber von den Folgen direkt betroffen. Wie das in Dörfern nun mal so ist. Glücklicherweise befand sich die Koppel von »Schnuptihü«, unserer halb blinden Stute, genau neben ihrer Gärtnerei.

Im O-Ton wiedergegeben: »Also, wenn ihr meint, das mit der Selbstversorgung wäre so einfach, dann probiert es doch mal aus!« So machten sich die Cityfarmer daran, sich die Finger schmutzig zu machen.

Erste Ernte

Wir stürzten uns gemeinsam mit den beiden Profis auf die Arbeit. Möhrchen, Zwiebeln und Co. gediehen prächtig, nur wollten manche unserer ausgefalleneren Experimente einfach nichts werden. Unser Jedi-Meister des Gärtnerns, Peter, kommentierte unsere Misserfolge lapidar: »Zu kurz die Vegetationsperiode, zu nass unsere Sommer. Lokales Saatgut nehmen du musst.«

Merke: Auf das Saatgut kommt es an. Nicht nur, dass es zum Klima passen muss, extrem wichtig ist auch die Bodenbeschaffenheit. Schon mal Karotten auf Kiesgrund gezogen? Nein? Das Ergebnis sind ernteunfähige Krüppelrotten, die beim Versuch, sie auszugraben, einfach abbrechen. Aber Rückschläge seien normal, wie unser Gärtnermeister angesichts einiger vom Herbststurm umgelegten Bäumen bedeutungsschwanger verlauten ließ, inklusive zertrümmertem Werkstattdach, zerrissenen Stromleitungen und nächtlichem Feuerwehreinsatz. Er konnte sich glücklich schätzen, war er doch am Abend zuvor dem Inferno in letzter Sekunde entkommen. Noch wochenlang danach beseitigten wir etliche Haufen von nassem Holz, schredderten lose Äste und stopften Löcher im Boden. Gelernt haben wir dabei vieles, doch ich begann gerade erst, den gärtnerischen Windeln zu entwachsen. Immerhin war ich noch immer fest überzeugt davon, einmal ein ganz normaler Hauptschullehrer zu werden. Erst als die ersten sonnenwarmen Tomaten in meinen Mund kullerten, erfasste auch mich zunehmend das Gärtnerfieber.

Der Borretsch steht in voller Pracht

Da verblasste der Nutzen meiner Kakteen und Bonsais, die ich von Kindesbeinen an gehegt und gepflegt hatte. Die meisten von ihnen würden im Folgejahr sowieso den Jungpflanzen der Cityfarm weichen müssen.

Und dann kam erst mal alles ganz anders als gedacht. Meine Holde ergatterte ein Beet im interkulturellen Garten auf dem ehemaligen Militärgelände der Reese-Kaserne. Vielleicht weil ihre Diplomarbeit in Geografie davon handelte, beschloss sie, jede noch so zarte Nutzpflanze zu erfassen. Damit war sie verpflichtet, Wochen im Garten zu verbringen. Dort hatten wir unsere Premiere. Sechzehn Quadratmeter richtig eigener Acker. Mit einem leicht überladenen Hänger Pferdemist erarbeitete ich mir an einem durchschwitzten Nachmittag mit Hacke und Spaten mühevoll die erste Blase auf meinen zarten Intellektuellenhänden. Ihr sollten noch viele folgen. Man mag es mir nicht glauben, aber meine mittlerweile zu Pranken verkommenen Hände waren noch vor einem halben Jahrzehnt feingliedrig und schwielenfrei.

Da besagtes Beet aber unter einer hundertjährigen Buche lag, war der Ertrag im Herbst gelinde gesagt kläglich. Ich dachte, Laub sowie Pferdemist hätten den Boden massiv versäuert und eine Ladung Kalk würde Abhilfe schaffen. Hauptsächlich lag es aber an der beinahe durchgängigen Beschattung der Pflanzen. Trotz vermeintlicher Einsicht unserer Fehler war das nicht der erste Schritt zur Besserung der Ertragsleistung. Im Folgejahr wussten Jens und Katharina, unsere Beetnachbarn, den Boden trotzdem zu nutzen, denn wir beackerten da bereits unsere eigene Scholle.

Vielleicht lag unser Versagen im interkulturellen Garten auch daran, dass uns im Frühsommer ein Hilferuf ereilte. Der Bauer einer Bergalm im österreichischen Pinzgau war überraschend verstorben. Die Hinterbliebenen standen nun mit einem verwaisten Alpenparadies und jeder Menge harter Arbeit da. Uns fiel natürlich nichts Besseres ein, als das nötigste Hab und Gut zu packen, um unseren Ruf als verstädterte Piefke alle Ehre zu machen. Dort oben auf tausendvierhundert Metern lernte ich, wie hart man sich sein täglich Brot als Landwirt erarbeiten muss. Stundenlanges Stehen und Sensen am Hang, wortwörtlich bis zum Erbrechen. Die Folge waren blutende Handflächen, übersät mit daumennagelgroßen Blasen, aber auch ein sehenswertes Tagwerk. Am Anfang von den Einheimischen noch verlacht, erbuckelten wir uns durch knallharte Maloche letztendlich doch ihren Respekt.

Bis die Hände bluten – Heuernte in den Bergen

Neben dem Einbringen des Heus legten wir selbst wärmende Mistbeete an. Dafür mussten wir Ausschachtungen, die etwa einen Kubikmeter Fassungsvermögen aufwiesen, in den blanken Fels schlagen. Wir machten den Anfang für einen im Laufe der Jahre stetig gewachsenen Schwimmteich und jagten ausgebüxte Kühe zurück auf ihre Weiden. Zu Beginn machte mich das Gebimmel der muhenden Meute wahnsinnig. Ich war versucht, jedem einzelnen Milchvieh die Glocke vom Hals zu reißen. Aber irgendwie entwickelte sich das Geläut dann zur allseits geliebten Einschlafmusik, die einem erst fehlte, nachdem die Kühe in die Täler hinabgetrieben worden waren.

Bereits während der Anreise verschlang Ildi ein Buch – Meine kleine Cityfarm von Novella Carpenter. Bedingt durch zwei kleinere Unfälle – ich sag nur Stacheldraht und Hangkante – hatte sie für einige wenige Tage Zeit, über die Lektüre nachzudenken. Das Buch handelt von einem ähnlichen Projekt wie die Cityfarm Augsburg, nur befindet sich dieses im verranzten Detroit, einschließlich amerikatypischen Getto-Styles. Wir entwickelten, nachdem auch ich mir in der Hitze des alpinen Sommers das Buch zu Gemüte geführt hatte, die fixe Idee, selbst eine kleine Cityfarm zu gründen, für uns und unsere Freunde als privaten Rückzugsort sozusagen, woraus ja bekanntlich nur bedingt etwas wurde.

Leider war der Arbeitsurlaub in den Bergen schneller wieder vorbei, als uns lieb war. Auf Strom und fließend Wasser hätten wir auch weiterhin gerne verzichtet, um der Stadthektik Augsburgs zu entfliehen. Meine schrundigen Männerhände legten Zeugnis von den auf der Waldbergalm geleisteten Schindereien ab. Das sollte aber erst der Anfang sein. Die Alm offenbarte uns zudem die Grausamkeit von Mutter Natur. Eines Morgens weckte uns ein klägliches Miauen. Die Katzenmutter samt ihren Jungtieren richtete sich im Heustadel über unserem Schlafzimmer häuslich ein. Wir pflegten und hegten die putzigen Kleinen, entwurmten sie, gaben ihnen zu essen, bis der Mörder, Jado, der Mutterkatze das erste Mal begegnete. Fünfzig Kilogramm Hund gegen gerade mal eine Handvoll Katze. Sie passte komplett in Jados Maul. Wir waren fortan Adoptiveltern zweier kleiner, zuckersüßer Rabauken. Sie starben im folgenden Winter.

DIE SCHWEBENDE PHASE

Zurück in Augsburg, konsultierten wir mit unserer Cityfarm-Idee erst einmal Freunde und Verwandte. Die einen erklärten uns schlicht und einfach für verrückt, die anderen meinten: »Unter Vorbehalt könnte es funktionieren.«

Zunächst stand aber in Ildis Heimat die Apfelernte an. Selbst nach einigen idyllischen Tagen im Grünen und etwa einer Tonne gepflückter Äpfel waren der ungefähre Umfang unserer Farm sowie eventuelle Tierhaltung nicht im Mindesten ausdiskutiert. Erst der Besuch bei Onkel Fritz, einem leidenschaftlichem Imker und Kleintierzüchter, überzeugte mich vollends von Russenkaninchen sowie von der Europäischen Honigbiene, Apis mellifera.

Nur ein Grundstück musste her!

Zu unserem neuen Leben trugen nicht nur das mit Apfelkisten vollgestopfte Auto, das uns nach einem Besuch in der Thierhaupter Mosterei leckersten Apfelsaft bescherte, sondern auch meine erste Cityfarm-Lektion in Realitätsbewusstsein maßgeblich bei: Warum kaufen, wenn selbst gemacht so viel besser schmeckt?

Für mich war das das schlagende Argument: Der hochqualitative Saft ist auch noch überwältigend günstiger als jeder gekaufte. Nicht umsonst lautete mein Spitzname für geschlagene zehn Jahre »Bertel«, abgeleitet vom Geizhals Dagobert Duck.

Von nun an bemühten wir uns um ein Stück Land, auf dem wir unseren Traum verwirklichen konnten. Ich will die Tatsache nicht verschweigen, dass in einer Industrieregion wie Augsburg ohne einen müden Kreuzer in der Tasche kaum etwas Brauchbares zu finden war. Verseuchte Flächen, allerorts Blei, Kadmium oder Schlimmeres in der Humusschicht. Bauvorhaben, die innerhalb weniger Jahre unsere mühsam von Hand verrichtete Arbeit mit Baggern niedergewalzt hätten. Einer verlangte für eine heruntergekommene Gärtnerei, in der sich zu der Zeit auch noch ein Sadomaso-Klub befand, einhunderttausend Euro Kaufpreis. Das war ein gruseliger Anblick, sag ich euch. Haltet mich ruhig für einen Spießer. Folterinstrumente, Liebesschaukeln, Bullenjoch und Lederensembles so weit das Auge reichte. Glücklicherweise aber ohne deren Nutzer, ich hätte sonst, samt Hund und Frau, schreiend Reißaus genommen.

So verlegten wir uns mangels Grundstück auf das traditionelle Jagen und Sammeln.

Jagen und Sammeln

Diverse Landschafts-, Wasser- und Naturschutzgebiete bieten uns Augsburgern naturnahe Entspannung und eine reichliche Fülle an wilden Früchten und Kräutern, aus denen sich leckere Teemischungen herstellen lassen. Unser deutscher Haustee aus einer Mischung aus Johannisbeerblättern sowie ein Frauenleidentee aus Himbeerblättern, Holunderblüten, Frauenmantel und Lamium fanden reißenden Absatz bei unseren Freunden und Bekannten. Während einem dieser Jagdausflüge lernte ich einen liebenswerten und auch ziemlich komischen Kauz in der Wolfzahnau kennen, den Bibermann. Er hauste in einem aufgelassenen Weltkriegsbunker am Rande der Stadt. Er, vom Geruch her eher gewöhnungsbedürftig, und ich sind Verwandte im Geiste. Er war aus der Stadt geflohen, da ihn das Tempo, der Lärm und der Gestank in den Wahnsinn getrieben hatten. Der Preis, den er für seine Flucht zu bezahlen hatte? Zahlreiche Anzeigen wegen Landstreicherei, gejagt von der Polizei, aber zu fassen bekamen sie ihn nie. Die Staatsmacht scheiterte an seinen Geländekenntnissen wie einst die Römer an den Germanen im Teutoburger Wald. Er erklärte mir seine Definition von wahrer Freiheit: So viel zu besitzen, dass es für das täglich Brot genügt, aber so wenig, dass es auf keinen Fall belastet oder etwas kostet.

Das war der Denkanstoß dafür, meinen eigenen Lebenswandel zu hinterfragen. Die geplante Anschaffung eines Autos? Gecancelt.

Unser Autoersatz, das »Human Powered Vehicle«

Der neue Plasmafernseher? Ich besaß doch eine funktionierende Röhre. Was sollte diese Rennerei nach mehr, wenn das, was ich bereits mein Eigen nannte, bereits das Doppelte von dem war, was ich wirklich benötigte? Meine Holde, die einen untrüglichen Riecher für derartige Geisteseinstellungen besitzt, schenkte mir mit ihrem Einzug in meine Ein-Zimmer-Küche-Bad-Bude eine Bibliothek von unschätzbarem Wissen. Seit Langem schon gefesselt von der Weisheitslehre Buddhas, entdeckte ich Leonardo da Vincis Wirken in Wort und Werk. Nun will ich euch, liebe Leser, eines meiner Lieblingszitate des italienischen Meisters nicht vorenthalten:

»Hütet euch, dass die Gier nach Geld in euch nicht die Liebe zur Kunst erstickt!

Denkt daran, dass das Erwerben von Ruhm etwas Größeres ist als der Ruhm des Erwerbens.