Verbotene Erfüllung - Kitty French - E-Book

Verbotene Erfüllung E-Book

Kitty French

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Beschreibung

Sophie Black hat sowohl ihrem untreuen Ehemann als auch ihrem geheimnisvollen Geliebten Lucien Knight den Rücken gekehrt. Doch schon bald wird die Versuchung zu stark, und sie findet sich in Luciens Armen wieder. Und auch ihr Ehemann scheint alles daran zu setzen, ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Sophie steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens.

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Prolog

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Epilog

Die Autorin

Die Romane von Kitty French bei LYX

Impressum

KITTY FRENCH

Verbotene

Erfüllung

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Nele Quegwer

Zu diesem Buch

Seit Sophie Black ihren Job als Assistentin bei Knight Inc. begonnen hat, ist nichts mehr, wie es einmal war. Obwohl sie verheiratet war, hat sie sich auf ihren geheimnisvollen Chef Lucien Knight eingelassen. Die Stunden, die sie mit Lucien verbracht hat, waren leidenschaftlicher und intensiver als alles, was sie je zuvor erlebt hat. Aber dann stehen sich ihr Ehemann Dan und Lucien plötzlich gegenüber, und Sophie muss mit ansehen, wie ihr Leben von einer Sekunde auf die andere wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Geplagt von Angst, Wut und Schuldgefühlen zieht sie sich zurück, will weder Dan – der, wie sich herausstellt, selbst seit Langem eine Affäre mit einer anderen Frau hat – noch Lucien jemals wiedersehen. Doch sie muss schon bald einsehen, dass das Verlangen, in Luciens Nähe zu sein, stärker ist als der Wunsch, vor ihm davonzulaufen. Je mehr Zeit die beiden miteinander verbringen, desto leichter fühlt sich Sophies Herz an – und das obwohl Lucien Gefühle unbedingt aus dem Spiel lassen will. Sophie fürchtet, dass die Mauern, die er um sich herum errichtet hat, niemals einbrechen werden. Als dann auch noch Dan alles daranzusetzen scheint, sie zurückzugewinnen, steht sie vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens …

Prolog

»Wer zum Geier ist Lucien Knight?«

Dans Augen flogen nervös zwischen dem Fremden auf seiner Türschwelle und Sophie hinter sich auf der Treppe hin und her. Sie konnte praktisch hören, wie sich die Gedanken in seinem Kopf überschlugen, während sein Gesichtsausdruck von Irritation zu Verwirrung und schließlich zu Ungläubigkeit wechselte. Es war, als versuchte er, die Teile eines unsichtbaren Puzzles zusammenzufügen, ohne einen blassen Schimmer, wie das fertige Bild aussehen sollte.

Der Regen draußen hatte sich von einem feinen Nieseln zu einem Wolkenbruch entwickelt, und das Wasser lief Lucien in Rinnsalen über das Gesicht. Er schien es nicht einmal zu bemerken, als er unbeirrt dastand, die Arme vor der Brust verschränkt und einen Fuß in der Tür, für den Fall, dass es Dan in den Sinn kam, sie zuzuschlagen. Seine Augen waren auf Sophie gerichtet.

»Müsste ich Sie kennen?« Dan straffte die Schultern, als wappnete er sich gegen eine Bedrohung. Luciens Blick wanderte langsam von Sophie zu Dan und blieb dann dort hängen, ein wissender, spöttischer Blick, der alles registrierte, von seinem zerknitterten Anzug bis zu seinem geschäftsmäßigen Haarschnitt. Er schwieg lange, ehe er reagierte, seine Haltung war völlig gelassen.

»Ich bin hier, um das hier Ihrer Frau auszuhändigen.« Er zog einen braunen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke und streckte ihn Dan mit undurchsichtiger Miene hin.

Den Umschlag hatte Sophie an dem Tag schon einmal gesehen. Panik breitete sich in ihr aus und setzte ihre steifen Beine augenblicklich in Bewegung, um auf ihren Mann zuzugehen, doch der hatte die Lasche bereits geöffnet.

Dan starrte hinunter auf die unadressierte, nackte Vorderseite und griff instinktiv in den Umschlag. Beim Anblick des Inhaltes erstarrte seine Hand, und seine Miene schien zu gefrieren.

Die Fotos. Mehr als anschauliche Beweise seiner außerehelichen Affäre mit Maria. Entgeistert stopfte er sie hastig wieder zurück, in dem vergeblichen Versuch, sie vor Sophie zu verbergen, als sie neben ihm auftauchte.

»Sparen Sie sich die Mühe. Sie hat sie schon gesehen«, sagte Lucien mit schleppender Stimme.

Dans Gesicht wurde so grau wie sein Jackett.

»Sophie, bitte …« Er drehte sich um. »Es ist nicht das, wonach es aussieht …«

Lucien lachte. Er lachte doch tatsächlich.

»Entschuldigung. Fahren Sie fort. Ich kann es kaum erwarten, Ihre Erklärung zu hören«, sagte er, und Sarkasmus stand ihm in sein schönes Wikingergesicht geschrieben.

Er genießt die Situation, dachte Sophie. Genießt die Zerstörung. Wut begann in ihr hochzukriechen, als sie sah, wie arrogant er die Situation dominierte. Doch halt. Nein. Er fand es nicht lustig. Sie blickte ihm prüfend ins Gesicht, und langsam dämmerte es ihr. Er war sauer. Stinksauer.

»Für wen halten Sie sich eigentlich?«, platzte Dan heraus. »Für den beschissenen Thomas Magnum, oder was?«

Luciens Gesichtsausdruck verfinsterte sich. »Das wollen Sie eigentlich gar nicht wissen.«

»Da haben Sie recht. Das hier«, Dan schlug mit dem Handrücken auf den Umschlag, »geht Sie gar nichts an.« Er versuchte, die Tür zuzuschmettern, aber Luciens Fuß war im Weg. Er stieß sie mit solcher Wucht wieder auf, dass sie gegen die Wand knallte.

Aufgebracht wandte Dan sich an Sophie. »Was soll das, Soph? Hast du etwa so einen Spinner von Privatdetektiv angeheuert, um mir nachzuschnüffeln?«

Sophie starrte ihn an, merkwürdig gleichgültig, als sie ihm am Haken zappeln sah. Wie konnte er es wagen, so unverschämt zu sein?

Als sie einen Blick auf Luciens gefährlich ruhiges Gesicht warf, kam ihr in den Sinn, dass er die Sache vielleicht selbst in die Hand nehmen und Dan niederstrecken würde, aber sie verwarf den Gedanken wieder. Sicherlich war er fähig und wütend genug dazu, aber seine Selbstbeherrschung war legendär. Außerdem, wenn hier irgendjemand Dan schlagen würde, dann wollte sie sich selbst dieses Vergnügen vorbehalten.

Sie machte einen Schritt nach vorn, nahm Dan den Umschlag aus der Hand und fand ihre Stimme wieder. Sie war überrascht, wie kühl sie klang.

»Danke, Mr Knight. Ab hier übernehme ich.«

Warum war er hergekommen? Erwartete er etwa, dass sie ihn Dan vorstellte?

Lieber Ehemann, das hier ist Lucien Knight, der Mann, der mich gerade um die halbe Welt geschleift und mich nach Strich und Faden mit Sex verwöhnt hat. Ach, und schön, dass du wieder zu Hause bist.

»Gehen Sie jetzt bitte«, sagte sie und flehte ihn eher mit ihren Augen an als mit ihrer Stimme, die fest blieb. »Ich kläre das auf meine Art.« Über sein Motiv würde sie sich später Gedanken machen.

Der Regen hatte Luciens Wimpern zu Stacheln geformt, und Sophie stellte fest, dass es ihr in den Fingern juckte, zu ihm unter seine Jacke zu schlüpfen und die tröstende Wärme seiner Arme zu suchen. Seine Miene ließ Böses ahnen.

»Ich melde mich«, fügte sie in dem verzweifelten Versuch, die explosive Spannung der Situation zu entschärfen, hinzu.

»Wann?«

Dan trat dichter hinter Sophie.

»Ich weiß noch nicht«, sagte sie. »Bitte … gehen Sie einfach.«

Dan warf einen verächtlichen Blick den Gartenweg hinunter auf Luciens Aston Martin.

»Sie haben die Lady gehört.« Sein besitzergreifender Unterton ließ Sophie zusammenzucken. »Steigen Sie in ihren Protzschlitten und machen Sie, dass Sie Land gewinnen.«

Es passierte innerhalb von Sekunden.

Im einen Moment war Lucien noch draußen und im nächsten bereits halb durch den Flur und presste Dan an die Wand.

»Die Lady?« Die Nasen der beiden Männer berührten sich praktisch.

»Die Lady? Ich glaube, Sie haben das Recht, für Sophie zu sprechen, in dem Moment verwirkt, als Sie sich entschieden haben, eine andere als Ihre Frau zu vögeln, meinen Sie nicht auch?«

Eindeutig unterlegen, hatte Dan den Blick eines Gejagten, begehrte aber immer noch auf, trotz des starken Unterarms über seiner Gurgel.

»Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, dass Sie mir irgendetwas über meine Ehe erzählen wollen?« Vorübergehend war Sophie von seinem Wagemut beeindruckt, obwohl sein draufgängerischer Ton sie empörte.

Lucien drehte den Kopf zu Sophie. »Ich bin ein Freund von Sophie. Jemand, der sich um sie sorgt. Jemand, der findet, dass sie mehr verdient als das, was ein verdammter Lump wie Sie ihr jemals geben kann.«

Er nahm den Arm von Dans Hals, als würde ihn auch nur zu berühren seine abgewetzte Lederjacke beschmutzen. Er sah Sophie endlos lang an und machte dann eine winzige Bewegung mit dem Kopf, die Abscheu, Mitleid oder Verzweiflung ausdrücken konnte, ehe er sich zum Gehen wandte.

Dan rollte seine Schultern nach hinten, kühn, da die unmittelbare Gefahr vorüber war.

»Machen Sie die Tür hinter sich zu«, sagte er kindisch zu Luciens Rücken. Dann, kämpferisch: »Und halten Sie sich verdammt noch mal von meiner Frau fern.«

Lucien erstarrte, und Sophie rutschte das Herz in die Hose, als er herumwirbelte, flink wie eine Peitsche, seine Faust geradewegs in Dans Kinn rammte und ihn niederstreckte.

»Ihre Frau?« Lucien spuckte aus, als er Dan auf die Beine half und Blut aus dessen Nase über seine Hände lief. »Sie taugen nicht einmal so viel, Sophie auch nur anzusehen, geschweige denn, sie Ihre Frau zu nennen.«

Er hatte Dan am Kragen gepackt und zwang ihn, ihn anzusehen. Sophie hatte Lucien noch nie so erlebt und war plötzlich über die Intensität und Hitzigkeit seines Zorns entsetzt. Er barg eine sehr dunkle Seite in sich, und etwas an der Situation schien ein Messer mitten in dieses Dunkel gerammt zu haben.

Sophie wurde schlecht. Es hatte nichts Rühmliches an sich, dass diese beiden Streithammel sich um sie balgten. Der eine bedrohlich, der andere unverschämt, und beide kämpften sie um etwas, das tiefer ging als ihre Gefühle für Sophie.

»Hört auf.« Sie bekam Luciens Arm zu fassen und versuchte, ihn wegzuziehen, was ungefähr so wirksam war wie der Versuch eines Kätzchens, sich mit einem Tiger anzulegen.

»Lucien, bitte. Du machst alles nur noch hundertmal schlimmer.« Sein Griff ließ erst nach, als sein Blick auf das Armband an ihrem Handgelenk fiel. Sein Armband. Das Armband seiner Mutter.

Die Seelenqual in seinem Gesicht zerriss Sophie das Herz. Er ließ Dan los, als wäre er radioaktiv, und versetzte ihm einen solchen Stoß, dass er ins Straucheln geriet, dann näherte er sich ihr, beugte sich vor zu ihr. Seine Hand lag warm und fest in ihrem Nacken. Seine Lippen berührten ihre. Für einen Moment vergaß sie, dass Dan überhaupt da war. Ein unendlich kurzer Kuss, eine unendlich bedeutungsvolle Botschaft.

Du hast immer eine Wahl. Denk daran.

Er ließ sie sanft los, ging mit großen Schritten den Gartenweg hinunter und rieb sich im Gehen Dans Blut von den Händen.

1

»Sophie.«

Karas besorgte Stimme wollte nicht verschwinden, sosehr Sophie auch versuchte, sie abzuschütteln und weiterzuschlafen.

»Wach auf, Soph.«

Vielleicht würde sie ja aufgeben, wenn Sophie sich lange genug taub stellte.

Aber stattdessen schüttelte eine sanfte, beharrliche Hand sie an der Schulter, also seufzte sie tief und zwang ihre widerwilligen Lider, sich zu öffnen und die Situation in Augenschein zu nehmen.

Der Fernseher lief noch von letzter Nacht. Auf dem Tisch befand sich eine leere Weinflasche. Daneben ein ebenso leeres Glas. Nur ein Glas – das Erkennungszeichen eines einsamen Herzens. Die Tatsache, dass sie auf ihrem Sofa geschlafen hatte statt in ihrem großen, leeren Ehebett, sagte sogar noch mehr über den Zustand von Sophies Herz aus. Karas hübsches Gesicht zog sich sorgenvoll in Falten, aber ihre Augen waren klar und entschlossen.

»Du musst aufstehen, Süße.«

»Muss ich?«, brummelte Sophie mürrisch. »Muss ich wirklich?« Unter dem zerwühlten Quilt, den sie sich ein paar Nächte zuvor vom Gästebett geholt hatte, stützte sie sich auf die Ellenbogen.

»Kara, meine Ehe ist ein Trümmerhaufen. Mein Ehemann ist weg, wahrscheinlich zu seiner Geliebten gezogen, die er seit sage und schreibe drei Jahren hat. Ich habe keinen Job. Alles, was ich habe, ist dieses Sofa …« – sie warf einen Blick auf den Fernseher – »Jeremy Kyle und Rotwein.«

»Klar. Das könnte dir so passen.« Kara schob betont das Weinglas zur Seite und stellte stattdessen eine Tasse Tee hin. »Wenn du so weitermachst, sitzt du bald selbst beiJeremy Kyle, statt dir die Sendung nur anzusehen.«

Sophie schnaubte und setzte sich mühevoll auf, während Kara sich am anderen Ende des Sofas niederließ und die Füße unter den Quilt steckte.

»›Ich hab meinen Sexgott von einem Chef gevögelt, während mein Mann mit seiner heimlichen Geliebten im Urlaub war‹, klingt doch nicht schlecht.« Ein Anflug von Belustigung funkelte in Karas Augen, als sie eine Packung Paracetamol aus ihrer Tasche fischte.

»Selbst Jeremy Kyle hätte Schwierigkeiten, meine Probleme aufzudröseln«, murmelte Sophie und nahm die Tabletten, die Kara ihr aus der Folie drückte. Der Tee verbrühte ihr fast die Kehle, als sie sie damit herunterspülte, aber den Schmerz spürte sie kaum. Sophie war leer geweint, und ihre Schmerzrezeptoren hatten ihren Dienst aufgegeben. Ihr Körper und ihr Geist hatten genug, und sich eine Woche lang unter den Schutz ihres Quilts zu verkriechen, hatte nicht annähernd dazu beigetragen, die normalen Funktionen wiederherzustellen.

»Du brauchst keinen Jeremy. Du hast doch mich.«

Sophie nickte betreten. »Wenn du das sagst.«

Kara hatte ihr von Anfang an gesagt, dass den Job als Assistentin von Lucien Knight anzunehmen ein Fehler auf allen Ebenen sei, aber sie hatte sich trotzdem nicht davon abhalten lassen. Luciens Anziehungskraft war zu stark gewesen, um zu widerstehen. Zu aufregend. Zu funkelnd, zu neu, eine zu perfekte Ablenkung von dem ganzen Mist ihres momentanen Lebens.

Und wie es nur eine wahre Freundin konnte, hatte Kara nicht gesagt: »Ich hab’s dir ja gleich gesagt«, als Sophies Leben um sie herum zusammengebrochen war. Sie war unerschütterlich gewesen, der einzige Fels inmitten eines tosenden Meeres. Sie hatte Sophies niedergeschlagenes Gemüt über Weinflaschen und späten Telefonaten getröstet und Essen vorbeigebracht, das Sophie jedoch fast nicht angerührt hatte. Und nun war Samstagmorgen, und sie war mit dem Ersatzschlüssel hereingekommen, den sie beschlagnahmt hatte, bewaffnet mit Behältern mit kleinen Mahlzeiten und der festen Absicht, Sophie vom Sofa zu holen, ehe es sie ganz verschlang.

Sophie seufzte schwer. »Gestern Abend hat Dan angerufen.«

Karas Augen weiteten sich ein wenig. »Geht es ihm gut?«

»Nicht besonders.« Sophie umklammerte Trost suchend ihre Tasse. »Er ist total durcheinander. Entschuldigte sich, und noch im selben Atemzug beschimpfte er mich.«

Kara nickte langsam. »Also ein bisschen wie du.«

Sophie zog eine Schulter hoch. »Kann sein.«

»Hast du ihn gefragt, was sein blaues Auge macht?«

»Was denkst du denn?« Sophie hob sarkastisch eine Augenbraue.

»Wohnt er jetzt bei …?« Kara sagte Marias Namen nicht, aber sie wussten beide, wie der Satz endete.

»Ich habe ihn nicht danach gefragt. Aber wo soll er sonst sein? Die beiden sind seit Jahren zusammen. Sie waren zusammen im Urlaub.« Sophie atmete zitternd aus. »Wo soll er sonst sein?«

Karas mitleidvolles Gesicht und das Fehlen einer Antwort bestätigten ihre Zustimmung, auch wenn sie sie nicht aussprach.

»Genug von Dan. Was machen wir mit dir?«

Sophie warf einen bedauernden Blick auf die leere Weinflasche. »Mein Weinregal auffüllen?«

»Soph, ich meine es ernst. Wenn du dich nicht zusammenreißt, wird alles bleiben, wie es ist.« Sie dachte noch einmal darüber nach. »Nein, es wird nicht so bleiben. Deine Rechnungen werden nicht bezahlt, und die Bank wird sich dein Haus unter den Nagel reißen.«

Sophie schob ihre Tasse auf den Couchtisch und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Bäh. Fettig und strähnig und zweifellos so zerwühlt wie der Pyjama, den sie seit einer Woche trug.

Kara hatte recht. So hart es klang und so unmöglich die Vorstellung war, für länger als zehn Minuten das Sofa zu verlassen, war doch die Zeit, sich in Selbstmitleid zu suhlen, vorbei. Der Gedanke, ihr Haus zu verlieren, war zu unerträglich, denn es war zu dem einzig Verlässlichen in ihrem Leben geworden.

»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, Kar.«

Kara musste das Beben in Sophies leiser Stimme gehört haben, denn sie umfing sie in einer stärkenden Umarmung und hielt sie dann wieder auf Armeslänge von sich.

»Du könntest damit anfangen, eine Dusche zu nehmen. Du stinkst.«

Sophie wickelte das Handtuch um ihre frisch gewaschenen Haare und rieb mit der Hand über den beschlagenen Badezimmerspiegel. Das Gesicht, das ihr daraus entgegenblickte, betrachtete sie gelassen, und sie registrierte die sich stärker abzeichnenden Wangenknochen und die dunklen Schatten um ihre Augen. Beides schockierte sie nicht. Sie behielt kaum etwas zu essen bei sich und hatte Mühe einzuschlafen.

Sie kannte sich selbst nicht mehr. So viele Gefühle bekriegten sich in ihr, dass es ihr schien, als würde sie von ihren Klingen kurz und klein geschlagen. Angst. Wut. Reue. Bohrende Schuldgefühle.

Es spielte keine Rolle, dass Dan sie drei Jahre lang betrogen hatte. Sie hatte ihre moralische Überlegenheit in dem Moment aufgegeben, als sie Lucien Knight zu Gesicht bekommen hatte, denn sie hatte es gewusst. Sie hatte den Job angenommen, obwohl sie gewusst hatte, was passieren würde. Stattdessen hätte sie die Beine in die Hand nehmen sollen. Ja. Sie hatte ihre Schuldgefühle verdient, und Luciens Benehmen im Hausflur letzte Woche hatte sie noch verzehnfacht. Das hier war ihrureigenster Schlamassel. Er hatte nicht das Recht dazu, einfach hereinzumarschieren und alle anderen mit Füßen zu treten, um seine Meinung zu sagen. Er hatte ihr unter Zwang die Hand geführt, als sie diejenige hätte sein müssen, die die Entscheidungen traf.

Indem er ihr die Wahlmöglichkeiten genommen hatte, hatte er Sophie einen weiteren auf ihrer immer länger werdenden Liste von Gründen gegeben, ihn zu hassen. Sie war fast so lang wie die Liste der Gründe, warum sie ihm überhaupt erlaubt hatte, sie zu verführen. Fast. Sie hatte die ganze letzte Woche seine zahlreichen Anrufe und SMS ignoriert. Sie hoffte und nahm an, dass ihr Versäumnis, bei der Arbeit zu erscheinen, als ihre unausgesprochene Kündigung galt.

Ihre Zeit mit Lucien war kurz und blendend hell gewesen, aber es war der Augenblick gekommen, damit aufzuhören, Märchen über tragische Schneeprinzessinnen und ritterliche Wikinger in Szene zu setzen und sich endlich der grauen, endlosen Monotonie ihrer zerstörten Ehe zu stellen. Kein Weglaufen mehr. Oder sich auf dem Sofa verkriechen.

Sophie folgte ihrer Nase und traf Kara in der Küche an, wo sie ein Lied aus dem Radio mitsang und sich einen Toast machte. Vielleicht war es nur die Wirkung darauf, den Dreck und die Tränen von ihrem Körper abgeduscht zu haben, aber Sophie spürte, wie ihr Magen auf den heimeligen Duft ansprach, als sie sich an den Küchentisch setzte. Es war ein gutes Gefühl, wieder saubere Kleidung zu tragen. Instinktiv hatte sie, auf der Suche nach jedem Fitzelchen Trost, das sie bekommen konnte, nach ihrer abgetragensten Jeans und einem schlabberigen, hellrosa Pulli gegriffen. In Ermangelung wärmender Arme würden es diese Kleidung und ihre zuverlässigen Hausstiefel aus Schaffell tun müssen.

»Dein Telefon hat gepiept. Sieben Mal!« Sophie warf einen gehetzten Blick auf ihr Handy, das auf dem Küchentresen lag. Wenn Kara daraufgeschaut hatte, hatte sie zweifellos Luciens Namen auf dem Display aufblinken sehen.

»Ich ignoriere ihn schon die ganze Zeit.«

»Das scheint ihm nicht zu gefallen. Du hast elf ungelesene Nachrichten.«

»Du warst an meinem Handy?«

Kara zuckte ungerührt mit den Achseln. »Dann erschieß mich halt. Ich mache mir Sorgen um dich, Soph. Du kannst nicht einfach den Kopf in den Sand stecken.«

»Mir geht’s wieder gut.« Sophie zog sich die Ärmel ihres Pullis bis über die Fingerspitzen hinunter. »Na ja, spätestens, wenn ich einen neuen Job gefunden habe.

Kara stellte einen Teller mit Toast auf den Tisch. »Ich habe in letzter Zeit nicht viele Anzeigen gesehen, in denen Assistentinnen für Wikinger-Sexgötter gesucht werden«, bemerkte sie staubtrocken.

Sophie warf ihrer Freundin einen vernichtenden Blick zu und nahm sich eine Scheibe Toast.

»Was wirst du seinetwegen unternehmen?« Kara deutete auf Sophies Handy.

»Nichts.«

»Irgendetwas sagt mir, dass ›nichts‹ keine deiner Optionen ist, Soph. Du arbeitest immer noch für ihn, schon vergessen?«

»Das hängt von mir ab, nicht von ihm. Und ich sage Nein.«

Kara nickte. »Dann solltest du ihm das vielleicht mitteilen.«

Sophies Schultern sackten zusammen. »Ich weiß. Aber ich kann ihm einfach noch nicht gegenübertreten.«

»Und eine SMS schicken?«

Sophie schüttelte den Kopf. »Und was soll ich ihm schreiben? ›Danke für den Sex und den vorübergehenden Job, aber ich habe beschlossen, mich nach etwas weniger Herzensbrecherischem umzusehen?‹ Du bist ihm nie begegnet, Kara. Sonst wüsstest du, dass er niemand ist, den man mit einer SMS in die Wüste schickt.«

Kara ging zur Spüle, um ihre Tasse auszuwaschen. »Ähm, Soph … sagtest du nicht, dass er einen Aston Martin fährt?«

Das schöne, schwarze Auto erschien schnurrend in Sophies Kopf. »Ja.«

Kara wandte sich vom Fenster ab. »Dann bedaure ich, es dir sagen zu müssen, aber ich glaube, er kommt gerade den Gartenweg entlang.«

Beide fuhren zusammen, als es an der Tür klopfte.

»Ich mache nicht auf«, flüsterte Sophie und hielt sich so krampfhaft an ihrer Kaffeetasse fest, dass ihre Knöchel weiß unter der Haut hervortragen. »Ich will nicht, Kara.«

»Dann gehe ich eben.«

»Nein! Lass es. Bitte. Er wird wieder gehen, wenn wir nicht aufmachen.«

»Meinst du?« Lucien klopfte wieder, diesmal kräftiger. »Unsinn, Soph, ich weiß, du hast gesagt, dass er heiß ist, aber er ist der Ham-mer!« Kara machte Stielaugen, als sie sich über die Spüle reckte, um einen besseren Blick durch das Fenster zu bekommen. »Bitte, lass mich wenigstens die Tür aufmachen, um ihn mir richtig anzusehen.«

»Ich meine es ernst, Kara.« Sophies Flüstern stieg vor Panik um eine erstickte Oktave an. »Ich kann heute nicht mit ihm sprechen.«

»Sophie.« Luciens tiefe Stimme hallte durch den Flur, und Sophie schloss die Augen, während die von Kara immer größer wurden.

»Mach die Tür auf, Sophie, oder ich tu’s.« Seine Stimme war gefasst, aber die Drohung war eindeutig.

»Himmel, hat er vor, die Tür einzutreten?«, zischte Kara und hüpfte vor Aufregung geradezu auf und ab.

Sophie stellte ihre Tasse ab und blickte besorgt den Flur entlang. Sie war sich nicht sicher, ob sie mit einem weiteren Showdown fertig würde, aber es schien, als wäre dies ihr Schicksal.

Als sie auf die Tür zuging, konnte sie Luciens große, vertraute Statur durch die Glasscheibe erkennen, und ihr drehte sich vor Nervosität der Magen um. Der Toast war ein Fehler gewesen.

»Ich kann dich sehen, Sophie.«

Wieder überschlug sich ihr Magen, und diesmal hatte es wenig mit dem Toast zu tun.

»Bitte geh. Ich habe dir nichts zu sagen.«

»Ich dir aber. Also, entweder lässt du mich rein oder ich benutze den Schlüssel, der hier in der Tür steckt, und lasse mich selbst rein.« Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »Was ist dir lieber?«

Panisch fuhren Sophies Augen zu ihrem eigenen Schlüssel, der sicher auf dem Tisch im Flur lag, und dann misstrauisch zu Kara in der Küchentür. Als diese begann, hektisch ihre Taschen abzusuchen, und ihr dann eine entschuldigende Grimasse zuwarf, war das Schlimmste bestätigt. Lucien log nicht. Er hätte geradewegs hereinspazieren können. Er gab ihr eine Chance, ihn einzuladen, bevor er sich selbst einlud.

Als ihre Finger über dem Türgriff schwebten, seufzte Sophie und lehnte den Kopf gegen das Glas.

»Ich möchte diese Tür wirklich nicht aufmachen«, sagte sie, hauptsächlich zu sich selbst.

Lucien schwieg auf der anderen Seite. Wartete und beobachtete.

Sophie fühlte, wie Karas Hand in stummer Solidarität ihre Schulter drückte.

»Mach die Tür auf, Soph«, murmelte sie. »Ich bin hier. Ich sorge dafür, dass er abhaut, wenn du das wirklich willst.«

Sophie schluckte schwer, drückte dann die Klinke hinunter und öffnete.

Als Erstes registrierte sie den Schmerz. Den Schmerz von Karas Fingernägeln, die sich in ihre Schulter gruben. Sophie war nicht überrascht. Die erste Begegnung mit Lucien Knight hatte auf sie eine ähnliche Wirkung gehabt.

Sie stellte einen Blickkontakt zu seiner Brust her, fest, breit und in eine abgewetzte, schwarze Lederjacke gehüllt.

Sie schloss für eine Sekunde die Augen, ehe sie zu ihm aufblickte, und brauchte einen Moment, um sich gefühlsmäßig zu wappnen. Drei, zwei, eins…

»Lucien.«

Es war das erste Mal, dass sie seinen Namen sagte, seit er ebendiesen Flur am letzten Wochenende mit Dans Blut an seinen Händen verlassen hatte, und es verursachte auf ihren Lippen ein Gefühl von lustvoller Schuld.

Seine Augen blickten in ihre.

»Sophie.«

Er sah nicht weg, schien nicht einmal Karas Gegenwart neben Sophie wahrzunehmen.

»Ich muss mit dir reden.«

Lucien so nah zu sein stellte merkwürdige Dinge mit Sophies Innenleben an. Sie war stinksauer auf ihn wegen seines Benehmens neulich, und doch übte sein Körper auf den ihren eine pure sexuelle Anziehung aus wie ein starker Magnet. Wie konnte sie so wütend und so durcheinander sein und sich doch immer noch so nach ihm sehnen?

Sie hasste ihren verräterischen Körper dafür, dass er ihn immer noch begehrte. Aber dann straffte sie die Schultern und warf Kara einen Blick über die Schulter zu. »Ich komme schon klar.« Sie tätschelte die Hand ihrer Freundin, um sie zu ermutigen, ihren Schraubstockgriff an ihrer Schulter zu lockern. »Vielleicht solltest du jetzt gehen.«

Karas Augen glitten unsicher von Sophie zu Lucien und dann wieder zu Sophie.

»Sicher?«

Sophie nickte, und Karas Ausdruck schien eine Million Dinge gleichzeitig zu sagen. Sophie sah Sorge darin und liebte ihre Freundin dafür. Sie sah auch Bewunderung und fühlte sich bestärkt von Karas Zuversicht in sie. Und außerdem sah sie noch ›Lass mich hierbleiben, damit ich diesen Mann noch eine Weile ansehen kann‹, was Sophie ihr nicht verübeln konnte.

Sie umarmte ihre Freundin kurz und schob sie sanft über die Türschwelle, und Lucien trat beiseite, um sie vorbeizulassen. Sophie erzitterte und schlang sich die Arme um den Leib, während sie mit steigender Panik Kara weggehen sah.

»So«, sagte Lucien. »Jetzt sind nur noch du und ich da.«

Oh Gott. Sie konnte das nicht. Alles, was er sagte, klang wie bei einem Filmstar.

»Was willst du, Lucien?«

»Meine Assistentin zurück.« Sein Tonfall war neutral und sein Blick unbeirrbar.

Ein ersticktes Lachen entfuhr Sophies Kehle.

»Ich habe gekündigt.«

»Ich habe keine Kündigung erhalten. Bitte mich doch herein.«

Sophie wollte diesen großen Mann nicht in ihrem kleinen Haus haben, aber die einzige andere Option war, das Gespräch auf der Türschwelle fortzusetzen, und sie hatte den Verdacht, dass die Nachbarn jetzt schon einen Heidenspaß an ihren Eheproblemen hatten. Sie konnte praktisch sehen, wie die Vorhänge gelüpft wurden, und die Telefonanrufe zwischen ihnen hören, um sich gegenseitig auf die nächste anstehende Nebenvorstellung auf der Straße aufmerksam zu machen.

»Na schön. Komm herein.«

Sie drehte ihm den Rücken zu und ging ihm in die Küche voran. Sie hörte, wie sich die Tür schloss, und merkte an der knisternden Elektrizität seiner Nähe, dass er im Zimmer war, zwang sich aber, sich nicht umzudrehen, bis sie den Kessel mit Wasser gefüllt und nach zwei Tassen gegriffen hatte.

»Möchtest du Platz nehmen?« Sie sah ihn an und zeigte auf einen Stuhl, während sie die Reste vom Frühstück vom Tisch räumte und immer noch seinem Blick auswich.

Er setzte sich auf den angebotenen Platz, sein Körper schien irgendwie viel zu groß für ihre Küche zu sein. Er war ganz in Schwarz gekleidet, was gut zu ihrer Stimmung passte.

Muss er sich so breitmachen? Wie konnte er es sich in der Küche eines anderen Mannes mit der Frau eines anderen Mannes so bequem machen? Andererseits hatte Luciens Messnadel für Respekt bei ihrem Ehemann nie besonders hoch ausgeschlagen.

Als der Kaffee fertig war und auf dem Tisch stand, gingen Sophie die Verzögerungstaktiken aus. Es war Zeit, sich Lucien Knight zu stellen.

2

»Du bist am Montag nicht zur Arbeit gekommen.«

Sophie stellte die Tassen auf den Tisch und setzte sich Lucien gegenüber.

»Hast du allen Ernstes mit mir gerechnet?«

Er zog die Schultern hoch, als verwirrte es ihn, dass sie ihm überhaupt diese Frage stellte.

»Ja.«

Sie schüttelte den Kopf. Das konnte er nicht ernst meinen. »Du hast meinen Mann geschlagen.«

»Erwartest du etwa, dass ich mich dafür entschuldige? Er hatte es verdient.« Lucien bemühte sich, seine Gelassenheit zu bewahren, aber der Ausdruck in seinen Augen wechselte von überlegen zu heiß wie Lava, was Sophie sehr bewusst machte, wie nervös er war.

»Du hattest nicht das Recht dazu.« Sophies Fingernägel bohrten sich in ihre Handfläche, als sie die Fäuste ballte. »Ich wollte das auf meine Weise regeln. Du hast mir meine Wahlmöglichkeiten genommen.«

Sie sah, wie er über ihre Worte nachdachte, und für einen winzigen Augenblick sah sie Unsicherheit in seinen Augen aufflackern.

»Wahlmöglichkeiten?« Er beugte sich nach vorn und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »So wie ich es sehe, hattest du keine Wahl, Sophie. Dein Mann ist das Letzte. Du musstest ihn loswerden.«

Sophie spiegelte auf der anderen Seite des Tisches seine steife Haltung wider. »Und schon wieder triffst du meine Entscheidung für mich.«

Ein Zucken fuhr durch seinen angespannten Kiefer.

»Ich dachte, du würdest die falsche treffen.«

»Also hast du sie für mich getroffen.«

Er lehnte sich zurück und verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust.

»Es tut mir nicht leid.«

»Männern tut nie etwas leid.« Sophie bedauerte die Verallgemeinerung schon in dem Augenblick, als sie ihr über die Lippen gekommen war, aber die letzten paar Tage hatten sie mehr als nur ein bisschen erschöpft.

»Ich bin nicht wie er, Sophie.« Luciens Worte waren so leise, dass Sophie sie gerade noch verstehen konnte.

»Nein. Nein, du bist nicht wie er«, fauchte sie. »Du bist wahrlich einzigartig in deiner Verkorkstheit, Lucien.«

Ihre Worte mussten ihn getroffen haben, denn er senkte den Blick und seufzte schwer. Ihn so gebeugt vor sich zu sehen raubte Sophie beinahe die Fassung. Sie sah nur die langen Wimpern, die Fülle seiner leicht geöffneten Lippen. Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte sie sich in sein Arbeitszimmer in Norwegen zurückversetzt, als sie das Foto des Jungen betrachtet hatte, der dieser Mann einmal gewesen war. Das lachende Kind mit der Mutter, die es verehrte. Er war ganz allein auf der Welt, und ihr Urteil erschien ihr plötzlich schäbig.

»Ich hatte nicht vor, dir deine Wahlmöglichkeiten zu nehmen.« Luciens Stimme war leise, aber fest.

Sophie glaubte ihm. Er war ein Mann, der mit seinen eigenen verpfuschten Moralvorstellungen uneins war, und im Grunde ihres Herzens wusste sie, dass seine Handlungen von seinem Zorn auf Dan beeinflusst gewesen waren und nicht von seinem Wunsch, sie zu beherrschen.

Aber so oder so, das Ergebnis war dasselbe.

Sie hätte Dan von ihrer Affäre erzählt. Dann hätte er seine Affäre zugegeben.

Und was dann? Sie hatten das Vertrauen des anderen missbraucht und damit ihre Ehe zerstört.

»Lucien.« Sophie blickte wieder in seine Air-Force-blauen Augen, als er sie zu ihr aufschlug. »Was passiert ist, ist passiert. Ich muss einen Weg finden, damit klarzukommen, und du musst eine neue Assistentin finden.«

Er schnaubte leicht. »Ich will keine neue Assistentin. Komm zurück zur Arbeit.«

»Nicht in einer Million Jahre.«

Er schüttelte den Kopf. »Wir könnten es schaffen. Wir sind erwachsen, Sophie.«

Fast hätte sie losgelacht. »Ich soll also einfach zur Arbeit kommen, als wäre nichts geschehen? Dir Kaffee kochen, deine Berichte tippen und der Einfachheit halber vergessen, dass wir Sex miteinander hatten?«

»Wer hat denn etwas von vergessen gesagt?« Luciens Augen verdüsterten sich, als sie sich wieder in ihre versenkten. »Ich will nicht vergessen, dass wir Sex miteinander hatten. Ich will nicht vergessen, wie du dich in meinen Händen anfühlst oder wie dein Gesicht aussieht, wenn du kommst.«

Sophie starrte ihn an, ihr Mund war völlig trocken. Er hatte eine Direktheit, die ihr den Atem verschlug.

»Also, nein. Nicht vergessen. Weitergehen.« Er schlürfte seinen Kaffee. »Du kannst wieder das Mädchen sein, das Briefumschläge küsst, bevor es sie verschickt.«

Sophie versuchte, sich an jenes Mädchen zu erinnern. Es war so gut wie unmöglich. Es war eine Fremde, obwohl erst ein paar Wochen vergangen waren, seit sie jenen verhängnisvollen Brief abgeschickt hatte.

»Ich kann es nicht«, sagte sie tonlos.

»Doch, du kannst es. Das Allermindeste, was wir sein können, Sophie, sind Freunde und Kollegen.«

Bei ihm klang es so absolut vernünftig. So erreichbar. So überaus lässig. Wie gewonnen, so zerronnen. Aber entsprach das nicht genau seinem Wesen?

Seinem vielleicht, aber nicht ihrem.

»Ich kann nicht, Lucien, es ist so schwer. Ich kann nicht mit dir befreundet sein, und ich kann das Chaos, in dem mein Leben steckt, nicht lösen, wenn du um mich bist.«

Lucien blickte sich in ihrer kleinen Küche um. »Ich nehme an, er wohnt nicht mehr hier?«

Überrascht von seinem Themenwechsel schüttelte Sophie den Kopf und grub wieder ihre Fingernägel in ihre Handfläche. Körperlicher Schmerz, um sich von dem seelischen abzulenken, aber die Tränen sammelten sich trotzdem in ihren Augen.

»Kommst du alleine klar?«, fragte er sanft.

Sie schloss die Augen. Tu das nicht. Sei nicht sanft. Ich vergehe, wenn du so bist.

Sie fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen.

»Eigentlich nicht.« Lügen wäre klüger gewesen, aber es schien weit über ihre emotionalen Fähigkeiten hinauszugehen. »Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Ich schlafe nicht. Ich verstecke mich vor den Nachbarn. Die sind wahrscheinlich jetzt da draußen und fotografieren mit ihren Handys dein Auto.«

Lucien griff über den Tisch hinüber zu ihr, und Sophie zog rasch ihre Hände weg, ehe er sie berühren konnte.

»Du solltest gehen.« Sie hob ihre Augen zu seinen. »Komm nicht mehr hierher, Lucien.« Ihre Worte waren nicht viel mehr als ein Flüstern in dem stillen Raum. »Das hier ist mein Leben. Ich muss selbst einen Weg finden, damit fertigzuwerden.«

Sie blickte nicht mehr auf, bis sie die Haustür hinter ihm zufallen hörte.

Lucien warf den Kindern, die um sein Auto herumstanden, einen finsteren Blick zu, der sie auseinanderstieben ließ.

Sophie hatte recht. Er hatte hier nichts verloren.

Der Teufel allein wusste, warum er heute hergekommen war. Hatte er nicht schon alles bekommen, was er wollte? Sophie hatte ihren Mann hochkantig hinausgeworfen, also, warum verspürte er nicht den gebührenden Triumph?

Weil sie innerlich gebrochen war.

Es schockierte ihn, sie so abgezehrt gesehen zu haben, zu wissen, dass er sie auf einen langen, einsamen Weg geschickt hatte. Er hatte sich nicht über die Genugtuung hinaus, die Schlacht zu gewinnen, Gedanken gemacht, und er hatte nicht damit gerechnet, dass Sophie zur Seite der Verlierer gehören würde.

Er warf noch einen langen Blick auf das adrette kleine Haus. Das hier war noch nicht vorbei. Noch lange nicht.

3

Sophie schloss die Datei auf dem Computerbildschirm und griff nach ihrem Handy. Auch wenn es erst wenige Wochen her war, seit sie bei Hopkins Building & Double Glazing gearbeitet hatte – an ihrem alten Schreibtisch zu sitzen war, als ziehe sie sich alte Schuhe an, die ihr nicht mehr passten.

Sie wusste, dass sie Glück gehabt hatte, dass Derek ihre Stelle noch nicht besetzt hatte, und dass sie eigentlich dankbar sein sollte, dass er sie wieder eingestellt hatte. Und das war sie, wirklich, aber es ließ sich nicht bestreiten, dass Kostenvoranschläge für Doppelverglasungen weit weniger glamourös waren als Testberichte über Sexspielzeug. Und als Chef war Lucien Knight so gut wie unerreichbar.

Sie warf einen verstohlenen Blick auf das Display ihres Handys. Keine Nachrichten. Nicht, dass sie irgendwelche erwartet hätte. Zwischen Dan und ihr herrschte seit drei Wochen Funkstille, und Lucien schien sie seit ihrer letzten Begegnung beim Wort genommen zu haben.

Sie vermisste alle beide.

»Sophie, mein Mädchen.« Derek kam in Sophies winziges, zellenartiges Büro hereingepoltert und quetschte sich mit seiner nicht unerheblichen Masse an ihr vorbei hinter den Schreibtisch. Sophie schluckte schwer, als er ihr seine fleischige Hand auf die Schulter legte und sie drückte, während er auf ihren Bildschirm schielte.

»Alles klar, Liebes? Schon wieder eingewöhnt?« Sophie lächelte angestrengt, nickte und versuchte darüber hinwegzusehen, wie sehr sein Bauch Anstalten machte, durch seine gespannten Hemdknöpfe zu entkommen.

»Alles gefunden, was du brauchst?« Dereks Griff an ihrer Schulter ging von einem Drücken zu einem Massieren über, und Sophie hatte Mühe, keine Grimasse zu ziehen. Sie nickte wieder, unfähig, durch ihre zusammengebissenen Zähne hindurch zu sprechen.

Er massierte sie immer noch.

»Ich wusste, dass du zurückkommst. Hattest Sehnsucht, hm?« Er lachte schmutzig und beugte sich dann vor, so dass sein Körper Sophie seitlich berührte. Seine Finger fuhren über ihre Schulter und rieben dann über die entblößte Haut an ihrem Kragen. Schwitzige, raue Wurstfinger, die Sophie erschauern ließen.

»Im Büro wird herumerzählt, dass dein Mann ein Betthäschen hat.«

Sophie brauchte diesen Job wirklich.

In den letzten paar Wochen hatte sie vergeblich versucht, irgendetwas anderes zu finden. Hierher zurückzukehren war der einzige unmittelbare Weg, den sie sah, um die Rechnungen mit dem roten Aufdruck zu bezahlen, von denen immer mehr hereingeflattert kamen. Das wusste Derek offensichtlich auch. Er hatte sie in der Hand und fühlte sich eindeutig als der ideale Kandidat, um in Dans erst kürzlich frei gewordene Fußstapfen zu treten, aber er hatte die Grenze meilenweit überschritten. Sie war nicht mehr das Mädchen, das er in der Vergangenheit so bequem belästigen konnte.

»Derek … Ich glaube nicht …«

Seine Massage verwandelte sich in einen Griff, der sie nach unten drückte, und seine andere Hand landete seitlich an ihren Rippen, widerlich nah an ihrer Brust.

Unter normalen Umständen hätte Sophie ihm klargemacht, dass seine Annäherungsversuche inakzeptabel seien, aber das hier waren weder normale Umstände noch normale Tage. Sie lag bereits am Boden, und das hier war ein Kampf zu viel. Tränen der Schmach sammelten sich in ihren Augen, als ihr Dereks Zigarrenatem in die Nase drang.

»Schön, dich wieder hier zu haben, Sophie.«

Auf dem Schreibtisch schrillte das Telefon und löste die Spannung, und Derek ließ von ihr ab und tätschelte ihr die Schulter. »Da gehst du besser dran, Liebes. Ich komme später wieder, wenn die Jungs heimgegangen sind.«

Ein Später würde es nicht geben.

Sophie sah, wie Derek draußen über den Hof watschelte, und da packte sie die Wut, eine Wut, wie sie sie noch nie zuvor erlebt hatte und die in ihr den Wunsch weckte, mit den Fäusten gegen das Fenster zu schlagen und aus voller Kehle zu brüllen.

Was zu viel war, war zu viel.

Sie griff nach ihrem Mantel und warf sich ihre Tasche über die Schulter. Lieber würde sie ihr Zuhause verlieren als den letzten Rest an Selbstachtung, den sie noch hatte.

4

Am darauffolgenden Montag tat Sophie etwas, von dem sie nie geglaubt hätte, dass sie es je wieder tun würde. Niemand beachtete sie besonders, als sie durch die Vorhalle aus schwarzem Glas schritt und mit dem Fahrstuhl ganz nach oben fuhr, und niemand lauerte ihr auf, als sie durch den piekfeinen Flur ging und an die Tür am Ende klopfte, bevor sie sie öffnete.

Lucien blickte von dem Bericht auf, den er in der Hand hielt, starrte sie an, stumm vor Überraschung, und stellte dann langsam den Kaffeebecher aus Plastik vor sich auf den Schreibtisch.

»Eine Million Jahre haben sich als zu lang herausgestellt«, sagte Sophie und zog die Tür hinter sich zu. Sie hatte diese Bemerkung den ganzen Weg zur Arbeit geprobt, fest entschlossen, einen würdevollen Auftritt hinzulegen.

Lucien nickte langsam und bedeutete ihr, sich auf den Platz ihm gegenüber zu setzen.

»Hast du meine Stelle schon besetzt?«

Er nahm einen Stift zur Hand und klopfte damit müßig auf den Tisch. »Eine gute Assistentin ist schwer zu finden, Sophie. Ich lasse mir Zeit.«

Sie schluckte. Er machte es ihr nicht leicht, aber sie hatte ihm ja auch unmissverständlich klargemacht, dass sich ihre Wege nicht wieder kreuzen würden.

»Haben Sie irgendwelche Referenzen, Ms Black?«

Sophie seufzte. Also, dieses Spiel wollte er spielen.

»Nein, ich habe letzte Woche einen Job aufgegeben, weil der Chef mehr für sein Geld wollte als nur meine Schreibmaschinenkenntnisse.«