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"Camilla biss sich in die Unterlippe, um ein Wimmern zu unterdrücken, als sie vor sich sah, wie er sich zu ihr lehnte und sie innig küsste, während er die Haare aus ihrem Dutt löste."Camilla wird nach Berlin fahren, um ihre Freundin Jessica zu besuchen. Jessica verspricht, dass es jede Menge gut aussehender Männer in Deutschland gibt. Camilla wird klar, dass es lange her ist, dass sie mit jemand anderem als sich selbst Sex hatte, und im Ausland fühlt es sich ja auch nicht ganz so seltsam an, nach einer einmaligen Sache zu suchen. Doch bereits im Bus nach Berlin sieht sie jemanden, der ihr Verlangen weckt ...Verbotene Treffen ist eine Sammlung erotischer Kurzgeschichten, die keinen Halt vor Tabus macht. Beste Freundinnen, die nach Jahren ganz andere Seiten an der jeweils anderen entdecken, verführerische Weihnachtsfeiertage oder heißer Sex mit einem feurigen Argentinier – diese Kurzgeschichten stillen unser heißes Verlangen.Diese Sammlung enthält folgende erotischen Kurzgeschichten:Mehr als Freundinnen Ein Tanz in Der Nacht Das Verlangen der KöniginWie vom Erdboden verschluckt Argentinischer Tango Unbändiges Verlangen Ein sinnliches Treffen Füll mich – Offene BeziehungVerbotene Treffen Ziel Orgasmus 4. Dezember: Oh Tannenbaum12. Dezember: Der Lucia-Umzug 15. Dezember: Alles, was ich mir wünsche21. Dezember: Zu Weihnachten komme ich nach HauseEin Voyeur in Kopenhagen 1 Ein Voyeur in Kopenhagen 2 KalendersexEine Reise ins alte Ägypten Sex, Herr Doktor! Die Umkleidekabine Erotische U-BahnfahrtGeschwisterliebe-
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Seitenzahl: 522
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LUST Autoren
Übersetzt von LUST translators
Lust
Verbotene Treffen: 22 erotische Kurzgeschichten
Übersetzt von LUST translators
Titel der Originalausgabe: Verbotene Treffen: 22 Erotic Short Stories
Originalsprache: Schwedisch
Copyright ©2022, 2023 LUST Autoren und LUST
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788728407783
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung des Verlags gestattet.
www.sagaegmont.com
Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.
Jackie sammelte ihr langes, honigfarbenes Haar hinter dem Kopf, kämmte mit den Fingern durch den Pferdeschwanz und wickelte geistesabwesend die glänzenden, gepflegten Spitzen um die Finger, während sie ein Haargummi vom Handgelenk rollte und das Haar in einem losen Knoten auf dem Kopf zusammenband.
Eine einzelne freie Locke liebkoste ihren zarten Nacken. Ich stand ein paar Meter hinter ihr und ahnte die Nackenwirbel unter der sonnenbraunen Haut. Sie sah so zerbrechlich aus. Wie das knirschende Herbstlaub unter unseren Sohlen, als wir wenige Minuten zuvor untergehakt durch die Fußgängerzone spaziert waren.
Jetzt standen wir im H & M. Es war warm. Der dunkelgraue Wollkragen von Jackies Mantels lag schwer über ihren Schultern, die breiter aussahen, als sie eigentlich waren. Aus den Lautsprechern unter der Decke pulste ein generischer Popsong, der von einer Frau handelte, der alles egal war. Ihr war der ganze Dreck egal, den er angerichtet hatte, sollten die anderen doch von ihr denken, was sie wollten, wenn sie ihn nur zurückbekäme, weil sie sich offenbar ganz sicher war, dass sie beide was ganz Außergewöhnliches zusammen hatten. Die Sängerin hörte sich nicht sehr alt an. Vermutlich würde das Alter sie eines Besseren belehren.
Die dumpfen Bässe machten mir Kopfschmerzen.
Ich runzelte die Stirn und stellte mir den weiteren Verlauf von Jackies Rückenwirbeln unter dem Jackenkragen vor. Zwischen den Schulterblättern, runter bis zur Lende. Ich stellte mir das Gefühl vor, ihnen mit der Fingerspitze zu folgen, und dachte unwillkürlich an die Tasten eines Klaviers, die angeschlagen werden, eine nach der anderen, von hell zu dunkel, und zurück von dunkel zu hell.
Jackie drehte sich um und lächelte mich an.
„Ich hab was Schönes gefunden“, sagte sie.
Ich zwängte mich zwischen den Kleiderständern durch und stellte mich neben sie. Sie schob ein paar rote Kleider auf der Stange hin und her, bis sie die passende Größe fand. Es war eng geschnitten, mit irgendeinem Drapierdings vorne und aus einem glitzernden Material, das nicht sehr atmungsaktiv aussah. Ich stellte mir darin vor, mit großen Schweißflecken unter den Achseln und auf dem Rücken. Mit Beulen und Falten an Stellen, wo keine sein sollten. Ich lachte laut.
„Nie im Leben“, sagte ich.
„Warum nicht?“
Mir fiel keine schlagfertige Antwort ein, und ich schnitt ersatzweise eine Grimasse. Jackie würde das ohnehin nie verstehen. Sie konnte essen, was sie wollte und so viel sie wollte. Sie konnte einen ganzen Elefanten verdrücken und passte trotzdem noch in Größe 36.
Wahrscheinlich könnte sie den Elefanten sogar selbst erlegen. Sie war schnell und gelenkig. Wenn sie sich bewegte, sah man die Muskeln unter ihrer Haut arbeiten. Sie erreichte jeden Bus, dem sie hinterherrannte.
Was zum einen daran lag, dass sie schnell war. Aber natürlich spielte auch eine Rolle, dass man unmöglich nicht anhalten konnte, wenn Jackie hinter einem Bus herlief. Jackie mit den blühenden, roten Wangen, den feinen Schweißperlen auf der Stirn, mit flatterndem Haar und Mantel.
Sie legte den Kopf schräg und eine Hand auf meine Schulter.
„Louise, jetzt hör endlich auf damit. Du bist schön. Du bist eine Göttin! Dieses Kleid kann sich glücklich schätzen, wenn es mit dir nach Hause kommen darf. Die kleinen Kinder in Bangladesch, die es genäht haben, würden auf der Stelle eine Lohnerhöhung bekommen, wenn der Fabrikchef dich darin sähe!“
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Und Jackie lachte auch. Und wenn Jackie lachte, hatte ich verloren. Ich nahm das Kleid und bahnte mir einen Weg durch die Kleiderständer zur Umkleidekabine.
Jackie wartete draußen. Ich sah den Teil ihrer Beine knieabwärts unter der Tür. Sie lehnte sich an die Wand, verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, summte bei der Musik mit. Ein neues Stück, aber ungefähr das Gleiche. Ich ließ meine Jeans auf die Knöchel runterrutschen, und als ich aus der Hose heraustrat, stellte ich mir vor, was sie sah, wenn sie gerade unter den Türspalt schaute. Meine fusseligen Socken auf dem kalten Boden. Eine Socke hatte ein Loch, aus der mein großer Zeh mit abgeblättertem Nagellack lugte. Es war lange her, dass ich mir das letzte Mal die Beine rasiert hatte, und in dem gnadenlos grellen Kabinenlicht waren die Haare besonders deutlich zu erkennen. Dunkel und borstig auf der weißen Haut.
Ich zog das Kleid über den Kopf. Ich musste den Bauch einziehen, um es über meine Hüften zu bekommen.
„Darf ich gucken?“, fragte Jackie ungeduldig.
Ich sah mein Spiegelbild an und wendete hastig den Blick ab. Jackie klopfte.
„Das passt nicht“, sagte ich.
Sie klopfte noch einmal. Kurz. Und diesmal wartete sie meine Antwort nicht ab und trat einfach in die Kabine. Sie riss die Augen auf.
„Das passt nicht, sagst du? Louise, du siehst aus wie ein Millionengewinn! Ich versteh nicht, wieso du das selbst nicht siehst!“
Jackie hob das Kleid auf, als ich es auf den Boden fallen ließ. Als ich mich wieder angezogen hatte, marschierte sie mit mir untergehakt unter dem einen und dem Kleid über dem anderen Arm zur Kasse, wo ich automatisch den Geldbeutel aus der Tasche nahm und die Karte über den Magnetleser zog.
So war das immer mit Jackie. Alles, was sie sich vornahm, führte sie solcher Selbstverständlichkeit durch, dass ich permanent vergaß zu überlegen, ob ich eigentlich ihrer Meinung war oder nicht. Sie war so überzeugend. Und sie trat auf, als würde die ganze Welt sich um sie drehen – was sie ja auch tatsächlich tat.
Jackie und ich kannten uns seit unserer Kindheit. Ich drückte die Tasche mit dem Kleid auf meinen Schoß wie ein Kissen. Jackie lehnte sich zurück und streckte genüsslich die Beine aus. Lange schlanke Beine in Nylonstrümpfen, die viel zu dünn fürs Wetter waren. Obgleich sie nicht aussah, als würde sie frieren, hätte ich am liebsten meine Hände auf ihre Knie gelegt. Um sie zu wärmen.
Sie bekam eine SMS, fischte das Handy aus ihrer Tasche und richtete sich auf, während sie las. Sie gluckste.
„Die ist von Søren“, sagte sie.
„Welcher Søren?“, fragte ich. Jackie hatte sich vor einem halben Jahr von Tobias getrennt, mit dem sie seit dem Gymnasium zusammen gewesen war. Und im Laufe dieser sechs Monate hatte sie so viele Tinder-Dates gehabt, dass man den Überblick verlor.
„Du weißt schon, der Anwalt. Der alte, reiche“, sagte sie.
Es begann zu dämmern. Irgendwas mit Sushi und Champagner und einem Hotelzimmer der oberen Kategorie in Kopenhagen. Morgensex in Seidenlaken mit Ausblick über die Dächer der Stadt.
„Was ist mit ihm?“, fragte ich.
„Er kommt vielleicht heute Abend“, sagte sie.
„Zu Johannes Party?“
Johanne war unsere Freundin. Sie wurde dreißig und hatte zu diesem Anlass ihre engsten 500 Facebook-Freunde in ihre Zweizimmerwohnung in Nørrebro eingeladen. Für eben dieses Fest hatte ich das Kleid, das ich nun an meinen Bauch drückte, gekauft.
„Glaubst du, dass das was für ihn ist?“, fragte ich. „Denkst du nicht, dass er vielleicht ein bisschen zu … ähm … also, zu erwachsen für so eine Party ist?“
Jackie zuckte lachend mit den Schultern.
„Bloß, weil man ein bisschen älter ist, muss man ja nicht automatisch langweilig sein.“
„Hast du nicht gesagt, dass er genau das ist?“, hakte ich nach. „Also langweilig? Wenn ich mich richtig erinnere, hast du gesagt, er hätte einen Bauchansatz und merkwürdige Altmännerflecken auf dem Rücken und würde konservativ wählen…“
„Ich will ihn ja nicht heiraten. Aber er vögelt gut!“
Jackie lächelte selig und bekam einen entrückten Blick.
Ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten und sie zugleich angefleht, mehr zu erzählen.
Wie er sie schon an den Spiegel im Fahrstuhl gedrückt hatte, bevor die Tür ganz zugeglitten war. Von seinen großen Händen an ihren Pobacken, die an ihrem Rock gezerrt hatten, als wollte er ihn in Fetzen reißen. Wie er seine Zunge weit in ihren Mund geschoben und seinen Körper an ihren gepresst hatte, seinen harten Schwanz an ihrem Venusberg.
Ich wollte sie noch einmal erzählen hören von dem fettigen Abdruck, den ihr Körper auf dem blankpolierten Spiegel hinterlassen hatte, wie er sie geleckt hat, hungrig und geil, und ihr ins Ohr geraunt hatte, dass er sie zum Schreien bringen wollte, und wie sie dann geschrien hatte, als sie kam …
„Hallo? Louise? Hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Jackie.
„Nein, Entschuldigung. Ich war grad mit den Gedanken woanders. Was hast du gesagt?“, fragte ich.
„Essen“, sagte Jackie und zeigte auf den McDonald’s. „Willst du was?“
*
Die Musik von Johannes Party war bis runter auf die Straße zu hören. Zwei Typen saßen im Fensterrahmen und riefen mir was zu. Ich winkte ihnen zu und lief die Treppe hoch.
Die 58-qm-Wohnung war gestopft voll und verraucht. Jemand drückte mir einen Plastikbecher mit Cola und etwas sehr stark Riechendem in die Hand, den ich dankend annahm. Ich fühlte mich definitiv zu nüchtern für dieses Fest und trank einen kräftigen Schluck, während ich mich zwischen den schwitzenden, hin und her wiegenden Körpern hindurchzwängte. Ich fand Jackie und Johanne auf Johannes Küchentisch. Sie hatten ihre Stilettos abgeschüttelt und tanzten eng umschlungen zu einem Popsong. Jackie fuhr mit der Hand durch Johannes Haar, die die Augen schloss und sich smooth zu der Musik bewegte. Es war, als lösten ihre Körper sich in der letzten Rauchsäule einer fast verloschenen Glut auf, die sich um sich selbst drehte, ehe sie vom Winde verweht wurde.
Ich winkte den beiden zu. Als sie mich sahen, juchzten sie und wollten mich zu sich auf den Tisch hochziehen. Ich wedelte abwehrend mit den Händen.
„Ich hab noch nicht genug intus!“, rief ich.
„Schickes Kleid!“, rief Johanne.
„Danke“, rief Jackie. „Das hab ich für sie ausgesucht!“
Ich sah mich in der Wohnung nach jemandem um, der nicht so angeschickert wie Jackie und Johanne war, aber ich fand niemanden. Stattdessen entdeckte ich Wilhelm. Ich schaute schnell in eine andere Richtung, in der Hoffnung, dass er mich noch nicht gesehen hatte, aber eine Sekunde später landete seine sehnige Hand auf meiner Schulter.
„Hi“, rief er. „Lange nicht gesehen!“
„Mein Gott! Hallo, Wilhelm! Ich hatte ja keine Ahnung, dass du auch hier bist!“
Ich lächelte ein gekünsteltes Lächeln und umarmte ihn steif.
„Ich würde sagen, dass der gesamte harte Kern der Kathedralschule hier ist“, sagte er grinsend. „Nicht zu fassen, dass unser Abitur jetzt schon fast zwölf Jahre her ist.“
„Ja, die Zeit vergeht“, sagte ich. „Ich geh mir mal was zu trinken holen …“
Ehe ich entkommen konnte, war seine Hand auf meine Taille runtergeglitten.
„Geh doch nicht gleich wieder“, sagte er. „Wohin bist du eigentlich das letzte Mal verschwunden?“
Ich schloss die Augen.
„Wilhelm, ich … also … Es ist nicht so, dass ich dich nicht mag, aber …“
Ich stockte. Das genau war das Problem, dass ich ihn nämlich nicht mochte. Seinen langen, knochigen Körper. Er sah noch genauso aus wie früher, hatte sich nicht das kleinste bisschen verändert seit unserer ersten Begegnung als Fünfzehnjährige in der Aula der Kathedralschule bei der Begrüßung des Rektors zur ersten Gymnasialklasse.
Wilhelm und ich waren füreinander geschaffen - jedenfalls, wenn man unsere Mitschüler fragte. Aus unerfindlichen Gründen gingen alle davon aus, dass wir ein Paar werden würden. Vermutlich war es das, was ich an ihm nicht leiden konnte. Warum fanden die anderen, dass ich perfekt zum schlaksigen, peinlichen und nerdigen Wilhelm passte, der immer einen Tick zu laut und zu schrill war und zu lange lachte und immer herausstach und auffiel? War ich in ihren Augen auch so?
Ich zupfte mein rotes Kleid zurecht und räusperte mich. Wilhelms Hand rutschte über meinen Rücken abwärts und blieb auf meiner Lende liegen. Seine Finger zitterten leicht. So wie seine Stimme, als er sich dichter an mein Ohr beugte.
„Ich habe viel an dich gedacht. Ich habe Lust auf dich“, flüsterte er. „Jetzt. Wollen wir zu dir nach Hause fahren?“
„Ähm … Wilhelm …“
In dem Augenblick packte Jackie mich am Arm und zog mich hinter sich her zum Küchentisch.
„Jetzt bist du ja wohl voll genug, Louise! Jetzt wird getanzt!“, rief sie.
Ich lächelte Wilhelm entschuldigend zu und folgte Jackie.
Es lief der gleiche Song wie in der Umkleidekabine. Von der Frau, der alles egal war. Die alles für ihren Typen tun würde, wenn er nur bei ihr blieb.
„Wie gut, dass ich dich zu dem Kleid überredet habe“, sagte Jackie und ließ ihre Hände über den Stoff gleiten. „Du siehst verdammt hot aus damit!“
Ich lächelte und lehnte mich an sie. Ihre schmalen, zärtlichen Hände. Ihre Nägel waren in derselben Farbe lackiert wie mein Kleid. Sie versuchte sich an einer Pirouette und wäre garantiert vom Tisch gestürzt, wenn ich sie nicht in letzter Sekunde festgehalten hätte. Ich legte meine Hände auf ihre Schultern, tänzelte mit ihnen über ihre Arme und legte sie auf ihre Hüften, die sie hin und her schwang, während sie mit kleinen Schritten auf mich zu tänzelte. Unsere Nasen stießen zusammen. Ihr warmer Atem duftete nach Alkohol. Das berauschte mich mehr als die Wodka-Cola, die ich runtergekippt hatte.
„Wilhelm glotzt dich an“, sagte sie. „Willst du ihn abschleppen?“
Ich schüttelte den Kopf.
Sie lachte übertrieben und legte den Kopf in den Nacken.
„Mach mir nichts vor, Süße. Natürlich landet ihr in der Kiste. Wie immer, wenn ihr einen im Kahn habt!“
„Gar nicht immer …“, sagte ich, aber Jackie unterbrach mich.
„Komm, knutschen wir ein bisschen. Das macht ihn bestimmt total wild!“
Ihre weichen Lippen landeten auf meinen. Ihr Lippenstift schmeckte teuer, dekadent, luxuriös. Ich überlegte kurz, ob sie ihn wohl selber gekauft oder geschenkt bekommen hatte. Da spürte ich ihre Zungenspitze, die vorsichtig über meine Lippen leckte, und dachte nichts mehr. Ich spürte nur noch den wummernden Bass und wurde zu einem pochenden Körper in einem viel zu engen Kleid. Unsere Brüste stießen aneinander, ihre waren weich und rund. Sie trug keinen BH. Ich spürte ihre Brustwarzen unter ihrer Bluse. Unsere Bäuche. Unsere Unterleiber.
Meine Schamlippen schwollen an. Ich nahm ihre Hand und legte sie unter meinen Bauchnabel. Sie grinste mich an und ließ sie weiter nach unten gleiten, strich zärtlich über meinen Venushügel. Ich seufzte.
Irgendwer johlte. Ich hatte völlig vergessen, dass wir nicht alleine waren. Aber es war mir im Grunde auch egal.
Ich grölte den Refrain mit und konnte mich plötzlich nicht mehr erinnern, warum ich ihn so nervig fand. Ich lehnte mich an Jackie, gegen ihre Hand, ihren süßen Duft und ihr seidiges Haar, das nach Kokos, Sonne und tropischer Insel duftete.
Ich spürte an meinem Oberschenkel das Vibrieren ihres Handys.
Sie hörte auf zu tanzen, machte einen Schritt nach hinten und las die Nachricht. Dann sah sie mich strahlend an.
„Søren ist jetzt da!“
„Hier? In Johannes Wohnung?“
Sie drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange, sprang vom Tisch und rempelte sich durch die Wohnung. Ich blieb einsam auf dem Tisch zurück. Ich tanzte noch ein wenig weiter, aber das neue Stück kannte ich nicht und zum alleine Tanzen war ich noch nicht betrunken genug.
*
Wilhelm schüttelte ganz wie zu Hause seine Schuhe mitten im Flur von den Füßen. Den Weg ins Schlafzimmer kannte er. Ich zog mein Kleid aus und legte mich aufs Bett.
„Du bist wunderschön“, stöhnte er.
„Halt bloß die Klappe“, nuschelte ich.
„Was?“, fragte er.
„Nichts“, sagte ich.
Er fummelte mit dem Kondom herum. Ich machte das Licht aus.
„Bringst du mich zum Schreien?“, fragte ich. „Sag, dass du mich zum Schreien bringst.“
Er drang in mich ein. Seine Hände legten sich linkisch um meine Brüste.
„Ähm, du darfst gerne schreien, wenn du willst“, sagte er.
„Halt die Klappe“, nuschelte ich wieder.
Vielleicht hatte er es diesmal gehört. Jedenfalls antwortete er nicht. Und dann kam er auf so platte, jämmerliche Weise. Er schnitt eine Grimasse, als würde er versuchen, lautlos zu furzen, und das war’s. Überstanden. Er knotete das Kondom zu und warf es auf den Boden. Danach gab er mir einen Wangenkuss.
„Zwölf Jahre. Vor zwölf Jahren haben wir Abi gemacht. Fuck, man“, sagte er.
„Du hast dich nicht die Bohne verändert“, sagte ich grinsend.
„Echt nicht? Du schon.“
Ich zog die Decke über meinen nackten Körper. „Hab ich das?“
Er wurde rot.
„Du bist eine echte Frau geworden. Ich kann nicht genau sagen, wann das passiert ist, aber … Du bist so schön und weich geworden, und …“
„Wilhelm, du weißt aber schon, dass wir kein Paar werden, oder? Dass das niemals passieren wird?“
Er lachte trocken.
„Ich bin doch nicht blind, Louise.“
„Was soll das heißen?“, fragte ich.
„Wenn du meine Meinung hören willst, wird es langsam mal Zeit, dass du mit ihr redest. Du kennst sie schon dein ganzes Leben. Und ein ganzes Leben ist ziemlich lang, um heimlich in sie verliebt zu sein.“
Ich verdrehte die Augen.
„Du kapierst auch gar nichts. Wir sind Freundinnen, Wilhelm. Bloß, weil wir zwischendurch mal rumknutschen, wenn wir betrunken sind, heißt das noch lange nicht, dass ich in sie verliebt bin.“
„Du musst es ja wissen.“
Wilhelm stand auf und zog sich an.
„Willst du nicht hier übernachten?“, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
„Es ist etwas frustrierend, morgens neben jemandem aufzuwachen, der sich wünscht, man wäre jemand anders.“
Er küsste mich und ging auf den Flur. Ich folgte ihm nicht. Kurz darauf hörte ich die Tür hinter ihm ins Schloss fallen.
Ich wälzte mich noch lange im Bett hin und her und konnte nicht einschlafen.
Nicht wegen Wilhelms Worten. Ich machte mir keinen Kopf über das, was er gesagt hatte. Wenn ich ehrlich sein wollte, hatten wir diese Unterhaltung nicht das erste Mal. Sie hatte sich in den vielen letzten Jahren in unendlichen Variationen wiederholt.
Der Grund, dass ich nicht schlafen konnte, war die Gewissheit, dass Jackie auch nicht schlief. Und dass sie schrie. Raus in die Nacht. Dass sie rittlings auf Søren saß und den Kopf in den Nacken warf, dass sie sich hingab, und dass er ihr etwas gab, dass sie noch nie vorher bekommen hatte.
Der Typ irritierte mich. Mehr als die vielen anderen Männer in ihrem Leben. Weil er so ganz anders war als sie. So anders als ich, als wir, als unsere Freunde, als unser gemeinsames Leben. Er gab ihr etwas, dass sie bisher nicht kannte. Etwas, von dem ich wusste, dass ich es ihr nie würde geben können.
Er hatte im Flur auf sie gewartet. Ich war vom Tisch gesprungen und zu ihnen gegangen. Ich hatte gesehen, wie er seine Mütze zwischen den Händen zerknüllte, als er sich außen an den Partygästen vorbeischob. Als hätte er Angst, sie könnten auf seine teure Jacke abfärben, wenn er sie aus Versehen berührte. Er sah aus wie ein Erwachsener, der von einem Kind zu Lufttee und Sandkastenkuchen in ein wackeliges Spielhaus eingeladen worden war. Ein Erwachsener, der sich ducken musste, um durch die Tür zu kommen. Der mit den Knien an den Ohren dasaß und Luft schmatzend sagte „Mh, wie köstlich, könnte ich noch ein Stück haben?“.
Obwohl er derjenige war, der fehl am Platz war, wirkten alle anderen um ihn herum verkehrt. Zu voll, zu aggressiv, zu happy. Wir feierten einen dreißigsten Geburtstag und baggerten uns an, gerieten aneinander und erbrachen uns übereinander, wie wir es seit unserem 15. Lebensjahr jedes Wochenende gemacht hatten. Echt peinlich.
Ich sah ihren Rücken hinterher, als sie gingen. Seine Hand über ihrem untersten Rückenwirbel.
Ich hätte ja gerne gewusst, ob er über uns lachte, als er ihr ins Auto half, oder bekümmert den Kopf schüttelte? Ob sie mitlachte oder protestierte?
Ich lutschte an meinem Finger und schob ihn anschließend zwischen die Beine, während ich mir vorstellte, wie er seine Hand auf ihren Oberschenkel legte, während er rückwärts aus der Parklücke fuhr. Seine Hände in schwarzen Lederhandschuhen. Sein Mantel mit hochgeschlagenem Kragen.
Lief das Autoradio? Vermutlich gedämpfter Jazz. Das schummrige Licht im Wageninnern, die Wärme, der weiche Ledersitz, in den sie sich schmiegte, während die kalte Septembernacht an ihrem Fenster vorbeiglitt. Leere Straßen. Hin und wieder ein schlingernder Radfahrer. Sie fuhren durch an- und abschwellende Bassrhythmen und betrunkenes Gegröle von all den Partys auf ihrem Weg. Leute hingen aus den Fenstern. Zerfließende Blicke im Alkoholstrom der Stadt. All die Menschen, die tanzten, um zu vergessen, die knutschten, um zu vergessen und vögelten, um zu vergessen. Alle, die wünschten, dass ihnen alles egal wäre. Aber in Wirklichkeit sehnten sie sich nach jemandem, der sich nach jemand anderem sehnte, der sich nach einem dritten sehnte und so weiter. Eine Kette, auf die man alle gebrochenen Herzen einer Nacht aufzog, reichte bestimmt durch ganz Kopenhagen, von Bispejerg bis Frederiksberg, wo Søren wohnte.
Sie fühlte sich aufgehoben bei ihm, stellte ich mir vor, in seiner Gesellschaft, seinem Auto, dass er in seiner Tiefgarage parkte, ehe er sie nach oben begleitete. Der Alkohol hatte sich natürlich längst aus ihrem Blut verflüchtigt. Sie war ganz klar im Kopf, als sie sich auf sein Sofa setzte und er ihr einen Drink reichte. Keine Cola mit Slawenwodka. Etwas Wohlschmeckendes. Etwas, woran man nippte und genoss, so wie er an ihrem Hals nippte. Er stand hinter ihr, beugte sich über das Sofa und biss ihr sanft in den Hals, brandmarkte sie mit seinen Zähnen, stellte ich mir vor, während ich mir selbst auf die Lippe biss und mit dem Finger über meiner Klitoris kreiselte. Er nahm den Drink aus ihrer Hand, half ihr aus den Kleidern, massierte ihre Brüste, streichelte mit den Händen über ihren Bauch, stöhnte sonor und impulsiv durch seinen grauen Bart, was eher den Charakter eines müden Seufzers hatte – als wisse er nicht, wohin mit Jackies Schönheit, die ihn überwältigte und beschwerte, als müsse sie überwunden werden.
Ich schob einen Finger in meine Scheide, zwei, und stellte mir vor, wie er sich auf sie legte und langsam, ganz langsam in sie eindrang. Wie sich eine Falte zwischen ihren Augenbrauen bildete, ein dünner, feiner Strich, der alles ausdrückte, was gleich in ihr zerfallen, sich auflösen, implodieren und auf einen einzigen Laut zusammenschmelzen würde. Einen Laut, der die Nacht zerriss, die Dunkelheit perforierte und ein grelles weißes Licht in Sørens Schlafzimmer ließ, das sie beide blendete …
Ich schrie, als ich kam.
Dann drehte ich mich auf die Seite und schlief ein.
*
Jackie rührte mit dem Holzstäbchen ihren Latte um und schaute auf den Verkehr vor dem Caféfenster. Es hatte den ganzen Vormittag geregnet, mit jedem vorbeifahrenden Auto schwappte Wasser über den Bürgersteig. Kleine Flutwellen. Wie ein Meer im Sturm.
Sie verrührte das Milchschaumherz in ihrer Tasse zu einer unförmigen Figur, wie diese Tintenkleckse, zu denen die Psychologen gerne einen klugen Kommentar von ihren Patienten verlangten. Ich legte die Stirn in Falten und dachte nach, an was es mich erinnerte. Sie führte den Holzstab zum Mund und leckte den Schaum ab.
„Also du und Wilhelm?“, fragte sie.
Ich biss herzhaft in mein Croissant und brummelte etwas Unverständliches.
„Was für eine Überraschung.“ Sie grinste. „Wäre es nicht langsam an der Zeit, dass ihr es öffentlich macht?“
„Was bitteschön?“
„Ihr seid doch praktisch längst ein Paar“, sagte sie und zählte an den Fingern ab. „Schon lange. Ich schätze Mal, ihr nähert euch eurem 15. Jahrestag?“
„Wir sind kein Paar“, sagte ich.
„Ihr benehmt euch aber wie eins, wenn ihr betrunken seid“, sagte er. „Sozusagen die Hälfte eurer Lebenszeit, also …“
„Er ist nicht mein Partner, und das wird er auch niemals werden.“
Jackie zog die Augenbrauen hoch und hielt beschwichtigend die Handflächen hoch.
„Ganz ruhig, ich hab ja nur Spaß gemacht.“
Ich holte tief Luft, ehe ich den nächsten Satz raushaute.
„Wir werden niemals ein Paar, weil ich in jemand anders verliebt bin.“
„Was?! Du bist verliebt? Warum hast du mir nichts davon gesagt?“
Sie war selbst mit einem ausgewachsenen Kater schön. Wenn nicht sogar noch schöner als so schon. Ihr Haar hing in fettigen Strähnen um ihr ungeschminktes Gesicht. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und spröde Lippen, die sich jetzt zu einem schlitzohrigen Grinsen verzogen. Jackie war wie eine Lederjacke oder ein Paar Levis 501, ein gewisser Abrieb stand ihr gut. Sie sah kein bisschen kläglich aus, eher cool auf eine beiläufig rockige Weise. In ihren rotgeäderten Augen konnte man ihr gesamtes gelebtes Leben lesen. Ihr dabei zuzuschauen, wie sich ihr Gesicht in einem unterdrückten Gähner verzog, war der reinste Kinofilm. Ein Film über all das Schöne auf der Welt, an dem wir Normalsterblichen nicht teilhatten, von dem sie aber sehr wohl wusste, wie man sich davon bediente. Und sie bediente sich reichlich. Und ließ es sich schmecken.
„Hallo? Wer?“, fragte sie. „In wen bist du verliebt, Louise?“
Ich machte den Mund auf und wieder zu. Ich starrte die Krümel auf meinem Teller an und tippte eine Croissantflocke mit dem Zeigefinger auf. Ich war schon so oft kurz davor gewesen, ihr meine Liebe zu gestehen, aber immer hatte mich irgendetwas davon abgehalten. Ich befeuchtete meine trockenen Lippen mit der Zunge und öffnete den Mund, legte die Zungenspitze an den Gaumen, um das Wort dich zu formulieren. Dieses Mal bremste mich ein lautes, aggressives Piepsen von Jackies Handy.
„Zwei Sekunden“, sagte sie und las die Nachricht. Ihre Wangen bekamen Farbe und sie kicherte kokett.
Ich schluckte das Wort wieder herunter, spülte es mit dem letzten Bodensatz Orangensaft herunter. Jackie kicherte äußerst selten. Und genauso selten errötete sie. Und mir gefiel das gar nicht. Das stand ihr nicht. Machte sie jünger, als sie war. Naiv.
„Søren hat geschrieben“, kicherte sie. „Er schreibt … ach nein, das kann ich nicht laut sagen!“
Sie schnitt eine verlegene Grimasse und hielt mir ihr Handy hin.
Ich überflog Sørens Roman-SMS, in der es hauptsächlich um seinen Schwanz ging. Wie hart er wurde, wenn er an Jackie dachte. Und was er gerne mit ihm und ihr oder sie mit ihm machen würde.
„Aha“, sagte ich. „Und was willst du darauf antworten?“
Ehe ich ihr das Telefon zurückgeben konnte, piepste es wieder. Eine neue Nachricht von Søren. Diesmal ein Bild. Von besagtem Schwanz, der wirklich sehr hart war. Ich war so schockiert, dass mir das Handy aus der Hand auf den Boden rutschte.
„Pass doch auf!“, zischte Jackie und fluchte leise, als sie das Handy an ihrem Pulloverärmel rieb, als ließe sich so der Riss wegwischen, der das Display in der Mitte teilte.
„Schwanz“, sagte ich nur. „Sorry, Jackie. Plötzlich war da der Schwanz, da war ich echt nicht drauf vorbereitet …“
Jackie verdrehte die Augen in meine Richtung.
„Ich verstehe ja, dass der Schwanz eines erwachsenen Mannes sicher ein ungewohnter Anblick für dich ist, aber deswegen brauchst du ja noch nicht gleich mein Handy zertrümmern. Verdammt, ey.“
„Was soll das heißen?“, fragte ich.
„Dauernd deine Eifersucht! Ich kann doch nichts dafür, dass du nur Wilhelms weiche Cocktailwurst hast, um dich zu trösten …“
„Hallo!“
„Merkst du überhaupt, wenn er in dir drinsteckt? Aber vielleicht ist das ja das Gute dabei? Vielleicht erträgst du es ja nur aus dem Grund, mit ihm zu vögeln, obwohl du ihn nicht leiden kannst?“
Der Stuhl kippte hinter mir um, als ich aufsprang. Alle Gespräche im Café verstummten. Die anderen Cafégäste schauten zu uns rüber, um zu sehen, ob sie was verpassten. Es war mir scheißegal.
„Fick dich, Jackie!“, schrie ich und goss den letzten Rest ihres Latte über ihrem Kopf aus. „Fick dich, du riesengroße Idiotin! Du bist diejenige. Ich bin in dich verliebt, während du dich durch die Betten irgendwelcher Tinder-Dates vögelst. Ich will nichts von Sørens Geld und Sørens Schwanz wissen, und schon gar nicht Sørens Schwanz sehen! Hast du kapiert?!“
Der Verkehrslärm übertönte das Klingeln der Türglocke und die hinter mir knallend ins Schloss fallende Tür. Ich hatte keine Ahnung, ob Jackie etwas hinter mir herrief. Falls ja, hat der Verkehr auch das übertönt. Ich hätte gewünscht, dass er auch meine Gedanken übertönte, aber die standen in Neonlettern vor meinem inneren Auge und wurden mit einem Megafon in meine Gehörgänge gebrüllt: Unsere Freundschaft. Unsere lebenslang gewachsene Freundschaft, die ich zu Boden gestoßen und die nun einen langen, langen, Riss bekommen hatte. Und ich war mir ziemlich sicher, dass sich der nie mehr kitten ließe.
*
Ich trottete planlos durch meine Wohnung. Wanderte von Zimmer zu Zimmer, kaute auf den Nägeln, raufte mir die Haare. Ich setzte mich hin und sprang wieder auf. Setzte Teewasser auf und dachte erst wieder daran, als das Wasser kalt und der Tee bitter war. Ich überlegte, ihr zu schreiben. Ich überlegte, sie anzurufen. Aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Oder ob ihr Telefon überhaupt noch funktionierte.
Ich starrte aus dem Fenster, auf die vorbeigleitenden Wolken, in die Dunkelheit, die sich herabsenkte.
Ich lauschte auf mein Herz, das viel zu schnell schlug, und auf meinen knurrenden Magen.
Und ich lauschte dem dich, dich, dich, dich, das in einer Dauerschleife in meinem Kopf dudelte wie ein nerviger Popsong.
Da klopfte es an der Tür.
Ich sah sie durch den Spion. Ihre Haare klebten nass am Kopf und ihre Jacke hatte dunkle Flecken. Erst jetzt fiel mir das Unwetter auf. Es donnerte. Der Regen pladderte dicht und schwer und aggressiv vom Himmel. Ich öffnete die Tür einen Spaltbreit.
„Was willst du?“, fragte ich.
„Hallo“, sagte sie. „Darf ich reinkommen?“
Ich gab mir Mühe, so uninteressiert wie möglich auszusehen. Ich hob die Augenbrauen, trat aber einen Schritt zur Seite, um sie vorbei zu lassen. Sie blieb mit Jacke und Schuhen in meinem Flur stehen und tropfte meinen Boden voll. Meine persönliche, wunderschöne Gewitterwolke.
„Soll ich dir ein Handtuch bringen?“, fragte ich.
„Nein“, sagte sie.
„Nicht?“
„Ich will nur …“ Sie breitete die Arme aus.
„Nur was?“
„Hast du vor, das zu bezahlen?“
„Was bezahlen?“
„So ein neuer Bildschirm ist scheißteuer.“
„Es gibt einen Laden in der Nørrebrogade, die das ziemlich günstig machen.“
„Ja, weil sie billige Ersatzteile in schlechter Qualität einbauen. Womöglich tauschen sie das ganze Innere mit irgendwelchem Dreck aus, ohne dass man einen Unterschied bemerkt, und dann verkaufen sie die teuren Appleteile selber weiter, was weiß denn ich. Das hab ich jedenfalls gehört.“
„Na, dann frag doch deinen Lover, ob er es dir bezahlt“, sagte ich.
„Fick dich!“, sagte sie.
„Oder musst du ihm erst einen blasen, bevor er den Geldhahn aufdreht.“
„Fick dich!“, sagte sie noch einmal.
So standen wir eine Weile da und stierten uns an. Im Schein der nackten Glühbirne sah ihr Gesicht kantiger aus als sonst, kompromissloser. Ich schloss die Augen und sah vor mir, wie es sich im Laufe der Jahre verändert hatte. Die weichen Kinderbacken, die nach und nach verschwanden. Die Zeit hatte eine dünne Linie zwischen ihre Augenbrauen gemalt. Eine entschlossene, gestählte, besorgte Linie. Ich wünschte zu gleichen Teilen, dass sie sich noch tiefer in ihre Stirn grub und dass sie verschwand.
So vieles in ihrem Gesicht war heute anders, und zugleich genauso wie immer. Ihr Blick flackerte. Ihre blauen Augen funkelten klar wie Eiskristalle. Der Donner grollte. Wassertropfen fielen aus Jackies nassem Pferdeschwanz und landeten leise und monoton tickend auf dem Boden.
Und dann küsste sie mich. Sie legte eine Hand um meinen Nacken. Begrub ihre Finger in meinem zerwühlten Haar. Sie presste ihre Lippen fest auf meine. Ihre Zunge glitt über meine Zähne und drängte in meinen Mund. Ihre Nase stieß an meine Wange. Ihre Haut war kalt und nass. Ich zog ihre Jacke aus, die weich auf den Boden fiel. Sie schüttelte ihre Schuhe von den Füßen. Wir gingen, liefen, stolperten in mein Schlafzimmer. Sie schubste mich aufs Bett.
„Fick dich“, flüsterte sie.
Sie legte sich auf mich. Die Spitze ihres Pferdeschwanzes liebkoste mein Gesicht. Der Bettbezug wurde an den Stellen dunkler, wo ihr nasses Haar ihn berührte. Ich konnte nicht sagen, was wir taten. Ob wir uns prügelten oder liebten. Ich wälzte sie von mir runter und legte mich auf sie. Ich zog ihr den Pullover über den Kopf und hielt ihre Arme fest. Ihre Brust hob und senkte sich kurzatmig. Ihre kleinen, hellroten Brustwarzen waren steif. Sie hatte eine Gänsehaut an ihren weichen Brüsten. Ich strich mit einer Hand über ihre nackte Haut.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich über das hier fantasiert habe“, sagte ich.
„Doch kann ich“, sagte sie.
Sie setzte sich auf und küsste mich. Sie drehte mich auf den Bauch und fuhr mit ihren Fingern an meinen Rückenwirbeln entlang, bis zum Kreuzbein und zurück. Wie auf Klaviertasten. Von hell zu dunkel, von dunkel zu hell.
„Ich glaube, ich weiß genau, wie oft du hierüber fantasiert hast. Ich glaube, ich weiß genau, wie du dich in all den Jahren gefühlt hast. Weil es mir nämlich genauso geht.“
Sie schob meine Beine auseinander und zog die Unterhose herunter. Dann kniete sie sich ans Fußende des Bettes und schaute in meine innerste, geheimste Kammer. Sie streichelte mein Schamhaar. Sie lächelte, als sie merkte, wie feucht ich war. Sie fuhr mit einem Finger an meinen Schamlippen entlang und steckte ihn in den Mund. Sie sah mir tief in die Augen, als sie daran saugte. Mich schmeckte. Sie drückte ihr Gesicht in meinen Schoß und leckte gierig. Als Kind hatte Jackie immer die Schale ausgeleckt, wenn das Eis aufgegessen war. Jetzt vernaschte sie mich. Gierig. Sie verschlang mich. Sie brachte mich zum Schreien. Sie legte eine Hand auf meinen Bauch und spürte das Zittern unter der Haut, spürte den Schrei, der ganz tief aus mir aufstieg wie eine losrollende Lawine , bis er meine Lippen verließ und Donner und Blitz und das Prasseln des Regens an die Scheiben übertönte.
Wir lagen die ganze Nacht in meinem Bett. Mit verschlungenen Beinen und Armen und Fingern und Gedanken und Träumen. Es war schwer zu sagen, wo ich aufhörte und Jackie anfing. Es hörte auf zu regnen. Die Sterne funkelten. Die Sonne ging auf und färbte alles Rosarot.
Jackie seufzte und legte das Gesicht in die Hände.
„Was ist?“, fragte ich.
„Es ist nur … Stell dir nur mal vor, wie viele Jahre wir vergeudet haben“, sagte sie.
„Vergeudet?“, fragte ich.
„All die Jahre, in denen wir heimlich ineinander verliebt waren. All die Tinder-Dates, mit denen ich mich getroffen habe, statt hier bei dir zu liegen.“
Ich lächelte.
„Stell dir lieber all die Zeit vor, die du ab jetzt mit mir hier liegen darfst, statt zu Tinder-Dates zu gehen.“
„Ja, das wird wunderbar, hier mit dir zu liegen. Aber jetzt müssen wir raus aus den Federn“, sagte Jackie und setzte sich im Bett auf.
„Warte? Warum?“
„Wir müssen noch was erledigen und ein paar Kleider kaufen.“
H & M’s Schiebetüren glitten zur Seite, als wir Hand in Hand eintraten. Die Verkäuferin lächelte uns an.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie.
„Nein danke. Wir wissen, was wir wollen“, sagte Jackie.
Sie zog mich hinter sich her zum nächsten Kleiderständer und suchte uns ein paar goldschimmernde Kleider aus. Sie hielt sie uns an und sah mich fragend an. Ich nickte.
Wir probierten sie an und sie passten perfekt. Das Kleid schmiegte sich gefällig an meine Kurven. Meine Kurven, die Jackie liebkost hatte, meine weiche Haut, sie sie geknetet und geküsst hatte. Ich sah nicht anders aus als bei meiner letzten Anprobe, aber ich fühlte mich wie ausgetauscht. Unüberwindlich. Schön. Aus den Lautsprechern strömte ein Liebeslied. Ich summte mit. Jackie tanzte vor dem Spiegel in der Umkleidekabine. Ich musste nicht einmal überlegen, ob ich es laut sagen sollte oder nicht. Die Worte flossen einfach aus mir heraus.
„Fick dich, Jackie“, sagte ich. „Fick dich, ich liebe dich!“
Warum müssen bestimmte Beziehungen einen mit einem gebrochenen Herzen zurücklassen? Warum um alles in der Welt trifft man die Entscheidung eine Nacht mit einem Fremden zu verbringen, wenn man spät am Abend mit den Freundinnen unterwegs ist? Man glaubt ganz einfach, dass man, was auch immer geschehen ist, dadurch vergisst. Es handelt sich um eine Nacht mit einem Mann und um nichts anderes, oder? Aber dann geschieht etwas und das Leben wird nie mehr dasselbe sein.
Ich fahre mit der Hand durch die Haare und tanze weiter zu der lauten Musik, kann aber nicht verhindern, dass meine Gedanken erneut zu kreisen beginnen.
Wenn es um Männer ging hat meine Mutter immer gesagt, dass egal, was man will, man sich immer zum Gegenteil hingezogen fühlt. Obwohl man für eine ernsthafte Beziehung nach jemandem suchen sollte, mit dem man mehr gemeinsam hat. Warum? Weil man so viel mehr im Gleichgewicht miteinander ist und glücklich bis ans Ende seiner Tage leben kann.
Ja, meine Mama war eine unbeirrbare Romantikerin und blieb treu an der Seite meines Vaters, bis zu dem Tag, an dem sie plötzlich von uns ging. Mein Vater fühlte sich daraufhin eine lange Zeit sehr verloren und ließ mich die Liebe meiden. Ich wollte keinen Herzschmerz.
Aber dann wurde ich vom Teenager zu einer Erwachsenen und begann, an den Wochenenden viel zu feiern. An einem dieser Abende, als ich mit meinen Freundinnen in einer ähnlichen Bar wie dieser unterwegs war, traf ich den Mann, der mein Mann werden sollte. Philip. Obwohl er das Gegenteil von mir war, verliebte ich mich in ihn. Ich dachte, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Es war das erste Mal, dass wir uns sahen, aber wir waren sofort fast unzertrennlich. Wir trafen uns fast jeden Tag.
Fünf Monate später waren wir verheiratet. Drei Monate darauf nahm er einen Job als Reiseleiter in Griechenland an und zog dorthin. Es war ein Traum, den er immer gehabt hatte und ich wollte ihm bei dessen Erfüllung nicht im Weg stehen. Ich konnte ihm nicht so einfach folgen. Ich hatte noch zwei Jahre meiner Ausbildung zur Massage-Therapeutin zu absolvieren, plante aber, ihm hinterher zu ziehen, sobald ich mein Examen gemacht hatte.
In den folgenden Monaten reiste er jedes dritte Wochenende zu mir, damit wir zusammen sein konnten. Einige Male fuhr ich zu ihm. Je mehr Zeit verging und sich meine Studienzeit immer mehr dem Ende zuneigte, erkannte ich, dass meine derzeitige Zukunftsvision anders aussah als die, von der ich geträumt und die ich mir vorgestellt hatte, lange bevor Philip in mein Leben getreten war.
Dann kam der Tag, an dem ich meinen dreißigsten Geburtstag feierte. Der Tag, an dem sich alles veränderte.
Philip war in den letzten zwei Monaten nicht nach Hause gekommen und mein Misstrauen wuchs. Ich glaubte, dass Philip seine Zeit in Griechenland damit verbrachte, sich mit anderen Frauen zu amüsieren. Warum sonst würde er vorgeben arbeiten zu müssen, obwohl wir beide wussten, dass er einige Wochen frei hatte? Er war untreu und ich war zu feige, um ihn zur Rede zu stellen. Da ich nicht bereit war, das zu verlieren, was wir hatten, beschloss ich, meine Tasche zu packen und zu ihm zu reisen. Wenn ich falsch lag, könnten wir meinen Geburtstag gemeinsam feiern. Ich hoffte, dass ich falsch lag.
Als ich seine Wohnung betrat, hörte ich ihn aus der Ferne und suchte den Weg ins Schlafzimmer, nur um dort mein Herz vollständig gebrochen zu bekommen. Der Funke, den es einmal zwischen uns gegeben hatte, von dem ich dachte, dass er für immer bestehen würde, war ab diesem Zeitpunkt verschwunden.
Von dem Moment an, als ich Philip mit einer anderen Frau sah, die Arme um ihren nackten Körper geschlungen als wäre sie ich, gab es kein Zurück mehr.
Die Bilder, die sich in mein Gehirn eingebrannt haben, waren die, die ich unbedingt vermeiden wollte. Das Bild seiner Lippen, die ihre umschlossen…
Mit über die Wangen laufenden Tränen ging ich rückwärts aus dem Zimmer. Ich wollte vermeiden, mehr zu sehen. Wollte es vergessen. Als ich rückwärts in den Flur hinausging, stieß ich gegen die Lampe, die auf der Kommode im Flur stand. Mit einem dumpfen Geräusch fiel sie zu Boden. Plötzlich wurde das Geschehen vor mir unterbrochen und Philip wandte sich dem Geräusch zu. Sein Blick war voller Überraschung, als er meinem begegnete und ich konnte ihn deutlich fluchen hören.
Ich schüttelte den Kopf, nahm meine Reisetasche, die ich an der Wohnungstür stehen gelassen hatte und lief davon, um nie wieder zurückzukehren. Nichts was er sagen würde, könnte irgendetwas rechtfertigen. Ich hatte ihm vertraut, hatte ihn seinen Traum als Reiseleiter leben lassen. Auf dem Weg zum Flughafen überschlugen sich meine Gedanken. Ich fühlte mich wie ein Idiot. Wie konnte ich glauben, dass sich eine Beziehung wie unsere auf lange Sicht halten würde? Ich war naiv gewesen.
Ich riss mich aus meinen Gedanken und ging zur Bar. Meine Freundinnen hatten mich gebeten, Bier zu holen und ich war stattdessen mitten auf der Tanzfläche gelandet. Typisch ich. Wenn die richtigen Lieder liefen, konnte ich nicht aufhören zu tanzen. Die Bartheke ist etwas klebrig, als ich mich darüber lehne und dem Barkeeper meine Bestellung zurufe, um die Musik zu übertönen. Während er sich zum Kühlschrank dreht, um die Flaschen herauszuholen, verliere ich mich wieder in Gedanken.
Man sagt, beim Tanzen geschehe etwas Magisches. Wenn die Klänge der Musik dich umgeben, reagiert der Körper und man kann nur noch dem Gefühl folgen, das einen in diesem Moment überkommt.
Nach der Erfahrung mit Philip glaubte ich umso mehr daran. Der Erinnerung an die blinkenden Lichter, die die Tanzfläche auflösten und an den Ort, der die Magie zwischen uns erzeugte, fühlte sich echt an. Das Lied, das gerade lief als sich unsere Blicke begegneten und wir beschlossen, richtig dicht beieinander zu tanzen, hat sich in mein Gedächtnis gebrannt. Ich werde es nie vergessen können. Ebenso wenig den Funken, der zwischen uns entstanden war, exakt in diesem Augenblick und der mich dazu brachte, Philip zu heiraten, trotz des Protestes meines Vaters, dass alles zu schnell ginge… Aber der Funke ist inzwischen längst weg.
Ich schäme mich, dass meine Ehe gescheitert ist und wir nicht in der Lage waren, unsere Probleme zu lösen, aber ich kann weder vergessen, noch verzeihen.
„Emma!“ Jemand ruft nach mir. „Emma, hi!“
Tief einatmend schaue ich mich an der Bar um. Maria und Lena sitzen an einem runden Tisch und warten darauf, dass ich mit dem Bier zurückkehre, das sie mich zu holen gebeten haben. Maria winkt mir zu und mir wird klar, dass sie es war, die gerufen hat. Ich bezahle das Bier, nehme die Flaschen und gehe im Zickzack auf sie zu.
Gleichzeitig schiele ich zum Eingang und bemerke, dass deren Freunde im Anmarsch sind, jedoch nicht allein, sondern gefolgt von einem Mann, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Maria ist seit sechs Jahren mit Johnny zusammen, aber obwohl er ihr mehrere Male einen Antrag gemacht hat, sagt sie immer noch nein. Sie meint, dass man keinen Ring am Finger braucht, damit die Außenwelt versteht, dass man zusammengehört.
Lena hatte sich vor sechs Monaten von ihrem Freund getrennt und ihn gegen einen neuen ausgetauscht. Das sagte sie zumindest zu jedem, der fragte, was passiert war.
„Du musst jemand Neues kennenlernen, mit dem du dich amüsieren kannst“, sagt Maria.
„Das wird nicht passieren. Ich weiß nicht, ob das jemals wieder passieren wird. Ich bezweifle, dass es einen Mann gibt, der mich dazu bringen kann, Männern wieder zu vertrauen. Wirklich zweifelhaft.“
Maria erhebt die Hand, in der sie die Bierflasche hält und unterbricht mich: „Hör auf das zu sagen.“
Lena hebt sofort ihre Bierflasche und ein klirrendes Geräusch ertönt, als die Flaschen der Freundinnen in einem Prost aufeinander treffen. Lena nimmt einen ordentlichen Schluck, kurz bevor Johnny und Daniel am Tisch ankommen.
„Sei nicht dumm, Emma. Du brauchst Sex um Philip zu vergessen“, stellt Maria fest und gibt Johnny einen Kuss, als er vor ihr steht.
„Ich will keinen bedeutungslosen One Night Stand“, rufe ich, um die Musik in der Bar zu übertönen.
„Worüber redet ihr?“, fragt Daniel neugierig und schaut mich an.
„Sie will keinen Sex haben, um Philip zu vergessen“, ruft Maria und ich fühle, wie sich meine Wangen röten. Ich schäme mich. Das ist kein Gespräch, das man in Anwesenheit der Partner seiner Freundinnen führen sollte. Und noch weniger vor einem Fremden. Ich traue mich kaum, ihnen in die Augen zu schauen, als Johnny das Wort ergreift, leicht verlegen aufgrund des Gesprächsthemas von dem Maria dachte, dass es alle hören sollten.
„Das ist mein Cousin Samuel, genannt Sam“, sagt er und zeigt auf Sam, der vollkommen unbekümmert von dem wirkt, was gerade vor ihm gesagt wurde.
Als Sams dunkle Augen sich in meine grünen bohren, fühle ich mein Herz rasen. Meine Hand nähert sich automatisch meinen Lippen. Sein Blick lässt meine Welt stillstehen. Er ist zweifellos ein sehr anziehender Mann.
Ich höre, wie ihn alle begrüßen, aber ich selbst bekomme nicht ein Wort heraus. Die Spannung in der Luft ist spürbar und ich bin sicher, dass es alle um uns herum ebenfalls bemerken. Und dort, genau in diesem Augenblick, kann ich nicht anders, als Lena zuzustimmen: ich brauche Sex und Sam könnte genau dieser Mann sein, der mich dazu bringen kann, Philip zu vergessen, sowie alles andere, das mich in letzter Zeit in einem Wirrwarr von chaotischen Gedanken festhält.
Als es mir schließlich gelingt, mein Sprachvermögen zurückzugewinnen, hat sich Sam neben mich an den Tisch gestellt und fragt, ob er mich auf einen Drink einladen darf. Ich nicke und folge ihm zur Bar.
„Kommst du öfter hierher?“, fragt er und ruft den Barkeeper zu sich.
„Ein paar Mal im Monat.“ Ich setze mich auf einen freien Hocker, während er neben mir steht und die Gelegenheit nutzt um mich zu fragen, was ich gern trinken möchte. „Prosecco. Und du?“, antworte ich.
„Was ich trinken will?“ Er wirft mir ein verspieltes Lächeln zu und ich schüttle mit dem Kopf. „Aha, ob ich oft hierher komme, meinst du?“ Ich nicke. „Ich bin zum ersten Mal seit Monaten hier.“
Der Barkeeper reicht mir ein Glas Prosecco und Sam nimmt sein Bier entgegen und bezahlt. Der Stuhl neben ihm wird frei und er setzt sich, dreht sich aber zu mir, sodass wir weiterhin reden können.
„Magst du es nicht, auszugehen und zu tanzen, mit Freunden abzuhängen? Mit deinem Cousin?“, frage ich und nehme einen Schluck meines Drinks, der leicht in meinem Glas sprudelt.
Sam bewegt sich im Takt der Musik die läuft, nimmt einen Schluck von seinem Bier und begegnet meinem Blick. Er lächelt mit dem ganzen Gesicht und stellt sich hin, nimmt sein Bier und fordert mich auf, mein Glas zu nehmen, ohne auf meine Fragen zu antworten.
„Wohin gehen wir?“, frage ich, merke aber schnell, dass wir auf dem Weg zur Tanzfläche sind. Unterwegs stellen wir unsere Getränke an dem Tisch ab, an dem noch immer meine Freunde stehen.
„Ich hätte fragen können, aber ich bin davon ausgegangen, dass du es magst zu tanzen“, sagt er, als wir uns der Tanzfläche nähern und die Musik in ein langsameres Lied übergeht. Seine Arme schließen sich um meinen Körper, bevor ich es schaffe, zu reagieren. Seine Wärme lässt meine Wangen heiß werden, mein Herz schlägt schneller und ich frage mich, ob ich bereits etwas betrunken bin.
„Ich liebe es zu tanzen, mache es aber zu selten“, gebe ich zu und meine Hände, die sich hinter seinem Nacken geschlossen haben, ziehen ihn unabsichtlich näher. Sein Blick fängt meinen auf und obwohl ich versuche wegzusehen, gelingt es mir nicht. Etwas in seinen Augen hält mich gefangen.
Langsam bewegen wir uns über die Tanzfläche. Jede Bewegung seines Körpers dicht an meinem lässt mich schwerer atmen. Ich habe weiche Knie. Seine Hände ziehen mich etwas näher und als sich unsere Augen schließlich voneinander losreißen können, legt er seine Wange an meine. Verursacht mir eine Gänsehaut und lässt eine Vielfalt an Emotionen durch meinen Körper rauschen, die sich weigern, sich zu beruhigen.
„Ich bin froh, dass ich heute Abend hierhergekommen bin“, flüstert er in mein Ohr. „Es wäre eine Schande gewesen, die Chance verpasst zu haben, dich kennenzulernen.“
„Ich bin auch froh, dass wir uns getroffen haben.“ Die Worte sprudeln aus mir heraus, bevor ich sie aufhalten kann.
Als das Lied vorbei ist, nimmt er meine Hand in seine und führt mich zu meinen Freunden zurück. Sam flüstert Johnny etwas zu, der nickt und mir kurz zuzwinkert.
„Komm, setzen wir uns auf das Ecksofa weiter hinten in der Bar“, schlägt Sam vor, während er meine Hand loslässt, sein Bier und mein Glas mitnimmt und zu dem freien Sofa geht. Ohne meine Antwort abzuwarten.
Ich schüttle leicht den Kopf, als ich ihm folge. Frage mich, ob Sam es gewohnt ist, bei allem das Kommando zu übernehmen. Unsicher, ob ich das mag oder nicht, setze ich mich neben ihn auf das Sofa.
Während wir uns unterhalten und flirten, gibt Sam immer wieder Bier und Getränke aus und ab und zu gehen wir auf die Tanzfläche. Jedes Mal, wenn langsamere Musik gespielt wird, jubelt mein Inneres. Seinen Körper an meinem zu spüren und seine Hände, die mich umschließen, das alles erzeugt einen Glückrausch, der sich bei jedem Tanz verstärkt.
Ob ich will oder nicht, ich kann mich den gesamten restlichen Abend über nicht von Sam losreißen und er scheint ebenso unwillig zu sein, meine Seite zu verlassen. Seine nussbraunen Augen lassen mich ertrinken. Das schwarze, kurzgeschnittene Haar, durch das er mit der Hand manchmal fährt, weckt in mir das Gefühl, ihn berühren zu wollen und der sinnliche Duft seines Rasierwassers ist so markant, dass es Gefühle in mir weckt, die ich tief in mir vergraben glaubte.
Das rote T-Shirt mit V-Ausschnitt sitzt locker und zeigt bei jeder Bewegung seinen recht muskulösen Körper, lässt mich mich fragen, wie sich seine Haut auf meiner anfühlen würde, auch, wenn ich teilweise bereits seine Muskeln spüren kann, wenn er sich bei jedem Tanz an mich drückt. Ich will ihn küssen. Ich beiße mir nervös in die Lippe, begegne seinem Blick und fühle, wie es in meinem Bauch kribbelt. Es dauert nicht lange, bis sich unsere Lippen treffen. Die leichte Berührung lässt meinen gesamten Körper vibrieren und hätten wir uns nicht inmitten von Leuten befunden, hätte ich nicht gezögert, ihn zu mir zu ziehen und mehr als nur einen leichten Kuss zu verlangen. Eine Hand streichelt mein Bein und jede Zelle meines Körpers erwacht zum Leben.
„Wie wäre es, wenn wir gehen?“, flüstert er mit heiserer Stimme, als mein Blick seinen trifft. Ich nicke, es ist, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Die anderen sind schon vor einer Weile gegangen.“ Er lächelt, nimmt meine Hand und wir gehen zum Ausgang, um uns ein Taxi zu rufen. Mein Herz pocht schnell, obwohl ich versuche, einen kühlen Kopf zu bewahren, als mir nervös seine Hand in meiner bewusst wird. Er hält meine Hand, als wäre es das Natürlichste auf der Welt für ihn.
Wir steigen in ein Taxi, das uns zu mir nach Hause fährt und uns vor dem Wohnkomplex herauslässt. Wir nehmen den Aufzug zu meiner Wohnung. Vor der Tür halte ich inne. Nervös überlege ich, den Abend zu beenden – hier und jetzt. Zu verhindern, dass mehr geschieht, aber tief im Inneren will ich nicht, dass er geht. Ich will, dass der Abend weitergeht und will mich in allem verlieren. Aber kann ich nur eine Nacht mit Sam verbringen und dann weitermachen, ohne, dass daraus mehr als nur eine Nacht wird?
Ich schiele auf sein hübsches Gesicht. „Du willst ganz bestimmt hereinkommen, oder?“
„Ich dachte, das war der Sinn der Fahrt hierher.“ Er macht einen Schritt auf mich zu, lehnt sich nach vorn und gibt mir einen Kuss auf die Wange, welcher mich erröten lässt.
Was zum Teufel ist in mich gefahren? Ich fühle mich wie ein Teenager. Als hätte ich noch nie zuvor einen Mann zu mir eingeladen.
Ich öffne die Tür und gehe in die Wohnung. Ich steige aus meinen High Heels, während ich ihn bitte einzutreten. Während er seine Jacke auszieht, gehe ich in die Küche und hole zwei Gläser hervor, gieße Whisky für Sam in das eine Glas und nehme mir selbst etwas Weißwein. Ich kehre mit beiden Gläsern zum Sofa zurück. Ich stelle sie auf dem niedrigen Holztisch ab, räume einige Zeitschriften und Bücher beiseite, bevor ich mich hinsetze.
„Entschuldige die Unordnung, aber ich habe nicht erwartet, heute Abend jemanden mit nach Hause zu nehmen.“ Ich nehme das Weinglas, führte es an meine Lippen, während ich ihn unter meinem blonden Pony hindurch ansehe, der dringend geschnitten werden müsste.
„Kein Grund zur Aufregung“, sagt er und probiert den Whisky, stellt das Glas auf den Tisch zurück und rutscht auf dem Sofa näher zu mir.
Ich weiß, was passieren wird und will es ebenso sehr wie er. Aber in mir kämpfen die Gefühle. Es ist zu früh. Meine Scheidung ist gerade erst durch und alles ist zu neu, um gleich wieder jemanden in mein Leben lassen zu können. Es sollte sich falsch anfühlen. Aber es fühlt sich so richtig an. Die widersprüchlichen Gefühle in mir machen es unmöglich, klar zu denken.
„Sam, ich glaube nicht, dass ich das tun kann.“ Ich wende den Blick ab und schlucke schwer.
„Du brauchst nichts zu tun, was du nicht tun willst.“ Er legt seine Hand an meine Wange und streichelt diese leicht mit dem Daumen. „Du musst dich nicht schuldig fühlen wegen deines Ex‘. Er ist ein Idiot und du verdienst etwas Besseres“, sagt er sanft.
„Sam… Ich…“
Er legt seine Hand auf meinen Oberschenkel und streichelt in einer leichten Bewegung über das Bein, ohne die Grenze zu überschreiten, so, wie er es bereits zuvor in der Bar getan hatte. Seine braunen Augen begegnen meinen, als würden sie nach einem „ja“ darin suchen.
„Emma, wenn du sagst, dass du mich nicht willst und möchtest, dass ich gehe, dann tue ich das.“
Seine Hand verharrt auf dem Saum meines Kleides. Meine Hand umschließt seine.
„Ich kann nicht.“
„Emma…sei deutlich.“
„Sam…“ Ich bekomme meine Gefühle nicht auf die Reihe. Mein Körper sehnt sich nach seiner Berührung, während mein Hirn mir sagt, dass es zu früh für etwas Neues ist. Mein Herz führt einen Willenskampf und ich weiß nicht, welcher Teil gewinnen wird. Ist es der Wein, der für diesen Wirrwarr sorgt? Ich bin sicher, dass es der Wein ist. Es muss der Wein sein.
Er rückt etwas ab, als ich ihm nicht antworte. Er legt den Kopf schief und fragt mit weicher Stimme:
„Willst du, dass ich gehe?“
Ich zögere. „Was meinst du damit, dass du gehen sollst?“
„Ich möchte, dass wir beide das hier wollen. Wenn du also den Abend hier beenden willst, ist das okay, das verstehe ich…“ Er unterbricht sich und sieht aus, als würde er nachdenken, während er mich betrachtet.
„Ich…“ Ich schlucke erneut schwer und führe das Weinglas an meine Lippen, schmecke die süße Flüssigkeit und stelle das Glas auf den Couchtisch zurück. „Ich bin unsicher… Es ist lange her seit jemand… Ich…“
„Seit jemand dir das Gefühl gegeben hat, begehrt zu werden?“
„Ja… Es ist nicht so, dass ich nicht will. Ich weiß nur nicht, ob ich kann… ja, du weißt schon…“ Ich werde rot und sehe auf meine Hände hinunter. Balle sie zur Faust.
Sam platziert die Ellenbogen auf seinen Knien und stützt sich darauf ab. „Hat dir jemals jemand gesagt, dass du zu viel an allem zweifelst?“
Nervös fahre ich mit der Hand durch meine Haare und winde mich auf dem Sofa. Hebe meinen Blick und begegne seinem. Meine innere Stimme fragt, was ich vorhabe. Er ist genau das, was ich brauche. Tief in meinem Inneren hoffe ich, dass ich fähig bin, weiterzugehen.
Er sieht mich noch immer schweigend an, gibt mir Zeit. Wartet geduldig auf eine Antwort.
„Ja, ja, du hast Recht!“, rufe ich schließlich aus. „Ich weiß nicht, was du an dir hast, Sam, aber du bringst mich dazu, dass…“
„Bringe dich wozu?“, fragt er mit einem breiten Lächeln.
„Bringst mich dazu, dich haben zu wollen und dir Dinge sagen zu wollen, die ich für gewöhnlich nicht sage.“
Er zuckt leicht mit den Schultern und nimmt meine Hand in seine. Er küsst meine Knöchel und sorgt dafür, dass sich ein Schauer der Erregung in meinem Körper ausbreitet. Ich bekomme Gänsehaut bei seiner Berührung.
„Ich hatte keine Ahnung, dass ich einen solchen Einfluss auf dich habe, aber es freut mich zu hören, dass ich den Charme habe, dich zu verführen. Obwohl ich eher denke, dass du diejenige bist, dich mich verführt hat.“ Er grinst.
„Ich hab noch nie jemanden wie dich getroffen.“ Ich hole tief Luft in der Hoffnung, meine Nerven etwas zu beruhigen. „Du wirst mich verrückt machen.“ Das tust du bereits, denke ich.
„Nur, wenn du mich darum bittest.“ Er lacht unwiderstehlich.
Ich schüttle verwirrt den Kopf. Was tue ich hier? Das hier wird sicher nur in mein Verderben führen. Dieser Mann ist gefährlich verführerisch und ich fühle, dass ich nicht mit der Situation umgehen kann. Ich habe niemals zuvor jemanden wie Sam getroffen. So selbstsicher, aber nicht auf eine aufdringliche Weise. Vielleicht ist es besser zu fliehen, als das Risiko einzugehen und sich vielleicht niemals wieder zu erholen. Über Philip bin ich größtenteils hinweg, aber Sam…
Unbewusst kaue ich am Nagel meines Zeigefingers, etwas, das ihn mein Handgelenk ergreifen lässt.
„Weißt du, wie unglaublich sexy es ist, deinen Finger in deinem Mund zu sehen?“ Er hebt mein Kinn an und begegnet mir mit intensivem Blick.
„Wa…nein“, stammle ich hervor, fühle, wie meine Wangen heiß werden und beiße mir erneut nervös auf die Lippe.
„Glaub mir“, sagt er, lässt mein Kinn los und streichelt meine Wange. „Es gibt nichts, was ich in diesem Moment lieber tun würde, als dir jedes einzelne Kleidungsstück herunterzureißen und dich in meine Arme zu nehmen.“
„Vielleicht ist es doch besser, wenn du gehst.“ Ich erhebe mich schnell vom Sofa, noch immer unsicher darüber, was ich wirklich will. Müde vom hin- und herschwanken. Ich denke, dass es vielleicht das Beste ist, wenn er geht. Er muss glauben, dass ich völlig verrückt bin – ein Quälgeist.
Er steht ebenfalls auf. Ohne ein Wort zieht er mich näher an sich, lässt seinen Blick einige Sekunden auf mir ruhen und presst dann einen Kuss auf meine Lippen. Dieser ist erst sanft, aber als er sich dann vertieft und fordernder wird, während seine freie Hand gleichzeitig vorsichtig meinen Rücken streichelt, presse ich mich noch näher an ihn. Ich stöhne, als seine Zunge meine Lippen spreizt und unsere Zungen einander berühren. Der Kuss ist herrlich, es fühlt sich an, als würde mein Inneres dahinschmelzen wollen, meine Beine geben nach.
In meinem Körper lodert es. In Sams Armen zu liegen ist wie eine Euphorie. Alberne, dumme Endorphine, die es ihm erlauben, mich festzuhalten, unfähig, mich ihm zu entziehen. Der Kampf in mir legt sich langsam und ich gebe mich dem Geschehen hier und jetzt vollkommen hin.
Wein und ein entspanntes Gespräch sind nie eine gute Kombination. Aber er hat größtenteils Recht. Er ist exakt das, was ich brauche, wenigstens genau in diesem Moment. Mein Körper lässt mich nicht leugnen, dass seine Berührungen meine Sinne mit Erregung erfüllen. Seine lustige Art, die mich zum Lachen bringt, ist so anders als das, was ich von Philip gewohnt war. So anders als bei jedem anderen Mann, den ich zuvor getroffen habe. Diese fast liebevolle Art, wie er mich ansieht, lässt mich glauben, dass das, was heute Abend geschehen wird, für alle Zeit Bestand haben könnte. Auch wenn ich weiß, dass das wahrscheinlich nicht der Fall sein wird. Die letzten Stunden waren wie ein Vorspiel für das, was sich jetzt in der Dunkelheit meines Wohnzimmers abspielt.
Von diesem anziehenden Mann begehrt zu werden tut mir gut. Ich fühle mich wieder lebendig und plötzlich will ich mehr, viel mehr.
Ich hoffe, dass ich das am Morgen nicht bereuen werde, denke ich, während Sams hungrige Küsse meinen Puls in die Höhe schnellen lassen und ich fühle, wie ich mich anspanne, als das Verlangen in mir wächst.
Eifrig fahren seine Hände verführerisch über meinen Körper, als wären sie es gewohnt, mich zu berühren. „Emma, ich will dich jetzt. Ich habe dich den gesamten Abend über gewollt. Eigentlich schon seitdem wir einander vorgestellt wurden. Du hast keine Ahnung, wie schön du bist. Total bezaubernd.“