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Ihr Herz klopft rasend schnell, als Sophie den italienischen Milliardär Alessio Rossi-White aufsucht: Seinem betagten Vater geht es schlecht. Aber nichts hat die junge Haushälterin auf Alessios Sex-Appeal vorbereitet – und auf seine Einladung an den herrlichen Gardasee! Wo aus der sinnlichen Anziehungskraft zwischen ihnen eine heimliche Affäre wird. Bis sein Vater sie erwischt! Wütend beschuldigt der Senior seinen Sohn, er hätte Sophie gegen ihren Willen verführt. Und noch bevor sie das klären kann, behauptet Alessio, sie seien heimlich ein Paar und würden heiraten …
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Seitenzahl: 199
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2023 by Cathy Williams Originaltitel: „The Housekeeper’s Invitation to Italy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2612 09/2023 Übersetzung: Johanna Mach
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751518765
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Das Bürogebäude sah ganz anders aus, als Sophie es sich vorgestellt hatte. Allerdings dämmerte ihr nun, da sie vor dem historischen Bauwerk aus dem achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert stand, dass sie vermutlich von einem Klischee ausgegangen war.
Sie hatte gedacht, der Arbeitsplatz eines arroganten Milliardärs müsste hypermodern und protzig sein, die Art von Räumlichkeiten, die auszudrücken schien, dass man es sich besser nicht mit seinem Eigentümer verscherzen sollte – denn er war viel größer, stärker und reicher als man selbst.
Sophie verharrte unschlüssig auf der gegenüberliegenden Straßenseite, während ihr der eisige Winterwind um die Ohren peitschte. Obwohl es erst halb sechs war, war es bereits stockdunkel.
Das Gebäude war ein penibel gepflegtes, vierstöckiges Stadthaus mit schwarzem Gitterzaun und einer kurzen Treppe, die zu einer ebenfalls schwarzen Eingangstür hinaufführte. Es war in einen geschwungenen, äußerst repräsentativen Straßenzug aus identischen Häusern eingereiht, mitten im Herzen von London. Von Bentleys bis hin zu Teslas – alle Autos, die hier parkten, waren Luxusschlitten. Über dem Viertel lag eine solch gespenstische Stille, dass Sophie befürchtete, jemand könnte wie aus dem Nichts auftauchen und sie zurück ins geschäftige Treiben der Umgebung eskortieren, falls sie noch länger herumstand, Löcher in die Luft starrte und grübelte, ob sie überhaupt das Richtige tat.
Diese Vorstellung gab ihr den nötigen Anstoß, um die menschenleere Straße zu überqueren und die Treppe zur Eingangstür hochzusteigen. Oben angelangt, stellte sie fest, dass der Messingtürklopfer nur zur Dekoration diente, denn neben der Tür war eine diskrete Klingel mit Gegensprechanlage angebracht.
Einen Moment lang hielt Sophie inne, um sich in Erinnerung zu rufen, wo sie eigentlich war – und warum.
Sie hatte eine lange und anstrengende Fahrt hinter sich, vom ländlichen, verschneiten Yorkshire bis hierher nach London. Eigentlich hatte sie etwas gegen Heimlichtuerei. Doch sie musste unbedingt mit Alessio Rossi-White sprechen, obwohl Leonard White ihr ausdrücklich untersagt hatte, seinen Sohn zu kontaktieren.
Wie würde man sie hier wohl empfangen? Ihre bisherigen Erfahrungen mit Alessio Rossi-White deuteten darauf hin, dass er ein unnahbarer Egozentriker war …
Sophie klingelte, und die Nerven, die sie gerade noch im Griff hatte, ließen ihren Puls in die Höhe schießen. Am anderen Ende der Leitung hörte sie eine Frauenstimme glasklar und melodisch verkünden, dass es ohne Termin nicht die geringste Chance gebe, vorgelassen zu werden.
„Ich bedaure, Mr. Rossi-White ist nur ein paar Tage in der Stadt“, sagte die körperlose Stimme ohne eine Spur des Bedauerns. „Sein Terminkalender ist voll, er kann niemanden mehr empfangen. Ganz gleich, worum es geht. Möchten Sie einen Termin …“
„Aber ich bin stundenlang gefahren!“
Die glasklare Stimme wurde frostig. „Dann hätten Sie vorher nachfragen sollen, ob Mr. Rossi-White überhaupt Zeit für Sie hat. Wenn Sie nichts dagegen haben, muss ich jetzt telefon…“
„Ich habe aber etwas dagegen“, unterbrach Sophie, bevor die Frau auflegen konnte. So unangenehm es auch war, Sophie war nicht ohne Grund hier. Und sie hatte im Leben schon größere Hindernisse überwinden müssen als arrogante Empfangsdamen hinter verschlossenen Türen. Also teilte Sophie ihr mit, dass sie nicht weggehen würde, ehe man sie persönlich mit Alessio Rossi-White über seinen Vater sprechen ließ.
„Ich höre wohl nicht richtig!“
„Es ist etwas Privates.“ Sophie fasste sich kurz, denn die Einzelheiten gingen die Frau nichts an. „Wenn Sie mir nicht aufmachen wollen, schön und gut. Aber eines versichere ich Ihnen: Wenn Alessio davon erfährt, dann macht er Ihnen die Hölle heiß.“
Sie vernahm ein Zögern in der Leitung und seufzte erleichtert. Selbstverständlich hätte Sophie besser vorher Bescheid geben sollen. Aber ihr Entschluss, nach London zu reisen, war so spontan und heimlich gewesen! Sophie hatte erfahren, dass Alessio gerade in der Stadt war, denn seine persönliche Assistentin schickte seinem Vater jede Woche gewissenhaft eine E-Mail mit Angaben über seinen Aufenthaltsort. Nur für den Fall. Soweit Sophie wusste, hatte Leonard diese Informationen aber noch nie genutzt, um seinen Sohn zu kontaktieren.
Ja, sie hätte Alessio vorwarnen können … Doch es war einfach zu stressig gewesen, nachdem in den letzten Wochen eine schlechte Nachricht auf die nächste gefolgt war. Wegen all der besorgniserregenden Entwicklungen hatte Sophie nicht einen Augenblick durchatmen können. Eigentlich hatte nichts davon mit ihrer Tätigkeit zu tun – doch sie konnte nicht anders. Leonard lag ihr am Herzen, und allein der Gedanke an die Ungewissheit, die Ängste, die er seit Monaten mit sich herumtragen musste, hatte Sophie dazu bewegt, in unbekannte Bereiche vorzustoßen. Ihr Gehalt war mehr als großzügig, also machte ihr der Aufwand nichts aus – auch wenn sie nicht erwartet hätte, sich einmal auf diese Art unvertrautes Terrain zu wagen.
„Ich sehe mal, was ich tun kann. Sagen Sie mir Ihren Namen?“
„Sophie Court.“
Ob er sich an meinen Namen erinnert?
„Sagen Sie ihm, dass ich für seinen Vater arbeite.“
„Bleiben Sie in der Leitung.“
Alessio konnte den Namen nicht direkt einordnen. Es fiel ihm erst ein, als man ihm sagte, es handle sich um die betreuende Pflegerin seines Vaters.
Oder die pflegende Betreuerin? Der Unterschied war ihm nie klar gewesen.
Zwei Jahre zuvor hatte Leonard einen Schlaganfall erlitten – oder, wie er selbst meinte: „Eine alberne Kleinigkeit, kein Grund zur Beunruhigung … Deswegen musst du doch nicht gleich nach Yorkshire kommen! Ich bin schließlich kein Tattergreis …“ War es wirklich nötig gewesen, eine Person einzustellen, die täglich für seinen Vater sorgte?
Bei Alessios letztem Besuch vor ein paar Monaten war es ihm vorgekommen, als wäre sein Vater ganz der Alte: mürrisch, ungeduldig … und nicht geneigt, über ein Minimum an Höflichkeitsgeplauder hinauszugehen. Sein Vater und er hatten eine Art Routine entwickelt, die aus oberflächlichen Telefonaten und vierteljährlichen Pflichtbesuchen bestand.
Alessio fragte sich schon längst nicht mehr, ob diese Situation normal war. Sie war nun einmal so. Er empfand kein Bedauern, keine Wehmut, denn das Leben hatte ihn abgehärtet. Mittlerweile betrachtete er diese Härte als Ausdruck einer inneren Stärke, die ihn erst so erfolgreich und mächtig gemacht hatte, wie er heute war.
Sophie Court … Bei seinen letzten Besuchen in Yorkshire war er ihr nicht begegnet.
Doch jetzt war sie hier, und sie hätte kaum ungelegener kommen können, denn sein Terminkalender war voll, und sein Posteingang quoll vor Anfragen über. Mehrere Meetings standen an, und in einer Stunde war eine Videokonferenz mit drei Vorstandsvorsitzenden in drei verschiedenen Zeitzonen geplant.
Was auch immer sie zu sagen hatte, sie musste es ohne Umschweife tun – denn Zeit war schließlich Geld. Ihm fiel nichts ein, was sie von ihm wollen könnte, also drückte er den Türöffner und lehnte sich im Bürosessel zurück, fest entschlossen, sie wieder wegzuschicken, wenn sie nicht schnell genug zum Punkt kam.
Zu Sophies Erleichterung ließ man sie nicht lange warten. Je weniger Zeit ihr zum Nachdenken blieb, desto weniger lief sie Gefahr, die Nerven zu verlieren.
Normalerweise konnte sie nichts aus der Bahn werfen. Nachdem ihr Vater gestorben war, als sie erst fünfzehn war, hatte sie allein den Scherbenhaufen aufgekehrt und sich um den Haushalt gekümmert, während die grausame Wirklichkeit ihr alle jugendlichen Träume raubte.
Neben der Schule musste sie arbeiten. Das Geld war knapp, und sie lernte mit einem minimalen Budget hauszuhalten und Sozialleistungen zu beantragen, damit sie den Kredit für das Haus abbezahlen und Rechnungen begleichen konnte.
Sie musste für ihre Schwester Adelaide sorgen, die fünf Jahre jünger war, und ihrer Mutter beistehen, die kaum aus dem Bett kam, geschweige denn sich um andere kümmern konnte … Es gab ein paar Verwandte, die mitleidig zusahen, aber dann abwinkten, als praktische Hilfe gefragt war.
Die Strapazen ließen Sophie schnell erwachsen werden. Eines hatte sie auf jeden Fall gelernt: Niemals würde sie so abhängig von einem anderen Menschen werden, dass der Verlust dieser Person sie so komplett aus der Bahn werfen würde, wie es bei ihrer Mutter der Fall war.
Ihre Mutter hatte zu sehr geliebt. Das würde Sophie nicht zum Verhängnis werden.
Auch wenn ihr Traum vom Medizinstudium geplatzt war: Der Beruf in der Kranken- und Altenpflege, den sie stattdessen gelernt hatte, machte ihr Spaß – besonders seit sie für Leonard arbeitete. Außerdem war die Stelle so gut bezahlt, dass Sophie zum ersten Mal im Leben sparen konnte, obwohl sie ihre Mutter und Schwester immer noch finanziell unterstützte.
Das Leben war hart gewesen, doch sie hatte es im Griff.
Nur, was Alessio Rossi-White anging …
Nein, das hatte sie nicht im Griff. Irgendetwas an ihm versetzte sie in Alarmbereitschaft – sodass ihre Nackenhärchen sich in seiner Gegenwart aufstellten und ihre Nerven verrücktspielten. In den zwei Jahren, die sie nun für seinen Vater arbeitete, hatte sie ihn erst ein paarmal gesehen. Inzwischen hatte sie aber beschlossen, sich vor seiner Ankunft immer freizunehmen.
Er war arrogant, unterkühlt und abschätzig. Seine Besuche bei Leonard hielt er kurz und erweckte stets den Eindruck, er hätte etwas Wichtigeres zu tun. Insgesamt war er der unsympathischste Mann, dem Sophie je begegnet war. Soweit sie sich erinnern konnte, hatte er sie noch nie direkt angesprochen, und zu seinem Vater war er distanziert und so förmlich, dass es ihr kalt den Rücken herunterlief. Die beiden Männer saßen immer an gegenüberliegenden Seiten eines langen Tisches und tauschten Informationen aus, ohne Wärme zu zeigen – kein Wunder, dass Leonard ihr verboten hatte, Alessio von seinen Problemen zu erzählen.
Sie war nur hier, weil ihr nichts anderes mehr einfiel, und dennoch fragte sie sich insgeheim, ob der ganze Plan nicht ein großer Fehler war.
Schon vor dem altehrwürdigen Gebäude zu stehen, war beängstigend gewesen, doch innen war es noch schlimmer. Marmor und glänzendes Parkett, so weit das Auge reichte, dazu ein paar exotische, strategisch platzierte Topfpflanzen. Der Empfangstresen der Frau, die Sophie abwimmeln sollte, war aus stromlinienförmigem Chrom, und die Gemälde an den Wänden sahen abstrakt und so teuer wie alles andere aus.
Von den oberen Etagen drangen keine Stimmen nach unten … kein Telefonklingeln, keine hastigen Schritte. Konnte man Wohlstand hören? Wenn ja, dann klang er sicher wie diese unaufgeregte Stille. Sophie spielte mit dem Gedanken, auf dem Absatz kehrtzumachen, doch stattdessen lächelte sie die perfekt gestylte blonde Mittdreißigerin am Tresen höflich an und nahm im Wartebereich Platz.
So sieht Geld also wirklich aus, dachte sie. Auch Leonards Anwesen war prächtig und herrschaftlich. Innen war es jedoch in die Jahre gekommen, und die altmodische Einrichtung strahlte eher verblasste Eleganz aus. Das ehemals prunkvolle Haus sammelte nun Staub an, denn niemand investierte in seine Instandhaltung. Hier hingegen …
Sophie wusste, dass dies nur eines von vielen Büros in Alessios Imperium war. Außerdem war es das kleinste und wurde ausschließlich von einem elitären Team aus Hedgefonds-Managern genutzt. Weitere Niederlassungen gab es in Rom, Lissabon und Zürich, von wo aus sein Unternehmen gesteuert wurde.
Kurz darauf wurde sie in einen gläsernen Aufzug geleitet, der sie drei Stockwerke in die Höhe beförderte, um sie dann in einen Bereich auszuspucken, der schon eher einem Büro ähnelte. Jedenfalls gab es Schreibtische mit Trennwänden dazwischen und von Bildschirmen umgebene Angestellte, die so konzentriert in die Arbeit vertieft waren, dass es den Anschein hatte, sie müssten mit großen Geldsummen hantieren.
Sophie lief weitgehend unbeachtet an ihnen vorbei.
Hinter dem offenen Bereich lagen ein paar wenige Einzelbüros und ganz am Ende die Räume von Alessio. Sie spürte ein Flattern im Bauch, das nichts mit dem Inhalt des bevorstehenden Gesprächs zu tun hatte. Sondern vielmehr damit, dass sie ihn sehen würde.
Wusste die steif wirkende Assistentin, wer Sophie war? In Anbetracht von Alessios Macht hatten seine Angestellten sicher Respekt vor allen, die in seine heiligen Hallen geladen wurden – egal, ob sie sie kannten oder nicht.
Waren sie nicht alle in gewisser Weise Alessios Eigentum? Sophie hatte den Eindruck, dass er keinen Hehl daraus machte, jeden um sich herum in Besitz zu nehmen.
Sie holte tief Luft und wartete. Ihr Herz pochte heftig in ihrer Brust, während ihr Kopf Bilder von diesem Mann heraufbeschwor.
Hochgewachsen … olivfarbene Haut … rabenschwarzes Haar und noch dunklere Augen. Er war makellos schön und kalt wie eine Marmorstatue. Seine halb italienische Abstammung kam in jedem seiner wohlgeformten Gesichtszüge zum Vorschein.
Sophie hatte Fotos seiner verstorbenen Mutter Isabella Rossi gesehen, und die unerhört sinnliche Schönheit hatte ihr die Sprache verschlagen. Alessio, ihr einziges Kind, hatte offensichtlich jedes einzelne dieser Gene von ihr geerbt.
Die puristischen grauen Möbel, der helle Seidenteppich auf dem Parkett und die cremefarbene Ledercouch an der Wand wurden unscharf, als die Tür sanft aufgestoßen wurde und Sophie ihn an seinem Schreibtisch erblickte, zurückgelehnt, die Hände hinterm Kopf verschränkt – in Erwartungshaltung.
Nur milde Neugier lag auf seinem Gesicht, als er Sophie musterte, die wie in der Schwebe verharrte, während die Tür hinter ihr geschlossen wurde.
Das ist die Frau, die ein Profi darin ist, im Hintergrund zu verschwinden, dachte Alessio. Graue Hose, grauer Pullover, lange, dunkle Strickjacke und eine riesige Umhängetasche, in die sicher eine Küchenspüle gepasst hätte. Sie hatte kurzes, helles Haar und braune Augen, und anders als die meisten Frauen, die er kannte, hatte sie anscheinend nicht viel Zeit darauf verwendet, sich zu schminken. Und dennoch – irgendetwas störte den faden Eindruck, den sie ganz offensichtlich bewusst wecken wollte.
Er musterte sie eine Weile schweigend. Was genau ist es an ihr, das ihren Mauerblümchenlook zu untergraben scheint? Dann beugte er sich abrupt vor, schlug mit beiden Händen auf den Schreibtisch und forderte Sophie mit einem Kopfnicken auf, sich in den breiten schwarzen Ledersessel vor ihm zu setzen.
„Sie müssen nicht in der Tür stehen bleiben. Oder warten Sie auf einen Wink des Himmels? Setzen Sie sich doch und erzählen Sie mir, was Sie herführt. Tee? Kaffee? Etwas Stärkeres?“
Er schaute auf die Armbanduhr, bevor er aufstand, zu einem der Fenster ging und den Blick über das winterlich graue London schweifen ließ. Dann wandte er sich wieder Sophie zu, lehnte sich an die Fensterbank und schob die Hände in die Hosentaschen, während sie in den Sessel glitt und sich sorgfältig die Haare hinter die Ohren strich.
„Nein, danke.“
„Gut. Normalerweise würde ich Small Talk machen, aber ich habe viel zu tun …“
„Ach, vielleicht nehme ich doch einen Kaffee“, sagte Sophie. „Ich habe eine lange Fahrt hinter mir.“
Ihr wurde klar, dass sie in der Tat etwas lockere Unterhaltung gebrauchen konnte. Es würde ihr helfen, ein wenig im seichten Wasser zu schwimmen, bevor sie in die Tiefe ging.
Sie sah sich im Büro um. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie in so einem Gebäude arbeiten“, hörte sie sich sagen. Sie spürte, wie sie errötete, als er fragend die Augenbrauen hob und zurück zum Schreibtisch schlenderte. Er setzte sich und drehte den Stuhl seitwärts, um sich zurücklehnen und die langen Beine ausstrecken zu können. Ein Raubtier in Ruhehaltung.
„In was für einem Gebäude denn?“
Sophie zuckte mit den Schultern und begegnete seinem unbeeindruckten Blick. „Ich glaube, ich hatte etwas Moderneres erwartet. Glas und Stahl …“
Harte Kanten für einen harten Mann.
„Dieser Bereich meiner Tätigkeit hat mit Hedgefonds zu tun. Meine Kunden hier schätzen Diskretion, und genau die bekommen sie an dieser Adresse. Aber Sophie, es überrascht mich, Sie hier zu sehen. Ich nehme an, es geht um meinen Vater?“
Sein Blick wich nicht eine Sekunde von ihrem Gesicht, während er den Knopf der Sprechanlage drückte und bei seiner Assistentin Kaffee bestellte.
„Oder gibt es einen anderen Grund?“
„Nein.“
Warum sollte ich sonst diesen Typ treffen wollen?
„Es geht um Ihren Vater … Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Leonard vor ein paar Wochen noch einen Schlaganfall hatte“, sagte sie ohne Umschweife.
Sophie fiel auf, wie er plötzlich ganz still wurde und den Blick senkte. Eine undurchdringliche Aura schien sich um ihn zu hüllen wie ein Schutzschild.
„Das kann nicht sein.“
„Wie meinen Sie das?“
„Davon wüsste ich etwas.“
Sophie registrierte kaum, wie der Kaffee serviert wurde, so gebannt war sie von diesen pechschwarzen Augen, die nun eiskalt und leer wie Sibirien wirkten.
Sie wusste viel über diesen Mann – aus all den Zeitungsartikeln, die sein Vater über die Jahre gesammelt hatte, und aus den Memoiren, die er ihr jeden Abend vor dem Essen diktierte. Auch wenn es sie nicht interessierte: Sie wusste, wo Alessio arbeitete, was er in seiner Freizeit trieb und dass er sein unglaubliches Vermögen eigenhändig auf Grundlage des Erbes seiner Mutter aufgebaut hatte.
Sie wusste, dass er eine Art Finanzgenie war. Und er war kein Kind von Traurigkeit – das entnahm sie den sorgfältig ausgeschnittenen Paparazzi-Fotos, auf denen er meistens irgendeine kurvige Blondine im Arm hielt, die ihn anschmachtete. Sie wusste, dass keine dieser Frauen lange an seiner Seite blieb.
Jetzt erschauderte sie und fragte sich, was diese Frauen an ihm fanden. Auch bei all dem Reichtum und all der Schönheit – wer wollte schon einen Mann, der so kalt war?
Sie betrachtete ihn mit widerwilliger Faszination und versuchte sich vorzustellen, wie er lachte, weinte oder andere Gefühle zeigte, doch es gelang ihr nicht. Bei seinen wenigen Besuchen in Leonards Haus hatte er auch keine gezeigt.
Leonard verwahrte all die Artikel über Alessio so liebevoll, doch sein Sohn schien diese Zuneigung kein bisschen zu erwidern. Sophie spürte, wie sie innerlich hart wurde.
„Wieso?“, fragte sie schlicht. „Wieso glauben Sie, dass Sie das wissen würden? Sie besuchen Leonard doch nie.“
„Wie bitte?“
Zum ersten Mal sprach sie tatsächlich mit Alessio, abgesehen von den anständigen Höflichkeitsformeln in Leonards Gegenwart. Nach der Begrüßung war sie immer wieder in die Rolle der diskreten, unsichtbaren Pflegerin geschlüpft, die sich nie einmischte. Doch nun fühlte sie sich, als würde ein Staudamm in ihr platzen.
Jahrelang hatte sie sich bei Autoritätspersonen Gehör verschaffen müssen, was ihr als schüchternem, unbeholfenem Teenager zunächst schwerfiel. Doch die Umstände hatten ihre Persönlichkeit gestärkt. Sie hatte gelernt, für sich einzustehen, eine Stimme zu haben, und sie sah keinen Grund, warum sie diese jetzt nicht einsetzen sollte. Alessio mochte reich und mächtig sein, aber ihr Gehalt bezahlte er nicht.
Nervös überlegte sie, wie viele Gehaltsschecks sie in Anbetracht der Tatsachen wohl noch erwarten konnte. Und wenn schon, dachte sie. Noch ein Grund, diesem widerwärtigen Schnösel die Meinung zu sagen. Sicher erlebte er so etwas nicht oft.
„Sie haben Ihren Vater seit fünf Monaten nicht mehr besucht.“
„Höre ich da etwa Kritik heraus, Miss Court?“
„Sie wirken überrascht von den Neuigkeiten, die ich Ihnen mitgeteilt habe. Das finde ich unglaublich. Und noch unglaublicher finde ich, dass Sie ernsthaft denken, Sie könnten gut informiert sein, was Ihren Vater angeht. So selten, wie Sie ihn besuchen!“
„Ich kann nicht fassen, was ich da höre!“
„Ich bin nur ehrlich.“
„Aber wann habe ich Sie um Ehrlichkeit gebeten?“, erwiderte er harsch und starrte sie empört an. „Bis jetzt habe ich Sie kaum reden gehört, und auf einmal tauchen Sie ungebeten hier auf und wollen mich belehren?“
Sophies Wangen wurden heiß, doch sie hielt dem missbilligenden Blick stand.
„Wie auch immer“, fuhr er frostig fort, „zurück zum Thema. Mein Vater hat also wieder einen Schlaganfall gehabt. Wann genau ist das passiert, und warum erfahre ich erst jetzt davon?“
Er ließ sie nicht aus den Augen, auch nicht, als die Tür aufging und seine Assistentin ihn erinnerte, dass er in einer halben Stunde irgendwo erwartet wurde. Er speiste sie mit einer Geste ab und erklärte, er wolle bis auf Weiteres nicht gestört werden.
Ungeduldig schnalzte er mit der Zunge, als Sophie nicht gleich antwortete.
„Es ist Ihre Aufgabe, meinen Vater zu betreuen“, sagte er streng. „Das bedeutet auch, dass Sie mich über alles informieren, was seine Gesundheit angeht.“
„Er hat mir verboten, das zu tun“, konterte Sophie. Doch dann beobachtete sie, wie die Haut über seinen hohen Wangenknochen dunkelrot anlief, und schlagartig bekam sie ein schlechtes Gewissen.
Über die Jahre war Sophie natürlich abgehärtet. Aber auf ihr Mitgefühl war sie eigentlich immer stolz gewesen. Alessio mochte kaum Zeit für seinen Vater haben und ihr insgesamt zuwider sein. Aber war es ihre Aufgabe, ihn zu verurteilen? So direkt zu sein? Sie ahnte, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte, und hätte die scharfen Worte gern zurückgenommen.
An Geduld, Verständnis und Liebe hatte es ihr noch nie gemangelt. Dies waren die Eigenschaften, die ihr halfen, für ihre kleine Schwester zu sorgen und sie in ihren Schauspielambitionen zu fördern, auch wenn Sophie sich kein unrealistischeres Karriereziel vorstellen konnte. Diese Eigenschaften hatten ihr auch durch ihre dunkelsten Stunden geholfen, als ihre Mutter den plötzlichen Tod ihres Mannes nicht verkraften konnte. Mit Härte allein hätte Sophie diese Zeit nicht überstanden. Wo war ihre Empathie nun geblieben?
„Es tut mir leid“, sagte sie ruhig. „Das hätte ich nicht sagen sollen.“
„Warum? Weil es nicht wahr ist?“
„Ich habe es taktlos ausgedrückt. Ich sehe, dass ich Sie verletzt habe.“
Alessio verkrampfte sich. Verletzt? Verletzen konnte ihn nach dem frühen Tod seiner geliebten Mutter und der darauffolgenden Gleichgültigkeit seines Vaters ihm gegenüber niemand mehr. Mit diesen vergangenen Verletzungen umzugehen, hatte ihn resistent gemacht. Empört presste er die Lippen zusammen, dass diese Frau tatsächlich glaubte, sie könne ihn mit Worten verletzen.
Es kam ihm so vor, als sehe er Sophie Court zum ersten Mal. Sonst hatte sie immer den Kopf gesenkt und kaum etwas erwidert, wenn er sie angesprochen hatte. Keine Spur von diesem Feuer, das sie jetzt zeigte.
Zum ersten Mal seit langer Zeit geschah etwas Unerwartetes in seinem Leben. Diese Frau mochte sich kleiden wie eine alte Jungfer, doch sie benahm sich ganz und gar nicht so. Er sah sie an … sah sie wirklich an.
Groß, schlank, alabasterfarbene Haut und ein wachsamer Blick, der Selbstkontrolle vermuten ließ.
Warum war sie so kontrolliert? Und was bewegte eine Frau in ihren Zwanzigern dazu, sich in Vollzeit um einen zänkischen alten Mann zu kümmern?
Eine plötzliche Neugierde drohte Alessio aus dem Konzept zu bringen, also rief er sich schnell zur Ordnung.
„Sorgen Sie sich bitte nicht um meine Gefühle, Miss Court“, sagte er übertrieben höflich. „Ich komme allein mit ihnen zurecht. Meinem Vater ist es also lieber, wenn ich nichts von dem Schlaganfall weiß? Tja … Er hat eben seinen Stolz, und er hält sich für unfehlbar. Leider ist er das nicht. Was sagt denn der Arzt?“
Er hätte ihr vorwerfen können, dass sie nicht einmal den Arzt gebeten hatte, ihn zu informieren. Doch er verzichtete darauf.
„Reden Sie schon“, forderte er, doch Sophie schwieg.
Langsam war er beunruhigt. Über die Jahre waren so viele Türen verschlossen worden. Und doch war der Gedanke, seinen Vater zu verlieren, seltsam verstörend. Lag es daran, dass es so viel Unausgesprochenes zwischen ihnen gab?
Sein Puls beschleunigte sich. Alessio stand ruckartig auf und begann, im Raum umherzuschreiten. Er stellte sich an eines der Fenster und blickte in den Innenhof, der gerade ausreichend beleuchtet war, um die erstklassige Gartenbaukunst erkennen zu lassen, die üppigen Hecken und Bäume, die Bänke, auf denen seine Mitarbeiter sich ausruhen durften, wenn sie wollten.
„Ist sein Zustand kritisch?“, fragte er und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, während er sich wieder zu Sophie umdrehte.
„Er hat zwei Nächte im Krankenhaus verbracht. Jetzt ist er wieder zu Hause.“