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Seltsame Dinge geschehen in Willowpond Down, einem Freilichtmuseum in Form eines Dorfes im Süden Englands. Drei Wissenschaftler werden mit Dingen konfrontiert, bei denen sie sich bald nicht mehr sicher sind, ob sie träumen oder ob all dies wirklich geschieht. Die gefundene Leiche ist zumindest echt...
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von Ann Murdoch
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Der Umfang dieses E-Book entspricht 94 Taschenbuchseiten.
Seltsame Dinge geschehen in Willowpond Down, einem Freilichtmuseum in Form eines Dorfes im Süden Englands. Drei Wissenschaftler werden mit Dingen konfrontiert, bei denen sie sich bald nicht mehr sicher sind, ob sie träumen oder ob all dies wirklich geschieht. Die gefundene Leiche ist zumindest echt...
Willowpond Down hatte man die kleine Siedlung getauft. Es handelte sich dabei um nicht viel mehr als ein gutes Dutzend Hütten, einen kleinen Teich, und einen erhöht stehenden Kornspeicher. Etwas weiter, einzeln stehend, gab es dann noch eine Hütte, die des Druiden, wie man heute vermutete. Die Häuser im Dorf, wenn man sie denn so hochtrabend nennen wollte, waren nicht viel mehr als vier Mauern aus Stein und Lehm, und innen eine einzelne Wand aus Holz und Binsen, welche die Schlafbereiche der Menschen und Tiere früher getrennt hatte.
Diese kleine Siedlung war heute eine Art Freilichtmuseum im Süden Englands. Sie war über diese lange Zeit unglaublich gut erhalten geblieben, barg aber noch jede Menge Rätsel. Und doch schien es wie ein Wunder, dass diese Siedlung fast vollständig erhalten bei Bauarbeiten gefunden worden war. Und ein weiteres Wunder war es gewesen, dass sich rasch genügend Sponsoren gefunden hatten, die das Geld aufbrachten, um den Grund und Boden zu kaufen und das Gelände in ein Museum umzuwandeln.
So war ein gemischtes Team aus Wissenschaftlern und Studenten darangegangen und hatte das Dorf in seiner ursprünglichen Form wieder hergerichtet. Heute lebten, fast unbemerkt von den vielen Besuchern, drei Wissenschaftler in den Hütten, von wo aus weitere Untersuchungen gemacht wurden.
Kate Capshaw, eine 28jährige Anthropologin, Phil Bannister, ein Ethnologe und Joshua Holbrook, ein Archäologe, das waren für einige Zeit die Bewohner.
Das Gelände wurde von einer Art privatem Sicherheitsdienst überwacht, allerdings nur während rund sechzehn Stunden des Tages. Die Schicht begann morgens um sechs und endete abends um zehn, wenn das Team die Sicherheitsleute nicht schon vorher wegschickte. Es gab noch so viel zu erforschen, wobei Wachposten störend wirkten. Und jede Frage, die gelöst wurde, warf zehn neue ungelöste auf.
Kate Capshaw, eine dynamische junge Frau mit langen braunen Haaren, die sie meist zu einem praktischen Pferdeschwanz gebunden trug, unterschied sich kaum von dem Publikum, das täglich dieses Museum aufsuchte. Mit verwaschenen Jeans und einem schlabbrigen T-Shirt angetan, suchte sie mit ihren Kollegen nach den Hinterlassenschaften der Menschen, die vor mehr als tausend Jahren dieses Dorf bewohnt hatten. Es war gar nicht so einfach, das Ganze in ein Muster zu bringen, es gab noch zu viele Wissenslücken.
Die drei arbeiteten tagsüber hinter einer unsichtbaren Grenze. Und die wenigen Besucher, die versuchten, diese imaginäre Absperrung zu überschreiten, wurden mit freundlichen, aber bestimmten Worten wieder hinauskomplimentiert.
Aus einem unbestimmten Grund heraus hatte Kate sich an diesem Tag in die Hütte des Druiden oder Schamanen, wie auch immer man diesen weisen Mann nennen wollte, zurückgezogen. Sie hatte ihre Kollegen fortgeschickt, saß im Schneidersitz auf dem Lehmboden und ließ die Atmosphäre auf sich wirken.
Es war ein Tag, der schon des Morgens mit Nieselregen begonnen hatte, und nur eine Handvoll Besucher hatte sich heute in das Museumsgelände verirrt, aber auch diese wenigen schienen das Haus des Druiden regelrecht zu meiden. So war Kate wirklich allein.
Nach einiger Zeit, in der vor ihrem geistigen Auge die vergangene Zeit wieder aufzuerstehen schien, begann die junge Frau in dem kleinen Haus ruhelos auf und ab zu gehen, so als ob sie etwas suchte. Schließlich nahm sie ihre kleine Schaufel und begann ein Loch zu graben. Wenn jemand sie nach dem Grund gefragt hätte, so wäre sie die Antwort wohl schuldig geblieben. Dennoch grub sie zielsicher weiter, bis die Schaufel auf etwas Hartes stieß. Vorsichtig vergrößerte sie das Loch, wobei sie einen Teelöffel zu Hilfe nahm, das einfachste und billigste aller archäologischen Hilfsmittel. Und dann saß sie da und starrte fassungslos auf ihren Fund, der eigentlich nicht zu ihrem Fachgebiet gehörte. Sie hielt ein Säckchen in der Hand, und als sie es öffnete, sah sie die wirkliche Sensation. Es war eine Handvoll Runensteine, einst aus den Knochen von Tieren oder Menschen gemacht, schmutzig und verschmiert, dennoch eindeutig zu erkennen. Die Gedanken von Kate schweiften ungewollt ab, und vor ihrem geistigen Auge tauchten zwei vernarbte alte Hände auf, die zielsicher diese Steine warfen. Kate schüttelte unwillig den Kopf. Das war Wunschdenken, wie es gewesen sein könnte.
Aber dieser Fund war trotzdem so aufregend, dass sie gleich aufsprang und ihre Kollegen holte.
„Du lieber Himmel, Runensteine hat man schon zu Hunderten gefunden“, wiegelte Phil ab, und Joshua nickte vorsichtig.
„Es kommt immer auf den Zustand der Steine an, außerdem darauf, in welchem Zusammenhang sie gefunden wurden“, sagte der Archäologe.
„Was seid ihr doch für Ignoranten“, ärgerte sich Kate. „Zum einen ist dies doch schon mal der Beweis, dass wir richtig vermutet haben. Dieses Haus ist wirklich das des Druiden. Und den Zusammenhang müsstet ihr noch eher sehen als ich.“
Jetzt blickten die beiden Männer etwas verwirrt, aber Kate hatte ihnen die Steine nur kurz vor die Augen gehalten, zu einer genaueren Untersuchung waren sie noch nicht gekommen.
„Diese Steine hat man normalerweise nicht hier in der Gegend benutzt“, trumpfte Kate auf. „Sie stammen aus dem Nordosten. Seht euch nur mal die eingeritzten Muster an. Das ist der Beweis, dass Druiden gewandert sind, und dass sie damit ihr Wissen überall verbreiteten. Wahrscheinlich haben sie sich sogar ausgetauscht...“
„Nun mach mal halb lang“, bremste Joshua. „Du stellst da gleich einige abenteuerliche Thesen auf, die durch nichts bewiesen sind.“
„Aber ich sage doch...“
„Ja, sicher, und wahrscheinlich hast du sogar recht, wenn du sagst, dass die Steine nicht von hier sind. Wir müssen aber erst einmal eine Altersbestimmung machen, dann können wir eher eine schlüssige Theorie bilden“, sagte Phil nüchtern. „Niemand will dir deinen Fund streitig machen, aber bleib bitte sachlich, Kate.“
Die hielt sich jetzt mühsam zurück, im Grunde hatten ihre Kollegen ja recht. War sie nicht doch ein bisschen voreilig gewesen mit dem Aufstellen ihrer Theorie? Aber Altertumsforschung war auch heute noch häufig nur das Aufstellen von Theorien, untermauert von puzzleartigen Funden und viel Kühnheit.
„Wir haben alles hier, was wir brauchen, um eine ordentliche Altersbestimmung vorzunehmen“, sagte Joshua nun ruhig, „Also müssen wir uns doch gar nicht die Köpfe heiß reden. Verschieben wir unsere Theorien auf den Zeitpunkt, an dem wir mehr wissen.“
Joshua war der ruhigere der beiden Männer, besonnen in seinen Handlungen und penibel bis zur Pedanterie in seinen Untersuchungen. Er schwärmte für Kate, hatte aber nicht den Mut, ihr das zu sagen oder gar einen Annäherungsversuch zu unternehmen.
Phil Bannister war das genaue Gegenteil. Er war übersprudelnd vor Temperament, ähnlich wie Kate, gut bewandert in seinem Fachgebiet und ebenfalls in Kate verliebt. Aber im Gegensatz zu Joshua zeigte er ihr das ständig, doch sie wehrte alle seine Annäherungsversuche lachend ab, es blieb bei einem freundschaftlichen Geplänkel.
Die beiden Männer mochten es im Augenblick nicht gerne zugeben, aber irgendwo hatte auch sie die Begeisterung für diese Fundstücke gepackt. Diese Runensteine waren konkrete Dinge, die man untersuchen konnte, mehr als eine aus der Luft gegriffene Theorie oder eine Vermutung anhand von nicht identifizierbaren Knochen.
Mit Feuereifer machten sich die beiden Wissenschaftler daran, während Kate sich wieder in den Schutz der Druidenhütte zurückzog und versonnen nach draußen in den Nieselregen starrte. Der Regen wurde immer feiner, bis sich schließlich dichter Nebel daraus gebildet hatte, der ständig ineinander zu zerfließen schien. Abstrakte Formen und Figuren bildeten sich daraus, wallten wieder auseinander, und Kates Augen folgten dem Wirbeln, bis sie selbst ganz tief in Gedanken versunken war.
Etwas oder jemand schien sich plötzlich im Nebel zu bewegen, und Kate schrak aus ihren Gedanken auf.
Was war das? Besucher konnten es um diese Zeit nicht mehr sein. Die Dämmerung war schon hereingebrochen, und das Museum hatte längst geschlossen.
Sie kniff die Augen zusammen und starrte auf die Stelle, an der sie meinte, etwas gesehen zu haben. Aber im Grunde konnte es doch nur ein Trugschluss, hervorgerufen durch die Bewegung im Nebel, gewesen sein. Und doch – huschte dort nicht eine Gestalt vorbei?
„Jetzt fängst du schon richtig an zu spinnen, Kate Capshaw“, schalt sie sich selbst, stand auf und reckte ihren verspannten Körper.
Wie weit mochten die beiden Männer jetzt sein? Kate ließ ihnen die Freude, diese Untersuchung selbst durchzuführen. Der jungen Frau war nicht entgangen, dass beide Männer sich sehr um sie bemühten, und sie würden gegenseitig alles daran setzen nichts zu übersehen und sich gegenseitig zu übertrumpfen, damit sie sich bei ihr ins rechte Licht setzen konnten.
Die beiden Männer kamen von den rivalisierenden Universitäten Oxford und Cambridge, und jeder der beiden pochte darauf, die beste und gründlichste Ausbildung erhalten zu haben.
Kate überlegte kurz, ob sie den beiden von ihrer Beobachtung erzählen sollte. Irgendetwas war hier im Nebel gewesen, da war sie ganz sicher. Sie spürte ganz einfach die Anwesenheit von jemandem. Aber die zwei würden sie wahrscheinlich auslachen, wenn nicht Schlimmeres.
Nein, es war besser, wenn sie schwieg.
Die Untersuchungen würden sicher noch eine Weile dauern. Daher entschloss sie sich, mit einem Buch in der Hütte zu bleiben, und den Abend dort in aller Ruhe zu verbringen.
Der Druide hatte eine lange Wanderung hinter sich. Er war müde, schmutzig und hungrig. Seine Wanderung war sehr lang gewesen, weg von seinem Zuhause. Sein Zuhause aber gab es nicht mehr, die Sächsischen Krieger hatten es zerstört in einer blutigen Schlacht, in der selbst Frauen und Kinder zu den Waffen gegriffen hatten. Trotzdem war der Stamm hoffnungslos unterlegen gewesen, und schließlich wurden alle Bewohner des Dorfes unnachsichtig niedergemetzelt.
Er, der Druide Taliesin, hatte alles getan, was in seiner Macht stand, jede Beschwörung der Götter, jedes Opfer bis hin zum Tod eines Freiwilligen – alles hatte nichts genutzt.
Es war ihm nicht einmal gelungen, die Verletzten und Toten mit dem Segen der Götter zu trösten. Wäre er nicht geflohen, tief in die Wälder hinein, hätte man auch ihn abgeschlachtet.
„Geh“, hatte sein Häuptling Orsebors gesagt. „Was nützt irgendwem ein toter Druide? Selbst wenn wir hier verlieren sollten, so kannst du doch noch anderen helfen. Niemand wird dich deswegen feige nennen.“
„Was nützt überhaupt ein Druide?“, fragte sich Taliesin jetzt bitter. „Die Götter haben mich und meine Gebete nicht erhört. Ich bin machtlos, nutzlos.“
Aber genau in diesem Augenblick brach unverhofft ein Sonnenstrahl durch die dicke Wolkendecke, schräg durch den Regendunst, und beleuchtete eine Ansammlung von Hütten. Aus den Schornsteinen stieg Rauch auf, den Taliesin jetzt auch riechen konnte. Menschen! Ein ganzes Dorf, hier draußen!
Das Dorf lag gut geschützt in einer Senke, wer nicht wusste, dass es dort war, konnte in nur kurzer Entfernung daran vorbeilaufen.
Und scheinbar war der Krieg auch noch nicht bis hierher vorgedrungen, alles schien ruhig.