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Der Playboy-Milliardär Damien Carver braucht eine Verlobte! Natürlich nur zum Schein, um den letzten Wunsch seiner Mutter zu erfüllen. Denn echte Gefühle sind seit einer schweren Enttäuschung für ihn tabu. Da passt es, dass ihm die unscheinbare Violet einen Gefallen schuldet. Sie wird seine Mutter glücklich machen und ihn kaltlassen, glaubt er. Ein Fehler? Mit unerwartet aufregenden Kurven, Köpfchen und Persönlichkeit entpuppt sich die vermeintliche graue Maus als gefährliche Versuchung. Lange kann Damien sich nicht mehr einreden, dass seine Zärtlichkeiten nur gespielt sind …
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Seitenzahl: 192
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2014 by Cathy Williams Originaltitel: „His Temporary Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2211 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Marianne Wienert
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733707262
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Damien Carver legte den Hörer auf – die Nachricht war also nicht gut. Genau genommen konnte sie kaum schlechter sein.
Er drehte sich mit dem Schreibtischsessel zur Fensterfront seiner Büroetage und starrte auf Londons beeindruckende Skyline. Die Binsenweisheit, dass Geld nicht alles kaufen kann, hatte sich wieder einmal bewahrheitet. Die Diagnose seiner Mutter lautete auf Krebs, und daran änderte auch ein Milliardenvermögen nicht das Geringste.
Damien war kein Mann, der mit Selbstanklagen oder nutzlosen Hypothesen kostbare Zeit verschwendete. Für jedes Problem gab es eine Lösung, die man suchte, fand und in die Tat umsetzte. Nur so kam man im Leben voran. Doch diesmal war er machtlos gegen die hartnäckigen Was wäre, wenn … oder Hätte ich bloß …, die ihm im Kopf herumschwirrten.
Seit über einem Jahr wusste er, dass es seiner Mutter nicht gut ging. Dennoch hatte er sich mit ihrer Beteuerung zufriedengegeben, dass nach Ansicht des Hausarztes kein Grund zur Besorgnis bestand. „Abgesehen von den üblichen Altersbeschwerden ist alles in Ordnung“, hatte sie versichert und schulterzuckend hinzugefügt: „Wie du weißt, bin ich nicht mehr die Jüngste.“ Damit war das Thema für sie und ihn erledigt gewesen.
Was wäre, wenn er, statt dem Urteil eines einfachen Landarztes im tiefsten Devon zu vertrauen, auf einer gründlichen Untersuchung durch Spezialisten in London bestanden hätte? Hätte man das Ausbreiten der Krebszellen bremsen können, wäre die Krankheit rechtzeitig diagnostiziert worden? Jetzt war Eleanor Carver in den Händen eines Ärzteteams der besten Londoner Klinik, aber war es womöglich zu spät?
Er stand auf und ging rastlos im Büro umher. Sein Blick streifte das abstrakte Gemälde an der Wand: seine neueste Errungenschaft und ein kleines Vermögen wert. Doch nach moderner Kunst stand ihm jetzt nicht der Sinn. Er öffnete die Tür zum Vorzimmer und informierte seine Sekretärin, bis auf Weiteres keine Anrufe durchzustellen. Dann setzte er sich wieder an den Schreibtisch und ging, was so gut wie nie geschah, scharf mit sich zu Gericht.
Seit Jahren ignorierte er, was seine Mutter sich am meisten wünschte – dass er endlich sesshaft wurde. Nicht mit einer der ständig wechselnden Freundinnen, denen sie bei gelegentlichen Besuchen in seinem Haus begegnete, sondern mit der, wie sie es nannte, richtigen Frau. Er wusste, weshalb es ihr so am Herzen lag, zog jedoch vor, das Thema Heirat nicht anzuschneiden – die Suche nach der Frau fürs Leben gehörte nicht zu seinen Prioritäten.
Nach dem Tod seines Vaters vor zehn Jahren hatte er das marode Transportgeschäft der Familie und seine eigene florierende IT-Firma miteinander verschmolzen und in relativ kurzer Zeit zu einem Großunternehmen aufgebaut, dessen Name heute weltweit ein Begriff war und ihn voll in Anspruch nahm. Wann hatte er schon Gelegenheit, auf Brautschau zu gehen? Abgesehen davon hatte er sich mit vierundzwanzig gehörig die Finger verbrannt und nicht vor, den gleichen Fehler ein zweites Mal zu begehen. Kam Zeit, kam Rat – mit zweiunddreißig gehörte er nicht gerade zum alten Eisen, und seine Mutter musste sich eben noch etwas gedulden.
Nun sah es aus, als wäre der Zeitpunkt gekommen, dem Junggesellendasein ein Ende zu machen. Die Möglichkeit, dass sie vielleicht nicht mehr lange leben würde, ließ keine Alternative, das wusste er ebenso gut wie sie. Aber guter Rat war teuer – wo sollte er von heute auf morgen die richtige Frau finden?
Er sah auf, als seine Sekretärin den Kopf zur Tür hereinsteckte. „Ich weiß, du willst nicht gestört werden …“
Damien seufzte. Er hatte längst aufgegeben, Martha daran zu erinnern, dass das familiäre Du im Büro unangebracht war. Sie hatte bereits für seinen Vater gearbeitet und für ihn selbst so manchen Abend Kindermädchen gespielt Martha gehörte mehr oder weniger mit zur Familie.
„… aber du hattest versprochen, mir das Untersuchungsergebnis mitzuteilen.“ Sie trat in den Raum und schloss die Tür hinter sich. „Wie sieht es aus?“, fragte sie besorgt.
„Nicht gut.“ Er stand auf, ging um den Schreibtisch und blieb vor ihr stehen. Martha war groß für eine Frau, dennoch überragte er sie um eine gute Kopflänge. Er maß knapp zwei Meter, war breitschultrig und athletisch gebaut, ein Mann, nach dem sich die Frauen umdrehten.
„Die Ärzte befürchten, dass sich der Krebs weiter als ursprünglich vermutet ausgebreitet hat. Genaueres können sie erst nach zusätzlichen Tests und Gewebeproben sagen. Danach bestimmen sie, wie es weitergeht.“
Martha zog ein Taschentuch aus dem Blusenärmel und wischte sich die Augen. „Arme Eleanor. Wie muss ihr zumute sein!“
„Sie hält sich tapfer.“
„Und was ist mit Dominic?“
Damien schwieg. Marthas vorwurfsvoller Ton erinnerte ihn nur allzu deutlich an den Grund der Besorgnis seiner Mutter: Während sie mit dem Schlimmsten rechnen musste, widmete er seine freie Zeit einem hübschen Hohlkopf nach dem anderen.
„Sobald ich kann, fahre ich nach Devon“, entgegnete er knapp und presste die Lippen zusammen.
Die meisten Leute hätten den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und geschwiegen. Martha gehörte nicht zu ihnen.
„Du machst dir also Gedanken, was aus ihm wird, sollte sich ihr Zustand verschlechtern. Ich weiß, du willst nicht darüber reden, Damien, aber den Kopf in den Sand stecken ist keine Lösung.“
„Ich habe nicht vor, den Kopf in den Sand zu stecken, Martha.“
„Umso besser, dann will ich nicht länger stören. Nach Büroschluss schaue ich bei ihr in der Klinik vorbei.“
Er nickte stumm.
Sie wandte sich zum Gehen. „Oh, beinahe hätte ich es vergessen. Da ist noch etwas …“
„Was?“ Noch eine Zurechtweisung? Als wäre sein Gewissen nicht schon genug strapaziert.
„Eine Miss Drew wartet unten in der Lobby, sie will dich unbedingt sprechen. Soll ich …“
„Schicken Sie sie rauf.“
Philippa Drew! An sie hatte er gar nicht mehr gedacht. Wäre er nicht mit wichtigeren Dingen beschäftigt gewesen, hätte er dieses Problem schon längst aus der Welt geschafft.
Martha war mit den Einzelheiten nicht vertraut; sie kannte die junge Dame nicht einmal. Wie sollte sie auch? Philippa Drew war eine unbedeutende Sekretärin in der Software-Abteilung, wo seine talentierten Programmierer wahre Wunder vollbrachten. Er selbst hatte ihren Namen zum ersten Mal gehört, als eine Reihe von Verstößen gegen das Betriebsgeheimnis ans Licht gekommen waren und alle Spuren zu ihrem Computer führten.
Besprechungen wurden anberaumt, jeder Mitarbeiter – einschließlich Abteilungsleiter – zur Rechenschaft gezogen. Werkspionage war ein zu ernsthaftes Vergehen, um auch nur das geringste Detail zu vernachlässigen. Letztendlich hatte sich der Verdacht gegen Philippa Drew bestätigt, ebenso die Unschuld der übrigen Mitarbeiter. Sie hatte im Alleingang gearbeitet.
Dank des bereits angemeldeten Urheberrechts auf die gestohlene Software war der entstandene Schaden zum Glück gering – was jedoch nicht hieß, dass die Übeltäterin straflos ausgehen würde. Aus Zeitgründen hatte Damien ihr damals mit wenigen Worten lediglich entsprechende Maßnahmen angekündigt und sie anschließend von seinem Werkschutz aus dem Gebäude bringen lassen.
Jetzt, eine Woche später und besonders nach der Hiobsbotschaft aus der Klinik, war er in der richtigen Verfassung, um seine Frustration an einer Person auszulassen, die ihn bestohlen hatte. Er kehrte an den Schreibtisch zurück und überlegte, welche Strafe ihr zustand.
Gefängnis, was sonst? Es galt, ein Exempel zu statuieren.
Er dachte an die kurze Begegnung mit ihr in seinem Büro. Sie hatte geschluchzt, gebettelt und ihm schließlich Sex angeboten.
Bei der Erinnerung verzog er verächtlich den Mund. Trotz augenfälliger Vorteile – sie war blond, groß und gertenschlank, genau sein Typ – stieß sie ihn ab. Philippa Drew war ein Flittchen, berechnend und von sich eingenommen. Und obendrein eine Kleinkriminelle. Es würde ihm ein Vergnügen sein, ihr mitzuteilen, was das britische Gesetz für Leute ihres Kalibers vorsah.
Damien öffnete die Datei mit den Beweisen ihres Vergehens, dann lehnte er sich entspannt zurück und wartete.
In der vornehmen Lobby des beeindruckendsten Bürohochhauses, das sie jemals betreten hatte, wartete Violet auf Damien Carvers Sekretärin. Sollte es wirklich so einfach sein, einen Termin mit dem hohen Herrn zu bekommen? Nach Philippas Beschreibung war er unnahbar und obendrein ein Ungeheuer. Vielleicht machte sie ihn schlechter als er war, weil er sie fristlos entlassen hatte?
Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf – an den Worten musste etwas Wahres sein. Mr Carver war einer der erfolgreichsten Unternehmer, und ohne eine gehörige Portion Skrupellosigkeit wurde man das so gut wie nie.
Sie schluckte – warum war sie überhaupt hergekommen? Ihre Aussichten auf Erfolg waren minimal. Philippa hatte angeblich Betriebsgeheimnisse gestohlen und sich dem Gesetz nach schuldig gemacht. Und für wen? Für einen Mann, der sich ihrer bedient hatte, um Zugang zu gewissen Dateien zu erlangen.
Blieb die Frage, wie schuldig? Kam man dafür, wie ihre Schwester weinend behauptete, tatsächlich ins Gefängnis? Violet hatte keine Ahnung. Sie war Lehrerin und unterrichtete Kunst. In ihrer Welt gab es weder Betriebsgeheimnisse, noch Werksspionage.
Was würde sie ohne ihre kleine Schwester anfangen, sollte sie tatsächlich hinter Gitter kommen? Seit dem Unfalltod der Eltern vor sieben Jahren standen sie allein da. Und obwohl sie ohne Weiteres zugab, dass Philippa es ihr als der um vier Jahre älteren oft nicht leicht machte, liebte sie sie heiß und innig. Sie würde alles für sie tun, alles. Einschließlich bei Mr Carver um Gnade bitten, auch wenn ihr jetzt mit jeder Sekunde mulmiger wurde.
Violet schaute sich in der eleganten Eingangshalle um. Nichts als Marmor und Chrom! Sehnsüchtig dachte sie an das gemütliche kleine Haus, das sie mithilfe der elterlichen Erbschaft gekauft hatten. Am liebsten würde sie kehrtmachen und den bevorstehenden Termin mit Philippas Exboss sausen lassen, doch das brachte sie nicht fertig.
Ängstlich fragte sie sich, wie das Gespräch verlaufen würde. Was, wenn der Mann eine Abfindung für den entstandenen Schaden verlangte? Bei dem Gedanken wurde ihr ganz schlecht.
Im nächsten Moment kam eine hochgewachsene grauhaarige Frau auf sie zu. „Miss Drew? Mr Carver erwartet Sie.“
Gehorsam folgte ihr Violet zu den Aufzügen, obwohl ihre Panik mit jedem Schritt zunahm. Riesengroße abstrakte Gemälde zierten die Wände, überall standen üppige Grünpflanzen, während livrierte Sicherheitsleute das ständige Kommen und Gehen in der Halle diskret überwachten. Sogar in der geräumigen Fahrstuhlkabine hingen Bilder – sie kam sich vor wie in einem Museum.
Innerhalb von Sekunden hielten sie in der obersten Etage, wo sie ausstiegen und ein modern eingerichtetes Vorzimmer betraten. Eine imposante Eichentür führte zum Allerheiligsten des Firmenchefs, Rauchglaswände zu beiden Seiten schützten ihn vor den neugierigen Blicken wartender Besucher. Die Sekretärin klopfte, öffnete und verkündete: „Miss Drew, Mr Carver.“ Dann zog sie sich zurück.
„Nehmen Sie Platz!“, befahl Damien, ohne vom Computerbildschirm aufzusehen.
Völlig verdattert sank Violet auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Das war Damien Carver? Philippas unschmeichelhafter Beschreibung nach hatte sie einen feisten alten Glatzkopf erwartet, aber keines dieser Attribute traf auf ihn zu.
Er hatte dichtes rabenschwarzes Haar und war, soweit sie seiner sitzenden Position und den breiten Schultern nach urteilen konnte, groß und athletisch gebaut. Hautfarbe und Profil verrieten, dass in seinen Adern nicht nur englisches Blut floss. Als er sich ihr schließlich zuwandte, blickte sie in zwei tiefblaue Augen und ein männlich schönes Gesicht mit klaren Linien und einem wohlgeformten Mund, dessen sinnliche Lippen missbilligend zusammengepresst waren.
Ein Schauer rieselte ihr über den Rücken. Er war der bestaussehende Mann, dem sie jemals begegnet war. Und zweifellos auch der arroganteste. Er machte ihr Angst.
Damien musterte sie schweigend. „Wer zum Teufel sind Sie?“, fragte er schroff.
Nicht seine ehemalige Angestellte, so viel stand fest. Philippa Drew war nicht nur bildschön und sexy, sie war sich ihrer Wirkung auf das starke Geschlecht voll bewusst. Die Frau ihm gegenüber war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil.
Sie trug kein Make-up, und der unförmige schwarze Wintermantel gab keinen Aufschluss über die Figur, die sich darunter verbarg. Die flachen schwarzen Schuhe waren sicherlich bequem, aber ohne jeden Chic, genau wie die Handtasche, die sie so krampfhaft umklammerte, als wolle sie sich daran festhalten. Eine unscheinbare und verängstigte graue Maus, die den Anschein erweckte, als würde sie am liebsten davonlaufen.
„M…iss Drew. Ich dachte, das wissen Sie“, stammelte Violet. „Ihre Sekretärin hat mich doch angekündigt.“
„Hören Sie, ich habe zwei anstrengende Wochen hinter mir, zu Spielchen bin ich nicht aufgelegt. Alles, was noch fehlt, ist jemand, der sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Termin erschleicht.“
„Das habe ich nicht, Mr Carver. Ich bin Violet Drew, Philippas Schwester.“ Automatisch hob sie die Stimme. Sie war Lehrerin. Sie besaß genug Autorität, um vorlaute Schüler in die Schranken zu verweisen. Doch von Autorität war jetzt keine Rede, der Mann machte sie mundtot. Lag es an seiner Persönlichkeit, oder zweifelte sie insgeheim an der Mission, deretwegen sie hier war?
„Und das soll ich Ihnen abnehmen?“ Damien stand auf und schlenderte hinter dem Schreibtisch hervor, um sich ihr gegenüber auf der Kante niederzulassen. Spöttisch musterte er sie von oben bis unten.
„Wir sehen uns nicht sehr ähnlich, Sie … Sie sind nicht der Erste, dem das auffällt. Philippa schlägt unserer Mutter nach, sie hat ihre Figur und ihr Äußeres. Ich bin mehr wie mein Vater, was die Größe betrifft. Und auch sonst …“ Errötend verstummte sie. Die Erklärung, weshalb Philippa und sie so verschieden waren, kam ihr automatisch über die Lippen, weil sie sie oft genug wiederholte. Aber normalerweise geriet sie dabei nicht ins Faseln.
Damien schwieg. Bei näherem Hinsehen erkannte man eine gewisse Ähnlichkeit. Die leuchtend blauen Augen waren die gleichen, auch die langen dunklen Wimpern. Vermutlich hatten sie auch das gleiche honigbraune Haar, wäre Philippa Drews nicht weißblond gefärbt.
„Schön. Das erklärt immer noch nicht, was Sie hier wollen.“
Violet holte tief Luft. Sie hatte sich ihre Rede genau zurechtgelegt, aber als sie den Mund aufmachte, brachte sie keinen Ton hervor. Der Mann raubte ihr schlicht und einfach den Atem.
„Ihre Schwester schickt Sie, habe ich recht?“, fuhr er fort, als Violet stumm blieb. Spöttisch kräuselte er die Lippen. „Als sie einsah, dass sie mit Tränen und Flehen nichts erreichte und ihr Verführungsversuch ebenfalls danebenging, kam sie auf die Idee, eine Fürsprecherin einzuschalten …“
„Philippa hat versucht, Sie zu verführen?“
„Das hat sie, und es war nicht sehr klug.“ Damien rutschte vom Schreibtisch und kehrte an den Computer zurück. „Offenbar hält sie mich für einen dieser Idioten, die bei jedem hübschen Gesicht sofort schwach werden.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie …“ Wirklich nicht?Es wäre nicht das erste Mal.
Ihre Schwester wusste, dass Männer Wachs in ihren Händen waren, und das nutzte sie aus, um sie für ihre Zwecke zu manipulieren – was ihr bisher auch stets gelungen war. Bis sie Craig Edwards begegnete, der den Spieß umdrehte und sie für seine Zwecke ausnutzte, mit dem Ergebnis, dass jetzt sie in der Klemme saß.
Doch das ging Mr Carver nichts an. Krampfhaft suchte Violet nach einer plausiblen Erklärung für Philippas Vergehen. „Ich bin sicher, sie war sich der Tragweite ihrer Handlung nicht bewusst. Ein … Bekannter bat sie um ein paar unwichtige Details einer Software, die in Ihrer Firma entwickelt wurde. Mehr weiß ich nicht, und so wie sie es geschildert hat, war ich der Meinung …“
„Erlauben Sie, dass ich Sie über die unwichtigen Details näher aufkläre“, fiel Damien ihr schneidend ins Wort. Er gab ihr eine Liste der Dateien, die um ein Haar in die falschen Hände geraten wären, dann lehnte er sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Interessiert es Sie, welcher Schaden dem Unternehmen entstanden wäre, hätte Ihre Schwester mit dem Diebstahl Erfolg gehabt?“, fragte er eisig.
„Aber dazu kam es ja nicht, insofern …“
„… sollte ich die ganze Angelegenheit vergessen?“ Er schüttelte den Kopf. „Nicht mit mir! Ja, sie hat mir von diesem Bekannten erzählt – ein Bankier, der sich auf meine Kosten – mit meiner Software und ihrer Hilfe – ein schönes Leben machen wollte. Ihre Schwester war sich der Tragweite ihrer Handlung durchaus bewusst. Ich habe sie nur ein Mal gesehen, aber den Eindruck eines Unschuldslamms hat sie mir nicht gemacht. Meiner Ansicht nach steckt sie mit ihrem Freund unter einer Decke – sie war nur nicht clever genug, um die Sache erfolgreich durchzuziehen.“
Violet betrachtete ihn voll Abscheu. Hinter der attraktiven Fassade verbarg sich ein eiskalter Mann mit einem Herzen aus Stein. „Philippa hat mich nicht darum gebeten, ich bin aus freien Stücken hier“, beharrte sie. „Sie ist am Boden zerstört und bedauert zutiefst, was sie getan hat …“
„Dazu hat sie auch allen Grund. Was mich angeht, so handelt es sich um ein Verbrechen, das bestraft werden muss.“
Violet erblasste. „Sie ist bereits bestraft, Mr Carver, sie wurde fristlos entlassen. Die Stelle in Ihrem Unternehmen war ihr erster richtiger Job und jetzt …“
„Ihre Schwester ist zweiundzwanzig, das geht aus ihren Unterlagen hervor. Ebenso, dass sie mit sechzehn von der Schule kam. Was, wenn ich fragen darf, hat sie in den sechs Jahren dazwischen getan? Däumchen gedreht? Wenn ich nicht irre, liegt uns das Empfehlungsschreiben einer Firma in Leeds vor, bei der sie angeblich nach einem erfolgreich abgeschlossenen IT-Kurs gejobbt hat. Darin betont ein gewisser Mr Phillips, wie beeindruckt er von ihren Kenntnissen und hervorragenden Leistungen war.“
Violet schwieg. Sie hatte nie verstanden, wie Philippa den beneidenswerten Posten in einem von Londons erfolgreichsten Unternehmen ergattert hatte. Jetzt wusste sie es. Andrew Phillips war Personalchef einer IT-Firma in Leeds und Pippas verblendeter Exfreund. Sie hatte ihn mit Heiratsversprechungen hingehalten und ihm, nachdem er die Empfehlung für sie gefälscht hatte, wegen Craig Edwards den Laufpass gegeben …
Was sollte sie Mr Carver erwidern? Etwas in seinem Blick sagte ihr, dass er wusste, was es mit dem Schreiben auf sich hatte, und nur darauf wartete, sie der Lüge zu überführen.
„Nun?“, hakte Damien ungeduldig nach, als sie nichts sagte. Er betrachtete ihr blasses Gesicht und biss sich auf die Lippe. Er war dabei, den angestauten Frust der letzten zwei Wochen an einer Unschuldigen abzureagieren. Violet Drew konnte nichts dafür, dass ihre Schwester krumme Dinger drehte.
Seufzend lehnte er sich vor und fuhr in milderem Ton fort: „Ich verstehe, dass Sie sich für Ihre Schwester einsetzen, es spricht für Sie. Das sollte Sie jedoch nicht blind machen für die Tatsache, dass sie ein Verbrechen begangen hat.“
„Philippa ist keine Verbrecherin, Mr Carver. Sie ist jung, und sie hat einen Fehler gemacht, das gebe ich zu. Aber dass man ihr wegen einer falschen Handlung die Zukunft verbaut, lasse ich nicht zu. Sie ist meine Schwester …“ Sie blinzelte, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken.
„Ich habe den Verdacht, es war nicht die erste falsche Handlung in ihrem Leben, Miss Drew. Ihre Schwester hat es bisher nur verstanden, sich mit einem koketten Lächeln und ein wenig Hüftwackeln aus der Schlinge zu ziehen.“
„Wie können Sie so etwas sagen!“
„Weil es der Wahrheit entspricht. Und der Wahrheit sollte man ins Auge sehen, ob es einem gefällt oder nicht.“ Unbehaglich lehnte er sich zurück, als ihm seine eigenen Sünden in puncto der Wahrheit ins Auge sehen einfielen.
Eine Weile herrschte Stille, dann fragte Violet niedergeschlagen. „Und … wie geht es nun weiter?“
„Ich werde unsere Anwälte einschalten. Es handelt sich um ein ernstes Vergehen und erfordert somit strenge Maßnahmen.“
Sie sah auf. „Was verstehen Sie unter strengen Maßnahmen?“ In den nachtblauen Augen und dem markanten Gesicht war keine Spur von Milde und nicht das geringste Verständnis. Was immer sie zu Philippas Verteidigung vorgebracht hatte, war umsonst. Genauso gut hätte sie gegen eine Mauer reden können. Der Mann war ein Eisblock.
„Ich spreche von einer Gefängnisstrafe.“ Warum die Dinge nicht beim Namen nennen? „Unter anderem geht es darum, ein Exempel zu statuieren, damit andere Mitarbeiter nicht auf die gleiche Idee kommen wie Ihre Schwester.“
„Philippa in einer Zelle? Das überlebt sie nicht.“
„Daran hätte sie denken sollen, bevor sie sich in meinem Unternehmen als Hackerin betätigte“, meinte er trocken.
„Es war ihr erstes Vergehen, Mr Carver, sie hat sich sonst nie etwas zuschulden kommen lassen. Ich verstehe sehr gut, dass Sie ihr kein Empfehlungsschreiben geben, aber …“
Damien lachte laut. War die Frau bei Verstand? „Ein Empfehlungsschreiben? Haben Sie mir eigentlich zugehört? Ihre Schwester geht ins Gefängnis, Miss Drew. Dort können Sie sie jede Woche besuchen, und sie hat Zeit, in sich zu gehen und über die Zukunft Gedanken zu machen. Die Tatsache, dass sie vorbestraft ist, wird ihre Aussichten auf vorzeitige Entlassung zweifellos um einiges verringern, doch das ist ihr Problem, nicht meins.“ Er nahm eine Schachtel Papiertaschentücher aus der Schreibtischschublade und schob sie ihr hin.
Violet griff danach und wischte sich die Augen. „Haben Sie überhaupt kein Herz, Mr Carver?“, murmelte sie erstickt. „Ich verspreche Ihnen hoch und heilig, dass sie nie wieder was Derartiges anstellen wird …“
„Solange sie hinter Gittern sitzt, bestimmt nicht. Aber was wird danach? Wollen Sie eine Kamera in ihrer Wohnung anbringen, um sie Tag und Nacht zu überwachen? Als Langzeitlösung erscheint mir das nicht sehr sinnvoll.“
„Philippa und ich wohnen zusammen, wir haben ein kleines Haus.“ Violet stopfte das zerknüllte Papiertaschentuch in die Manteltasche. Tränen halfen ihr auch nicht weiter. Nicht bei einem Mann, für den Begriffe wie Mitgefühl, Verständnis oder Familiensinn Fremdwörter waren. Bei diesem Menschen würden Tränen die Lage nur verschlimmern.
Sie schnüffelte. „Es käme mir nie in den Sinn, ihr nachzuspionieren“, fuhr sie fort. „Ich würde sie im Auge behalten, damit sie nicht noch mal auf die schiefe Bahn gerät …“ Aber das war leichter gesagt als getan – wie sollte sie verhindern, dass Philippa erneut ein Ding drehte, wenn sie das beabsichtigte? „Unsere Eltern sind vor Jahren tödlich verunglückt, seitdem bin ich als die Ältere sozusagen Mutter und Vater für sie.“
Damien betrachtete sie nachdenklich. Ihre Augen waren gerötet, und die vollen Lippen zitterten leicht – sie sah aus wie die personifizierte Verzweiflung. Plötzlich kam ihm eine Idee …
„Wie alt sind Sie?“, fragte er brüsk.
„Sechsundzwanzig.“
„Also nur vier Jahre älter als Ihre Schwester. Die es Ihnen nicht leicht macht, nehme ich an.“ Die Idee nahm präzise Formen an. Ja, das war die Lösung, nach der er suchte. Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen.
Violet bemerkte es und stutzte. Sie fragte sich, was ihm durch den Sinn ging. Ein weiterer Sermon über die erzieherische Wirkung eines Gefängnisaufenthalts? Nur das nicht! Wenn er noch mal davon anfing, würde sie entweder schreien oder doch noch in Tränen ausbrechen.
„Nein, nicht immer“, erwiderte sie schnell, um ihn am Weitersprechen zu hindern. „Nach dem Verlust unserer Eltern ist das verständlich, er hat ihr arg zugesetzt …“
„Ihnen nicht?“