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VERLOREN & GEFUNDEN besingt die grösste Macht der Welt: Auf einer Reise durch archetypische Räume - Städte, Ruine, Wüste, Garten, Meer - erleben zwei Seelen alle Facetten der Liebe. Sentimental und anklagend, humorvoll und sarkastisch seziert die Autorin dieses stärkste menschliche Streben. Kraftvoll illustriert mit fünfzig Gemälden der Autorin. 'Durch die Texte quillt Schmerz, der durch nichts zu stillen zu sein scheint. Doch am Ende heilt die Liebe jede Verletzung. Ein Buch wie ein einsamer Herbstspaziergang in der Dämmerung.' (Daniel Anderson)
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Seitenzahl: 105
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Ulrike Melzer, geboren 1981, ist Poetin, Künstlerin, Sängerin und Bloggerin. Sie lebt in Weimar und hat als Indieautorin mehrere Gedichtbände publiziert. In ihren Texten thematisiert sie intensiv die ganze Vielfalt menschlicher Emotionen.
Ich bin du. Du bist ich.
Wir sind eins mit dieser Welt,
haben einander vermisst,
verloren, gefunden.
PROLOG
STADT
Die Stadt
Kleine Stadt
Der Dichter
Bonjour/Bonsoir
Im Block
Junkie
Babylon
Der Unterschied
Namasté
Danke
Kreuzberg
Habibi
Karma
RUINE
Spring!
Geschlossene Türen
Die Schuld
Die Einsamkeit
Die Unruhe
Narzissten und Kakteen
Der Hass
Der Mann
Das Gute imMenschen
Der Künstler
Die Faust
Die Fremde
Die Mutti
Die weissen Wände
Der Dschinn
Trump im Wohnzimmer
Der Kampf
WÜSTE
Visionen
Vagabunden
Rebelle
Reisen
Fata Morgana
Roadtrip
Nächte
Film Noir
Temple
So drunk
Kara Sevda
GARTEN
Sehen
Nachtland
Frühlingsnacht
Du
Brüder
Kristallschiff
Juni
Niemandsland
Gebet
Morgendämmerung
Leben
MEER
Unausweichlich
Ufo/Die Sonne
Für Nichts
Brücken
Major Tom
Diabolisch
Das Hindernis
Halbes Licht
Alte Wunden
Worte
Danach
Blau
Am Anfang
New York
Manches bleibt
Am Ende
Lemuria
Zwischenfall
Lichtsprache
EPILOG
Ich:
Warum ausgerechnet die Erde?
Du:
Weil da Leben ist.
Ich:
Wie ist Leben?
Du:
Heiss, kalt, Lachen und Weinen.
Ich:
Das klingt schön!
Du:
Ja.
Ich:
Warum brauchen uns die Menschen?
Du:
Ohne uns sind sie bald nicht mehr da.
Ich:
Was können wir tun?
Du:
Wir retten sie.
Ich:
Wie?
Du:
Indem wir selbst zu Menschen werden.
Ich:
Oh ja, das will ich!
Du:
Ich gehe zuerst.
Ich:
Warum zuerst?
Du:
Wir müssen uns verlieren.
Ich:
Warum? Wir sind doch Eins.
Du:
Um zu begreifen, was es bedeutet, Mensch zu sein.
Ich:
Sie haben sich eine Stadt gebaut.
Eine Wüste aus Steinen.
Sich einander nicht vertraut.
Das Leben ein Kampf,
so sagt man.
Sie haben nicht an uns geglaubt.
Du:
Nicht an uns glauben?
Wie kann das gehen?
Wir sind sie, sie sind wir.
Können sie das nicht verstehen?
Ich:
Die Trennung in du, ich, wir, sie
hat ihre Stadt in eine Ruine verwandelt,
in eine Wüste,
einen Garten
und ein Meer.
Dann wieder alles auf Anfang.
Du:
Wir wollen eine neue Welt bauen,
in der es Trennung nicht gibt!
Wir müssen lernen und lehren zugleich,
wie man liebt.
Ich:
Aber wir werden fallen! Immer wieder.
Und während wir fallen, wird dein und mein Licht zu
tausend Farben ins Unendliche fallen, keinen festen Boden
erwarten, weil wir den nie brauchten.
Du, ich, alle. Wir waren EINS.
Tausend Farben – und doch sind wir einzigartig!
Ein Licht – und doch sind wir vielfältig.
Du:
Nie ohne dich, nie ohne mich.
Ich:
Nur jetzt,
dieses erste Mal,
empfinde ich den Sturz ins Leere ohne dich.
Ein kaltes, leeres Gefühl.
Wir brauchten nie Worte,
weil Worte trennen.
Was ist das für ein kaltes Gefühl?
Trennung,
so hast du es genannt .
Einsamkeit. Angst, Panik.
Du und Ich:
Ich wollt all das erleben.
Doch nun, kurz vor dem Aufprall,
will ich zurück.
Du:
Wir brauchten keine ...
Ich:
NAMEN
Wir waren ...
Du:
LIEBE
Ich will ...
Du und Ich:
KEINE NAMEN
Ich:
Ich erreiche die Erdatmosphäre.
Dann nichts mehr.
Ich erwache im Dreck. Stadt nennt man das.Grauer Beton ummich herum. Ich fühle das, was sie Angst nennen. Wo bist du?
Die Häuser machen mir Angst. Langsam stehe ich auf, klopfe den Staub aus meinen Haaren,aus meinen Klamotten, so nennt man das: Ich sehe eine zerrissene Jeans, ein Hemd, ich bin das, was sie hier weiblich nennen. Wer bin ich?
Ya Habibi, ayn ant, singe ich. Halt’s Maul!, ruft eine Stimme aus dem Fenster über mir. Meine Mutter? Sie wirft Sachen aus dem Fenster: Verschwinde!
Ein Mann kommt aus dem Haus, stellt sich vor mich: Hau ab! Er hat eine Waffe. Was hast du gegen mich?, frage ich. Dann schreie ich, dann schreit er, läuft mir hinterher, ich laufe weg und besitze nicht mehr als eine Tasche mit ein paar alten T-Shirts, Hosen, und die Schuhe, die ich trage.
Ich steige in die U-Bahn ein, steige aus, folge der Musik, weil ich weiss, dass du dich hier versteckst unter der Erde in diesem unglaublichen Lärm. Du stehst da, als hättest du auf mich gewartet. Ich winke dir zu, du winkst verwirrt zurück, lachst. Wir gehen aufeinander zu, „endlich“ rufe ich und umarme dich. Du bleibst in der Umarmung. Die Trennung verschwindet. Ich heule und lache zugleich. „Was hast du denn genommen“, fragst du. Ich lerne: Ihr habt Gefühle, doch ihr versteckt sie. Wir sind in der Stadt und wir sehen uns dort, Nacht für Nacht, wir sehen uns und reden nicht. Du erinnerst dich nicht an mich. Du lebst am Tag, ich in der Nacht. Du hast Angst vor meiner Grenzenlosigkeit. Dann kommst du zu mir, mit deinen Freunden, um zu reden, zu schweigen oder mich zu verleugnen.
Wir alle leben in der Stadt
eine einzelne Zelle für unsere Träume
draussen der Regen
nichts, was uns hält
überall Geschichte
Geschichten und zu viel Zeit
wir verschwenden sie
das einzige, was wir damit tun in Städten ist,
sie endlos zu dehnen
Zigaretten rauchen, trinken, Drogen, tanzen
abchecken und sich abgrenzen
reden und schweigen
Gewalt und Gefahr
Musik Musik Musik
du hast nie gesagt, komm wieder,
weil Zeit hier endlos ist
wir sehen uns an einem U-Bahnhof
in einem Club irgendwann, wenn es sein soll
bis dahin rauchen, schweigen, Musik
nachdenken, es zerdenken,
bis die Paranoia uns wieder beherrscht
wir kennen sie
keinen zu nah ran lassen
die Menschen neben uns brauchen wir nur
zur Sicherheit
Nähe macht Angst
wir lassen sie da, wo sie uns inspiriert
zu Musik Musik Musik
eine einzelne Zelle für unsere Träume
mehr brauchen wir nicht
Die Stadt am Morgen
begrüsst mich mit Forderungen
stell keine Fragen, füge dich ein, rechtfertige dich
dein Gesicht
ein falsches
suche nach Zufluchtsorten und Verstecken
das ist Erwachsenwerden
in einer privilegierten Mittelklassestadt
das Akzeptieren von Demütigungen
gehört zum Aufnahmeritual
ich tue euch keinen Gefallen
sitze auf Dächern über der Stadt
und sehe klar
Gebete durchziehen die Luft mit
Nebelschwaden an einem Sonntagmorgen
du in der Wüste
deine Stimme im Alltag
Schatten
Berge im Nebel
drohende Fremde
Halbwissen als Code in der Stadt
Sehnsucht nach einer Tür mit Schloss und Riegel
ein Punkt hinter jedem Satz
Pause im Gespräch
komm
wir kaufen uns Meinungen
sag mir, was du brauchst
in der Stadt
kaufst du die Zeit
auf dem Weg in deine Tretmühle
und siehst mir kopfschüttelnd nach
Der Dichter ist Seher
Gedichte tun weh, machen wach
setzen in Brand, gehen los
Der Dichter ist Hofnarr
bietet leichte Unterhaltung
und akrobatische Wortkombination
dem amüsierten Publikum
das sich freut über Zirkuskunststücke
und Castingshows
Lyrik, genossen wie Schokolade und Wein
die Macht der Poesie
Ophelia, ertrunken im Zweifel
doch des Zweifels überdrüssig
Wort-Seifenblasen
kunstvoll aneinandergereiht
wie die Perlen am Hals der Dame vom
Kulturverein
vorgelesen, langsam und auf Applaus hoffend
ein Schluck stilles Wasser, ohne Tiefgang
der Dichter ist Prophet am Laptop
Angst vor der Deadline
marktorientiert
bereit das Unsagbare auszusprechen
verhaltenes Klatschen am Ende des Tages
get the Party started
Bonjour Tristessa
wir sind untergegangen
irgendwo
zwischen Herbst und Kälte
Pennern und geschlossenen Cafés
was hat sich verändert
die Klarheit der Nacht
die Einheit der Dinge und Menschen und
Gedanken
das Wissen schenkte uns Macht
auch noch zwei Wochen danach
dann kam die Kälte
morgens, wenn wir aufwachen
und da ist absolut nichts
auf das wir uns freuen können
der Abwasch in der Küche
die Tristesse des Alltags
Bonjour Desillusion
und die Angst ist auch wieder da
Bonjour
Angst, sich der Lächerlichkeit preiszugeben
Shame, wertlos
Millionen grauer geduckter Herren
wir reihen uns ein
Bonjour
am Wochenende schiessen wir uns ab
Selbstekel amMontag
ist das echt schon so lange her
das Vermissen ist ein dumpfer Schmerz
der an die eigene Sterblichkeit erinnert
also lieber den Spatz in der Hand
als die Taube auf dem Dach oder so
ach, scheiss drauf
Bonsoir
Nichts bleibt bestehen
in diesen kleinen Wohnungen
die Treppen heraufsteigen
die Luft wird dünner
nichts, absolut nichts
eine Melodie
diese Musik kann man nur auf Drogen
ertragen
minimal
Sehnsucht nach Berlin
Mann, ist das einsam hier
gehen wir noch in die Stadt
und Stadt ist für uns ein Platz
ein Kasten Becks
und später noch feiern, egal wo
ist alles Scheisse, nur halbherzige Versuche
aber das ist schon ok
wir fühlen uns wohl im Mittelmass
sonst könnte man sich über nichts mehr
aufregen
doch das geht immer, sagt Malte
und er hat Recht
einen Grund zum Meckernfinden wir auch
noch im Paradies
wie beruhigend
take money, go shopping
über was reden die Weiber immer passiert
doch nichts
wundert sich Tom
sinnlos, sagt Malte
es wird dunkel
wir gehen weiter
in die Nebenstrassen
zum Dönerladen neben der
Hinterhofmoschee
Geschäfte machen make Money
die Jungs sind müde
zwei Strassen weiter wohnt Jenny
geht schon mal vor, sage ich
ich klingele bei ihr und gehe wieder
klingele noch mal
sie steht am Fenster
der Kampfhund bellt
ihr neuer Freund ist Nazi
ich geh lieber nach Hause
Fernsehen Internet
keinen Bock Mails zu beantworten
keinen Bock
Starren aus dem Fenster
das Leben ist gleich
gültig
und fliesst vorbei
ich zähl die Stunden
die Ruhe ist laut
Angst vor dem Morgen
Zigaretten
Zigaretten
Schlaf
Ich kann nicht mehr glauben. Ich fühle mich verlassen, doch ich habe dich durch ein Fenster gesehen, du warst nicht allein. Ich bin gegangen, doch wir haben nicht geredet. Du hast es vermieden mich zu erkennen und so laufe ich unsichtbar durch die Strassen. Auf Entzug, denkt jeder, der mich sieht. Sie wissen nicht, dass meine Droge die Hoffnung ist, die ich jeden Abend von dir bekam. Der Tresen hat dich beschützt vor den Leuten, die Härteres wollten als Hoffnung. Es gibt nichts Härteres. Hoffnung ist weisses Pulver, ist Adrenalin.
Es ist 1979. Alles ist grau. Wo ist die Rebellion, warum machen die Drogen keinen Spass mehr?
Jetzt sitzen wir in grauen Wartezimmern und der Glamour ist Methadon gewichen. Kein Sex, nur fremde Träume in der Wichskabine, Löcher in der Bahnhofstoilette, der Absturz ins glitschig-kalte Reagenzglas. Das neue Leben, desillusioniertes Kind. Ich wollte wissen, wer mein Vater ist.
Du bleibst kalt. Willst du noch was trinken?
Du wachst auf, es regnet. Du verkaufst mir himmelblaue Hoffnung.
Ach, die Jugend, wie süss, ahnungslos, wie ich mal war.
Bin ich das noch immer? Und du trinkst Hoffnung.
Mir wird schlecht. Ich sitze in grauen Wartezimmern. Überdosis Zucker, sagen sie mir, und du giesst Hoffnung in mein Glas. Alkohol ist Zucker. Kein Serotonin im Gehirn, nur im Darm, sitze auf Toiletten, während draussen das Leben passiert.
Wir lesen Zeitung und schreiben über versäumtes Leben. Und nun, da du mich verlässt, beginnt mein Herz zu schlagen. Adrenalin fliesst, ich lebe, winke fremden Menschen zu, froh noch am Leben zu sein. Ich glaube.
Wo bist du?
Zurückgeblieben
Hinterbliebene der Konsumkritik
getröstet
geblieben
zurückgelassen im Kapitalismus
geliebte Hure
bleib bei mir
geh nicht
und der Tsunami
noch ein Erdbeben
ich bin so müde vom Spenden
Starren und Sehen
Blicke senken
Lösche das Feuer
I got you
Staub und Menschen
Ich rieche nach Andis Zigaretten
und lasse mich nieder in diesem Zug
Gerade noch entkommen
Du schliesst das Fenster auf der Suche nach
mir
Immer noch
Ich senke den Blick
Und habe inoffizielles Hausverbot in der
Stadt der bösen Blicke
Die Frauen hassen mich
Ich laufe schneller
Zu dem Haus in der Strasse, wo du wohnst
Ich verleugne deinen Namen
wenn wir am Feuer stehen
Sorry
Andi, Jenny und Wodka
Sicher in geschützten Räumen
In deiner Stadt
Seitdem ich dich liebe, gehört sie dir
Die Stadt der bösen Blicke
Und wenn ich auf Bahnhöfen warte
Bin ich nur zwei Strassen von dir entfernt
Und erhalte weiter Briefe von dem
Der du nicht bist
Du bist mir näher
Wenn nichts zwischen uns ist
Als die Kälte der Stadt
Die Endlichkeit der Nacht
Die Dummheit der Leute
Die uns zu Verbündeten macht
Du bleibst
Ich gehe
Das ist es, was uns trennt
Meine Freunde
Deine Fans
Der Unterschied
Staub und Menschen
Nähe und Enge
Fliehen und Entfremden
Offene Augen und für immer blind
Gefangen und gerade ausgebrochen
Den Zug noch erwischt