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In dieser Romanze um den Prinzen Romano, der mit seinem Widersacher Herrn Publikum um die Hand der schönen Gräfin Aurora buhlt, erstehen auch Gestalten wie Graf Leontin und der Dichter Faber aus der Novelle Ahnung und Gegenwart auf zu neuem Leben und spielen ihre Rollen. Zum Schluss kommt alles ganz anders als gedacht ... ...
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Wenn wir Schatten euch beleidigt
O so glaubt – und wohl verteidigt
Sind wir dann! –, ihr alle schier
Habet nur geschlummert hier
Und geschaut in Nachtgesichten
Eures eignen Hirnes Dichten
(Shakespeares »Sommernachtstraum«)
»Wem gehört der prächtige Palast dort unten?«, fragte Prinz Romano, auf dem schlanken Engländer nach seinen Begleitern zurückgewandt, indem sie soeben auf einer Höhe aus dem Walde hervorkamen und auf einmal eine weite, reiche Tiefe vor sich erblickten.
»Dem Herrn Publikum!«, erwiderte ein schöner Jüngling aus dem Gefolge.
»Wie! Also hier wohnt der wunderliche Kauz? Kennst du ihn denn?«, rief der Prinz verwundert aus.
»Nur dem Rufe nach«, entgegnete der Jüngling, sichtbar verwirrt und mit flüchtigem Erröten.
Die untergehende Sonne beglänzte unterdes scharf die schönsten Umrisse des Palastes; heiter und wohnlich erhob er sich über die weiten, fruchtbaren Ebenen, mit den Spiegelfenstern noch hell herüberleuchtend, während die Felder ringsum schon zu verdunkeln anfingen. Ein schöner Garten umgab das Schloss und schien im Abendduft mit der Landschaft und dem schimmernden Strome bis weit an die fernen blauen Berge hin zusammenzufließen.
»Göttliche Ironie des Reiselebens!«, sagte der Prinz zu seinen Begleitern. »Wer von euch hätte nicht schon sattsam von diesem Publikum gehört, über ihn gelacht und sich geärgert? Es juckt mich lange in allen Talenten, ihm einmal ein Schnippchen zu schlagen, und wenn es euch recht ist, so sprechen wir heute über Nacht bei ihm ein. Lasst mich nur machen, es gibt die köstlichste Novelle!«
Der Einfall wurde von der ganzen Gesellschaft mit lautem Beifall aufgenommen, und alle lenkten sogleich der breiten, glänzenden Kunststraße zu, die nach dem Palast zu führen schien.
Es war anmutig anzusehen, wie die bunten Reiter beim Gesang der Waldvögel langsam die grüne Anhöhe hinabzogen, bald zwischen den Bäumen verschwindend, bald wieder vom Abendrote hell beleuchtet.
Am wohlgefälligsten aber spielten die Abendlichter über der zierlichen Gestalt jenes schönen Jünglings, der vorhin dem Prinzen den Besitzer des Palastes genannt hatte. Der muntere Bursch, soeben als ausgelernter Jäger aus der Fremde zurückkehrend, hatte sich im Gebirge verirrt. So traf ihn die Gesellschaft im Walde, welcher er sich nun auf einige Tagereisen angeschlossen.
Sein frisches, fröhliches Wesen schien den ganzen bunten Trupp wunderbar zu beleben. Denn während seine Augen mit schalkischem Wohlgefallen auf den vornehmen Anführern des Zuges ruhten, führte er hinten ein unausgesetztes Witzgefecht mit den Jägern, oder er sang zu allgemeinem Ergötzen die herrlichsten Jagdlieder.
Der Kammerherr des Prinzen schrieb die Lieder sorgfältig auf und ärgerte sich dann, wenn der Bursch sie das nächste Mal wieder ganz anders sang, sodass er mit Notieren der Varianten gar nicht zu Ende kommen konnte.
Der Prinz aber hatte seine eigenen Pläne dabei: Er gedachte sich des hübschen, gewandten Jungen in den nächsten Tagen als Pagen und Liebesboten sehr vorteilhaft zu bedienen. Die junge Gräfin Aurora nämlich, von deren poetischen Natur und Zauberschönheit bei allen Poeten im Lande groß Geschrei war, wurde aus Italien auf ihren Gütern in dieser Gegend hier erwartet, und Romano war soeben aufgebrochen, die Wunderbare kennenzulernen und ihr auf seine Weise den Hof zu machen.
Es war schon dunkel geworden, als die Gesellschaft fröhlich schwätzend in dem Park des Herrn Publikum anlangte. Mit Verwunderung gewahrten sie hier, je tiefer sie hineinritten, eine unerklärliche Bewegung und Unruhe; es war, als rührten die Gebüsche sich ringsumher in der Dämmerung, einzelne Figuren schlüpften hastig da und dort hervor, andere schienen erschrocken dem Schlosse zuzueilen.
Jetzt sahen sie auch in dem Palaste Lichter durch die ganze Reihe der Fenster auf und nieder irren, eine halb erleuchtete Krone drehte sich oben, bald noch eine und wieder eine.
Auf einmal stiegen draußen mehrere Leuchtkugeln empor und ließen plötzlich in wunderbarem, bleichen Licht eine stille Gemeinde fremder Gesichter bemerken, die fast gespensterhaft aus allen Büschen hervorblickten.
»Meine Nähe und unser Entschluss, hier einzusprechen, muss auf dem Schlosse verraten sein«, sagte der Prinz mit vornehmer Nachlässigkeit; »es ist ein unbequemes Wesen um den Dichterruhm!«
In diesem Augenblick wölbte sich ein Mondschein-Regenbogen lustig vor ihnen über die Wipfel, auf dessen Höhe eine goldene Lyra, von einem Lorbeerkranz umwunden, sichtbar wurde.
»Zart-sinnig!«, rief der überraschte und geschmeichelte Prinz aus, musste aber schnell abbrechen, um seinen Engländer zu bändigen, der immer ungebärdiger um sich blickte und schnaubte, als sie unter dem glänzenden Triumphtor einzogen.
Unterdes gab der unversehene Knall eines Böllers das Signal zum Abbrennen eines ausgedehnten Feuerwerks, das plötzlich den ganzen Platz in einen feurigen Zaubergarten verwandelte.
Jetzt war das Pferd nicht länger zu halten; pfeilschnell zwischen dem Sprühen und Prasseln, über Blumen und Hecken gerade fort, flog es an den Feuerrädern und Tempeln vorüber, die Begleiter konnten nicht so rasch nach, die Zuschauer aus den Büschen schrieen: »Hurra!«
Mit Schrecken sah der Prinz im Fluge immer näher und näher den Palast vor sich, Fackeln am Eingange und die Herren des Hauses mit zahlreicher Gesellschaft zum Empfange feierlich die Treppe herabsteigen.
Mitten in dieser Verwirrung begann endlich das geängstigte Ross auf dem freien Rasenteppich zu bocken, und so unter den wunderlichsten Sprüngen langte der Prinz wie auf einem toll gewordenen Schaukelpferde vor dem Palast an.
»Mein Gott!«, rief ihm der Herr Publikum entgegen. »Lassen Sie sich herab!«
»Bitte sehr, nichts von Herablassung«, erwiderte der Prinz, schon ganz schief vom Sattel hängend, während er den Hut vom Kopf verlor. – Hier wurde ein zweiter Böller gelöst, das Pferd feuerte noch einmal wütend aus, und Romano lag auf dem Sande.
Während sich dies vor dem Palast begab, sah man zwischen den Schlaglichtern des verlöschenden Feuerwerks eine junge Dame zu Pferde die Allee heransprengen.
Die wunderbare Beleuchtung gab der hohen schlanken Gestalt etwas Wildschönes, und ein freudiges: »Ach!« begrüßte von allen Seiten die Erscheinung.
Ein reich geschmückter Jockei derDame hatte unterdes Romanos lediges Pferd ergriffen. Sie selbst aber schwang sich schnell vom Sattel und trat mit besorgten, fragenden Blicken zu dem gefallenen Prinzen.
Dieser, als er die herabgebeugte Gestalt und die schönen großen Augen zwischen den herabwallenden Locken so plötzlich über sich erblickte, erhob sich gewandt auf ein Knie vor ihr und sagte, zierlich ihre Hand küssend:
»Nun weiß ich, an welchen Sternen sich diese verzauberten Gebüsche entzündet haben!«
Die Dame lächelte schweigend und schien unruhig und vergeblich mit den Augen jemand in dem Kreise der Umstehenden zu suchen.
Prinz Romano aber sprang ohne alle Verlegenheit auf, schüttelte sich ab, reichte der Schönen seinen Arm und führte sie die breite Treppe hinan, während der etwas korpulente Herr Publikum, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, Mühe hatte, ihnen so rasch zu folgen.
Oben aber entstand nunmehr die größte Konfusion. Durch eine glänzende Reihe hell erleuchteter Gemächer bewegte sich eine zahlreiche Versammlung in festlicher Erwartung, alle Augen waren auf das eintretende Paar gerichtet, der Prinz grüßte vornehm nach allen Seiten.
Da kam plötzlich Herr Publikum atemlos nach.
»Romano?«, hörte ihn der Prinz hinter sich eifrig zu den Nachfolgenden sagen. »Prinz Romano? Verfasser von –? Ich wüsste nicht – habe nicht die Ehre.«
Die Dame sah verwundert bald den Sprechenden, bald den Prinzen an:
»Wer von Ihnen beiden ist denn aber nun eigentlich der Herr Publikum?«
»Sind Sie denn nicht seine Tochter?«, fragte der Prinz, nicht wenig erstaunt.
Hier wurden sie durch Herrn Publikum unterbrochen, der in eiliger Geschäftigkeit, mit dem seidnen Schnupftuche sich den Schweiß trocknend, der Dame seinen Arm reichte.
»Konfusion, lauter Konfusion!«, sagte er voller Verwirrung. »Mondschein, Regenbogen, Böller, Missverständnis, ein unerwarteter Gast – alles zu früh abgefeuert; sobald Sie kamen, Gnädigste, sollten sie abgebrannt werden.« Hiermit war er mit der Gefeierten in der Menge verschwunden, alles drängte neugierig nach.
»Wer ist die Dame?«, fragte der Prinz einen der Nachzügler.
»Die schöne Gräfin Aurora«, war die Antwort.
Es war noch alles still im Schloss nach dem Feste, das bis tief in die Nacht hinein gedauert hatte. Nur Prinz Romano, die Heimlichkeit der Morgenzeit benutzend, stand schon eifrig vor dem hohen Wandspiegel zwischen Kämmen, Flaschen und Büchschen, die auf allen Stühlen umherlagen.
Dem Rausch einer wüst durchlebten Jugend war frühzeitig ein fataler Katzenjammer gefolgt, und sein Haupt insbesondere hatte in den mannigfachen Raufereien mit den Leidenschaften bedeutend Haare lassen müssen.
lle diese Defekte geschickt zu decken war heut sein erstes Tagewerk, da er leider aus Erfahrung wusste, dass vor den Augen der Damen in Auroras Alter der Lorbeerkranz die Glatze eines Dichters nicht zu verbergen vermag.
Draußen aber ging der herrlichste Sommermorgen funkelnd an allen Fenstern des Palastes vorüber, alle Vögel sangen in der schönen Einsamkeit, während von fern aus den Tälern die Morgenglocken über den Garten heraufklangen.
Da vernahm der Prinz zwischen den blitzenden Gebüschen unten abgebrochen einzelne volle Gitarrenakkorde. Das konnte er niemals ohne innerliche Resonanz ertragen, die frühesten Jugenderinnerungen klangen sogleich mit an: ferne blaue Berge, Reisebilder, italienische Sommernächte, erlebte und gelesene.
Auch heute vermochte er dem Zuge poetischer Kameradschaft nicht zu widerstehen, er warf Kämme und Büchsen fort und eilte die breiten stillen Marmortreppen hinab, in den Park hinaus.
Ein frischer Morgenwind ging durch die Wipfel, aber in dem Rauschen war ringsumher kein Lautenklang mehr zu vernehmen. Der Prinz horchte, schritt dann tiefer in das taufrische Labyrinth hinein und lauschte wieder. Da glaubte er in einiger Entfernung sprechen zu hören, als eine plötzliche Wendung des Ganges ihm einen unerwarteten Anblick eröffnete.
Ein junger Mann nämlich, in leichter Reisekleidung und eine Gitarre im Arm, hatte sich soeben über den Zaun in den Garten geschwungen; ein Jäger saß noch auf dem Zaune, beide waren bemüht, einem kurzen wohlbeleibten Manne gleichfalls herüberzuhelfen.
»Sind eurer nicht noch mehr dahinter?«, fragte der Jäger mit pfiffiger Miene.
»Dummes Zeug!«, erwiderte der Dicke, mühsam kletternd und halb zu dem andern gewendet. »Ihr habt immer solche absonderliche Streiche im Kopf und meint, es sei poetisch, weil's kurios ist. Da brauch' ich keinen solchen nichtswürdigen Zaun dazu, ich trage die rechte Himmelsleiter allezeit bei mir, die leg' ich an gerade in die Luft, wo mir's beliebt, und auf der klettre ich fixer hinan als ihr alle zusammen!«
Hier wandte sich der Fremde mit der Gitarre rasch herum, Prinz Romano blieb in höchster Überraschung wie eingewurzelt stehen.
»Mein Gott!«, rief er, »Graf Leontin – aus Ahnung und Gegenwart!«
»Ist gleich an der Gitarre zu erkennen«, fiel ihm der Dicke ins Wort; »er kann nicht wohl gespeist zu haben sagen, ohne einen Griff in die Saiten dazu.«
»Der Dichter Faber«, sagte Leontin, den Dicken präsentierend, »noch immer der alte; er kann, wie ein Bär, nicht ohne Brummen tanzen.«
»Aber, liebe Herzensjungen«, entgegnete der Prinz, »ich versteh' noch immer nicht – wie kommt ihr hierher, was wollt ihr?«
»Der schönen Aurora im Vorüberziehen ein Ständchen bringen«, erwiderte Leontin.
»Ständchen?«, rief Prinz Romano begeistert aus. »Morgenständchen im Garten? O da muss ich mit! Wo ist ihr Schlafgemach?«
»Der Jäger da will uns weisen«, sagte Leontin, »von ihm erfuhren wir's, dass die Gräfin hier ist.«