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Tessa Lamberti ist alleinerziehende Mutter eines neunjährigen Jungen und hat ein Problem. Ihr Sohn Lukas liegt ihr seit Wochen in den Ohren, weil er sich einen Hund wünscht. Aber nicht nur das - er fragt auch immer öfter, warum er keinen Vater hat. Dieser ist vor seiner Geburt nach Amerika gegangen, und Tessa will keinen Kontakt mehr zu ihm. Lukas beschließt, sich selbst auf die Suche zu begeben - nach einem Hund und einem neuen Mann für seine Mutter. Kurz vor Weihnachten findet er den passenden Hund. Dieser gehört seinem neuen Fußballtrainer, und der wiederum könnte, wenn es nach Lukas ginge, durchaus sein neuer Papa werden. Doch Tessa will davon überhaupt nichts wissen. Ruprecht, der quirlige Jack Russell Terrier, sorgt indes bald nicht nur für ordentlich Tumult im Hause Lamberti – er bringt auch ein lang gehütetes Geheimnis ans Licht. Und das wirbelt Tessas Gefühlswelt ziemlich durcheinander.
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Seitenzahl: 175
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Buchtitel
Impressum
Prolog
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
Nachspiel
Über Petra Schier
Petra Schier
Vier Pfoten unterm Weihnachtsbaum
Impressum
Vier Pfoten unterm Weihnachtsbaum
eBook Edition, 3. Auflage August 2022
Copyright © 2013 by Mila Roth
Lerchenweg 6, 53506 Heckenbach
www.petra-schier.de
Covergestaltung unter Verwendung von Adobe Stock:
© Eric Isselée
ISBN 978-3-96711-038-8
Alle Rechte vorbehalten.
Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin möglich.
Die Personen und Handlungen im vorliegenden Werk sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Erwähnungen von historischen bzw. realen Ereignissen, realen Personen oder Orten sind rein fiktional.
Prolog
Lieber Weihnachtsmann,
ich weiß, es ist erst November, aber ich dachte, wenn ich jetzt schon einen Wunschzettel an Dich schreibe, bist Du vielleicht noch nicht so beschäftigt und hast mehr Zeit. Und die brauchst Du bestimmt auch, weil es echt schwierig ist, meine Mama zu überreden, wenn man etwas will.
Ich möchte so gerne einen Hund haben, aber Mama sagt, das geht nicht, weil wir nur so eine kleine Wohnung haben. Und weil sie dann immer mit ihm rausgehen muss und sauber machen und so. Aber ich wünsche mir so sehr einen Hund! Bitte kannst Du sie nicht überreden, damit sie ja sagt? Ich habe mir auch das ganze Jahr schon ganz viel Mühe gegeben, brav zu sein. Echt! Ich hab immer mein Zimmer aufgeräumt (na ja, nicht immer, aber fast) und den Tisch gedeckt und die Spülmaschine ausgeräumt. Und beim Fußball bin ich auch richtig gut geworden. Tom sagt, ich bin der beste Stürmer in unserer Mannschaft. Ich mag Tom. Er ist ein richtig toller Trainer. Er hat sogar mal als Profi gespielt. Aber jetzt ist er Lehrer, was ich ein bisschen ätzend finde. Na ja, wenigstens Sportlehrer. Er ist total nett, und deshalb wollte ich Dich auch noch fragen, ob Du, wenn Du schon dabei bist, auch machen kannst, dass meine Mama und er sich mal kennenlernen. So richtig, meine ich. Mama hat ihn noch nie getroffen, weil ich immer mit Mario und seinem Papa zum Training fahre. Ich hab ja keinen Papa. Also, ich hab schon einen, aber der ist irgendwo in Amerika, jedenfalls sagt Mama das. Mir ist das egal, weil wenn er mich nicht mag, kann er ja bleiben, wo der Pfeffer wächst. So was sagt Marios Papa immer. Aber meine Mama ist, glaube ich, nicht gerne allein. Also ohne Mann, meine ich. Und weil ich auch gerne so einen Papa hätte wie Mario, hab ich mir überlegt, dass Mama und Tom gut zusammenpassen würden. Damit Du es gleich weißt, ich hab sie schon gefragt, ob sie mal mit ihm ausgehen würde. Zuerst hat sie gelacht, aber dann hat sie gemeint, sie möchte sich mit keinem Mann treffen. Ich glaube, sie ist noch immer sauer, weil mein Papa sie damals einfach sitzen gelassen hat, obwohl ich schon unterwegs war. Und jetzt mag sie gar keine Männer mehr. Das finde ich doof, weil sie doch Tom gar nicht kennt. Kannst Du mir da also auch noch helfen? Das fände ich echt cool. Ich stelle Dir auch wieder einen ganz großen Teller Plätzchen auf die Fensterbank, wenn Du Heiligabend bei uns vorbeikommst. Und wenn ich den Hund kriege, brauchst du mir auch gar keine anderen Geschenke mitzubringen. Außer vielleicht das neue Bundesliga-Jahrbuch und die neuen Fußballschuhe, die ich im Katalog gesehen habe.
Jetzt muss ich aber schnell noch meine Mathe-Hausaufgaben machen, bevor Mama aus dem Geschäft rauf kommt.
Ich hoffe, die E-Mail ist jetzt nicht zu lang.
Bis dann, dein Lukas
P. S. Es muss auch kein großer Hund sein.
1. Kapitel
»Ach, Mutti, was machst du bloß für Sachen!« Kopfschüttelnd schloss Tom Winkmann die Wohnungstür auf und trat beiseite, um seiner Mutter den Vortritt zu lassen. Dann folgte er ihr und sah sich in dem hellen Appartement neugierig um.
»Ist es nicht schön hier?«, fragte Lina Winkmann, ohne auf seine Worte zu reagieren. »Die alten Möbel aus meiner Wohnung gebe ich fast alle an den Secondhand-Laden ab. Und mit dem Rest haben wir dann nicht mehr viel Arbeit. Was meinst du? Ich könnte schon am kommenden Montag umziehen.«
Tom seufzte. »Mutti, du hast gerade einen Herzanfall hinter dir. Willst du dich nicht noch ein bisschen schonen?«
»Ach was, schonen.« Lachend winkte seine Mutter ab. »Ein ganz leichter Anfall war das. So was kommt vor, wenn man auf die Siebzig zugeht. Und hier im Seniorenhaus Lichtblick wird es mir ja an nichts fehlen. Deshalb habe ich mich doch für das betreute Wohnen entschieden, mein Junge. Wie ist es also, hast du nächste Woche ein bisschen Zeit, mir beim Umzug zu helfen?«
»Du gibst ja sonst doch keine Ruhe.« Um Toms Mundwinkel zuckte es. »Also gut, am Montagnachmittag habe ich keinen Unterricht. Das lässt sich also einrichten. Ich frage Leon, ob er auch mithelfen kann.«
»Das habe ich schon erledigt«, sagte Lina mit einem Zwinkern. »Er hat nichts dagegen. Ich hätte ihm und Hannah auch gerne Ruprecht anvertraut, aber sie haben ja schon einen Hund und jetzt, wo Hannah hochschwanger ist, will ich sie nicht zusätzlich damit belasten. Es war schon ausgesprochen lieb von ihnen, Ruprecht zu nehmen, solange ich im Krankenhaus bleiben musste. Aber jetzt ...« Sie wurde wieder ernst. »Ich möchte mein Schätzchen nicht ins Tierheim geben, Tom. Er hat mir fast vier Jahre Gesellschaft geleistet. Du weißt, dass ich ihn als winzigen Welpen bekommen habe. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er im Tierheim leiden müsste.«
»Mutti, im Tierheim muss ein Hund nicht leiden.«
»Du weißt schon, was ich meine.« Lina sah ihren Sohn streng an. »Ich würde ihn liebend gerne behalten, aber hier im Haus sind Hunde nicht erlaubt. Nur Hamster oder Wellensittiche.«
Wieder seufzte Tom. Dem unglücklichen Ausdruck, der in die Augen seiner Mutter getreten war, hatte er nichts entgegenzusetzen. Außerdem mochte er den kleinen Jack Russell-Terrier Ruprecht ebenfalls gern. »Ich nehme ihn«, beschloss er und trat an eines der großen Fenster, die zum Stadtpark hinaus zeigten. Die Blätter der Kastanien- und Ahornbäume hatten sich gelb und braun verfärbt, und die Bäume warfen ihr Herbstkleid allmählich ab. Die nachmittägliche Herbstsonne ließ das Laub auf den Gehwegen golden aufleuchten.
»Macht es dir auch wirklich nichts aus, Tom?« Lina trat hinter ihn und legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Wir können ihn ja schließlich nicht einfach abschieben, nicht wahr?« Er lächelte schwach.
Lina blickte nun ebenfalls über den Park hinweg, auf dessen Wegen vereinzelte Spaziergänger zu sehen waren. »Ruprecht ist ein pflegeleichter Hund, das verspreche ich dir. Und er wird dir ein bisschen Gesellschaft leisten. Du bist viel zu oft allein.«
»Mutti.« Tom schüttelte den Kopf. »Ich bin vormittags in der Schule und an zwei Tagen in der Woche auch nachmittags. Da muss ich mir noch etwas einfallen lassen. Vielleicht kann Leon ab und zu nach dem Hund schauen. Ist ja nicht weit von ihm zu mir. Und zweimal wöchentlich trainiere ich die Fußballmannschaft. Von Alleinsein kann da wohl keine Rede sein.«
»Ach, Tom.« Lina gab ihrem Sohn einen flüchtigen Kuss auf die Wange und zupfte ihn spielerisch an seinen blonden Locken, die er im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden trug. »Dir fehlt eine Frau.«
Tom schmunzelte. »Keine Verkupplungsversuche bitte.«
»Mit wem sollte ich dich wohl auch verkuppeln wollen?« Lina tat entrüstet, lachte dann aber. »Du wirst schon noch die Richtige finden. Lass dir mit der Suche aber nicht zu lange Zeit. Sonst sind die besten Frauen irgendwann alle vergeben.«
»Lass das mal meine Sorge sein, Mutti. Wie ist es, soll ich dich jetzt zurück zu deiner Wohnung fahren?«
»Ja, bitte tu das. Aber lass uns vorher noch die Wand im Bad ausmessen, damit ich weiß, ob mein Wäscheschrank dort hineinpasst.«
***
»Komm schon, Lukas, beeil dich! Herr Marbach wird gleich hier sein.« Tessa Lamberti schüttelte das Fußballtrikot ihres neunjährigen Sohnes aus, faltete es und packte es in den Rucksack zu seinen Fußballschuhen. »Was treibst du denn so lange?«
»Ich komm ja schon. Hab nur schnell noch Mathe fertiggemacht.«
»Bist du mit den Hausaufgaben jetzt auch ganz fertig?«
»Ja, Mama.« Leicht genervt verdrehte Lukas die Augen. »Wir hatten heute nur Mathe auf.« Als es draußen vor dem Haus hupte, schnappte er sich seinen Rucksack. »Warum kommst du nicht mal mit zum Training? Das ist total lustig, und du könntest mal mit Tom reden und so. Er ist wirklich cool, Mama.«
»Lukas, du weißt, dass ich heute keine Zeit habe.« Tessa wuschelte ihrem Sohn durch den lockigen Blondschopf, der so wenig Ähnlichkeit mit ihrem eigenen kastanienbraunen Haar hatte, das nur in leichten Wellen auf ihre Schultern fiel. Dann knuffte sie ihn liebevoll gegen den Arm. »Ich muss noch die Abrechnungen für diesen Monat machen und die Lohnabrechnung für Pierre. Er soll doch schließlich pünktlich sein Geld bekommen, oder etwa nicht?«
»Doch, schon.« Lukas zog einen Flunsch. »Aber wenn du nie mit zum Training kommst, schnappt sich irgendwann eine der anderen Mütter Tom. Da sind welche, die sind geschieden und die sind in den Pausen ständig um ihn rum. Die haben Torschlusspanik, sagt Marios Papa. Aber wenn sie so weitermachen, hat eine von ihnen vielleicht Glück, und er geht mit ihr aus. Tom meine ich. Und dann guckst du in die Röhre.«
»Jetzt aber raus mit dir!« Tessa lachte und hielt dem Jungen die Tür auf. Amüsiert blickte sie ihm nach, wie er die Treppe hinabhüpfte und die Haustür aufriss. Augenblicke später hörte sie das Auto von Leon Marbach davonfahren. Sie war froh, dass Lukas so rasch Anschluss gefunden hatte. Erst vor knapp einem halben Jahr war sie in die hübsche Kleinstadt gezogen und hatte kurz darauf ihren Blumenladen eröffnet. Sie hatte ein Ladenlokal gekauft, das nicht nur in einem wunderhübsch restaurierten alten Fachwerkgebäude lag, zu ihrem Glück gab es im oberen Stockwerk auch noch die kleine Zweizimmerwohnung, die sie mit ihrem Sohn beziehen konnte. Auf diese Weise war sie tagsüber immer in der Nähe und konnte ein Auge auf Lukas haben. Und wenn er Sorgen oder ein Problem hatte, war sie immer nur ein paar Treppenstufen von ihm entfernt.
In Mario Marbach hatte er einen Klassenkameraden und Freund gefunden, der ebenso fußballverrückt war wie er selbst. Dass Lukas außerdem so gut mit dem neuen Trainer zurechtkam, war ein weiterer Pluspunkt. Tessa hatte zwar keine Absicht, um diesen Tom herumzuschwänzeln, wie es offenbar einige der anderen ledigen Mütter taten, aber da er nun schon seit Beginn des neuen Schuljahres die Mannschaft ihres Sohnes trainierte, war es wohl an der Zeit, doch einmal zu einem Training mitzugehen. Immerhin war sie ein bisschen neugierig geworden, denn Tom schien großen Eindruck auf Lukas zu machen. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass ihrem Sohn eine Vaterfigur fehlte, an der er sich orientieren konnte. Tessa erzog Lukas seit seiner Geburt allein, sein Vater war fortgegangen, ohne von ihm zu wissen.
Übelnehmen konnte sie ihm das nicht, immerhin hätte sie ihm schreiben und von ihrer Schwangerschaft berichten können. Aber sie hatte es unterlassen, weil sie seinen hochfliegenden Ambitionen nicht hatte im Weg stehen wollen. Er war nach Übersee gegangen, wo man ihm einen mehrjährigen Vertrag als Fußballprofi angeboten hatte. Und das war vermutlich das Einzige, was ihn je mit seinem Sohn verbinden würde: die Liebe zum Fußball. Dabei sollte es, wenn es nach ihr ging, auch bleiben.
Und auch Lukas’ Versuche, sie zu einem Date mit diesem Wundertier von Trainer zu überreden, würde sie tunlichst ignorieren. Eine traurige Erfahrung mit einem Sportler reichte doch wohl. Sie hatte nicht vor, den gleichen Fehler zweimal zu begehen.
2. Kapitel
»Santa, wir haben hier einen Notfall«, schnarrte es aus der Gegensprechanlage. »Das Fließband in der Verpackungsanlage streikt schon wieder.«
Santa Claus, auch als Weihnachtsmann bekannt, stand seufzend von seinem Schreibtischstuhl auf. »Ich komme schon, Elf-Eins. Hast du Elf-Dreizehn schon erreicht?«
»Er ist noch mit dem neuen Schlitten auf Probefahrt unterwegs.«
»Also gut, ich bin gleich da.« Santa Claus griff nach der Arbeitsjacke, die am Garderobenhaken hing, und warf einen Blick in das Vorzimmer seines Büros. Dort saß seine Frau zusammen mit einer Elfe an einem weiteren Schreibtisch und sortierte die Post. »Schatz, ich muss rüber in die Verpackungsstraße. Das Fließband ist schon wieder ausgefallen. Würdest du bitte die heutigen Wunschzettel-E-Mails ausdrucken? Es sind jetzt schon über zwanzig Stück.« Er strich sind nachdenklich durch den Bart. »Es scheint, als fingen die Kinder immer früher mit dem Wünschen an.«
Seine Frau lächelte ihm zu. »Das kommt dir doch jedes Jahr so vor. Aber meistens sind es nur die Kinder mit den besonders großen Wünschen, die schon im Oktober und November an dich schreiben.«
Santa Claus nickte. »Ich hoffe, ich kann ihnen wenigstens einen Teil ihrer Wünsche erfüllen.« Damit verließ er das Vorzimmer in Richtung seiner Geschenke-Fabrik.
Santas Frau stand auf und wollte gerade das Büro ihres Mannes betreten, als eine Klingel durch das Haus schrillte. »Ach je, meine Kekse sind fertig!«, rief sie und wandte sich an die kleine Elfe, die sich in Santas Büro zu seiner Assistentin ausbilden ließ. »Elfe-Sieben, kannst du dich bitte um die E-Mails kümmern? Ich möchte nicht, dass das Gebäck zu dunkel wird.«
»Aber klar doch!« Die kleine Elfe strahlte. »Das mache ich doch gern. Geh nur in die Küche. Die Kekse duften schon ganz wunderbar.«
Nachdem Santas Frau hinausgeeilt war, betrat die Elfe das Büro des Weihnachtsmannes und blickte sich wie immer staunend um. Sie hatte sich um den Posten in seinem Vorzimmer beworben, weil sie die Arbeit in den Spielzeug- und Verpackungsfabriken langweilig fand. Hier, in der Zentrale des Weihnachtsmannes, war es viel spannender. Die vielen Wünsche, die in der Vorweihnachtszeit per Post und per E-Mail hier ankamen, und das geschäftige Gewusel der Elfen, die dabei halfen, sie zu erfüllen, all das war immer wieder neu und aufregend.
Und dann die riesige Wand gegenüber dem Schreibtisch, auf der unzählige Video-Bildschirme angebracht waren. Santa Claus konnte von hier aus sämtliche Orte auf der Welt überwachen, an denen sich jemand etwas bei ihm gewünscht hatte. Momentan waren die Bildschirme jedoch noch außer Betrieb. Sie würden erst in einer oder zwei Wochen eingeschaltet werden, nachdem Elf-Dreizehn die nötigen Wartungen durchgeführt hatte.
Elfe-Sieben ging zum Schreibtisch des Weihnachtsmannes und warf einen Blick auf den Computerbildschirm. Santa Claus hatte das E-Mail-Postfach bereits geöffnet. Es enthielt tatsächlich schon über zwanzig Wunschzettel-Mails. Gerade eben trudelte noch eine weitere ein. Rasch machte sich die Elfe daran, jede E-Mail auszudrucken. Dann legte sie die Wunschzettel dazu, die heute per Post eingetroffen waren, nahm einen Hefter aus dem Schrank und beschriftete ihn sorgfältig mit dem heutigen Datum. Gerade als sie die Briefe und Ausdrucke lochen wollte, hörte sie ein Geräusch an der Tür.
»Hm, was riecht denn hier so lecker? Werden da etwa Kekse gebacken?«
Erschrocken sprang Elfe-Sieben auf. »Rudolf, was machst du denn hier drinnen?«, rief sie und eilte auf das Rentier mit der lustig rot leuchtenden Nase zu. »Du weißt doch, dass du hier nichts verloren hast. Geh sofort wieder nach draußen zu den anderen Rentieren!«
Rudolf bedachte die Elfe mit einem unschuldigen Blick. »Aber Blitz und Donner haben mich doch geschickt. Sie haben behauptet, es gäbe leckere Kekse. Ich hab ihnen erst nicht geglaubt, aber jetzt rieche ich es doch selbst. O bitte, bitte, können wir von den Keksen welche haben?«
Die kleine Elfe schüttelte streng den Kopf, griff nach Rudolfs Halfter und führte ihn sanft aus dem Büro hinaus. »Falls Santas Frau die Kekse für euch gebacken hat, wird sie euch schon welche nach draußen bringen. Aber ihr wisst genau, dass sie es nicht leiden kann, wenn ihr bettelt. Also los, geh zu den anderen zurück. Ich frage sie später, ob ihr ein paar Kekse bekommt.«
»Na gut, dann verhungern wir eben.« Rudolf ließ den Kopf hängen, doch in seinen Augen blitzte der Schalk, sodass Elfe-Sieben herzlich lachte.
»Jetzt aber wirklich raus mit dir, sonst kriege ich noch Ärger!« Als sie sicher war, dass Rudolf das Haus verlassen hatte, ging sie rasch zurück zum Büro. Sie hatte die Tür offen stehen gelassen, und gerade, als sie das Zimmer betreten wollte, fegte ein Windstoß durch das auf Kipp stehende Fenster herein. Die offene Tür verstärkte den Luftzug und binnen Sekunden wirbelten unzählige Papiere und Ausdrucke durch das Büro.
»O nein!«, rief die Elfe entsetzt und versuchte, ein paar der Papiere aufzufangen – ohne Erfolg. »So was Blödes!« Nachdem sich der Wind so schnell gelegt hatte, wie er aufgekommen war, machte sie sich seufzend daran, das entstandene Chaos wieder zu beseitigen.
3. Kapitel
»Wirst du wohl die Banane wieder hergeben!«, schimpfte Tom und versuchte, den quirligen Ruprecht an der Leine zu sich heranzuziehen. Der Hund hüpfte jedoch so fröhlich mit seiner Beute auf und ab, dass es Tom nicht gelang, sie ihm wieder abzunehmen. »Das war mein Essen«, grummelte Tom und gab es auf.
Ruprecht ließ sich auf sein Hinterteil sinken, legte die Banane vor sich ab und machte dann mit einem freundlichen Hundelächeln Männchen.
Wider Willen musste Tom lachen. »Nein, vielen Dank, mein Freund. Jetzt darfst du sie behalten. Hast ja sowieso schon hineingebissen.«
»Hi, Tom«, hörte er hinter sich zwei Jungenstimmen rufen. Als er sich umdrehte, kamen die beiden auf ihn zugerannt. Er lächelte. »Hi, Mario, hi, Lukas. Ihr seid ja früh dran heute. Alles klar?«
»Alles klar«, rief Mario. »Ich geh mich schon mal umziehen. Kommst du mit, Lukas? Wenn wir uns beeilen, können wir schon vor den anderen auf dem Platz sein.«
»Ja, gleich.« Im Gegensatz zu Mario blieb Lukas neugierig stehen, als er den Hund erblickte. »Ist das deiner?«, fragte er Tom, woraufhin dieser nickte.
»Ja, seit heute. Er hat meiner Mutter gehört, aber sie ist umgezogen und darf jetzt in der neuen Wohnung keine Hunde halten.«
»Wie gemein«, befand Lukas und beugte sich zu Ruprecht hinab. »Der ist aber süß.«
»Allerdings«, antwortete Tom grimmig. »Und ganz schön frech. Er hat meine Banane geklaut.«
»Echt?« Lukas kicherte. »Ich wusste gar nicht, dass Hunde Bananen fressen. Darf ich ihn streicheln?«
»Sicher, er beißt nicht.«
Sofort ging Lukas in die Hocke und strich dem kleinen Terrier über den Kopf. »Er sieht lustig aus mit der weißen Nase und den braunen Flecken um die Augen. Wie heißt er denn?«
Tom ging ebenfalls in die Hocke. »Ruprecht, wie der Knecht Ruprecht.«
»Das ist aber ein komischer Name.«
Tom lachte. »Ich weiß. Meine Mutter hat ihn so genannt, weil sie ihn genau am Nikolaustag vor vier Jahren als Welpen aus dem Tierheim geholt hat.«
»Warum hat sie ihn dann nicht Nikolaus genannt?«, wollte Lukas wissen.
In diesem Moment sprang Ruprecht mit einem auffordernden Bellen auf und sprang den Jungen an, sodass dieser vor Überraschung hintenüber kippte und auf dem Hosenboden landete. Ruprecht hüpfte auf seinen Bauch und schleckte ihm mehrmals übers Gesicht, bis Lukas laut lachte.
»He, he, Schluss jetzt, du Frechdachs«, schimpfte Tom und zog Ruprecht an der Leine von dem Jungen herunter. Dann reichte er Lukas die Hand und half ihm aufzustehen. »Ich schätze, deshalb hat sie ihn so genannt. Ein Nikolaus würde so was bestimmt nicht tun.« Er blickte sich um, als noch weitere Jungenstimmen laut wurden. »Da kommen die anderen. Los, geht euch umziehen. Das Training fängt pünktlich an.«
»Okay.« Lukas warf dem kleinen Hund noch einen sehnsüchtigen Blick zu. »Darf ich nach dem Training noch ein bisschen mit ihm spielen?«
Tom nickte ihm zu. »Vielleicht. Wenn es deinen Eltern nicht zu spät wird.«
»Nö.« Lukas schüttelte den Kopf. »Marios Papa holt uns doch immer ab. Er hat bestimmt nichts dagegen.«
Als Tessa das Auto vorfahren hörte, zog sie rasch die Töpfe von den Kochplatten, schaltete den Herd ab und wischte sich die Hände an einem Küchenhandtuch ab. Normalerweise kochte sie abends nicht, doch nachdem sie Lukas schon nicht den Gefallen hatte tun können, mit ihm zum Training zu fahren, hatte sie kurzerhand beschlossen, ihm wenigstens sein Lieblingsessen – Spaghetti Carbonara – zuzubereiten. Ihr Mitarbeiter und bester Freund, Pierre Roussel, hatte vor einer halben Stunde den Laden unten abgeschlossen und war nach Hause gegangen. Sie rechnete es ihm hoch an, dass er Überstunden gemacht hatte, damit sie ihrem Sohn eine Freude bereiten konnte. Die Lohnabrechnung würde sie nach dem Essen fertigstellen.
Sie hörte bereits die Schritte ihres Sohnes auf der Treppe poltern, und kaum hatte sie die Wohnungstür geöffnet, da wirbelte er auch schon herein und warf seinen Rucksack schwungvoll in die Ecke unter der Garderobe. »Hey, Mama! Heute war es sooo toll beim Training«, schwärmte er. »Du hast echt was verpasst. Tom hatte seinen neuen Hund dabei. Ein Jack Russell. Der ist total süß und witzig und kann sogar Kunststücke. Und dann haben wir zwei neue Spielzüge geübt. Ich hab drei Tore geschossen. Aber der Hund war so witzig. Er hat Toms Banane geklaut. Wusstest du, dass Hunde Bananen mögen? Nach dem Training durfte ich noch mal mit ihm spielen und dann ...« Mitten in seinem Redeschwall hielt er inne und schnüffelte. Seine Augen wurden kugelrund. »Hast du Spaghetti Carbonara gemacht?«