Vom unendlichen Zauber der Einfachheit - Mareike Schulte - E-Book

Vom unendlichen Zauber der Einfachheit E-Book

Mareike Schulte

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Was ist, wenn alles was du besitzt, dass Jetzt ist? Marie, 35, wohnt in Berlin, ist erfolgreich in ihrem Job in einer Werbeagentur und könnte eigentlich glücklich sein. Doch sie fühlt, dass ihr im Leben etwas fehlt. Zusammen mit ihrer besten Freundin besucht sie ein Selbstfindungsseminar, ohne vorher zu ahnen, dass dieser Tag sie in eine Krise stürzen wird, die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellt. Sie beschließt sich auf eine Reise in unbekannte Welten zu begeben, von denen sie nie zu träumen gewagt hatte... Alex, 39, ist ein Weltenbummler, ein Künstler und Freigeist. Er reist von Land zu Land, malt dort seine Gemälde und möchte sein Leben in absoluter Freiheit leben. In Alex klaffen jedoch tiefe Wunden und diese halten ihn immer wieder in seiner Vergangenheit und machen ihn unruhig. Doch auf der Suche nach innerem Frieden geschieht plötzlich etwas Unerwartetes, welches sein Leben durcheinander geraten lässt... Ein Roman über das Leben, die Liebe und die Einfachheit des Seins!

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Seitenzahl: 366

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Über die Autorin

Mareike Schulte ist Bewusstseinstrainerin, Energetikerin und spirituelle Wegbegleiterin.

Ihre Passion ist es, Menschen auf ihren Lebens- und Heilungswegen zu begleiten und zu unterstützen.

Zusätzlich zu ihren Begleitungen schreibt sie Bücher, entwickelt Onlineprogramme zur Persönlichkeits- und Gesundheitsentwicklung und bietet verschiedene Events und Seminare an.

Mit ihrem Debütroman Vom unendlichen Zauber der Einfachheit hat sie sich nun in neue Schreibwelten gewagt.

www.mareikes-neue-welt.de

www.mareikes-neue-welt-shop.de

1.Auflage Oktober 2024

Copyright Mareike Schulte

Alle Rechte liegen bei Mareike Schulte

Kein Teil des Buches darf ohne schriftliche Genehmigung der Autorin reproduziert werden.

Covergestaltung: Mareike Schulte/Canva

Druck epubli Verlag

Mareikes neue Welt

An der Herbstleite 9

91807 Solnhofen

[email protected]

Für Julia

Weil wir Gefühle wieder fühlen!

Vom unendlichen Zauber

der Einfachheit

Mareike Schulte

Inhalt

Marie

Maries Beste

Alex

Maries Selbstfindung?

Alex und Thi An

Vietnam – Ade?

Neue Wege für Marie?

Überwältigt

Alex goes India

Der Ruf des Klosters

Was will ich eigentlich?

Maries neue Welt

Auf Reisen

Endlich ankommen?

Fragen, Erfahrungen und die Suche

Alex innerer Frieden

Maries Reise zu sich selbst

Olé

Marie und der Schamane

Genug ist genug

Bali wir kommen

Marie, Henning und Indien

Marie im Gedankenchaos

Neue Gefühle?

Und plötzlich kommt alles anders…

Der Brief

Emilianos Worte

Liebe ist Liebe

Maries Klarheit

Wenn Seelen sich finden

Epilog

Danksagung

1

Marie

5:30 Uhr.

Wie jeden Morgen klingelte der Wecker und Marie stand sofort auf. Sie blieb nicht noch ein wenig liegen und benutzte die Schlummertaste. Nein, dafür war Marie viel zu strukturiert. Es gab sehr wenige Wochentage in ihrem Leben, in denen sie von ihrer gewohnten Routine abwich, denn sie brauchte Struktur. Marie gab diese Struktur Sicherheit und das Gefühl, wenigstens etwas in ihrem Leben kontrollieren zu können. Sie war nun 35 Jahre alt und so manches in ihrem Lebenverlief richtig gut. Sie lebte in ihrer Traumwohnung in Berlin, hatte einen sehr gut bezahlten Job in einer angesehenen Werbeagentur undwar gesegnet mit vielen Freunden. Marie genoss ihr Leben und doch fehlte ihr etwas. Denn bisher war es ihr nicht gelungen, einen wirklich guten Partner zu finden. Sie hatte zwar dann und wann mal was mit verschiedenen Männern, aber ihr Traum war es einen Mann zu finden, der zu ihr passte und der bereit war eine Familie mit ihr zu gründen.

So manches Mal machte sie sich Gedanken, ob das für sie überhaupt noch umzusetzen war. Ihre Freundinnen waren alle schon lange in Partnerschaften und hatten teils auch Kinder. Marie galt in ihrem Freundeskreis immer als diejenige, die sich eben nicht binden wollte oder zu hohe Ansprüche hatte. Doch Marie sah das alles völlig anders. Ihre Ansprüche mochten zwar nicht die Gewöhnlichsten sein, doch war sie ebenso bereit, viel zu geben und das erwartete sie eben auch von ihrem zukünftigen Partner. Während Marie im Bad ihrer Morgenroutine nachging, bemerkte sie, dass sie schon wieder in ihren Gedanken versunken war. Gestern Abend hatte sie sich auf dem Heimweg noch mit einer Bekannten unterhalten. Sie hatte ihrfreudig erzählt, dass sie Nachwuchs erwarten würden und sich ihr Mann so sehr freute. Marie hatte gemerkt, wie sich in ihrem Herzen eine tiefe Traurigkeit ausbreitete. Doch wie immer in solchen Momenten, zeigte sie der Bekannten ihr schönstes Lächeln und wünschte ihr alles Glück für die Schwangerschaft und was danach alles kommen würde. Dieses Gespräch hatte Marie mal wieder schmerzlich daran erinnert, wo sie im Leben stand. Sie schaute sich im Spiegel an und sah, wie ein paar Tränen die Wange herunterkullerten. Doch wollte sie diese Traurigkeit nicht zulassen. Sie wischte sich die Tränen weg, sagte zu sich selbst: „Marie reiß dich zusammen“, zog sich ihre Sportklamotten an und ging im Park, der direkt vor ihrer Haustür anfing, laufen. Das tat ihr gut, das wusste Marie ganz genau, und vor allem machte es ihren Kopf wieder frei….

***

7.30 Uhr.

Marie stand frisch geduscht, geschminkt und bereit für den Arbeitstag, an der U-Bahnhaltestelle. Wie jeden Morgen, freute sie sich auf die Arbeit. Sie fühlte sich in der Agentur richtig wohl. Ihr Chef gab ihr ziemlich viele Freiheiten und sie durfte so manch ein Projekt völlig eigenständig durchführen. Doch heute war Freitag. Freitage mochte Marie gar nicht gerne. Denn Freitage hießen, dass alle sich aufs Wochenende freuten, viele machten dafür auch früher Feierabend, um mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können. Marie hatte dagegen schon öfters den Gedanken gehabt, dass sie auch nichts gegen eine 7-Tage-Woche hätte. Denn für sie bedeutete Wochenende entweder, mit Freunden was zu unternehmen, wobei ihr immer mehr auffiel, dass immer weniger ihrer Freunde noch weggehen wollten, weil sie eben in Partnerschaft lebten und sie sich dadurch verändert hatten. Oder es hieß für Marie das sie sich die Zeit irgendwie vertreiben musste, was nicht selten darin endete, dass sie vor dem Fernseher versackte und 24 Stunden Serie lief. Das war nicht das, was sie sich vorstellte, doch gerade am Wochenende fiel es ihr manchmal schwer, ihre Struktur, die sie innerhalb der Arbeitswoche so sehr liebte, beizubehalten.

Punkt 8 Uhr betrat Marie das Büro und sie merkte am „Guten Morgen“ der Chefsekretärin sofort diese Gute-Laune-Freitagsstimmung.

„Guten Morgen“, flötete es aus dem Mund der Sekretärin und Marie wäre am liebsten wortlos zu ihrem Platz gegangen.

Doch sie riss sich zusammen. Zusammenreißen war etwas, was Marie sehr gut beherrschte.

Sie versuchte ein ebenso fröhliches „Guten Morgen“ zurückzupfeifen, drehte sich dann auf ihrem Absatz um schnurstracks zu ihrem Platz zu gehen. Sie hoffte, da nun die Ruhe zu haben um ihre Aufgaben, die heute noch erledigt werden mussten, zu bearbeiten. Doch mit der Ruhe war es nicht weit her. Kaum hatte sie sich ihren Aufgaben zugewandt, flötete die nächste Kollegin ihr „Guten Morgen“ durch das Büro und als wäre das nicht schon schlimm genug für Marie gewesen, kam die Kollegin auch noch auf sie zu und erzählte ihr ungefragt, dass sie am Wochenende mit ihrem Freund ein Wellnesswochenende machen würde. Allein die Tatsache, dass diese Kollegin ihr einfach ungefragt ihre Pläne auftischte, war für Marie schon genug.

Noch schlimmer war es aber, dass sie einfach so, Maries Herzschmerz wieder erscheinen ließ. Dabei hatte Marie ihn gerade, mehr oder weniger erfolgreich, verdrängen können.

Marie fasste sich, antwortete der Kollegin kurz mit: „Schön, aber entschuldige, ich habe noch eine Menge zu tun“, und vergrub sich in ihren Papieren, die vor ihr lagen. Anett schaute sie noch eine Weile an, als sie aber bemerkte, dass Marie nicht mehr auf sie reagierte, ging sie zu Ricarda. Ricarda war immer für ein Schwätzchen zu haben und Marie war einfach nur erleichtert, jetzt endlich ihre Ruhe zu haben. Marie arbeitete an diesem Tag sehr fokussiert und während andere gemeinsam ihre Mittagspause verbrachten, arbeitete sie einfach weiter.

Erst um 17 Uhr, sie hatte gar nicht gemerkt, dass der Großteil der Kollegen schon ins Wochenende gestartet war, kam Chris, ihr Chef an ihren Schreibtisch.

„Marie, es ist 17 Uhr und Freitag. Möchtest du nicht langsam mal Feierabend machen?“ fragte er.

Chris war ein äußert loyaler Chef. Genauso alt wie Marie, attraktiv und durchaus anziehend, wirkte er in seinem immer schicken Outfit. Und nicht nur das. Chris mochte Marie und schätzte sie und ihre Arbeit immer sehr.

„Ich bin gleich fertig und dann gehe ich heim“, antwortete Marie und schaute dabei kurz auf. Chris, der genau vor ihr stand, strahlte sie mit seinen verschmitzten Augen an und Marie sah ihm an, was er dachte. Es dauerte nicht lange da sprach Chris aus, was Marie sich schon geahnt hatte.

„Hast du denn nichts vor heute Abend?“ fragte er.

Marie merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Es war ihr unangenehm auf diese Frage zu antworten.

Sie hatte ja auch keine gute Antwort darauf. Sie konnte Chris schlecht sagen, dass ihr einziger Plan an einem Freitagabend war, zuhause rumzusitzen und ihre Lieblingsserie, zum gefühlt hundertsten Male, anzuschauen und sich dabei einen Riegel Schokolade nach dem anderen reinzuhauen. Also tat sie das, was sie in solchen Situationen immer tat.

Sie riss sich zusammen, schaute Chris an und antwortete:

„Doch ich treffe mich später noch mit jemanden zum Essen.“

Chris schaute sie an, dann machte er sich bereit zu gehen, sagte noch kurz „Na dann viel Spaß. Schönes Wochenende“, und stiefelte in Richtung Tür, ohne noch etwas zu sagen.

Marie empfand die Reaktion von Chris für einen kurzen Moment ungewöhnlich. Sonst wirkte er immer so aufgeschlossen und heute Abend war er so anders. Aber sie wollte sich nicht lange an dem Gedanken aufhalten. Vielleicht hatte er einfach keinen guten Tag gehabt. Sie konzentrierte sich wieder auf die Arbeit, die sie noch fertigstellen wollte und vergrub sich darin.

Erst als die Reinigungskraft zu ihr kam und meinte sie müsste jetzt abschließen, registrierte Marie, dass es schon 21 Uhr war. Sie packte ihre Sachen, wünschte der Reinigungskraft ein schönes Wochenende und schlenderte zur U- Bahnstation.

Doch eigentlich hatte Marie gar keine Lust nach Hause zu fahren. Dort wartete niemand auf sie. Nicht mal ein Haustier. Zuhause erwartete sie die Einsamkeit. Das war ein Gefühl, was Marie nicht gefiel. Dieses Gefühl kannte sie schon als kleines Mädchen. Wie oft hatte sie allein zuhause gesessen und auf ihre Mama gewartet, weil diese noch arbeiten musste. Ihren Vater hatte Marie nie kennengelernt. Ihre Mutter hatte ihr immer erzählt, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte, als er erfahren hatte, dass ihre Mutter schwanger mit ihr war. Sie hatte nie etwas von ihm gehört. Als sie 18 Jahre wurde, hatte sie versucht ihren Vater zu finden. Doch diese Suche war erfolglos geblieben. Irgendwie hatte er ihr immer gefehlt, doch mit den Jahren, hatte Marie gelernt damit zu leben. Was aber blieb war dieses Gefühl der Einsamkeit. Wie sehr hatte sie sich als Kind gewünscht, dass ihre Mutter mehr für sie da sein könnte. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, dass ihr Vater dagewesen wäre. Daraus hatte sich eine tiefe Sehnsucht in ihr entwickelt, genau so ein schönes Familienleben leben zu wollen. Nur hatte es bisher nie geklappt. Sie schien diesem Wunsch immer nur hinterher zu laufen. Und auch wenn vieles in ihrem Leben so perfekt schien, fehlte ihr dieser Teil, nach dem sie sich so sehr sehnte.

Auf dem Weg zur U-Bahn war viel los. Viele Menschen liefen umher, kaum jemand war allein und Marie merkte, wie ihr immer unwohler wurde. Eine tiefe Traurigkeit überfiel sie und sie wusste, dass sie jetzt schleunigst nach Hause musste, bevor ihr die Tränen liefen. Sie ging so schnell sie konnte zu U- Bahn, fokussierte sich auf ihren Weg und war froh, dass sie nicht lange auf die nächste Bahn warten musste. Das war das Gute an Berlin. Man konnte immer und zu jeder Zeit schnell irgendwo anders hinfahren. Auf der anderen Seite war Marie die Stadt manchmal viel zu voll. Wie jetzt gerade zum Beispiel. Obwohl sie auf der einen Seite gar nicht heim wollte, wollte sie auch nirgendwo anders mehr sein…

***

Es war 21.45 Uhr als Marie den Schlüssel ins Türschloss steckte. Sie warf ihren Mantel auf den Boden, zog ihre Schuhe aus und ging als erstes ins Badezimmer um sich ein Bad einzulassen. Das war das, was sie jetzt brauchte. Als sie in die Küche ging, fiel ihr auf das sie heute, bis auf ein kleines Frühstück, nichts gegessen hatte. Kochen wollte Marie nichts mehr. Sie wollte einfach nur noch in die Badewanne. Also machte sie sich schnell noch einen Obstteller fertig, goss sich einen Wein ein und genoss die Entspannung im warmen Wasser.

2

Maries Beste

Das Handyklingeln riss Marie am nächsten Morgen aus dem Schlaf. Marie konnte sich nicht mehr wirklich daran erinnern, wie und wann sie ins Bett gegangen war, aber sie schreckte aus dem Tiefschlaf hoch, griff zu ihrem Handy und hob schlaftrunken ab.

„Hallo?“ fragte sie.

„Hallo“, antwortete eine Frauenstimme. „Bist du noch im Bett?“

„Äh ja. Warum? Wie spät ist es denn?“ fragte Marie. „Also meine Beste, es ist jetzt 12.30 Uhr und ich sitze hier im Café Dolce und warte auf dich. Wir wollten brunchen. Jetzt sag bloß nicht du hast es vergessen?“ Die Frauenstimme wirkte empört.

„Oh Franziska, ähm brunchen. Oh nein, es tut mir leid. Irgendwie bin ich gestern versackt.“ Marie begriff langsam, wer am anderen Ende der Leitung war. Es war ihre beste Freundin Franzi.

„Wie, du bist versackt? Äh, bist du allein? Marie? Musst du mir was erzählen?“ Franziska schien ganz euphorisch zu sein.

„Nee ich habe nichts zu erzählen. Zumindest nichts über Männer. Wie immer. Aber pass auf, ich zieh mir schnell was an und bin in 30 Minuten bei dir ok?“ Marie schmiss die Decke auf die andere Seite des Bettes.

“Ok, ich bestell bis dahin schon mal einen kleinen Snack. Ich freu mich auf dich, Bussi.“ Mit den Worten hatte Franziska schon aufgelegt.

Marie sprang aus ihrem Bett, ging ins Bad, versuchte die Müdigkeit ein wenig zu kaschieren, zog sich schnell eine Jeans und ein Top an, griff zu ihrer Handtasche und machte sich schnell auf den Weg zum Café, in dem Franziska sich sicher schon etwas Leckeres gönnte. Franziska war schon ewig an Maries Seite. Sie hatten sich vor Jahren im Studium kennengelernt. Sie war ein herzensguter Mensch. Franzi verstand Marie und konnte ihre Wünsche so sehr nachfühlen. Franzi war eine der wenigen, die immer noch für sie da war, auch als sie mit Felix zusammengekommen war. Die beiden waren für Marie ein Vorbild, was eine gute Partnerschaft anging. Sie lebten genau das, was sie sich auch für sich selbst wünschte, und es gab ihr Hoffnung, dass es für sie doch auch noch irgendwann Wirklichkeit werden konnte.

Als Marie wenig später am Café angekommen war, sah sie Franziska schon am Fenster sitzen. Es tat ihr leid, dass sie auf sie warten musste, doch schien es, als hätte sich Franziska so lange gut mit ihrem Stück Sahnetorte ablenken können. Marie schmunzelte, als sie Franziska sah, wie sie genüsslich die Gabel in den Mund steckte und sie freute sich darauf, sich mal wieder richtig gut mit Franziska unterhalten zu können.

Kaum hatte Marie das Café betreten, hörte sie schon Franziska rufen.

„Marie, hier am Fenster bin ich. Ach, ist das schön, dass du da bist.“ Mit ihrem lauten Rufen zog sie alle Aufmerksamkeit auf sich, was Franziska aber gar nicht wirklich bewusst war. Marie ging direkt zum Tisch und begrüßte Franziska mit einer fetten Umarmung.

„So“, sagte Franziska, „und jetzt erzählst du mir mal bitte, wer oder was dich dazu gebracht hat, unser Treffen zu verschlafen. Ich bin ja mal gespannt.“

„Also ehrlich gesagt, bin ich einfach spät von der Arbeit heimgekommen und dann muss ich irgendwann eingeschlafen sein, ohne mir den Wecker zu stellen.“ Marie sah Franzi schuldbewusst an.

„Das ist alles?“ entgegnete Franziska. Sie sah richtig enttäuscht aus.

„Ja das ist schon alles. Ich habe keine brühwarme Story, die ich dir erzählen kann. Nur immer dasselbe. Arbeiten, Sport, Essen und schlafen und zwischendurch Serie mit Schoki. Das ist mein Leben.“ Marie sah, dass es Franziska leidtat. Aber sie wollte gar kein Mitleid. Das würde ihr auch nicht helfen.

„Hm, Marie. Weißt du, ich glaube du brauchst eine Veränderung. Ich kenne dich und ich beobachte schon länger, dass du immer trauriger wirst. So geht das nicht weiter. Das Leben ist doch nicht dafür da, immer unglücklich zu sein.“ Franzi wusste genau, was Marie fühlte.

„Da hast du wohl recht“, stimmte Marie, Franziska zu. „Aber sag mir, was ich daran ändern kann. Weißt du, ich habe ja eigentlich ein Leben, mit dem ich zufrieden sein könnte. Ich lebe gut, ich bin gesund, habe wenig Sorgen. Aber ich merke ja selbst, dass es mir trotz allem nicht gut geht. Ich weiß aber nicht, was ich dagegen tun kann. Ich bin jetzt 35. Ein Mann ist keineswegs in Sicht, Familie schon mal gar nicht. Ich glaube, ich werde das, was ich mir am meisten wünsche, niemals bekommen. Vielleicht bin ich einfach nicht dafür gemacht so ein Glück erleben zu dürfen. Vielleicht soll ich ja auch in diesem Leben einsam bleiben. Vielleicht ist das mein Schicksal, vielleicht…“

„Stopp“, beendete Franziska Maries Gedankenwelt. „Genau das meine ich Marie. Du sitzt da irgendwie fest. Wie in einer Negativblase. Damit muss Schluss sein. Du tust dir damit nichts Gutes. Und ja, ich weiß jetzt, was du denkst: „Dann zeig mir eine Lösung.“ Vielleicht habe ich die Lösung auch schon gefunden. Marie weißt du noch als ich dir erzählt habe, dass ich letztens bei einem Coach war, weil ich an meinem Selbstwert arbeiten wollte?“

„Ja du hattest davon erzählt. Aber was hat das mit mir zu tun?“ fragte Marie ein wenig ratlos.

„Also der Henning, also ich fand den richtig angenehm. Und der macht jetzt demnächst ein Seminar über Selbstfindung. Ich habe gedacht, dass wir da vielleicht zusammen hingehen können. Vielleicht kann er dir auch helfen? Was meinst du? Soll ich uns da anmelden?“ Franzi klang sehr überzeugt.

„Hm, ich weiß nicht Franziska. Meinst du echt, das ist was für mich?“ Marie war skeptisch.

„Ja ich glaube schon. Und wenn nicht, dann hatten wir einen schönen Tag zusammen. Das Seminar ist nächsten Samstag. Ich rufe den Henning gleich mal an und lass uns eintragen.“ Franzi fackelte nicht lange und schon hatten die beiden für nächsten Samstag ein Date.

Den Rest des Treffens unterhielten sich Franziska und Marie über alles Mögliche. Es tat Marie gut, sich einfach mal wieder auszutauschen und Franziska schaffte es auch immer wieder, Marie auf andere Gedanken zu bringen. Am Nachmittag machte sich Franziska dann auf den Weg in die Stadt. Dort war sie mit Felix zum Shoppen verabredet. Marie blieb noch etwas im Café sitzen und dachte über das Seminar nach. Franziska hatte ihr den Namen des Coaches genannt und Marie wollte erstmal ein wenig über ihn erfahren, bevor sie zu diesem Seminar ging. Google zeigte auch gleich den passenden Artikel an und Marie las:

Henning Dornhaupt, Coach und Lebensberater für Frauen. Ich zeige Frauen den Weg ins Glück.

Marie bekam, als sie das gelesen hatte, sofort das Gefühl, Franziska anzurufen zu müssen und das Seminar abzusagen. Aber Franziska schien diesen Henning gut zu finden und sie wollte ihre Beste auch nicht enttäuschen. Marie kam dieser Mann einfach ein bisschen seltsam vor.

„Die Frauen ins Glück bringen, da hat er sich aber hohe Ziele gesteckt“, dachte sie. Auf den Fotos wirkte er mit seinen langen, blonden Haaren eher wie ein Surflehrer, der langsam älter wurde. Marie war sich nicht sicher, ob sie etwas mit dem Mann anfangen konnte. Aber sie ermahnte sich innerlich selbst, nicht vom Äußeren auf etwas zu schließen. Sie schaltete ihr Handy aus. Vielleicht war es auch einfach besser, nicht so viel über diesen Henning zu wissen und sich einfach darauf einzulassen. Sie hatte ja eh nichts zu verlieren. Sie zahlte, und beschloss den angefangenen Nachmittag noch zu nutzen und sich schöne Deko zu kaufen. Marie mochte es, ihr Zuhause zu verschönern. Schließlich verbrachte sie dort auch nicht wenig Zeit und sie wollte sich dort immer wohlfühlen. Also stieg sie in die U-Bahn Richtung Innenstadt.

3

Alex

Endlich ging es vorwärts. Alex wartete nun schon eine ganze Zeit am Flughafen. Sein Flug nach Vietnam hatte sich schon dreimal verzögert und so langsam war in ihm eine Ungeduld aufgestiegen. Er ging zum Check-in und hoffte jetzt einfach nur darauf, dass der Flug problemlos starten konnte. Er freute sich darauf wieder unterwegs zu sein. Er war jetzt 3 Monate in Berlin gewesen und es kam ihm vor wie eine Ewigkeit. Monatelang an einem Ort zu sein, war für ihn wie eine Art Gefängnis. Er liebte es auf Reisen zu sein, um Neues zu entdecken. Stillstand war für Alex unerträglich. Genau aus diesem Grund war er auch Künstler geworden. Seiner Kunst konnte er überall nachgehen. Dafür brauchte es keinen festen Standort. Er hatte sich so ein Leben aufgebaut, in dem er immer die Freiheit hatte, überall und nirgendwo zu sein. Das Schöne daran war, dass er sich in der Malerszene mit der Zeit auch einen Namen gemacht hatte. Er war nun 39 und hatte erreicht, dass er von den Verkäufen nicht nur gut leben, sondern auch richtig viel reisen konnte. Diese Reisen waren für ihn pure Inspiration und deswegen freute er sich auch wie ein kleines Kind auf Vietnam.

Seine Eltern konnten ihn oft nicht verstehen, doch er hatte sich mit der Zeit davon gelöst, seinen Eltern gefallen zu wollen. Denn was seine Eltern gelebt hatten, dass wollte er auf keinen Fall. Nach außen wurde immer der Schein einer heilen Familie gewahrt, aber Alex hatte als Kind sehr oft mitbekommen, dass innerhalb dieser Familie nichts heile war. Sein Vater war vor Jahren aus Bosnien, als Flüchtling nach Berlin gekommen. Zuvor hatte er Dinge erlebt, über die er nie gesprochen hatte. Aber Alex wusste, dass es schlimme Dinge gewesen sein mussten. Sein Vater hatte sich zwar ein Leben lang bemüht zu arbeiten und die Familie zu versorgen, doch griff er ziemlich oft zur Flasche, um seinen Schmerz darin zu ertränken. Alex dachte an seine Mutter. Seine Mutter war die Liebe seines Lebens. Sie bemühte sich immerzu eine gute Mutter und Ehefrau zu sein. Doch litt sie sehr darunter, dass es ihrem Mann so schlecht ging. Sie musste sich das alles mit ansehen und konnte nicht viel tun. Denn Hilfe, suchte sich ihr Mann nicht. Alex konnte sich nur an ganz wenige Momente erinnern, in denen seine Mutter glücklich gewesen schien. Als er älter wurde, und begriff, welches Leid seine Familie lebte, schwor er sich selbst, niemals einer Frau so weh tun zu wollen. Und so entschied er sich für ein Leben in Freiheit.

Für ein Leben ohne Bindung. Nur so fühlte er sich sicher davor, niemanden zu verletzen. Denn so ein Familienleben wollte er keinem zumuten. Zu schwer wiegten seine Erlebnisse.

***

11.35 Uhr.

Alex saß nun endlich im Flugzeug. Er hatte zum Glück einen Platz am Fenster ergattert. Er schnallte sich an, steckte seine Stöpsel ins Ohr, machte sich Musik an und freute sich darauf, nun für ein paar Stunden in der Luft zu sein und einfach nur die Ruhe und die Musik zu genießen. In ein paar Stunden wäre er in Vietnam und damit ging ein weiterer Traum für ihn in Erfüllung. Schon lange hatte Alex davon geträumt, das Land und die Menschen genauer kennenzulernen. Er hatte vieles darüber gelesen, doch gehörte es zu seiner Kunst, die Menschen und die Natur hautnah erleben zu wollen. Nur so konnte ein Bild entstehen, welches die Seele des Landes und der Bewohner darin widerspiegelte. Es war für ihn eine Passion geworden, seine Bilder dort entstehen zu lassen, wo die Wurzeln waren. Vietnam hatte für ihn einen ganz besonderen Zauber. Er freute sich sehr auf die nächsten Wochen. Während Alex so vor sich hinträumte und die Musik in seinen Ohren spielte, schlief er ein.

Stunden später weckte ihn die Stewardess: „Hallo, wir sind erfolgreich gelandet. Sie müssen das Flugzeug jetzt verlassen.“

Alex öffnete seine Augen. Noch etwas müde registrierte er, dass er der letzte im Flugzeug war und stellte mit Erstaunen fest, wie schnell der Flug vorüber gegangen war. Er stieg aus, nahm sein Gepäck und hielt Ausschau nach dem Taxistand. Es war gerade mitten in der Nacht und Alex fiel es nicht leicht, sich zu orientieren. Aber da er sich ein kleines Apartment mitten in der Natur gebucht hatte, brauchte er einen Fahrer, der ihn dorthin bringen konnte. Er ging suchend den Vorplatz des Flughafens ab und fand in einer kleinen Nische ein Taxi. Die meisten Urlauber waren durch die Transfer Busse schon fort. Alex hoffte, dass er sich mit seinem nicht so perfekten Englisch, gut mit dem Fahrer verständigen konnte. Zum Glück hatte er sich die genaue Adresse aufgeschrieben, so dass er ihm den Zettel zeigen konnte. Der nickte, als wenn er wüsste, wo es hingehen sollte, und dann fuhren sie mitten in der Nacht, rein in die pure Natur. „Der Sonne entgegen,“ dachte Alex zufrieden und fühlte sich jetzt schon wohl hier, obwohl die Dunkelheit bisher noch nicht zugelassen hatte, irgendetwas zu sehen. Stunden später hielt der Taxifahrer an einem kleinen Haus. Es brannte ein kleines Licht draußen und auf der Tür stand in Englisch: Welcome Alex. Alex bezahlte das Taxi, nahm sein Gepäck und ging dann zur Tür, um den Schlüssel zu suchen. Der Vermieter hatte ihm mitgeteilt, dass er den Schlüssel unter einen Blumentopf neben der Tür legen würde. Und dort fand Alex ihn dann auch. Er schloss auf, stellte seine Koffer in dem kleinen Flur ab, machte sich Licht an und ging in den Wohnraum, in dem auch das Bett stand. Das war also seine Bleibe für die nächsten Wochen. Vielleicht würden es auch ein paar Monate werden. Das wusste Alex noch nicht. So genau wollte er das nicht planen. Seine Kunst entstand nicht immer gleich und manchmal brauchte es einfach länger. Aber er war frei und konnte sich das so gestalten wie er wollte. Zufrieden setzte sich Alex auf sein Bett und schaute sich um. Es war alles sehr hübsch eingerichtet. Urig, natürlich, fühlbar. Das war ihm wichtig. Er ließ sich nach hinten sinken und schlief dann schnell ein.

***

Am nächsten Tag, Alex hatte das Zeitgefühl ein wenig verloren, wachte er vom Vogelgezwitscher auf. Die Sonne schien und es musste auch schon etwas später am Morgen sein, denn die kleine Hütte hatte sich schon aufgeheizt. Alex schaute auf seine Uhr und stellte fest, dass es schon 13 Uhr war. Er stand auf, zog sich seine durchgeschwitzten Klamotten aus und ging erstmal unter die Dusche. Anschließend wollte er sich auf die Suche nach etwas Essbarem machen. Denn hier war Selbstversorgung angesagt und dafür musste er erstmal was einkaufen. Als Alex aus seiner Hütte kam, sah er zum ersten Mal, wo er gelandet war. Es überwältigte ihn. Diese Natur, so unendlich schön. Überall um ihn herum wuchsen die schönsten Pflanzen, es duftete nach Blumen, die Vögel zwitscherten und er fühlte sich wie in einer ganz anderen Welt. Es schien ihm, als wäre er in seiner Fantasie gelandet. Doch war er wirklich hier und Alex fühlte, dass es für ihn eine ganz besondere Zeit hier werden würde. Da war er sich sicher. Es fühlte sich jetzt schon wie zuhause an. Aber nicht nach einem Zuhause, welches er als Kind gehabt hatte, sondern nach einem geborgenen Zuhause. Einem Wohlfühlzuhause. Glücklich ging er den Weg entlang, der zu einer Straße führen würde, an der mehrere Geschäfte waren. Das hatte er gestern vom Taxi erkennen können. Er sog die Luft in sich ein, nahm alles an Eindrücken auf und fühlte sich erfüllt. Diese Landschaft, die Marktstände mit dem frischen Obst und dem frischen Gemüse, die Menschen, die ihn anlächelten, als sie ihn sahen, ja all das machte was mit ihm. Alex war schon immer jemand gewesen der alles aufnahm. Er spürte jede kleinste Energie. Jede dieser Energien, konnte er durch seine Kunst zum Ausdruck bringen. Indem er alles aufnahm, bildeten sich Farben in seinem Kopf und diese Farben wurden dann auf der Leinwand zu seiner Komposition. Nur schien es dieses Mal noch intensiver zu sein. Alex konnte es nicht einordnen, er wusste nicht, warum es sich noch intensiver anfühlte als sonst und er wollte es auch nicht analysieren. Dafür waren diese fühlbaren Eindrücke viel zu wertvoll. Also ging er zu den Marktständen, deckte sich mit den leckersten Lebensmitteln ein und genoss diesen Moment. Auf dem Weg zurück zur Hütte fühlte er sich noch erfüllter und war glücklich.

Glücklich hier zu sein, glücklich darüber, wie sich sein Leben entwickelt hatte, glücklich einfach so ein erfülltes Leben zu haben.

An der Hütte setzte er sich auf die Bank, aß ein Stück vom Obst und dachte über sein Gemälde nach, welches hier entstehen sollte. Wie aus dem Nichts kamen ihm Wörter in den Sinn, die sich zu einem Titel zu formen schienen. „The Colours of Vietnam Dreams“. Genau das war es, was er ausdrücken wollte. Colours waren in diesem Fall nicht nur die Farben, die sich vor seinen Augen bildeten, nein es waren auch die Gefühle, die damit in Verbindung standen. Ein weiteres Mal entstand in Alex der Gedanke, dass diese Reise anders war als alles Bisherige. Denn bisher war es für ihn immer so gewesen, dass der Titel sich erst nach dem Malen zeigte. Es schien alles anders zu laufen und in ihm breitete sich das Gefühl aus, dass auch das Gemälde anders werden würde. Dieses Gefühl war es, welches Alex so sehr in seinem Leben liebte. Es gab keinen Stillstand, es ging immer voran. Immer wieder entwickelten sich, wie aus dem Nichts, einfach neue Ideen. Das waren für Alex immer wieder diese Momente, die sich so sehr nach Freiheit anfühlten Niemals könnte er sich davon trennen. Das war er. Er war Freiheit, Abenteuer, Schöpfer. Und das gefiel ihm.

***

Alex ging in seine Hütte, holte sich sein Malerzeug, stellte seine Leinwand auf, die sein Vermieter freundlicherweise schon für ihn besorgt hatte und griff zu Farbe und Pinsel. Wenn Alex malte, war er in seiner eigenen Welt. Er dachte nicht nach, er ließ die Farben und Pinsel über die Leinwand tanzen. Es glich einer Ekstase, in die er mit jedem Pinselstrich reingezogen wurde. Er vergaß dabei alles um sich herum. Alex fühlte in diesen Momenten einfach nur und ließ sich auf alles ein, was sich auf der Leinwand zeigen wollte. Doch wurde er plötzlich aus dieser Ekstase gerissen als es ziemlich laut an der Tür klopfte. Erschrocken fuhr er hoch, schaute kurz auf sein Werk, kam zu sich und trottete zur Tür, um sie zu öffnen. Vor der Tür begrüßte ihn ein strahlendes Lächeln, welches zu einer Frau gehörte, die so zaghaft und zerbrechlich, doch gleichzeitig so sicher wirkte. Eine Erscheinung, die ihn faszinierte. Genau wie dieses Land ihn faszinierte.

„Entschuldigung, ich wollte mich kurz vorstellen. Ich bin Thi – An und ich wohne diesen Sommer in der Hütte neben dir.“

Erstaunt darüber, dass diese wunderschöne Vietnamesin so perfekt deutsch sprach erwiderte Alex: „Äh du sprichst perfekt Deutsch.“ Sonst sagte er nichts.

Thi – An schaute ihn fragend an. „Und wie heißt du, wenn ich fragen darf?“ fragte sie ein wenig erstaunt über seine Reaktion.

„Oh, tut mir leid. Ich bin der Alex.“ Alex merkte das er leicht rot wurde. Diese Frau verunsicherte ihn. Immer, wenn ihn etwas verunsicherte, passierte es ihm, dass er Dinge sagte oder auch nicht sagte.

„Entschuldige, aber ich habe nicht damit gerechnet, dass jemand kommt und ich habe einfach nicht erwartet, dass du so perfekt deutsch sprichst.“ Alex war verlegen.

Thi – An musste lachen. Vor ihr stand ein Mann, der durchaus sehr attraktiv war. Seine blauen Augen leuchteten auch ohne, dass die Sonne schien, da war sie sich sicher. Auch seine goldbraunen Haare, die ihm wild ins Gesicht fielen, gefielen ihr sehr.

Er strahlte Zufriedenheit aus und doch wirkte er fast ein wenig schüchtern und durcheinander. „Interessanter Typ,“ dachte sie sich und ihr fiel die grüne Farbe in seinem Gesicht auf, die sich galant über seine Wange zog.

„Du malst?“ fragte sie.

„Äh ja, woher…woher weißt du das?“ Alex war verdutzt.

„Nun ich habe die Farbe in deinem Gesicht gesehen und da habe ich kombiniert,“ lachte Thi – An ihn an. „Ah, verstehe,“ antwortete Alex und versuchte die Farbe wegzuwischen. Doch diese war schon angetrocknet. Ein Moment der Stille breitete sich aus. Alex empfand diese Pause als unangenehm. Umso froher war er darüber, als Thi – An anfing zu reden.

„Also wie gesagt, ich bin den Sommer über hier. Ich wollte mal meine Wurzeln anschauen, wollte sehen, wo meine Großeltern herkommen. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Deshalb mein Deutsch. Wirst du länger hier sein?“ Thi – An hoffte insgeheim, dass Alex einen längeren Aufenthalt plante. Sie hatte Gefallen an ihm gefunden.

„Ich weiß noch nicht, wie lange ich bleibe“, erwiderte Alex und er spürte, dass sich Thi- An eine andere Antwort erhofft hatte. Doch er wollte sich aufs Malen fokussieren. Deshalb war er hierhergekommen.

„Ok,“ sagte Thi – An, „vielleicht sieht man sich mal wieder.“ Thi – An hatte feine Antennen und sie fühlte, dass es Alex mehr als recht war, dass sie nun ging.

Sie drehte sich um, Alex sagte noch: „Ja bis bald mal“, und dann war sie fort. Alex wusste, dass es nicht gerade freundlich gewesen war. Eigentlich hätte er sie auf ein Getränk einladen sollen. Doch er hatte sich angewöhnt, nur die Dinge zu machen, die er auch machen wollte und dazu gehörte eben auch, keinerlei Nähe zulassen zu wollen.

Obwohl er Thi – An sehr attraktiv fand und sich einiges mit ihr vorstellen konnte, zog er sich seinen imaginären Schutzpanzer an.

Nicht aus Selbstschutz, sondern um sie nicht zu verletzen.

Zum Malen hatte Alex keine Lust mehr. Er schaute sich die Leinwand an. Dort tummelten sich jetzt schon verschiedene Grüntöne, die zwar noch keine Sinfonie ergaben, aber sich auf den Weg gemacht hatten ein wunderbares Orchester entstehen zu lassen. Alex öffnete seine Koffer und suchte seine Badehose. Ihm war jetzt nach Wasser, Natur und Genießen. Sein Vermieter hatte ihm von dem kleinen Natursee berichtet, der keine fünf Minuten von seiner Hütte entfernt war. Er packte sich noch schnell ein Handtuch, warf es über seine Schulter und freute sich schon auf den See.

4

Maries Selbstfindung?

Es war Samstag 7:30 Uhr und Marie saß schon an ihrem gedeckten Frühstückstisch. Sie hatte sich extra den Wecker früh gestellt, so dass sie genug Zeit für ihre Morgenroutine hatte, bevor Franziska kam und sie zu diesem Selbstfindungsseminar schleppte. Marie wusste immer noch nicht, was sie davon halten sollte, doch hatte sie beschlossen sich darauf einzulassen. Sie wusste nicht was dort geschah, jedoch glaubte sie auch nicht wirklich daran, dass sich dadurch etwas veränderte. Also ließ sie sich erstmal ihr Frühstück schmecken. Marie achtete sehr auf ihre Ernährung und auch da ließ sie wenig Ausreißer zu, denn Disziplin hatte sie mehr als genug. Heute gönnte sie sich seit langem Mal wieder einWeizenbrötchen mit richtig viel Schokoaufstrich. An diesem Morgen brauchte sie das und schließlich hatte sie ja auch schon ihren Morgensport hinter sich gebracht. Franziska wollte um 8:30 bei ihr sein und es blieb ihr noch genügend Zeit. Ihre Klamotten hatte sie schon rausgelegt, das würde gleich schnell gehen. Sie biss nochmal ganz genüsslich in ihr Schokobrötchen.

Doch Franziska wäre nicht Franziska, wenn sie nicht viel früher auftauchen würde, als sie angekündigt hatte. Punkt 8 Uhr klingelte sie. Marie hatte schon damit gerechnet und sie wusste auch wie Franziska reagieren würde, wenn sie ihr die Tür im Bademantel öffnete.

„Du bist ja noch nicht mal angezogen“, rief sie Marie schon im Treppenhaus entgegen.

„Keine Sorge, ich brauche keine fünf Minuten und außerdem bist du viel zu früh.“ Marie musste schmunzeln. „Ja ich weiß. Sorry, aber ich bin soaufgeregt. Was uns dort wohl heute erwartet? Ich kann es kaum abwarten. Ich dachte, wenn wir ein bisl früher da sind, bekommen wir die besten Plätze.“ Franzi sprach sehr schnell vor lauter Aufregung.

„Ich verstehe“, erwiderte Marie nüchtern, „ich ziehe mir eben was an und dann können wir los.“ Marie verstand Franziskas Aufregung nicht.

Was sollte man da schon erwarten? Dieser Surfbrett-Henning würde ihnen was erzählen und dann würde jeder nach Hause fahren und das war es auch schon.

„Bist du denn gar nicht aufgeregt?“ fragte Franzi ungläubig.

„Nein, ich bin nicht aufgeregt. Warum sollte ich auch?“ sagte Marie schon ein wenig belustigt von der Situation, denn Franziska vermittelte auf sie den Eindruck, als würde sonst was passieren in dem Seminar.

„Naja immerhin ist der Henning Dornhaupt in der Szene momentan der angesagteste Coach überhaupt in Deutschland. Er gibt demnächst sogar ein Seminar in den USA“, gab Franziska zur Antwort.

„Ja das kann ja sein meine liebe Franzi, aber der überaus hoch gelobte Henning Dornhaupt…weißt du was, der geht genauso aufs Klo wie du auch.“ Marie lachte laut los.

Ein bisschen beleidigt von dem, was Marie gesagt hatte, zischte Franziska nur: „Jetzt zieh dir mal was an, damit wir loskönnen!“

Marie bemerkte, dass sie zu weit gegangen war. Franziska war ein sehr sensibler Mensch und fühlte sich relativ schnell angegriffen. Dabei war das gar nicht beabsichtigt.

Sie fand es einfach lustig, wie Franziska diesen Henning als Supermann vergötterte.

„Ich zieh mich an und dann machen wir uns einen richtig schönen Tag. Wir schauen mal, was der Dornhaupt so kann“, milderte Marie die Situation wieder ab, ging ins Bad, in dem sie ihre Klamotten schon hingelegt hatte, zog sich an und als Marie zurück in die Küche gekommen war, war Franziska schon wieder bester Laune und stand mit den Autoschlüsseln wedelnd im Flur.

Marie fand die Situation immer noch zum Schmunzeln, riss sich aber für Franziska zusammen und lächelte sie an. „Na, dann mal los meine Beste. Auf einen wundervollen Tag.“

Franziska lächelte bis über beide Ohren, ging wortlos durch die Tür und schien fast zum Auto zu tanzen. Marie freute sich darüber, wie sehr Franziska dieses Seminar jetzt schon liebte und so verflog ihre Skepsis auch für einen kurzen Moment.

***

Wenig später standen Marie und Franziska im Foyer vom ´The Art Hotel`. Das Hotel war dafür bekannt, ein wenig alternativ zu sein. Deshalb fanden dort auch immer wieder spirituelle Seminare statt. Es dauerte allerdings nicht lange bis für Marie der Moment kam, in der die Skepsis sofort wieder angeknipst wurde. Henning Dornhaupt stand plötzlich vor ihnen. Mit seinen langen Haaren, der gebräunten Haut, der Surfer Mimik und vor allen Dingen in einem weißen Gewand, begrüßte er Franziska überschwänglich.

„Franzi, meine Liebe, ach wie schön, dass du mit dabei bist. Ich habe deine Energien schon seit Tagen wahrgenommen. Umso mehr freue ich mich jetzt mit dir hier zu stehen.“ Mit einer geschickten Drehung umarmte er Franziska, als wenn er sie verschlingen wollte.

Noch erstaunter war Marie allerdings von Franziskas Reaktion auf Dornhaupt.

„Henning“, quietschte sie, „ich habe mich auf dein Seminar so sehr gefreut und ganz besonders darauf, dich wieder zu sehen.“

Marie erkannte Franziska kaum wieder. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, wäre sie sich sicher gewesen, dass Franzi sich in den Dornhaupt verguckt hatte. Da Franzi aber eine absolut treue Seele und glücklich mit Felix war, schob Marie den Gedanken schnell wieder beiseite.

„Darf ich dir meine beste Freundin vorstellen, Henning?“ Franziska riss Marie wieder aus ihrer Gedankenwelt. „Das ist Marie. Sie freut sich auch schon sehr auf den Tag heute.“

„Oh, hallo Marie. Franzi hat mir schon einiges von dir erzählt. Ich freue mich wahnsinnig darauf dich kennenzulernen.“

Henning schaute Marie durchdringlich an.

Marie stockte für einen Moment der Atem. Franzi hatte dem Dornhaupt schon von ihr erzählt?

Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Irgendwie machte Marie das auch sauer. Doch wenn Marie eines konnte, dann war es die Haltung zu bewahren.

„Hallo Herr Dornhaupt, ich freue mich auch. Entschuldigen sie mich, ich muss mal kurz zur Toilette.“ Marie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand schnellen Schrittes.

Was sie jetzt brauchte, war ein wenig Wasser im Gesicht und Luft zum Durchatmen.

„Du kannst ruhig Hennig sagen“, hörte sie Dornhaupt noch rufen, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

Tief durchatmend stand Marie vor dem großen Spiegel. Am liebsten wäre sie jetzt sofort nach Hause gefahren. Dieser Dornhaupt, nee, der war so gar nicht ihr Ding. Sie verstand auch nicht, was Franzi an dem so toll fand.

Irgendwie schien sich der Eindruck, den er bei ihr im Internet hinterlassen hatte, nun zu bestätigen. Sie wollte Franzi jedoch nicht enttäuschen und außerdem hatte sie für den Seminartag auch 390 Euro bezahlt. Davon wollte sie wenigstens ein bisschen profitieren, selbst wenn es nur das Essen war, welches hier im Hotel wirklich gut sein sollte. Also atmete sie noch einmal tief ein und begab sich wieder ins Foyer, in dem sich mittlerweile wahnsinnig viele Menschen versammelt hatten. Als Franziska sie entdeckt hatte, lief sie auf sie zu, nahm sie an die Hand und zerrte sie in den großen Seminar-

saal.

„Henning hat uns ganz vorne Plätze freigehalten. Ist das nicht supernett von ihm? Komm lass uns hinsetzen.“ Franziska war richtig euphorisch und für einen kurzen Augenblick wünschte sich Marie fast, etwas von ihrer Euphorie zu spüren.

Doch blieb dafür kaum Zeit. Der Saal füllte sich innerhalb weniger Minuten. Überall unterhielten sich die Menschen, lachten, lobten Dornhaupts Arbeit und Marie überforderte das jetzt schon.

Sie versuchte, das Stimmengewirr um sie herum ein wenig auszublenden und konzentrierte sich auf den Seminarflyer, der auf jedem Stuhl ausgelegt war. Eines musste Marie zugeben. Die Flyer waren von einer hervorragenden Qualität. Sie hätte es nicht besser machen können. Sie war fasziniert von dem Design und der Aufmachung und Marie musste sogar zugeben, dass die Beschreibung des Seminares, sich mehr als interessant las. Vielleicht würde der Tag doch noch gut werden. Sie hoffte es sehr. Doch plötzlich wurde sie aus ihrer Gedankenwelt herauskatapultiert. Mit lauter Musik, die den ganzen Saal erfüllte, betrat Henning Dornhaupt die Bühne. Und es war seine Bühne! Daran gab es keinen Zweifel. Sein Publikum bejubelte ihn, klatschte, rief. Dornhaupt schien in dieser Szene echt ein Superstar zu sein. Marie hoffte, dass sich ihr erster Eindruck nicht bestätigen würde. Ganz im Gegenteil, sie dachte, wenn so viele Menschen ihn gut fanden, dann konnte der vielleicht wirklich was und so klatschte auch sie. Zwar nicht so überschwänglich wie Franzi neben ihr, die sich kaum auf ihrem Stuhl halten konnte, aber sie klatschte.

Als die Menge sich langsam beruhigt hatte, übernahm Dornhaupt.

„Meine Lieben, ich begrüße euch ganz, ganz herzlich heute hier zu eurem Selbstfindungsseminar. Ja, ihr habt richtig gehört. Es ist euer Seminar. Es ist ein Seminar mit dem Ziel, dass jeder von euch, ja und ich meine wirklich jeder von euch, heute Abend hier rausgeht und über sich hinausgewachsen ist. Das ist mein Versprechen an euch!“

Dornhaupt gab sein Bestes und die Menge jubelte.

Marie beobachtete die Menschen und wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte man glauben können, alle hätten vorher irgendwas eingenommen.

Abermals ermahnte sie sich innerlich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und lauschte weiterhin den Worten von Henning - Superstar - Dornhaupt.

„Erst einmal möchte ich dir die vielleicht wichtigste Frage des Tages stellen“, fuhr Henning fort. „Was hat dich dazu bewogen, zu glauben, dass du dich selbst finden musst?“

Marie verstand die Frage nicht. Sie hatte schon so oft darüber gehört und gelesen, dass man sich selbst finden musste und so. Doch blieb immer die Frage offen, wie man das denn anstellen sollte. Nun stellte Dornhaupt so eine Frage in den Raum. Sie hatte irgendwo die kleine Hoffnung gehabt, sie würde heute hier eine Antwort darauf finden, wie man sich denn verdammt nochmal selbst finden konnte. Antworten sollte er geben und keine Fragen stellen, die sie zusätzlich verunsicherten. Marie bemerkte, nicht zum ersten Mal an diesem Vormittag, ein leichtes Grummeln in der Magengegend. Doch bevor sie sich darauf konzentrieren konnte, sprach Henning weiter.

„Also versteht mich bitte nicht falsch. Es geht mir nicht darum euch zu verunsichern, es liegt mir wirklich am Herzen, dass es euch nach diesem Tag besser geht. Nun, warum habe ich euch diese Frage gestellt. Bestimmt nicht um in ganz viele verunsicherte Gesichter zu blicken.“

Er zwinkerte der Menge schelmisch zu, was die Masse lachen ließ.

„Geschickter Schachzug“, dachte Marie. Vielleicht würde der Tag ja doch noch gut werden. Marie war verwundert über ihre ganzen ambivalenten Gefühle, die sich in ihr ausbreiteten.