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Vor sechs Jahren trafen sie sich schon einmal - und waren froh, als sie sich nicht mehr sehen mussten. Nun sollen sie für einen Job das Traumpaar spielen ...
Ausgerechnet der! Das denkt FBI-Agentin Jessica Harlow, als sie für einen Undercover-Einsatz mit John Shepherd zusammenarbeiten muss. Während ihrer harten Ausbildung in Quantico waren die beiden Rivalen und haben sich gehasst. Doch um einen korrupten Politiker zu überführen, müssen sie nun als erfolgreiche Geschäftspartner auftreten. Und je näher sie sich kennenlernen, desto mehr stellen sie fest, wie schnell aus Abneigung Anziehung werden kann ..."Julie James schreibt köstliche Romane!" WASHINGTON POST
Band 7 der sexy und humorvollen Staatsanwälte-küsst-man-nicht-Reihe von New-York-Times-Bestseller-Autorin Julie James
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Seitenzahl: 517
JULIE JAMES
Von FÜR IMMER war nie die Rede
Roman
Ins Deutsche übertragen von Stephanie Pannen
Ausgerechnet der! Das denkt FBI-Agentin Jessica Harlow, als sie für einen Undercover-Einsatz mit John Shepherd zusammenarbeiten muss. Während ihrer harten Ausbildung in Quantico waren die beiden Rivalen und haben sich beinah gehasst. Doch um einen korrupten Politiker zu überführen, müssen sie nun Geschäftspartner spielen. Und je näher sie sich kennenlernen, desto mehr Gefühle entwickeln sich zwischen den beiden.
Für meine Großmütter,
Arline und Margaret
Drei Minuten, nachdem das Flugzeug von der Startbahn abgehoben hatte, wusste FBI-Agent John Shepherd, dass er verloren sein würde, wenn er nicht sofort handelte.
Neben John saß ein Mann Anfang vierzig, der einen Anzug und ein knallgrünes Hemd trug. »Mann, dieser Flug ist aber ganz schön vollgepackt.« Er streckte ihm seine Hand entgegen. »Steve Fox. Motivationstrainer, Leadership Consultant und gelegentlicher Autor. Das heißt, wenn ich mich dazu motivieren kann, etwas zu schreiben.« Er lachte über seinen eigenen Scherz. »Und warum reisen Sie in die Windy City? Geschäftlich oder zum Vergnügen?«
Yep. Steve mit dem knallgrünen Hemd redete gern.
Nicht dass es für John ungewöhnlich war, neben einem geschwätzigen Passagier zu sitzen. Er hatte akzeptiert, dass es sich in seinem Gewerbe um eine Art Berufsrisiko handelte. Gelegentlich bemerkte jemand die FBI-Marke, die an seinem Hosenbund hing – bewusst dort platziert, falls jemand ebenfalls die Glock 22 an seiner rechten Hüfte unter seinem Jackett sehen sollte – denn das warf unweigerlich Fragen auf.
FBI? Cool! Beschatten Sie jemanden hier in diesem Flugzeug? Den Kerl auf 10C? Es ist der Kerl auf 10C, oder? Er war ganz schön schnippisch, als die Stewardess ihm mit seinem Handgepäck helfen wollte. Das haben Sie gesehen, oder? Oh, denken Sie, dass er da Drogen drin hat? Oder was Schlimmeres? Oh mein Gott, es ist aber keine Bombe, oder? Puh. Ein FBI-Agent also … wie ist das so?
Aber heute Abend hatte John gehofft, dass er nach einer fast achtmonatigen verdeckten Ermittlung ein paar ruhige Minuten haben würde, um ein wenig abzuschalten, bevor das Flugzeug in Chicago landete.
Außerdem brauchte er ein wenig Zeit, um darüber nachzudenken, wie er die Sache mit seiner Freundin Alicia wieder auf Kurs bringen konnte.
»Ich wohne in Chicago«, beantwortete er Steves Frage. Dann nahm er seinen Kopfhörer aus der Aktentasche, stöpselte sie in die Armlehne ein und lächelte entschuldigend. »Ich habe ein bisschen Flugangst. Es hilft mir, wenn ich der Flugkontrolle zuhöre.« Die Lüge ging ihm leicht über die Lippen – als verdeckter Ermittler war er äußerst geübt in der Kunst, anderen irgendeinen Schwachsinn zu erzählen.
»Wissen Sie, was noch gut dagegen hilft?« Steve grinste. »Wodka. Viel davon.« Er ging zu einem anderen Thema über, als er seinen Kopf drehte und die Frau musterte, die auf der anderen Seite vom Gang saß. Sie hatte ihren E-Reader in der Hand und warf ihm einen unmissverständlichen Blick zu, der besagte: Denk nicht mal dran, Kumpel.
Steve seufzte resigniert und kramte seinen Laptop hervor.
Nachdem der Schwätzer erfolgreich abgewürgt worden war, wandte sich John zum Fenster und sah zu, wie die hellen Lichter von Detroit in der Ferne verblassten. Wenn er Glück hatte, war es für lange Zeit das letzte Mal, dass er diese Stadt zu sehen bekommen würde – hoffentlich erst dann, wenn er vor Gericht über seine Ermittlung ausgesagt hatte. Nicht dass er etwas gegen Detroit hatte. Tatsächlich hatte er sogar drei Jahre dort gelebt, als er nach seinem Abschluss an der FBI-Akademie in Quantico eine Stelle in der Außenstelle Detroit bekommen hatte.
Eigentlich hatte John gar nicht vorgehabt, für das FBI zu arbeiten. Um genau zu sein, hatte er lange überhaupt keinen Karriereplan gehabt. Nach seinem Abschluss an der Universität von Wisconsin war er in die Armee eingetreten – nicht nur, um seinen Studienkredit abzubezahlen, sondern auch, um sich ein wenig mehr Zeit zu verschaffen, um zu überlegen, was er mit seinem Leben machen wollte.
Wie sich herausstellte, war es die beste Entscheidung gewesen, die er hätte treffen können.
Das Leben beim Militär hatte zu ihm gepasst. Er war immer schon ziemlich sportlich gewesen und das hatte ihm bei den körperlichen Herausforderungen eines Berufssoldaten geholfen. Doch in der Armee zu sein, erforderte auch mentale Stärke, Entschlossenheit und Disziplin. Also hatte er sich stärker angestrengt als jemals zuvor, und nach der Grundausbildung und der individuellen Weiterbildung hatte er die Luftlandeschule drangehängt und sich dann freiwillig für das RASP, das Ranger-Programm, gemeldet.
Acht Wochen später war er voller Stolz Mitglied im 75th Ranger Regiment geworden. Und es war in Fort Benning gewesen, wo sein Bataillon stationiert gewesen war, dass ihn Sean Piser, ein Anwerber des FBI-Geiselrettungsteams, kontaktiert hatte.
»Wir sind die einzige Vollzeit-Antiterroreinheit des Bundes«, hatte ihm Piser gesagt, als sie sich in einer Bar auf der Basis getroffen hatten. »Unser Team kann innerhalb von vier Stunden bei jeder Geiselnahme, jeder größeren kriminellen Bedrohung und jedem terroristischen Zwischenfall überall in den Staaten sein. Unser Motto lautet Servare Vitas, was ›Leben retten‹ bedeutet – und genau das tun wir. Und wir sind knallhart.«
John, der in seinem Kampfanzug in der Bar gesessen hatte, war zugegebenermaßen ziemlich anmaßend gewesen. »Bei allem Respekt, Sir, ich bin ein Ranger. Wenn es mein Ziel gewesen wäre, meinem Lebenslauf ›knallhart‹ hinzuzufügen, hätte ich das wohl inzwischen erreicht.«
Piser hatte ihn schräg angesehen. »Ich habe gehört, dass Sie erwägen, in die Strafverfolgung zu wechseln, wenn Sie Ihren Einsatz diesen Sommer beendet haben.« Nun war er es, der anmaßend klang. »Wir sind das FBI, Shepherd. Sie wollen beruflich böse Jungs fangen? Da sind wir die verdammte Königsklasse. Also sollten Sie sich vielleicht anhören, was ich zu sagen habe.«
Eine Durchsage aus dem Cockpit riss John aus seinen Gedanken.
»Guten Abend, meine Damen und Herren. Im Namen der Besatzung heißen wir Sie an Bord willkommen. Wie es aussieht, wird es ein ruhiger Flug nach Chicago, mit einer pünktlichen Ankunft um zweiundzwanzig Uhr zwanzig.«
John warf einen Blick auf seine Uhr. Sie würden in einer halben Stunde landen, was bedeutete, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, um die Logistik seiner aktuellen Mission zu klären: Operation Schönwetter.
Es war nur ein Arbeitstitel.
Eigentlich hatte er vorgehabt, erst morgen nach Hause zu kommen, da ein paar Agenten der Außenstelle Detroit das Ende der Ermittlung mit ein paar Drinks feiern wollten – einer Ermittlung, die zur Verhaftung von siebenundzwanzig Verdächtigen geführt hatte, einschließlich eines Staatssenators. Aber vor zwei Tagen, als er das letzte Mal mit Alicia telefoniert hatte, war sie ihm ungewohnt kühl vorgekommen. Eigentlich hatte sie schon den ganzen letzten Monat kühl gewirkt, doch bei ihrer letzten Unterhaltung ganz besonders. Also hatte er entschieden, einen früheren Flug zu nehmen und sie zu überraschen, um wieder ihre Gunst zu gewinnen.
Natürlich war er sich darüber im Klaren gewesen, dass Alicia über die vielen Reisen, die er als Teil der Ermittlung absolvieren musste, nicht gerade begeistert war. Und er konnte es verstehen, denn er war in letzter Zeit wirklich viel fort gewesen. Offiziell arbeitete er jetzt in der Außenstelle Chicago, nachdem er sich vor zwei Jahren aufgrund der Lungenkrebserkrankung seiner Mutter in seine Heimatstadt hatte versetzen lassen. Aber er war nach Detroit zurückbeordert worden, um eine seiner früheren Tarnidentitäten wiederaufleben zu lassen. Sie hatte zu einer großangelegten verdeckten Ermittlung gehört, um eine kriminelle Vereinigung auffliegen zu lassen, die mit Geldwäsche, Drogen- und Waffenhandel sowie Auftragsmorden zu tun hatte. Auch wenn es auf dem Papier nur ein Teilzeitauftrag gewesen war, hatte er die letzten acht Monate zwischen zwei bis fünf Tage die Woche in Detroit verbracht.
Der Job selbst war interessant – er arbeitete nun seit drei Jahren als verdeckter Ermittler und liebte die Herausforderung neuer Rollen sowie den Adrenalinrausch, wenn er wusste, dass er etwas gegen die bösen Jungs in die Hand bekommen hatte. Aber was Beziehungen anging, war es natürlich keine ideale Situation.
Er war gegenüber Alicia immer ehrlich gewesen, was seinen Lebensstil anging. Und als er die verdeckte Ermittlung in Detroit übernommen hatte, war sie wegen der Situation wirklich großartig gewesen. Wenn er nicht in der Stadt gewesen war, hatten sie sich ein paarmal am Tag geschrieben, jeden Abend telefoniert und heißen Wiedersehenssex gehabt, sobald er durch die Tür ihrer Wohnung gekommen war. Aber als deutlich wurde, dass seine Reisen in absehbarer Zeit nicht weniger werden würden, hatte sich Alicias Begeisterung darüber, einen »Teilzeitfreund« zu haben, wie sie es mal genannt hatte, merklich abgekühlt.
»Es wird nicht mehr allzu lange dauern. Dann bin ich so viel daheim, dass du nach Möglichkeiten suchen wirst, mich loszuwerden«, hatte John gescherzt. Er hatte versucht, die Unterhaltung unbeschwert zu halten, trotz seines Frusts darüber, dass sie das Thema schon wieder angeschnitten hatte. Er hatte gerade sein unter falschem Namen gemietetes Apartment verlassen wollen, um sich mit einem Typen zu treffen, der ihm nicht nur illegale Schusswaffen verkaufen würde, sondern auch angedeutet hatte, gegen eine Gebühr einen Auftragsmord übernehmen zu wollen. Die Verbrecher, mit denen er zu tun hatte, waren bewaffnet und zweifellos gefährlich, und da er sie mit jedem Wort, das aus seinem Mund kam, anlog, war es sehr wichtig, dass er voll konzentriert blieb.
»Ja klar. Wie oft habe ich das dieses Jahr schon gehört?«, hatte Alicia sarkastisch gefragt.
Er hatte ein paar harte Tage und lange Nächte gehabt und eigentlich nur die Stimme seiner Freundin hören wollen, ohne immer wieder den gleichen verdammten Streit austragen zu müssen. »Ich kann mich jetzt gerade nicht darum kümmern, Alicia«, hatte er schroff erwidert.
»Meinetwegen. Nicht dass es für dich eine Rolle spielen würde, aber ich werde dieses Wochenende wahrscheinlich nicht viel da sein, falls du mich anrufen willst«, hatte sie gesagt. »Am Freitag ist so eine Arbeitssache, und am nächsten Tag gehe ich mit Beth und Mia aus.«
In seiner Enttäuschung hatte John ihr gesagt, was sie hören wollte, und dass er nicht erwarte, dass sie wegen ihm das ganze Wochenende am Telefon saß.
Zwei Tage später hatten sie erneut miteinander telefoniert, sich gegenseitig entschuldigt und den Streit hinter sich gelassen. Doch seitdem war es irgendwie nicht mehr das Gleiche gewesen.
Jetzt, wo er wieder in der Stadt war, würde sich das ändern. Keine Fernbeziehung, kein Teilzeitfreund mehr. Ab jetzt würde er in Chicago bleiben und sie konnten an den Punkt zurückkehren, an dem sie vor acht Monaten gewesen waren, als es sich bei ihnen noch um ein ganz normales Paar gehandelt hatte, das normale Paardinge tat, wie jeden Abend nach Hause zu kommen und sich Geschichten von der Arbeit zu erzählen, ohne die ganze Zeit im Hinterkopf zu haben, dass er am Sonntagabend wieder wegmusste.
Nachdem das Flugzeug in O’Hare gelandet war, kaufte John an einem Kiosk neben der Gepäckausgabe einen Strauß frischer Blumen. Dies war Phase eins seiner Mission: Operation Tut Mir Leid Dass Ich So Lange Weg War (Aber Das Hast Du Gewusst, Seit Wir Zusammengekommen Sind).
Immer noch ein Arbeitstitel.
Dann kam ihm eine bessere Idee. Im Taxi auf dem Heimweg vom Flughafen bat er den Fahrer, vor Sweet Mandy B’s Bakery zu halten, wo er hineinrannte und ein halbes Dutzend von Alicias Lieblingscupcakes kaufte.
Es war nach dreiundzwanzig Uhr, als ihn das Taxi mit Blumen und Schokolade bewaffnet zu Hause absetzte. Alicia und er waren vor einem Jahr zusammengezogen, in eine kleine Wohnung in einer ruhigen Anliegerstraße. Damals hätte sie am liebsten etwas mit ihm gekauft, aber das war ihm noch zu früh gewesen.
Doch jetzt, dachte er, war es vielleicht an der Zeit, diese Idee neu zu überdenken. Es war nicht leicht, mit einem Kerl wie ihm in einer Beziehung zu sein, einem verdeckten Ermittler, der immer eine Reisetasche gepackt hatte und potenziell ohne Vorwarnung in einen anderen Bundesstaat oder sogar ein anderes Land reisen musste. Und doch war Alicia trotz aller Höhen und Tiefen der vergangenen acht Monate bei ihm geblieben.
John schloss die Tür zu ihrer Wohnung auf und sah, dass kein Licht brannte. Er nahm an, dass sie bereits ins Bett gegangen war, also ließ er sein Gepäck an der Tür stehen und stellte die Blumen und die Cupcakes leise auf den Küchentresen, gefolgt von seiner Glock. Er zog sich seine Krawatte aus und ging den Flur entlang, weil er vorhatte, zu ihr ins Bett zu schlüpfen und sie so zu überraschen. Er stellte sie sich beide nackt und ineinander verschlungen vor, und schnell wurden seine Gedanken ziemlich eindeutig, da sie seit fast einem Monat keinen Sex mehr gehabt hatten.
Als ihm die Realität dieses Gedankens bewusst wurde, hielt er vor dem Schlafzimmer inne und runzelte die Stirn.
War es wirklich schon einen Monat her, seit sie das letzte Mal miteinander geschlafen hatten? Innerlich rechnete er nach, um herauszufinden, ob das stimmen konnte.
Da hörte er Alicia im Schlafzimmer stöhnen.
Er erstarrte, denn er kannte dieses besondere Stöhnen, die leisen sinnlichen Geräusche, die sie beim Sex machte. Und einen Moment lang redete er sich ein, dass sie nur einen Vibrator benutzte.
Doch dann schloss sich eine weitere, eine männliche Stimme dem Stöhnchor an.
Scheiße.
John schluckte den Schmerz herunter und betrat mit verschränkten Armen das Schlafzimmer.
Da war Alicia in ihrem Bett, nackt im Mondlicht, und ritt einen Typen, der seine Hände auf ihre Hüften gelegt hatte, um sie zu führen.
»Genau so, Baby. Gleich werde ich so hart in dir kommen«, stöhnte der Mann.
»Ja, lass dich bloß nicht von mir stören, Baby«, sagte John trocken.
Alicia kreischte überrascht auf und sprang von ihrem Liebhaber herunter. »John! Oh mein Gott, was machst du denn hier?«
Der Kerl richtete sich mit schwingendem Schwanz auf, um sich mit dem Laken zu bedecken. Sein Gesichtsausdruck wirkte zerknirscht. »John – oh, Scheiße.«
Nein.
John trat einen Schritt in den Raum und starrte grimmig in die Augen des Manns, der seine Freundin in seinem Bett vögelte. Ein Mann, der immer schon auf langbeinige Brünette wie Alicia gestanden hatte.
Ein Fakt, der John wohl bewusst war, weil er diesen Mann bis vor zwei Sekunden als guten Freund betrachtet hatte.
»Rob«, sagte er, und war in gewisser Hinsicht immer noch nicht in der Lage, es zu glauben, egal was er mit seinen eigenen Augen sah. Rob und er kannten sich seit vielen Jahren, seit sie im College zusammen mit zwei anderen Typen in einer Studentenbude gehaust und legendäre Partys geschmissen hatten. Tatsächlich waren Rob und er erst vor zwei Wochen etwas trinken gegangen, als John übers Wochenende nach Hause gekommen war. Rob hatte gefragt, wie es mit Alicia lief, und John hatte zugegeben, dass es momentan ein bisschen schwierig war. Er hatte sich dem Kerl anvertraut und hätte niemals vermutet, dass sein Kumpel die Frage mit einem Hintergedanken gestellt hatte. Nie hätte er zu träumen gewagt, dass der Freund, mit dem er sprach, bereits wusste, wie es mit Alicia lief, weil dieser Freund hinter seinem Rücken mit ihr vögelte.
»Verschwinde«, sagte er zu Rob.
Alicia heulte und stand nackt zwischen Rob und ihm. »Es tut mir leid.«
John konnte sie nicht mal ansehen.
»Wir wollten es dir sagen«, erwiderte Rob. »Aber Lucas und Matt meinten, dass es unfair wäre, dich zu informieren, solange du mitten in einer verdeckten Ermittlung steckst. Also haben wir entschieden, bis zu deiner Rückkehr zu warten.«
John blinzelte, und diese neue Information ließ ihn innerlich erstarren. Lucas und Matt gehörten zum gleichen Freundeskreis wie Rob und er. Sie wussten, dass Rob mit Alicia schlief? Und sie hatten ihm nichts davon erzählt?
Diese Scheiße wurde mit jeder Sekunde schlimmer.
»Ich hab gesagt, du sollst verschwinden«, knurrte er.
Rob stand noch immer zerknirscht da, dann nickte er. Schweigend sammelte er seine Kleidung vom Boden auf, warf Alicia einen kurzen Blick zu und verließ dann das Schlafzimmer.
John blieb ruhig und wartete, bis er hörte, wie die Wohnungstür geschlossen wurde. Als er sich umdrehte, sah er, dass sich Alicia ein blaues T-Shirt und einen Slip übergezogen hatte. Es war ihr Lieblings-Schlafshirt, das er sie öfter hatte tragen sehen, als er zählen konnte.
Nun konnte er nur noch Rob sehen, der es ihr auszog, während sie sich ins Bett fallen ließen.
»John, es tut mir so, so leid. Ich habe nie gewollt, dass so was passiert.« Sie streckte ihren Arm nach ihm aus.
Er wich zurück. »Nicht.«
Sie ließ ihre Hand sinken. Er sah sie einen langen Moment an und versuchte das überwältigende Gefühl von Verrat unter Kontrolle zu bekommen, das er fühlte. »Wir lange geht das schon?«
Sie wischte sich Tränen aus den Augen. »Seit zwei Monaten. Wir beide haben uns gestritten und ich bin am nächsten Abend mit Beth und Mia ausgegangen. In der Bar haben wir Rob getroffen und wir beide haben uns unterhalten. Zuerst über dich und mich, und dann, keine Ahnung … ist es einfach passiert. Es sollte eigentlich nur eine einmalige Sache sein, aber …« Ihre Stimme verlief sich.
Da hatte er mit einer Sache wohl recht gehabt – seit diesem Abend hatte sich zwischen Alicia und ihm etwas geändert.
Da er nichts mehr zu sagen hatte, ging er an seinen Schrank, um die Reisetasche herauszuholen, die er für die Arbeit immer gepackt hatte. Damit, dem Koffer und der Aktentasche, die noch an der Wohnungstür standen, hatte er genug, um die nächsten paar Tage zu überbrücken.
»Ich komme am Montagmorgen vorbei, um den Rest meiner Sachen abzuholen.« Er ging aus dem Schlafzimmer. »Sorge dafür, dass du woanders bist.«
»John, wenn du mich einfach mal …«
»Ich will dich hier nicht!«, brüllte er und wirbelte in der Tür herum. »Ich kann dich nicht mal an-« Er stockte und schüttelte den Kopf.
Zwischen ihnen breitete sich Schweigen aus.
»Es tut mir leid«, flüsterte Alicia.
Sicher. Diesen Teil hatte er schon gehört.
Auf dem Weg zu einem Hotel entschied John, einen kleinen Boxenstopp einzulegen. Er fuhr zum Haus seines Freundes Wes in Lakeview und ließ seinen Wagen im Halteverbot stehen.
Sollte heute mal einer versuchen, ihm einen Strafzettel zu verpassen.
Er stieg die Stufen zur Haustür hinauf und klopfte. Ihm war klar, dass Mitternacht für einen unangekündigten Besuch ziemlich spät war, aber in diesem Moment war es ihm völlig egal.
»Wusstest du es?«, fragte er, sobald Wes die Tür geöffnet hatte.
Sein Freund, der eine Jeans und kein T-Shirt trug, sah ihn fragend an. »Wusste ich was?«
»Das Alicia seit zwei Monaten mit Rob schläft.«
Wes riss die Augen auf. »Was? Du verarschst mich.«
»Ich weiß bereits, dass Matt und Lucas eingeweiht waren.« Nachdem er diesen Köder ausgeworfen hatte, suchte John das Gesicht und die Körpersprache des anderen Mannes nach Hinweisen darauf ab, dass er etwas zu verbergen hatte. Seine FBI-Ausbildung hatte ihm zugegebenermaßen in letzter Zeit nicht viel genützt, um Täuschungen zu erkennen, aber von all den Jungs, mit denen er abhing, betrachtete er Wes als seinen besten Freund. Und nach allem, was heute Abend passiert war, musste er einfach wissen, ob das immer noch der Fall war.
Wes hob abwehrend seine Hände. »John, ich schwöre, dass ich von nichts wusste.«
Nach einem langen Moment nickte John. Dann atmete er aus und strich sich übers Kinn. »Okay. Sorry.«
Wes zog die Tür weiter auf. »Komm rein. Claire ist oben, aber ich sage ihr einfach …«
John hob seine Hand. »Nein, danke, schon gut. Ich muss weiter.«
»John. Komm schon.«
John zwang sich zu einem verlegenen Lächeln. »Sag Claire, dass es mir leidtut, so spät gestört zu haben.« Er drehte sich um und ging zu seinem Auto zurück, ignorierte, wie Wes seinen Namen rief, und stieg ein. Er hielt erneut an einem Kiosk und kaufte eine Flasche billigen Bourbon, dann checkte er in einem Boardinghouse im Norden der Stadt ein. Das Zimmer hatte eine Kochnische und es gab Zugang zu einer Waschmaschine sowie einem Trockner, was die Zeit überbrücken würde, bis er eine neue Wohnung gefunden hatte.
Nüchtern überlegte er, was die Etikette in Fällen wie diesem vorschrieb, ob von ihm erwartet wurde, seine Hälfte der Miete weiterzubezahlen, bis der Vertrag in drei Monaten endete.
Liebe Kummerkastentante, als ich letztens spät nach Hause kam, befand sich meine Freundin gerade auf einem Mondscheinritt auf dem Schwanz meines Kumpels …
Nachdem er die paar Sachen ausgepackt hatte, die er bei sich hatte, öffnete er die Flasche Bourbon. Dann setzte er sich auf den Balkon mit Aussicht auf die nächtliche Skyline der Stadt und goss sich den ersten von vielen Kurzen ein, die er diese Nacht eingeplant hatte.
Er schaute aufs Glas und überlegte, wie er noch vor zwei Stunden der Idiot gewesen war, der Blumen und Cupcakes für die Frau gekauft hatte, die sich wahrscheinlich genau in diesem Moment mit ihrem Lover ausgezogen hatte. Seinem Kumpel.
»Darauf trinke ich«, murmelte er.
Er schloss die Augen, kippte den Kurzen herunter und genoss das Brennen des Bourbons in seiner Kehle.
Am nächsten Morgen erwachte er mit einem teuflischen Kater und einem Dutzend Anrufe auf seiner Mailbox. Mehrere von Alicia und Rob, die er sofort löschte, zwei von Wes, der wissen wollte, wie es ihm ging, und jeweils einen von Matt und Lucas, die offensichtlich vorgewarnt worden waren, und jetzt versuchten, Schadensbegrenzung zu betreiben.
»Shep, wir müssen reden. Ich hab wegen dir und Rob einfach zwischen allen Stühlen gesessen – was hätte ich denn machen sollen?«, fragte Matt in seiner Nachricht.
Lass mal überlegen, Arschloch: Vielleicht Partei für den Kerl ergreifen, der nicht die Freundin eines anderen fickt.
»Shep, hör zu. Ich weiß, was du jetzt denken musst«, begann Lucas. »Aber ich habe Rob und Alicia gesagt, dass ich es dir selbst erzählen werde, wenn sie es nicht direkt nach dem Ende deiner verdeckten Ermittlung machen. Ich meine, woher sollte ich wissen, dass du sie in flagranti erwischen würdest. Mann, das muss echt scheiße gewesen sein.«
Was du nicht sagst, Arschloch. John drückte erneut auf Löschen und stellte sein Handy auf »Nicht stören«, während er ins Badezimmer ging, um zu duschen.
Das heiße Wasser half ihm, den Alkohol zu vertreiben und einen klaren Kopf zu bekommen, aber der bittere Geschmack in seinem Mund blieb. Natürlich musste er immer wieder daran denken, wie er Alicia und Rob erwischt hatte. Aber da war noch etwas anderes, das ihn die ganze Nacht lang wach gehalten hatte, etwas, das ihn genauso beunruhigte wie der Schock darüber, seine Freundin und seinen Kumpel zusammen im Bett erwischt zu haben.
Er hätte das niemals vermutet.
Er war FBI-Agent. Er war auf verdeckte Ermittlungen spezialisiert. Es war sein Job, Dinge zu bemerken, die andere übersahen, auf verdächtiges Verhalten zu achten und genau zu wissen, wenn jemand etwas verbarg. Und doch war es vier Leuten, vier vollkommen normalen Leuten gelungen, ihn im Dunkeln tappen zu lassen, trotz der einundzwanzig Wochen Ausbildung in Quantico und den zusätzlichen drei Wochen Training, die er absolviert hatte, um sich auf Undercoverarbeit zu spezialisieren, – ganz zu schweigen von über fünf Jahren Berufserfahrung.
Er lenkte seine Wut und seinen Frust in einen Fünfzehn-Meilen-Lauf um den See, dann verbrachte er den Rest des Tages damit, nach einer neuen Wohnung zu suchen. Am Montagmorgen kehrte er in das Apartment zurück, das er sich mit Alicia teilte – geteilt hatte –, und packte sein Zeug zusammen. Sie hatte einen Brief für ihn auf den Küchentresen gelegt, den er geflissentlich ignorierte. Den ungeöffneten Umschlag benutzte er, um ihr zu schreiben, dass Wes und er am Freitagmorgen wiederkommen würden, um seine Hälfte der Möbel mitzunehmen, während sie bei der Arbeit war.
Er parkte seinen mit Kisten vollgestopften Wagen am FBI-Gebäude und nickte den Sicherheitsleuten zu, als er durch die Metalldetektoren ging. Seine Abteilung, Organisiertes Verbrechen, befand sich im fünften Stock, und auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz wurde er von mehreren seiner Kollegen begrüßt, die ihm zu den Verhaftungen in Detroit gratulierten.
»Hab gehört, du hast dir auch einen Senator gekrallt. Hast du jetzt auch noch eine Nebenbeschäftigung bei der Wirtschaftskriminalität?«, scherzte Ryan, einer seiner Kollegen.
»Ich dachte mir, dass die ein bisschen Hilfe gebrauchen könnten«, schoss John zurück und setzte sich in seinen Bürosessel.
Den Rest des Tages holte er Schreibtischarbeit auf und achtete dabei genau darauf, sich gegenüber seinen Kollegen nichts anmerken zu lassen. Er mochte der Idiot sein, der seine Freundin beim Sex mit seinem Kumpel erwischt hatte, aber er würde verdammt sein, wenn er das seine Mitagenten wissen lassen würde.
Auf dem Weg zurück zum Hotel holte er sich etwas zum Mitnehmen und zappte durch die Kanäle, während er auf dem Sofa saß und aß. Als er nichts fand, was ihn interessierte, schaltete er den Fernseher aus.
Das Hotelzimmer wurde still.
Er fühlte sich ruhelos. Unbehaglich. Das passierte einem Agenten manchmal, nachdem er eine langfristige verdeckte Ermittlung beendet hatte. Es dauerte ein paar Tage, manchmal sogar Wochen, bevor einem das Zuhause wieder wie das Zuhause vorkam.
Gerade als er einen Blick auf den Stapel unausgepackter Kisten warf, in denen sich all seine Sachen befanden, summte sein Handy. Er hatte eine neue E-Mail bekommen. Er sah nach und stellte fest, dass sie von Sean Piser war, dem Rekrutierer, der ihn vor sechs Jahren in Fort Benning kontaktiert hatte. Sie waren in Verbindung geblieben, schickten sich ein paarmal im Jahr E-Mails, und er wusste, dass ihn Piser im Auge behalten hatte, seit John beim FBI angefangen hatte.
Wie er Piser kannte, wahrscheinlich zwei Augen.
Die Auswahl beginnt in einer Woche. Habe Ihnen einen freien Platz gesichert, Shepherd.
Natürlich … es war mal wieder so weit. John war dermaßen mit der Ermittlung in Detroit beschäftigt gewesen, dass er alles andere darüber vergessen hatte.
Jedes Jahr hielt das FBI in Quantico ein zweiwöchiges Auswahlverfahren für Agenten ab, die sich für das Geiselrettungsteam qualifizieren wollten. Normalerweise mussten die Kandidaten mindestens drei Jahre aktiven Dienst auf dem Buckel haben, um mitmachen zu können, aber weil John direkt von den Rangers rekrutiert worden war, hatte er sich nach nur zwei Jahren bewerben dürfen.
Und das war tatsächlich auch sein ursprünglicher Plan gewesen – seine Zeit im Einsatz hinter sich zu bringen und sich dann so schnell wie möglich für das Geiselrettungsteam zu bewerben. Mit der taktischen Erfahrung, die er beim Militär gesammelt hatte, wurde diese Laufbahn praktisch von ihm erwartet. Aber sobald er seine eigenen Fälle bekommen und besonders seit er mit den verdeckten Ermittlungen begonnen hatte, war ihm bewusst geworden, dass er die ermittelnde Seite des Berufs sehr genoss. Also hatte er seine Bewerbung für das Geiselrettungsteam auf das Jahr darauf verschoben. Aus diesem einen Jahr waren schnell zwei geworden, dann war seine Mutter erkrankt und er nach Chicago zurückversetzt worden. Kurz darauf hatte er Alicia getroffen, es war schnell ziemlich ernst mit ihnen geworden, und da er für das Auswahlverfahren ins Hauptquartier nach Quantico, Virginia, hätte umziehen müssen, hatte er noch länger gewartet.
Aber nun war seine Situation eine andere. Nachdem er seine Freundin, seine Wohnung und drei seiner Freunde in nur drei Tagen verloren hatte, würde er wahrscheinlich nie weniger an Chicago gebunden sein als jetzt. Natürlich würde er seinen Vater und seinen Bruder vermissen, wenn er nach Virginia ziehen müsste. Aber es gab einen Grund, warum Piser ihn rekrutiert und die letzten Jahre an ihm drangeblieben war. Und dieser Grund war einfach, denn er hielt John für gut genug, sich seinem Team anzuschließen.
Vielleicht war es an der Zeit, Piser endlich zu beweisen, dass er damit richtig lag.
John verbrachte die nächsten zwei Tage damit, seine Entscheidung abzuwägen. Als er Piser schließlich antwortete und schrieb, dass er am Auswahlverfahren teilnehmen würde, fühlte er sich gut. Er war richtiggehend euphorisiert.
Das Leben hatte ihm in der Woche zuvor einen ziemlichen Querschläger verpasst.
Aber nun würde er diesen Mistkerl in einen Volltreffer verwandeln.
Drei Wochen später
Special Agent Jessica Harlow wartete, während der Sicherheitsbedienstete ihren FBI-Ausweis kontrollierte und ihr Gesicht mit dem Foto verglich. »Das scheint mir zu passen«, sagte der Mann mit einem freundlichen Grinsen. »Willkommen in Chicago, Agent Harlow.«
Jessica erwiderte das Lächeln und steckte die Hülle, in der sich ihr Ausweis befand, wieder in ihre Aktentasche zurück. »Danke sehr.« Sie warf einen Blick auf das Namensschild des Sicherheitsmitarbeiters und merkte sich seinen Namen. Roger. »Wo finde ich das Büro des Außenstellenleiters?«
»Zwölfter Stock. Am Ende des Gangs.«
Nachdem sie durch die Metalldetektoren gegangen war und den Eingangsbereich verlassen hatte, folgte Jessica einem breiten gewundenen Gehweg zum Haupteingang des FBI-Hauptquartiers von Chicago, einem beeindruckenden Gebäude aus Glas und Stahl unweit des Stadtzentrums. Der aus drei Teilen bestehende Komplex – der größte von allen Außenfilialen – war abgeschirmt von der Öffentlichkeit und umgeben von grünen Alleen und Bäumen.
Als sie das Gebäude betrat, atmete sie aus und war … eigentlich nicht nervös. Schließlich war Chicago ihre Heimatstadt, und nachdem sie die letzten sechs Jahre in Los Angeles gearbeitet hatte, fühlte es sich gut an, wieder zurück zu sein. Doch beruflich gesehen war sie die Neue.
In L. A. hatte sie viele ihrer Kollegen als Freunde betrachtet und sowohl mit ihrem Teamleiter als auch dem leitenden Special Agent dort ein gutes Verhältnis gehabt. Hier jedoch hatten ihre Kollegen und Vorgesetzten keine Ahnung, was sie von ihr erwarten konnten und umgekehrt. In gewisser Hinsicht fing sie vollkommen neu an.
Eine Art durchgehendes Thema für sie in diesem Jahr.
Sie war an den Aufzügen angelangt, wo bereits zwei Männer warteten – Agenten, wie sie aufgrund ihrer Kleidung schätzte. Der kleinere Mann, ein Afroamerikaner, dem sein maßgeschneiderter Anzug wie angegossen passte, hatte eine ausdrucksvolle Gestik, während er sprach.
»Ich habe doch nur gefragt, ob wir wirklich den variablen Aufsatz brauchen, wenn wir bereits die für langsamen, mittleren und schnellen Nahrungsfluss haben? Ist das nicht nur eine Kombination aller Flaschenaufsätze, die wir bereits ausgesucht haben?«
Der größere Mann mit heller Haut, dunklen Haaren und dunklen Augen grinste. »Wie ist diese Frage bei Rae denn angekommen?«
»Nicht besonders gut.«
»Weil man als Mann bei Babies’R’Us keine Fragen stellt«, erwiderte der größere Mann. »Lass es dir von jemandem sagen, der sich damit auskennt. Du schiebst den Wagen, du hebst die schweren Dinge, und immer wenn sie dich um deine Meinung bittest, legst du einfach deinen Kopf schief, wartest einen Moment und deutest auf das Gelbe.«
Jessica unterdrückte ein Lächeln, als die Aufzugtüren aufsprangen. Männer.
Der größere Mann hielt die Tür für sie auf und sie nickte ihm beim Hineintreten zu.
»Erster Tag?«, fragte der Kleinere.
»Ist es so offensichtlich?«, gab Jessica freundlich zurück, während sie auf den Knopf für das zwölfte Stockwerk drückte.
»Ich habe zufällig gehört, wie Sie vorhin mit Roger gesprochen haben.« Der Schwarze streckte ihr seine Hand entgegen. »Sam Wilkins. Und das hier ist Jack Pallas. Wir sind beide Abteilung Gewaltverbrechen.«
»Jessica Harlow. Korruption im öffentlichen Dienst.«
»Das ist eine gute Truppe«, sagte Jack. »Lauter talentierte Agents. Zum Beispiel Seth Huxley.« Er wandte sich an seinen Partner. »Sam, du kennst doch Huxley, oder?«
»Wir sind miteinander bekannt.« Sams Stimme klang ein wenig kühl.
»Sam und Huxley haben einen kleinen Konkurrenzkampf laufen«, erklärte Jack Jessica. »Ich glaube, beide hatten mal den gleichen Tausend-Dollar-Anzug an und von da an ist die Sache zunehmend außer Kontrolle geraten.«
»So etwas erzählst du den Leuten zehn Sekunden nachdem sie mich kennengelernt haben?« Sam schüttelte genervt den Kopf und wandte sich an Jessica. »Huxley ist ein guter Agent. Er erzählt nur gerne Unsinn darüber, dass Harvard die beste juristische Fakultät hätte.«
»Sam hier ist ein Yale-Mann«, erklärte Jack.
»Natürlich.« Sam warf ihr ein Lächeln zu, das deutlich machte, wie stolz er auf diese Tatsache war.
»Verstanden.« Jessica überlegte kurz. »Na, dann hat dieser Agent Huxley offensichtlich keine Ahnung, wovon er redet.«
Sam nickte zufrieden, als der Aufzug sein und Jacks Stockwerk erreichte. »Danke schön. Siehst du?«, sagte er zu Jack. »Und das von einer unabhängigen Quelle – einer eindeutig sehr klugen.« Er zwinkerte Jessica zu.
»Es ist schließlich allgemein bekannt, dass Stanford die beste juristische Fakultät hat«, fuhr sie fort.
Jack lachte, während Sams Unterkiefer aufklappte. Er packte Sam an den Schultern und manövrierte ihn aus dem Aufzug. »Ich wünsche Ihnen einen schönen ersten Tag.«
Während Sam aus dem Aufzug trat, deutete er gespielt schockiert auf Jessica. »Fortsetzung folgt, Agent Harlow.«
Jessica schmunzelte, als sich die Türen zwischen ihnen schlossen. Sie mochte die beiden. Die Art, wie sie sich gegenseitig aufzogen, erinnerte sie an die Dynamik, die sie mit Javier gehabt hatte, ihrem Partner in Los Angeles.
Als Frau in einem Beruf, in dem über achtzig Prozent ihrer Kollegen männlich waren – und ein noch größerer Prozentsatz ihrer Vorgesetzten – hatte sie schnell gelernt, dass ein paar harmlose Flachsereien ausreichten, damit die anderen sie nicht als »weibliche Agentin« sahen, sondern als Kollegen, der zufällig eine Frau war. Nicht dass sie versuchte, ihr Geschlecht herunterzuspielen, und sie hatte auch kein Interesse daran, so zu tun, als sei sie einer der Jungs. Zum einen war sie fest davon überzeugt, dass ihr Geschlecht in vielen Situationen ein Vorteil sein konnte. Menschen vertrauten Frauen eher als Männern, was praktisch war, wenn man verdeckte Ermittlerin war.
Und zum anderen trug sie wirklich gern hübsche High Heels.
Im zwölften Stock begrüßte eine Assistentin Jessica von einem Schreibtisch vor dem Eckbüro am Ende des Gangs. »Mr McCall wird gleich Zeit für Sie haben.« Sie deutete auf einen kleinen Wartebereich.
»Danke sehr.« Jessica setzte sich auf einen der Stühle und stellte ihr Handy auf Vibration, damit es nicht während des Gesprächs klingelte.
Natürlich wollte sie auf den Mann, der ab heute ihr neuer Chef war, einen guten Eindruck machen. Sie hatte ihre Hausaufgaben gemacht und wusste, dass Nick McCall vor fünf Jahren zum leitenden Special Agent ernannt worden war. Davor hatte er in der Abteilung Korruption im öffentlichen Dienst als verdeckter Ermittler gearbeitet.
Das war zumindest etwas, das sie miteinander gemein hatten.
Sie stellte ihre Aktentasche neben ihre Füße und beobachtete das geschäftige Bürotreiben. Wieder hier zu sein, erinnerte sie an die vielen Male, die sie dieses Büro zu Beginn ihrer Arbeit beim FBI vor einigen Jahren besucht hatte. Da war das Vorexamen gewesen – eine dreistündige Prüfung mit den Schwerpunkten kognitive und verhaltensbezogene Schlussfolgerungen und logisches Denken –, gefolgt von einem ersten Bewerbungsgespräch, Sprach- und Schreibtests, einem einstündigen Gruppeninterview, zwei Fitnesstests, einem Lügendetektortest und einer Sicherheitsüberprüfung. Und während des gesamten Prozesses hatte sie einen wirklich knallharten Ausbilder, der sie angeleitet hatte.
Aber er hatte an sie geglaubt.
Geben Sie denen in der Akademie keinen Grund, an Ihnen zu zweifeln. Sie gehen da rein, Harlow, und zeigen denen verdammt noch mal, was in Ihnen steckt.
Die Tür wurde geöffnet und ein großer, gut gebauter Mann mit dunklen Haaren und grünen Augen trat heraus. Sein Blick fiel auf Jessica und er kam zu ihr.
»Special Agent Harlow.« Er streckte ihr die Hand entgegen. »Nick McCall. Ich habe gerade mit Ihrem ehemaligen Vorgesetzten gesprochen. Wenn nur die Hälfte der Dinge stimmt, die er über Sie gesagt hat, haben wir großes Glück, Sie bei uns an Bord zu haben.«
Als Jessica das hörte, musste sie lächeln. »Vielen Dank, Sir. Ich freue mich, hier zu sein.« Sie folgte ihm in sein Büro und nahm auf einem der Stühle vor dem Schreibtisch Platz.
»Sie konnten also dem Ruf Ihrer Heimatstadt nicht mehr widerstehen?«, begann Nick.
Das war der Grund, den Jessica ihrem Chef in Los Angeles genannt hatte, als sie ihre Versetzung nach Chicago beantragt hatte. Und es stimmte. Allerdings stimmte es auch, dass sie einen Neuanfang brauchte, und fand, dass Chicago der richtige Ort dafür war. »Meine ganze Familie lebt hier. Als ich gehört habe, dass Sie Agenten mit Erfahrung in verdeckten Ermittlungen suchen, kam es mir wie eine Gelegenheit vor, die ich mir nicht entgehen lassen konnte.«
»Die Bezirksstaatsanwältin und ich haben es zu einer unserer Hauptaufgaben gemacht, gegen Regierungskorruption auf allen Ebenen hart vorzugehen. Und die Kollegen aus der Abteilung Korruption im öffentlichen Dienst haben sich dieser Aufgabe absolut gewachsen gezeigt. Ich versuche sie nicht zu sehr zu loben, damit es ihnen nicht zu Kopf steigt, aber das ist wirklich eine äußerst qualifizierte Gruppe von Agenten. Und das würde ich auch sagen, wenn es sich nicht um meine ehemalige Abteilung handeln würde.«
Jessica lächelte. Ganz egal, welche Außenstelle, eine Sache traf immer zu: Die Einheitsloyalität war stark. »Natürlich.«
»Doch es gibt eine Herausforderung, die sich uns mit der wachsenden Zahl von Ermittlungen stellt. Der Abteilung fehlen Agenten, die die Undercoverarbeit übernehmen«, sagte Nick. »Und da kommen Sie ins Spiel.«
Und sie konnte es kaum abwarten loszulegen. »Sie sagten, dass es zwei weitere qualifizierte Agenten im Team gibt?« Alle FBI-Agenten durften »leichte« Undercoverarbeit machen – Ermittlungen, in denen der Agent nur ein paar Interaktionen mit der Zielperson oder den Zielpersonen hatte. Alles darüber hinaus erforderte einen Agenten, der die entsprechende Weiterbildung in Quantico absolviert hatte. Das Problem bestand darin, dass es wegen dieser erforderlichen Fortbildung in jeder Außenstelle nur eine Handvoll qualifizierter verdeckter Ermittler gab – meistens in den Abteilungen Korruption und Organisiertes Verbrechen.
»Agent Huxley und Roberts«, sagte Nick. »Angesichts ihres Arbeitspensums werden sie wahrscheinlich heilfroh sein, dass Sie sich uns anschließen. Wahrscheinlich warten sie schon mit einem großen Willkommensbanner und einem Stapel mit dreißig Fällen an Ihrem Schreibtisch.«
Sie schmunzelte. »Ich lege gerne sofort los.«
»Das höre ich gern. Apropos …« Nick reichte ihr eine Fallakte. »Um das hier sollten Sie sich sofort kümmern. Es ist eine auswärtige Ermittlung, teilweise verdeckt. Die Korruptionsabteilung unserer Außenstelle in Jacksonville sucht nach zwei ›dubiosen Entrepreneuren aus Chicago‹.«
Jessica zog eine Augenbraue hoch. »Dubiose Entrepreneure aus Chicago?«
»Genau so haben sie es formuliert. Und das Beste ist, dass ich dauernd solche Anfragen aus anderen Außenstellen bekomme. Ich schwöre, die Leute scheinen wirklich zu glauben, dass wir hier in dieser Stadt immer noch mit Maschinenpistolen herumlaufen und in den illegalen Klubs der Prohibitionszeit abhängen.« Nick deutete auf die Fallakte. »Ich muss die meisten Anfragen ablehnen, weil uns einfach die Kapazitäten fehlen, aber die hier wirkt so, als sei sie einen Blick wert.« Er zwinkerte ihr zu. »Außerdem werde ich wie ein guter Teamplayer aussehen, wenn ich zu einer von diesen Dingern endlich mal Ja sage.«
Fasziniert von dieser Einleitung öffnete Jessica die Fallakte. Es war für eine FBI-Außenstelle nicht ungewöhnlich, auswärtige Agenten für eine verdeckte Ermittlung anzufordern. Tatsächlich war es sogar unter bestimmten Umständen – wie bei Ermittlungen mit einer prominenten Zielperson – der bevorzugte Weg, weil es das Risiko minimierte, dass die Agenten erkannt wurden.
Und das war hier genau der Fall, während sie die Anfrage aus Jacksonville überflog. Prominente Zielperson unter Verdacht wegen Bestechung und Korruption. Ein Großteil der Vorarbeit für den Undercovereinsatz war bereits erledigt. Jetzt brauchte das Team aus Jacksonville nur noch zwei erfahrene auswärtige Agenten, um die Hauptrollen zu spielen.
Sie spürte den Adrenalinrausch, der mit jedem neuen Auftrag einherging. »Ich fange sofort mit meiner Legende an.« In diesem Fall würde es mehr erfordern als einen einfachen Namenswechsel und einen falschen Ausweis. Als Erstes würde sie als »Entrepreneur« eine falsche Firma mit Webpräsenz benötigen.
Sie nahm sich vor, sich mit Stagehand abzustimmen, der Abteilung, die für derlei Dinge zuständig war.
Direkt als Nächstes nahm sie sich vor, jemanden zu fragen, wo sich in diesem Gebäude Stagehand eigentlich befand.
Ihr neuer Chef nickte zufrieden. »Gut. Ich werde den leitenden Agenten in Jacksonville anrufen und ihm sagen, dass Sie an Bord sind.«
Sie plauderten noch ein paar Minuten weiter, hauptsächlich über ihre neue Nachbarschaft und wie es ihr in der Eigentumswohnung gefiel, die sie sich nach Bewilligung ihrer Versetzung gekauft hatte. Sie nahm die Jacksonville-Akte mit, als sie schließlich gehen wollte, doch an der Tür angekommen wurde ihr klar, dass sie etwas anzusprechen vergessen hatte. »Das Büro in Jacksonville braucht zwei Entrepreneure aus Chicago. Werde ich mit Agent Huxley oder Agent Roberts zusammenarbeiten?«
»Weder noch«, sagte Nick. »Sie stecken gerade beide in anderen verdeckten Ermittlungen. Sie werden bei diesem Fall mit einem Agenten aus der Abteilung Organisiertes Verbrechen zusammenarbeiten.«
Organisiertes Verbrechen? Das kam unerwartet. Sie wollte ja keine Klischees bemühen – okay, doch, das wollte sie –, aber ganz allgemein gesprochen waren die Agenten aus der Abteilung Organisiertes Verbrechen ein wenig … rauer im Umgang als die Kollegen anderer Abteilungen. Und dieser Fall in Jacksonville würde eine gewisse Raffinesse erfordern, wie die meisten Ermittlungen der Abteilung Korruption im öffentlichen Dienst.
Nick grinste, als er ihren skeptischen Blick bemerkte. »Keine Sorge. Er ist ein guter Agent. Einer der besten dieser Außenstelle. Zufällig hat er gerade den Qualifikationskurs für das Geiselrettungsteam abgeschlossen. Morgen ist sein erster Tag zurück.«
Hmm. Rau im Umgang oder nicht, aber er musste ein ziemlich harter Knochen sein, wenn er sich für das superwählerische Geiselrettungsteam qualifiziert hatte. Denn von dem, was Jessica gehört hatte, musste der Qualifikationskurs zwei Wochen die reine Folter sein. Jedes Jahr brachen fast die Hälfte der Bewerber noch vor Ende ab. Und selbst wenn ein Kandidat am Ende noch stand, gab es keine Garantie dafür, dass man ihn für das Team auswählen würde – und Er war das Wort, auf das es hier ankam, denn in den über dreißig Jahren seit Gründung dieser Einheit war es keiner einzigen Frau gelungen, angenommen zu werden.
Nicht dass sie persönlich Interesse gehabt hätte. Zum einen – ha – würde sie es niemals durch die Vorauswahl schaffen. Sie hatte sich bereits den Hintern abarbeiten müssen, um den Fitnesstest an der Akademie zu bestehen. Und zum anderen gehörte sie einfach nicht zu diesen Adrenalinjunkies, die darauf standen, sich aus Helikoptern abzuseilen, mit dem Fallschirm inmitten eines Hurrikans in haiverseuchte Gewässer zu springen oder mit einem Scharfschützengewehr in einem Schlammloch zu hocken und dabei einen dieser Tarnhelme mit angeklebtem Busch zu tragen.
Das würde mit ihren Haaren wirklich nicht funktionieren.
Nur ein Scherz.
Okay, fast nur ein Scherz.
In ihren sechs Jahren beim FBI hatte Jessica nur eine einzige Person gekannt, die vorgehabt hatte, sich für das Geiselrettungsteam zu bewerben: ein Kerl in ihrer Ausbildungsklasse, der direkt von den Army Rangers für das FBI rekrutiert worden war. Und man sollte die Vergangenheit zwar ruhen lassen – noch so ein Thema für dieses Jahr –, aber dieser Kerl und sie waren sich nicht gerade grün gewesen.
Man könnte auch sagen, er hatte sie vollkommen wahnsinnig gemacht.
Hey, schaut her, wie ich einhändig und mit gefesselten Füßen durch diesen Hindernisparcours fliege. Verglichen mit dem, was wir bei den Rangers gemacht haben, ist das hier Kinderkacke, Leute!
Also gut, in Ordnung. Vielleicht waren das nicht ganz genau seine Worte gewesen, aber es bestand kein Zweifel daran, dass er es genossen hatte, der Superstar ihrer Ausbildungsklasse zu sein.
Glücklicherweise hockte dieser Typ höchstwahrscheinlich längst in Quantico beim Rest des Geiselrettungsteams. Und was diesen anderen Kerl anging, mit dem sie ein Team bilden würde, der Typ aus der Abteilung Organisierte Kriminalität, nun, wenn ihr neuer Chef für ihn die Hand ins Feuer legte, war das gut genug für sie.
Als Neue war ihr, ehrlich gesagt, auch nicht der Luxus gestattet, kein Teamplayer zu sein.
Sie beendete ihr Treffen mit Nick und sagte zu, am nächsten Tag um zehn Uhr morgens in seinem Büro vorbeizukommen, um die Einzelheiten des Jacksonville-Auftrags zu besprechen, nachdem sie die Akte gründlich gelesen hatte.
Der Rest des Tages verging in einem Wirbel von Vorstellungen, einem Treffen mit ihrem neuen Teamleiter und einer Führung durch das gesamte Gebäude. In Los Angeles hatte sich das FBI das Wilshire Federal Building mit anderen Regierungsstellen geteilt, aber hier in Chicago hatten sie das ganze Haus für sich.
Am Ende des Tages war sie von all den Kennenlerngesprächen erschöpft und sie hatte immer noch keine Zeit gehabt, sich die Jacksonville-Akte anzusehen. Sie schnappte sie sich auf dem Weg aus dem Büro, mit dem Plan, sie beim Abendessen zu lesen. Dann holte sie sich einen Salat von der Green Door Tavern, einem Pub direkt um die Ecke von ihrer neuen Wohnung.
Mit Salat und Aktentasche in den Händen betrat sie die Lobby des Gebäudes.
Luther, einer der Portiers, grinste sie von seinem Empfang aus an. »Agent Harlow. Wie ist Ihr erster Tag gelaufen? Schon irgendwelche Serienkiller gefasst?«
Als sie vor einer Woche eingezogen war, hatte sie sich ganz bewusst allen Portiers vorgestellt. Luther, ein Mann Anfang sechzig, war sehr an ihrem Beruf interessiert gewesen – so sehr, dass sie es nicht über sich gebracht hatte, ihm zu sagen, dass das Leben eines FBI-Agenten nicht so wie in Film und Fernsehen ablief.
»Hauptsächlich Papierkram und Vorstellungen«, antwortete sie.
»Ach, morgen ist auch noch ein Tag.« Er drückte auf den Knopf, der die Glastür öffnete, die zu den Aufzügen führte.
Bevor sie nach oben ging, hielt Jessica an ihrem Briefkasten. Zwischen den üblichen Postwurfsendungen und Rechnungen war ein FedEx-Umschlag. Sie zog ihn heraus und sah, dass er von der Kanzlei ihrer Anwältin in Kalifornien war.
Sie steckte den Umschlag zusammen mit dem Rest ihrer Post in die Aktentasche und ging zu den Aufzügen. Als sie in ihrer Wohnung war, stellte sie Aktentasche und Salat auf den Tisch in ihrem Wohnzimmer, der als Essbereich und Büro diente.
Im Schlafzimmer tauschte sie ihre Arbeitskleidung gegen T-Shirt und Jeans. Als Nächstes ging sie zum Weinkühler und öffnete die teuerste Flasche, die sie besaß.
Weil … warum nicht?
Sie wusste genau, was in diesem FedEx-Umschlag war, und sie fand, dass sie das Ende einer Ära – ihrer letzten verbliebenen Verbindung mit Los Angeles – auch mit einem guten Glas Wein begehen konnte.
Sie setzte sich an den Tisch, nahm den Umschlag aus ihrer Aktentasche und öffnete ihn. »Für Ihre Unterlagen« stand auf der Haftnotiz ihrer Anwältin. Sie hatte am Freitag nach dem Gerichtstermin angerufen, es war daher nicht so, als hätte Jessica es nicht erwartet. Aber es schwarz auf weiß zu sehen und die Papiere in ihrer Hand zu halten, machte es so viel offizieller.
URTEIL ZUR AUFLÖSUNG DER EHE
Da war sie. Die gerichtliche Verfügung und die unterschriebene Abfindungsvereinbarung zwischen ihr und Alex, die ins Urteil aufgenommen worden war. Was Scheidungen anging – besonders in L. A. –, war dies wahrscheinlich das am leichtesten verdiente Geld, das Jessicas Anwältin jemals gemacht hatte. Von Anfang bis Ende war die Sache absolut zivilisiert abgelaufen. Sie hatte weder Unterhalt von Alex verlangt noch hatte sie am Profit der Filme beteiligt werden wollen, die er in den drei Jahren ihrer Ehe produziert hatte. Alles, was sie genommen hatte, abgesehen von den Dingen, die ihr schon vor der Heirat gehört hatten, waren Kleidung, Schuhe und Schmuckstücke, die er ihr geschenkt hatte. Und selbst das nicht aus Trotz, sondern mehr aus praktischen Gründen, da Alex natürlich keine Verwendung für sie hatte.
»Zumindest bin ich dann eine sehr modische Geschiedene«, versuchte sie mit ihrer besten Freundin Tara zu scherzen, die am Wochenende nach der Vergleichsverhandlung als moralische Unterstützung nach L. A. geflogen war. »Gott, muss ich wirklich das Wort Geschiedene benutzen?«, stöhnte sie. »Das klingt so nach Seifenoper.«
Sie hatten Cocktails im Norah getrunken, einem schicken amerikanischen Restaurant in West Hollywood. »Ich verstehe nicht, wie es überhaupt so weit gekommen ist. Ihr beide seid doch verrückt nacheinander gewesen«, hatte Tara gesagt.
Das war das Schwerste an der ganzen Sache gewesen. Anfangs waren Alex und sie wirklich ein tolles Paar und ihre Wirbelwindromanze aufregend und romantisch gewesen. Sie hatten sich in einem Restaurant getroffen, während einer privaten Feier eines gemeinsamen Freunds, und als Alex erfahren hatte, dass sie FBI-Agentin war, hatte er sie nach ihrer Meinung über das Drehbuch eines Thrillers gefragt, dessen Rechte er vielleicht kaufen wollte. Sie hatten sich den ganzen restlichen Abend unterhalten. Als sich die Feier langsam aufgelöst hatte, waren sie an die Bar gewechselt und dort geblieben, bis der Laden dicht gemacht hatte. Er hatte sie gefragt, ob er sie am nächsten Tag wiedersehen könnte, und dann waren sie sehr schnell ein Paar geworden. Sie hatte es geliebt, dass er vollkommen auf Spielchen verzichtet hatte. Damals waren ihre unterschiedlichen Berufswelten eine gute Sache gewesen: Er hatte die Tatsache gemocht, dass sie nicht »in der Branche« war, und für sie waren seine Insidergeschichten über Hollywood eine willkommene Abwechslung von der Ernsthaftigkeit gewesen, die oft mit ihrem Beruf einherging.
Die Probleme begannen etwa ein Jahr nach ihrer Hochzeit. Zuerst waren es nur kleine Dinge wie die Tatsache, dass sie nie wirklich mit seinen Freunden warm wurde, obwohl sie viel Zeit mit ihnen verbrachten. Es handelte sich ausnahmslos um Filmproduzenten und sie sprachen kaum mit Jessica, da sie sich nur für Personen und Dinge interessierten, die mit Hollywood zu tun hatten. Damit hätte sie umgehen können, schließlich hatte sie Alex und nicht seine Freunde geheiratet. Und für den Mann, den sie liebte, konnte sie mit ein paar Idioten umgehen. Aber beunruhigender war die Art, wie Alex sich veränderte, wenn er mit diesen Leuten zusammen war. Von einem Mann, der ironisch, geistreich und leidenschaftlich war, was Filme anging, wurde er zu einem arroganten, nur auf Äußerlichkeiten bedachten Typen, der sich viel mehr dafür interessierte, mit seinen Freunden abfällige Bemerkungen über Schauspieler, Drehbuchautoren und Regisseure zu machen, als irgendetwas Substanzielles zu diskutieren.
Doch am Ende war es ihr Beruf, nicht seiner, der zum Problem wurde. Sie begann verdeckte Ermittlungen zu übernehmen und hatte damit viel Erfolg. Und sie genoss es. Dieser Wunsch, Undercover zu arbeiten, war wahrscheinlich in ihr geweckt worden, als sie mit acht Jahren Wiederholungen von Wonder Woman gesehen hatte. Die angehende Feministin in ihr hatte es jedes Mal geliebt, wenn die Schurken den Fehler begangen hatten, Diana Prince zu unterschätzen.
Wenn das FBI jetzt nur noch ein Lasso der Wahrheit erfinden könnte, das zu ihren Hosenanzügen passte …
Der große Nachteil verdeckter Ermittlungen war natürlich die Unvorhersehbarkeit. Viele ihrer Besprechungen fanden abends und ziemlich kurzfristig statt. Viele Male musste sie Alex absagen, wenn sie essen gehen wollten, und einmal sogar einen geplanten Urlaub nach Cabo San Lucas. Das hatte ihr wahnsinnig leidgetan und sie hatte versucht, die Reise nachzuholen, doch kurz darauf hatte Alex zu Dreharbeiten nach Toronto fliegen müssen und irgendwie war es danach in Vergessenheit geraten.
Vor acht Monaten dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte: Sie war gebeten worden, bei einer Ermittlung gegen einen Stadtrat auszuhelfen, der verdächtigt wurde, Schmiergelder für seine Wiederwahlkampagne angenommen zu haben. Dazu gehörte, dass sie und ein Kollege als Paar getarnt mehrere der Spendenveranstaltungen besuchten, um zu beobachten, welche Spender eine Sonderbehandlung erfuhren.
Von Anfang an war Alex gegen ihre Beteiligung an der Ermittlung gewesen. »Bist du sicher, dass ihr nur so tut, als wärt ihr ein Paar?«, hatte er direkt vor einer der Spendenveranstaltungen gefragt. Gegen die Schlafzimmertür gelehnt hatte er zugesehen, wie sie den Reißverschluss ihres Kleids hochzog.
»Natürlich tun wir nur so.« Die gleiche Frage hatte er vor dem letzten Spendenabend ebenfalls gestellt und sie versuchte, wegen dem, was er damit andeutete, nicht beleidigt zu sein. Er produzierte schließlich Filme – in seiner ganzen Branche ging es um nichts anderes als darum, so zu tun als ob.
Da sie jetzt keinen Streit hatte anfangen wollen, hatte sie ihn nur angelächelt und es mit einem Scherz versucht. »Wie sehe ich aus? Hoffentlich nicht wie eine verdeckte Ermittlerin.«
Sein Blick war über sie gewandert. »Ich habe dir dieses Kleid nicht gekauft, damit du es für einen anderen Mann trägst«, hatte er kühl bemerkt.
Alles klar.
Offenbar waren die Tage, als er es genossen hatte, ihr beim Ankleiden zuzusehen, lange vorbei. Sie hatte das Kleid ausgezogen, es auf dem Boden liegen lassen, ohne ein weiteres Wort etwas anderes angezogen und war gegangen.
Leider hatte ihr Auftrag länger als erwartet gedauert und der Zeitpunkt hätte nicht schlechter sein können. Zwei Wochen nach ihrem Streit wegen des Kleides war einer von Alex’ Filmen gestartet, und weil sie immer noch verdeckt an diesem hochkarätigen Fall arbeitete, hatte sie die Premiere sausen lassen müssen.
»Da werden überall Paparazzi sein – ich kann nicht riskieren, dass jemand mein Foto sieht und sich daran erinnert, dass ich auf einem dieser Spendenabende war. Es tut mir so leid, Alex.« Sie war ebenfalls enttäuscht gewesen – natürlich hatte sie bei diesem besonderen Anlass bei ihm sein wollen. Aber nichts, was sie sagte, hatte ihn besänftigen können. Er war so wütend gewesen, dass er zwei Tage lang kaum mit ihr gesprochen hatte.
Am Abend der Premiere war er lange auf einer Party für die Schauspieler und das Drehteam geblieben. Sie hatte auf ihn gewartet, weil sie alle Einzelheiten hören wollte, aber als er nach Hause gekommen war, war er in schlechter Stimmung gewesen und hatte gesagt, dass ihm nicht nach reden zumute sei.
Danach war es einfach nicht mehr wie vorher gewesen. Die Anspannung zwischen ihnen war immer schlimmer geworden, bis sie eines Morgens beim Frühstück schließlich vorgeschlagen hatte, eine Eheberatung aufzusuchen.
»Ich habe bereits einen Scheidungsanwalt angerufen«, hatte Alex gesagt, ohne ihr dabei in die Augen zu sehen.
Sie war einen Moment lang still geblieben, denn ihre Kehle war wie zugeschnürt gewesen. »In Ordnung. Dann ziehe ich dieses Wochenende aus.« Sie war vom Tisch aufgestanden und hatte ihr Geschirr zur Spüle gebracht.
»Jess, du musst doch nicht gleich …«
»Oh doch, das muss ich, Alex«, war sie ihm sarkastisch ins Wort gefallen und hatte sich die Tränen von den Wangen gewischt, während sie den Raum verließ.
Jessica steckte die Scheidungspapiere wieder in den Umschlag zurück und legte ihn beiseite.
Genug im Selbstmitleid gebadet, Harlow.
Ihr Blick fiel auf den Jacksonville-Fall in ihrer Aktentasche. Diese Undercover-Rolle war genau das, was sie brauchte – etwas, in das sie sich verbeißen konnte. Eine Ablenkung. Nachdem sie die letzten sechs Monate darüber nachgegrübelt hatte, warum ihre Ehe gescheitert war, würde es nett sein, diesen Teil ihres Gehirns einfach mal eine Weile abzuschalten.
Sie öffnete die Akte, machte es sich mit ihrem Glas Scheiß-drauf-ich-bin-jetzt-eine-Geschiedene-Wein am Tisch gemütlich und begann sich Notizen zu machen.
Es war an der Zeit, diesen Jungs der Chicago-Außenstelle zu zeigen, was sie auf dem Kasten hatte.
Als John am Dienstagmorgen das Büro betrat, wartete ein kleines Grüppchen seiner Teamkollegen an seinem Arbeitsplatz.
»Sieh mal an, wer wieder da ist«, sagte Ryan und klatschte langsam in die Hände, als John näher kam. »Und? War es wirklich so schlimm, wie man sagt?«
»Schlimmer«, sagte John. Und er hatte den Muskelkater, um es zu beweisen. Heute Morgen hatte er unter der Dusche laut geflucht, als er die Arme hatte heben wollen, um sich die Haare zu waschen.
»Gab es nonstop Drills?«, fragte Jin, ein weiterer seiner Teamkollegen.
»Sagen wir einfach, dass am ersten Tag die Grundrichtung festgelegt wurde, als wir um vier Uhr morgens für Fitnesstests geweckt wurden. Schwimmen, Rennen und Treppenlaufen, während wir eine zwanzig Kilo schwere Weste anhatten und einen fünfzehn Kilo schweren Rammbock trugen – ohne Pausen dazwischen. Und das war noch der leichteste Tag«, erzählte John.
Das Auswahlverfahren des Geiselrettungsteams war, wie John und die anderen Anwärter schnell hatten feststellen müssen, darauf ausgerichtet, die Kandidaten körperlich und seelisch zu brechen, um die Personen zu identifizieren, die sich unter extremem Druck am besten schlagen würden. Und die Übungen und Drills, die sie absolvieren mussten, waren tatsächlich kein Zuckerschlecken. Während dieser zwei Wochen hatte John eine schmale lange Leiter bis zu einem Gitter in zwanzig Meter Höhe erklommen und war ohne Sicherheitsseil die Außenfassade eines vierstöckigen Gebäudes hinaufgeklettert. Er war mit verbundenen Augen und einem fünfzehn Kilo schweren Gewicht zwanzig Meter unter Wasser gegangen, hatte an einer simulierten Geiselrettung aus einem Übungshaus teilgenommen, während die Prüfer ihn von einer höher gelegenen Plattform beobachtet hatten. Er hatte in überfüllten Zelten und Baracken geschlafen, nie mehr als zwei Stunden pro Nacht, und auch noch den »Hundelauf« mitgemacht, eine Übung, bei der die Kandidaten mit einem großen Floß zu einem See liefen und so schnell wie möglich auf ein Ziel zupaddeln mussten, während ein Hubschrauber tief über das Wasser flog, um sie abzubremsen.
Mit anderen Worten, die letzten zwei Wochen waren die Hölle gewesen.
Und John hatte es geliebt.
Er hatte sich immer noch wie ein Idiot dafür gefühlt, dass seine Freundin und sein Kumpel hinter seinem Rücken miteinander gevögelt hatten, ohne dass er etwas davon mitbekommen hatte. Und so war er mit einer Menge Wut im Bauch und viel überschüssiger Energie ins Auswahlverfahren gegangen. Aber vom ersten Morgen an, als er um vier Uhr morgens mit zwanzig Kilo schwerer Weste eine »leichte« Übung absolvieren sollte, hatte er nicht mehr über den beschissenen Zustand seines Privatlebens nachgedacht. Stattdessen hatte er sich, ganz wie es ihm seine Ranger-Ausbildung eingetrichtert hatte, auf zwei Dinge konzentriert: erstens zu überleben und zweitens die Befehle, die man ihm gab, so gut wie möglich auszuführen.
Er hatte keine Ahnung, was die Prüfer von ihm gehalten hatten. Um die Kandidaten – die nur mit Nummern, nie mit Namen, angesprochen worden waren – noch stärker zu verwirren, hatten sie während des gesamten Verfahrens kein Feedback bekommen, weder positiv noch negativ. Doch in gewisser Hinsicht spielte das keine Rolle. John war bei dem Auswahlverfahren gewesen, um Piser etwas zu beweisen, aber vielleicht hatte er sich selbst auch etwas beweisen müssen.
Und als er am Ende der zwei Wochen dort gestanden hatte, verschwitzt, ausgehungert, erschöpft und mit vor Schmerzen brüllenden Muskeln, aber immer noch bereit, alles zu tun, was die Prüfer von ihm wollten, hatte er sich überraschend gut gefühlt. Vierzehn Tage in fortwährendem Extremzustand zu verbringen, rückte die Dinge wohl in die richtige Perspektive.
»Na ja, wir sind auf jeden Fall froh, dass du zurück bist.« Ryan legte seine Hand kameradschaftlich auf Johns Schulter. »Und ich spreche wohl für uns alle, wenn ich sage …« Er setzte eine übertrieben skeptische Miene auf. »Alter, was ist mit deinen Haaren passiert?«
Die anderen lachten, während John grinste und mit der Hand darüberstrich. »Ich fand, dass es mal an der Zeit war, meinen Look zu verändern.« Normalerweise trug er sein Haar ein bisschen länger, weil es schwierig war, einen Mafiaschläger darzustellen, wenn man verdächtig nach einem adretten FBI-Agenten aussah. Aber da es für die Drills keine gute Idee gewesen wäre, ständig Haare im Gesicht hängen zu haben, und Pferdeschwänze nicht mit Kampfhelmen funktionierten, hatte er seine Haare ein paar Zentimeter kürzen lassen, bevor er beim Geiselrettungsteam angetreten war.
Jin gab vor, sich eine Träne aus den Augen zu wischen. »Aber … ich hatte nicht mal die Gelegenheit, mich von dem Man Bun zu verabschieden.«
»Das kannst du einfach nicht ruhen lassen, oder?«, fragte John sarkastisch. Ein einziges Mal hatte er seine Haare so bei der Arbeit getragen, und, Junge, Junge, hatten seine Teamkollegen damit Spaß gehabt. Zwei verdammte Wochen lang hatten sie jedes Mal, wenn er ins Büro gekommen war, nur Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter! gerufen.
Glücklicherweise waren alle Kommentare über seine Frisur vergessen, als Brandon, ein jüngerer Agent, der erst seit Kurzem dabei war, mit einem breiten Grinsen zu ihnen stieß. »Ratet mal, mit wem ich gerade im Aufzug war.«
»Mit dem Direktor?«, scherzte Ryan.
»Mit der Neuen«, erwiderte Brandon.
Sofort war ihm die Aufmerksamkeit der ganzen Gruppe sicher.
»Und die Gerüchte stimmen?«, fragte Jared neugierig.
»Ist sie wirklich so hübsch, wie man sagt?«, wollte Ryan wissen.
Brandon lehnte sich gegen den Schreibtisch und genoss es sichtlich, der Mann mit den Insiderinformationen zu sein. »Oh ja.«
John hatte keine Ahnung, worum es ging. »Wovon redet ihr da?«
»Stimmt, du warst gestern ja nicht da«, sagte Brandon. »Die Abteilung für öffentliche Korruption hat eine neue verdeckte Ermittlerin. Es heißt, sie war mal Anwältin – ich habe gehört, dass sie sich mit Sam Wilkins wegen Yale gekabbelt hat.«
»Was ist das nur immer mit diesen ehemaligen Anwälten und ihren Fakultäten?« Ryan stieß John in die Rippen. »Hey, wie viele Studienabschlüsse braucht ein Agent der Abteilung Wirtschaftsverbrechen, um herauszufinden, wie er seine Pistole benutzt?«
John täuschte Überraschung vor. »Die dürfen Pistolen haben?«
Er grinste, als der Rest der Gruppe in schallendes Gelächter ausbrach. Ja, es war ein alter Witz. Und in Wahrheit gab es viele richtig gute Agenten in den Abteilungen für öffentliche Korruption und andere Wirtschaftsverbrechen. Sogar die ehemaligen Anwälte, konnte John zugeben, auch wenn sich einige von ihnen für etwas Besseres zu halten schienen.
Nicht dass er etwas gegen ehemalige Anwälte hatte.
Okay, vielleicht hatte er doch ein bisschen was gegen sie.
Er hatte da mal diese Frau an der Akademie kennengelernt, eine ehemalige Anwältin, die vor dem FBI in einer von Chicagos Topkanzleien gearbeitet hatte. Sie und John waren in ihrer Klasse die beiden einzigen Kandidaten aus Chicago gewesen, und normalerweise würde eine solche Gemeinsamkeit eine gewisse Kameradschaft fördern.
Doch nicht in diesem Fall.
Denn in diesem Fall war besagte ehemalige Anwältin eine furchtbare Nervensäge gewesen.
Oh, seht mich an, wie schlau ich mit meinem Stanford-Abschluss bin. Ich sollte diese Kurse leiten, statt hier mit euch Trotteln zu hocken.
Also gut, vielleicht waren das nicht ganz