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Nach einem Gefängnisaufenthalt soll der Milliardärssohn Kyle Rhodes bei einem brisanten Fall als Zeuge auftreten. Im Gerichtssaal trifft er die hübsche Anwältin Rylann Pierce wieder, mit der er vor neun Jahren eine kurze Affäre hatte. Erneut flammt eine Leidenschaft zwischen beiden auf, der sie sich nicht entziehen können.
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Seitenzahl: 448
JULIE JAMES
Wiedersehen
macht Liebe
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Stephanie Pannen
Für Charlene –
ich weiß, du siehst zu,
und ich halte mein Versprechen.
1
Mai 2003
University of Illinois, Urbana-Champaign
Sie hatte überlebt.
Den Rücken an die holzgetäfelte Wand der Bar gelehnt und das Kinn auf eine Hand gestützt, lauschte Rylann Pierce, wie ihre Freunde um sie herum plauderten. Sie alle waren äußerst zufrieden, zum ersten Mal seit einem Monat einfach mal an nichts denken zu müssen.
Zusammen mit fünf ihrer Jurakommilitonen saß sie an einem vollen Tisch im oberen Stockwerk des Clybourne, einer der wenigen Studentenkneipen, die auch von den anspruchsvollen höheren Semestern frequentiert wurden, die ihre verwässerten Vier-Dollar-Drinks in richtigen Gläsern statt in Plastikbechern serviert bekommen wollten. Jeder in der Gruppe hatte das gleiche Hauptfach wie Rylann, was bedeutete, dass sie alle an diesem Nachmittag ihre letzte Prüfung in Strafprozessordnung abgelegt hatten. Die Stimmung war ausgelassen und übermütig – zumindest für Jurastudenten – und wurde nur von gelegentlichen Tiefs unterbrochen, wenn jemandem während der obligatorischen Prüfungszusammenfassung ein Punkt einfiel, den er oder sie vergessen hatte.
Jemand stieß ihren Ellbogen an und unterbrach damit ihre Träumerei. »Hallo? Jemand zu Hause?«
Die Frage kam von Rylanns Mitbewohnerin Rae Mendoza, die rechts neben ihr saß.
»Ich bin hier. Hab mir nur vorgestellt, wie ich am Pool liegen werde.« Rylann bemühte sich, das Bild noch ein wenig länger aufrechtzuerhalten. »Die Sonne scheint, und es sind fünfundzwanzig Grad. Ich habe irgendeinen tropischen Cocktail mit einem dieser kleinen Schirmchen darin in der Hand und lese ein Buch – eines, in dem ich weder etwas unterstreichen noch am Rand zusammenfassen muss.«
»Solche Bücher gibt es?«
»Wenn ich mich richtig erinnere, ja.« Rylann warf Rae einen verschwörerischen Blick zu. Wie viele ihrer Kommilitonen hatten auch sie fast jede freie Minute der letzten vier Wochen damit zugebracht, Kursunterlagen und Textbücher durchzuackern, Übungstests zu schreiben, nächtelang in das Standardwerk Emanuel Law Outlines zu starren und sich in Lerngruppen zu treffen – alles als Vorbereitung auf vier dreistündige Prüfungen, die dabei helfen würden, den Verlauf ihrer zukünftigen juristischen Karrieren zu bestimmen. Was ja nun wirklich überhaupt keinen Druck aufbaute.
Es hieß, das zweite und dritte Studienjahr würden beträchtlich einfacher werden, was gut wäre, denn es gab da diese interessante Aktivität namens Schlafen, von der Rylann gehört hatte und die sie mal ausprobieren wollte. Und es war perfektes Timing. Sie hatte eine freie Woche, bevor ihr Sommerjob anfing, und während dieser hatte sie nichts Anstrengenderes vor, als sich jeden Mittag aus dem Bett zu rollen und sich an dem für Studenten zugänglichen Außenschwimmbecken der Universität zu fläzen.
»Ich lasse deine Tagtraumblase nur ungern platzen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Alkohol im IMPE verboten ist«, sagte Rae, die sich damit auf die Sportfakultät der Uni bezog, auf deren Gelände sich besagtes Schwimmbecken befand.
Rylann tat solch lästige Einzelheiten mit einer winkenden Geste ab. »Ich fülle einfach einen Mai Tai in meine Thermoskanne mit dem Logo der Uni und behaupte, dass es Eistee ist. Wenn mir der Campussicherheitsdienst Schwierigkeiten macht, verscheuche ich ihn einfach mit meinem juristischen Fachwissen, indem ich ihn daran erinnere, dass der Vierte Zusatzartikel illegale Durchsuchungen und Beschlagnahmungen verbietet.«
»Wow! Weißt du, dass du gerade wie die weltgrößte Jurastreberin geklungen hast?«
Leider wusste sie es durchaus. »Glaubst du, dass wir jemals wieder normal werden?«
Rae dachte kurz darüber nach. »Ich habe gehört, dass man ungefähr im dritten Jahr den Drang verliert, in alltäglichen Unterhaltungen ständig die Verfassung zu zitieren.«
»Das klingt vielversprechend«, erwiderte Rylann.
»Aber da du eine größere Jurastreberin als die meisten bist, wird es bei dir wahrscheinlich länger dauern.«
»Erinnerst du dich daran, wie ich dir gestern Abend gesagt habe, dass ich dich den Sommer über vermissen werde? Das nehme ich zurück.«
Rae lachte und legte ihren Arm um Rylanns Schulter. Jetzt, da die Prüfungen endlich vorbei waren, fuhren Rae und fast alle ihre Freunde nach Hause. Rae würde die nächsten zehn Wochen in Chicago verbringen und als Barkeeperin arbeiten. Das klang nicht nur glamourös und lustig, sondern würde auch die Studiengebühren fürs nächste Jahr decken. Rylann hingegen hatte ein Praktikum im Büro der Staatsanwaltschaft von Zentral-Illinois ergattert. Auch wenn Praktika unter den Jurastudenten äußerst angesehen und heiß begehrt waren – besonders bei den Erstsemestern –, würde sie nur nach dem nicht ganz so glamourösen GS-5-Lohntarif bezahlt werden, womit sie nicht mehr als ihre Lebenshaltungskosten während des Sommers decken konnte. Wenn sie besonders sparsam war, würde es vielleicht noch für die Lehrbücher des nächsten Semesters reichen. Oder zumindest für eins davon. Diese Dinger waren verdammt teuer.
Doch trotz des mageren Gehalts freute sie sich auf das Praktikum. Sosehr sie auch über ihr Studentendarlehen schimpfte, sie hatte sich nicht wegen des Geldes für Jura entschieden. Was ihre Ausbildung und Berufslaufbahn anging, hatte sie einen Sechsjahresplan – sie liebte Pläne –, und ihr Sommerpraktikum war der nächste Schritt. Sie hoffte, nach dem Abschluss einen Referendariatsplatz bei einem Bundesrichter zu bekommen, und dann würde sie sich bei der US-Staatsanwaltschaft bewerben.
Im Gegensatz zu vielen Jurastudenten, die noch keine Ahnung hatten, für welche Fachrichtung sie sich nach dem Abschluss entscheiden sollten, war sich Rylann diesbezüglich schon vollkommen sicher. Seit sie zehn Jahre alt war, hatte sie gewusst, dass sie Strafverfolgerin werden wollte, und trotz der verlockend hohen Gehälter großer Anwaltskanzleien war sie niemals von diesem Entschluss abgewichen. Natürlich konnte man mit einem solchen Job die Rechnungen bezahlen – und noch einiges mehr –, aber Zivilprozesse waren Rylann zu trocken und unpersönlich. Firma X verklagte Firma Y auf mehrere Millionen Dollar in einem Verfahren, das sich über mehrere Jahre hinziehen konnte, ohne dass es jemanden kümmerte. Mit Ausnahme der Anwälte, die dreitausend Stunden pro Jahr dafür in Rechnung stellen konnten. Nein danke!
Sie wollte lieber jeden Tag im Gericht sein, mittendrin stecken und an Fällen beteiligt sein, die etwas bedeuteten. Und für sie gab es nichts Bedeutenderes, als Verbrecher hinter Gitter zu befördern.
Eine männliche Stimme von der anderen Seite des Tisches unterbrach ihren Gedankengang. »Drei Monate in Champaign-Urbana. Erklär mir noch mal, warum die Zweitbeste unseres Jahrgangs nichts Besseres gefunden hat.«
Die Stimme gehörte ihrem Kumpel Shane, der wie jeder an diesem Tisch ziemlich guter Laune war und ein alkoholisches Getränk in der Hand hatte. Rylann konnte sich den Grund für die Hochstimmung schon denken. Zusätzlich dazu, dass sie ihre Prüfungen hinter sich hatten, bedeutete die Sommerpause für Shane auch, dass er nach Des Moines zu seiner Freundin zurückfahren würde, nach der er hinreißend verrückt war – obwohl er diese Tatsache gerne machomäßig überspielte.
»Es zählt nicht, wo du bist«, sagte Rylann. »Sondern wie gut du dich dort schlägst.«
»Hört, hört!« Rae lachte und klatschte sie ab.
»Mach dich nur lustig«, erwiderte Shane. »Aber mein Wagen ist gepackt, aufgetankt und voll mit Süßigkeiten für unterwegs. Um sieben Uhr morgen früh werde ich dieses Kaff hinter mir lassen, egal ob es stürmt oder schneit.«
»Sieben Uhr morgens?« Rae warf einen demonstrativen Blick auf den Drink in Shanes Hand, seinen dritten bis jetzt. »Ich glaube nicht, dass das passieren wird.«
Er winkte ab und verschüttete dabei etwas von seinem Getränk. »Oh bitte! Als ob ein kleiner Kater einen verliebten Mann aufhalten könnte.«
»Oh, wie romantisch!«, sagte Rylann.
»Außerdem lebe ich seit zwei Monaten enthaltsam, und der Wiedersehenssex ist einfach unglaublich.«
»Das ist der Shane, den wir kennen und lieben.« Rylann trank ihr Glas aus und klirrte mit dem Eis darin. »Da wir gerade von Katern sprechen, ich glaube, die nächste Runde geht auf mich.« Sie sammelte die Bestellungen ihrer Gruppe ein und machte sich durch die Menge in Richtung Bar auf.
»Drei Amstel Light, eine Rum Cola, einen Gin Tonic und ein Corona mit zwei Limettenspalten«, teilte sie dem Barkeeper mit.
Rechts von ihr ertönte eine tiefe männliche Stimme.
»Klingt ja nach einer tollen Party.«
Rylann drehte sich in Richtung der Stimme um und …
Hoppla!
Kerle wie der, der sich gerade gegen die Theke lehnte, existierten in Champaign-Urbana normalerweise nicht. Genau genommen existierten Kerle wie der neben ihr an keinem ihr bekannten Ort.
Sein dunkelblondes, dichtes Haar war etwas länger und reichte gerade bis zum Kragen seines blauen Flanellhemds. Er war groß, hatte durchdringende blaue Augen, ein kantiges Kinn mit einem leichten Bartschatten, als ob er sich ein paar Tage lang nicht rasiert hatte, und einen schlanken, muskulösen Körper. Er trug dunkle Jeans, abgenutzte Arbeitsstiefel und wirkte insgesamt auf eine kernige Art männlich und unbestreitbar sexy.
Zweifellos war sie nicht die erste Frau, die bei seinem Anblick blinzelte, und würde auch nicht die letzte sein. Und er schien sich dieser Tatsache vollkommen bewusst. Seine blauen Augen funkelten vergnügt, während er strotzend vor Selbstbewusstsein mit einem Ellbogen am Tresen lehnte und auf ihre Reaktion wartete.
Lauf weg!
Es war der erste Gedanke, der Rylann in den Sinn kam.
Ihr zweiter Gedanke lautete, dass der erste albern war, und fast hätte sie sich selbst laut ausgelacht. Lauf weg! Wirklich? Er war doch nur irgendein Typ in einer Kneipe. Da sie fünf Jahre in einer Universitätsstadt verbracht hatte, in der der Zutritt zu Bars ab neunzehn erlaubt war, hatte sie schon viele davon gesehen.
Sie deutete auf die Menge um sie herum. Es war kurz nach elf, und die Kneipe war voll bis unters Dach. »Der letzte Tag der Abschlussprüfungen. Heute macht jeder Party.«
Er warf ihr einen abwägenden Blick zu. »Lass mich raten. Du machst dieses Wochenende deinen Abschluss. Du hast gerade deine letzte Prüfung abgelegt, und heute Abend feierst du deinen Eintritt in die wirkliche Welt.« Er legte den Kopf schief. »Ich würde sagen … dein Hauptfach ist Werbung. Du hast dir eine Stelle bei Leo Burnett geschnappt und ziehst demnächst in dein erstes eigenes Apartment in Chicago, ein überteuertes und unmodernes Wohnklo in Wrigleyville, das du dir mit deiner Mitbewohnerin dort drüben teilst.« Er nickte in Raes Richtung. Offenbar hatte er gesehen, an welchem Tisch Rylann gesessen hatte.
Sie stützte sich mit einem Arm auf die Theke. »Ist das dein üblicher Anmachspruch, oder holst du den nur am Abschlusswochenende raus, weil du hoffst, dass die Frauen dann zu betrunken sind, um zu merken, wie lahm er ist?«
Er wirkte getroffen. »Lahm? Eigentlich sollte er selbstbewusst und einfühlsam klingen.«
»Ich würde sagen, es war eher eine Mischung aus selbstgefällig und klischeehaft.«
Er grinste, und die beiden kleinen Grübchen rechts und links neben seinem Mund ließen ihn spitzbübisch wirken. »Oder vielleicht habe ich so genau ins Schwarze getroffen, dass es dich erschreckt hat.«
Der Barkeeper stellte die sechs Getränke, die Rylann bestellt hatte, vor sie hin. Sie reichte ihm zwei Zwanziger und wartete auf ihr Wechselgeld. »Nicht mal annähernd«, sagte sie zu Mr Selbstgefällig. Es gefiel ihr, seine Behauptung zu widerlegen. »Ich bin im Hauptstudium. Juristische Fakultät.«
»Ach so! Du verschiebst den Eintritt in die wirkliche Welt also um drei weitere Jahre.« Lässig nahm er einen Schluck Bier.
Rylann widerstand dem Impuls, die Augen zu verdrehen. »Ich verstehe. Jetzt willst du also auch noch herablassend wirken.«
Mr Selbstgefällig sah sie verschlagen an. »Ich habe nicht gesagt, dass etwas falsch daran ist, den Eintritt in die wirkliche Welt aufzuschieben, Frau Anwältin. Das haben Sie selbst angedeutet.«
Rylann öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn dann jedoch wieder. Na gut! Aber er war nicht der Einzige, der andere schnell beurteilen konnte. Und sie war sicher, dass ihre Einschätzung viel zutreffender sein würde. Sie kannte diesen Typ Mann – jede Frau kannte diesen Typ Mann. Kerle wie er kompensierten ihr Übermaß an gutem Aussehen und die entsprechende Arroganz typischerweise mit einem Mangel an Charakter. So hielt die Natur alles im Gleichgewicht.
Der Barkeeper gab ihr das Wechselgeld, und Rylann nahm zwei Getränke, um den ersten Gang zu ihrem Tisch zu machen. Sie wollte Mr Selbstgefällig noch schnell ein paar freche Abschiedsworte entgegenschleudern, als Rae plötzlich an ihrer Seite auftauchte.
»Die nehme ich schon, Rylann.« Mit einem Augenzwinkern schnappte sie sich die anderen vier Getränke geübt mit beiden Händen. »Ich will doch nicht, dass du unseretwegen deine Unterhaltung beenden musst.«
Bevor Rylann protestieren konnte, war Rae auch schon wieder auf dem Weg durch die Menge zu ihrem Tisch.
Mr Selbstgefällig lehnte sich zu ihr vor. »Ich glaube, deine Freundin mag mich.«
»Sie ist für ihren außergewöhnlich schlechten Männergeschmack bekannt.«
Er lachte. »Sagen Sie mir, was Sie wirklich denken, Frau Anwältin!«
Rylann warf ihm einen Seitenblick zu. »So kann man mich erst nennen, wenn ich meinen Abschluss in der Tasche habe.«
Sein Blick traf ihren. »Okay, dann verwenden wir stattdessen Vornamen … Rylann.«
Zuerst sagte sie nichts, sondern musterte ihn von Kopf bis Fuß. Dann kam sie zu einer unausweichlichen Schlussfolgerung. »Du bist daran gewöhnt, bei Frauen toll anzukommen, oder?«
Er zögerte einen Moment. »Sogar noch viel besser als mir lieb ist.«
Plötzlich wirkte er ernst, und Rylann war sich nicht sicher, was sie erwidern sollte. Vielleicht war das ihr Stichwort.
Mit einem höflichen Lächeln tippte sie ihr Glas an. »Ich glaube, ich werde mich jetzt mal wieder zu meinen Freunden gesellen. Es war nett, dich … fast kennenzulernen.«
Sie kehrte an den Tisch zurück, wo sich die anderen gerade in einer hitzigen Debatte darüber befanden, ob einem laut Fünftem Zusatzartikel während einer Vernehmung unter Gewahrsam ein Rechtsbeistand zustand oder nicht. Die Männer in ihrer Gruppe, einschließlich Shane, diskutierten einfach weiter, während sich Rylann an ihnen vorbeiquetschte. Sie schienen ihre Interaktion mit dem Typen an der Bar nicht mitbekommen zu haben – oder es war ihnen egal. Rae hingegen zerrte Rylann praktisch auf ihren Platz zurück.
»Und? Wie ist es gelaufen?«, fragte sie begierig.
»Sofern wir hier von Mr Selbstgefällig sprechen, lief es ins Leere.«
»Mr Selbstgefällig?« Rae schien kurz davorzustehen, sie durchzuschütteln. »Du weißt schon, wer das war, oder?«
Die Frage überraschte Rylann, und sie sah unauffällig zu Mr Selbstgefällig hinüber, der inzwischen bei seinen Freunden am Billardtisch stand. Bis gerade eben hatte sie dazu eine Theorie gehabt. Aufgrund der bequemen Jeans, des Flanellhemds und der Arbeitsstiefel war sie davon ausgegangen, dass es sich bei ihm um einen Stadtmenschen handelte, wahrscheinlich um einen dieser Typen Mitte zwanzig aus Champaign, der mit seinen Freunden in Campuskneipen abhing und unter den Studentinnen nach leichter Beute suchte.
Doch nach Raes Andeutung, dass er jemand war, den sie kennen sollte, musste sie diese Annahme nun wohl überdenken.
Vielleicht ein Sportler. Groß genug war er, mindestens eins achtzig, und den Körper dafür hatte er auch – nicht, dass sie besonders darauf geachtet hätte.
Vielleicht war er der neue Quarterback der Universitätsmannschaft oder so etwas. Rylann hatte die vergangenen neun Monaten in der abgeschotteten Welt der Jurafakultät verbracht, und wenn sie ehrlich war, hegte sie überhaupt kein Interesse für College-Football, also mochte das durchaus der Fall sein. Auch wenn er ein wenig älter zu sein schien, als sie es bei einem Studenten im Grundstudium erwarten würde.
»Also gut, ich gebe auf. Wer ist er?«, fragte sie Rae. Sie bereitete sich darauf vor, vollkommen unbeeindruckt zu sein.
»Kyle Rhodes.«
Rylanns Glas verharrte auf dem Weg zu ihrem Mund in der Luft. Wow! Diesen Namen kannte sie tatsächlich. Praktisch jeder an der Uni kannte ihn.
»Der Milliardär?«, fragte sie.
»Eigentlich nur der Sohn des Milliardärs – aber ja, genau der«, antwortete Rae.
»Aber Kyle Rhodes ist doch angeblich so ein Computerfreak.«
Rae rutschte auf ihrem Platz herum, um das Objekt ihrer Unterhaltung genauer zu betrachten. »Wenn er das neue Gesicht der Computerfreaks ist, kann er meine Tastatur gerne bedienen.«
»Allerliebst, Rae.« Rylann musste dem Drang widerstehen, sich umzudrehen. Sie kannte nicht alle Einzelheiten über ihn, doch dank diverser Artikel aus dem Time Magazine, der Newsweek und dem ForbesMagazine wusste sie genug über seinen Vater, einen Geschäftsmann aus Chicago, der in den Artikeln als der Inbegriff des amerikanischen Traums beschrieben wurde. Soweit sie sich erinnerte, stammte Grey Rhodes aus einfachen Verhältnissen, hatte sein Studium an der University of Illinois mit einem Magister in Informatik abgeschlossen und dann irgendwann seine eigene Softwarefirma gegründet. Sie wusste nicht viel über seine Karriere, abgesehen von einer wichtigen Sache: Vor etwa zehn Jahren hatte seine Firma Rhodes-Antivirus entwickelt, ein Sicherheitsprogramm, das sich weltweit verkauft und mehr als eine Milliarde Dollar eingebracht hatte.
Sie wusste außerdem, dass Grey Rhodes seine Alma Mater mit großzügigen Spenden bedacht hatte. Zumindest nahm sie an, dass das der Fall war, da die Universität einen ganzen Campusteil nach ihm benannt hatte – das Grey-Rhodes-Zentrum für Informatik. Mit seinem Millarden-Dollar-Imperium war er der mit Abstand reichste und bekannteste Absolvent der Uni. Und daher kannten die Leute auch Kyle Rhodes, den Informatikstudenten und rechtmäßigen Erben.
Dann hatte Mr Selbstgefällig jetzt also einen richtigen Namen, dachte Rylann. Tja, schön für ihn.
Sie warf einen verstohlenen Blick zu Kyle Rhodes, der sich über den Billardtisch beugte, um seinen Stoß auszuführen. Dabei spannte sich das Flanellhemd über seiner breiten, scheinbar sehr durchtrainierten Brust.
»Du könntest einfach wieder zurückgehen«, schlug Rae durchtrieben vor, während sie in die gleiche Richtung wie Rylann blickte.
Rylann schüttelte den Kopf. Auf keinen Fall. »Hat dich deine Mutter niemals vor dieser Art von Männern gewarnt, Rae?«
»Doch. An meinem sechzehnten Geburtstag, als Troy Dempsey vor unserem Haus anhielt und fragte, ob ich mit ihm eine Runde auf seinem Motorrad drehen wolle.«
»Bist du mitgefahren?«, fragte Rylann.
»Aber klar doch. Ich trug einen Jeansminirock und hab mir am Auspuff die Wade verbrannt. Die Narbe habe ich noch immer.«
»Mir scheint, in dieser Geschichte liegt eine Lektion«, sagte Rylann.
»Trage niemals einen Jeansminirock?«
Rylann lachte. »Das auch.« Und halte dich von bösen Jungs fern!
Sie ließen das Thema Kyle Rhodes fallen und schlossen sich der Diskussion ihrer Freunde über den Fünften Zusatzartikel an. Ohne dass Rylann es bemerkte, war über eine Stunde vergangen. Und als sie auf die Uhr sah, stellte sie überrascht fest, dass es schon nach Mitternacht war. Wieder erwischte sie sich dabei, wie sie einen Blick in Richtung Billardtisch warf – ihre verräterischen Augen schienen in dieser Nacht einen eigenen Willen zu besitzen –, doch sie konnte Kyle Rhodes und seine Freunde nicht mehr entdecken.
Was ihr nur recht war.
Wirklich.
2
Die Thekenbeleuchtung wurde eingeschaltet, was bedeutete, dass nun alle gehen sollten.
Rylann sah ungeduldig auf ihre Uhr, stellte fest, dass es Viertel nach eins war, und fragte sich, was Rae so lange auf der Toilette machte. Sie glaubte nicht, dass ihrer Freundin schlecht geworden war. Sie hatten zwar ein paar Drinks gehabt, aber über mehrere Stunden verteilt.
Als eine weitere Person, die dritte in den letzten fünf Minuten, aus der torkelnden Stampede der hinausgehenden Gäste gegen sie stieß, beschloss sie, nachzusehen, wo Rae blieb. Sie drängte sich an der Menge vorbei weiter in die Kneipe hinein. Ohne Vorwarnung rempelte sie ein Typ von links an und verschüttete dabei sein Bier auf der Vorderseite ihres schwarzen Oberteils mit dem V-Ausschnitt.
Rylann zuckte zusammen, als die kalte, klebrige Flüssigkeit zwischen ihren Brüsten entlang und über ihren Bauch lief. Sie warf dem Übeltäter, der seine Baseballkappe mit dem Verbindungslogo tief in die Stirn gezogen hatte, einen bösen Blick zu. »Na, das ist ja toll«, sagte sie trocken.
Er schenkte ihr ein schiefes Grinsen. »Tut mir leid.« Er drehte sich um und schubste seinen Kumpel. »Jetzt sieh dir an, was ich deinetwegen gemacht habe, Arschloch!«
Während das Arschloch und sein Freund ohne einen weiteren Blick in ihre Richtung die Kneipe verließen, schüttelte Rylann den Kopf. »Erstsemester«, murmelte sie. Keine Campuskneipen mehr, entschied sie. Okay, die Getränke waren günstig, aber sie musste dringend einen Ort finden, an dem die Leute etwas mehr Gehirnschmalz hatten.
»Aber, aber, Frau Anwältin. Vor nicht allzu langer Zeit hätte das Ihr Begleiter für den Verbindungsball sein können.«
Rylann erkannte den stichelnden Tonfall. Sie drehte sich um und sah Mr Selbstgefällig alias Kyle Rhodes, der entspannt an der Theke lehnte und seine langen Beine ausstreckte.
Entschlossen, angesichts seiner unleugbaren Attraktivität lässig zu bleiben, ging sie auf ihn zu und versuchte zu entscheiden, wie sauer sie darüber war, dass seine Einschätzungen immer zutreffender wurden. Sie war tatsächlich in einer Verbindung gewesen und mit genau solchen betrunkenen Typen mit Baseballkappen zu Bällen gegangen. Und stets hatten sie zu irgendeinem Zeitpunkt des Abends Bier über sie verschüttet. Die gute, alte Zeit.
Sie blieb neben Kyle an der Bar stehen und deutete auf einen Serviettenstapel hinter ihm. »Eine Serviette, bitte.«
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