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"Noch einmal lasst des Dichters Phantasie / Die düstre Zeit an euch vorüberführen …" Friedrich Schillers monumentales Versdrama führt hinein in die Wirren des Dreißigjährigen Krieges: Es zeigt die letzten drei Lebenstage Wallensteins, des erfolgreichen Oberbefehlshabers der kaiserlichen Armee. Im Winter 1633/34 hat Wallenstein den Gipfel seiner Macht erreicht, doch als er scheinbar beginnt, sich gegen seinen Kaiser aufzulehnen, wird ihm das zum Verhängnis. Schillers Trilogie, durch intensive Geschichtsstudien angeregt, wurde in den Jahren 1798 und 1799 uraufgeführt. Sie gilt als Inbegriff des klassischen Historiendramas. "Die Piccolomini" und "Wallensteins Lager" als erster Teil und "Wallensteins Tod" als zweiter Teil bilden eine Doppelausgabe, die zum Kernbestand der Universal-Bibliothek zählt. Das E-Book enthält jetzt Anmerkungen von Kurt Rothmann und ein neues Nachwort von Michael Hofmann. E-Book mit Verszählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.
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Seitenzahl: 210
Friedrich Schiller
Wallensteins Tod
Anmerkungen von Kurt RothmannNachwort von Michael Hofmann
Reclam
2003, 2017 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2017
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961292-8
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019469-0
www.reclam.de
Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen
WALLENSTEIN
OCTAVIO PICCOLOMINI
MAX PICCOLOMINI
TERZKY
ILLO
ISOLANI
BUTTLER
RITTMEISTER NEUMANN
EIN ADJUTANT
OBERST WRANGEL, von den Schweden gesendet
GORDON, Kommandant von Eger
MAJOR GERALDIN
Hauptleute in der Wallensteinischen Armee
DEVEROUX
MACDONALD
SCHWEDISCHER HAUPTMANN
EINE GESANDTSCHAFT VON KÜRASSIEREN
BÜRGERMEISTER von Eger
SENI
HERZOGIN VON FRIEDLAND
GRÄFIN TERZKY
THEKLA
FRÄULEIN NEUBRUNN, Hofdame der Prinzessin
VON ROSENBERG, Stallmeister der Prinzessin
DRAGONER
BEDIENTE. PAGEN. VOLK.
Szene ist in den drei ersten Aufzügen zu Pilsen, in den zwei letzten zu Eger.
Ein Zimmer zu astrologischen Arbeiten eingerichtet und mit Sphären, Karten, Quadranten und anderm astronomischen Geräte versehen. Der Vorhang von einer Rotunde ist aufgezogen, in welcher die sieben Planetenbilder, jedes in einer Nische, seltsam beleuchtet, zu sehen sind. Seni beobachtet die Sterne, Wallenstein steht vor einer großen, schwarzen Tafel, auf welcher der Planeten Aspekt gezeichnet ist.
Wallenstein. Seni.
WALLENSTEIN.
Lass es jetzt gut sein, Seni. Komm herab.
Der Tag bricht an, und Mars regiert die Stunde.
Es ist nicht gut mehr operieren. Komm!
Wir wissen gnug.
SENI.
Nur noch die Venus lass mich
Betrachten, Hoheit. Eben geht sie auf.5
Wie eine Sonne glänzt sie in dem Osten.
WALLENSTEIN.
Ja, sie ist jetzt in ihrer Erdennäh
Und wirkt herab mit allen ihren Stärken.
(Die Figur auf der Tafel betrachtend.)
Glückseliger Aspekt! So stellt sich endlich
Die große Drei verhängnisvoll zusammen,10
Und beide Segenssterne, Jupiter
Und Venus, nehmen den verderblichen,
Den tückschen Mars in ihre Mitte, zwingen
Den alten Schadenstifter mir zu dienen.
Denn lange war er feindlich mir gesinnt,15
Und schoss mit senkrecht- oder schräger Strahlung
Bald im Gevierten, bald im Doppelschein
Die roten Blitze meinen Sternen zu,
Und störte ihre segenvollen Kräfte.
Jetzt haben sie den alten Feind besiegt,20
Und bringen ihn am Himmel mir gefangen.
SENI.
Und beide große Lumina von keinem
Malefico beleidigt! der Saturn
Unschädlich, machtlos, in cadente domo.
WALLENSTEIN.
Saturnus’ Reich ist aus, der die geheime25
Geburt der Dinge in dem Erdenschoß
Und in den Tiefen des Gemüts beherrscht,
Und über allem, was das Licht scheut, waltet.
Nicht Zeit ists mehr zu brüten und zu sinnen,
Denn Jupiter, der glänzende, regiert30
Und zieht das dunkel zubereitete Werk
Gewaltig in das Reich des Lichts – Jetzt muss
Gehandelt werden, schleunig, eh die Glücks-
Gestalt mir wieder wegflieht überm Haupt,
Denn stets in Wandlung ist der Himmelsbogen.35
(Es geschehen Schläge an die Tür.)
Man pocht. Sieh, wer es ist.
TERZKY
(draußen). Lass öffnen!
WALLENSTEIN.
Es ist Terzky.
Was gibts so Dringendes? Wir sind beschäftigt.
TERZKY
(draußen). Leg alles jetzt beiseit. Ich bitte dich.
Es leidet keinen Aufschub.
WALLENSTEIN.
Öffne, Seni.
(Indem jener dem Terzky aufmacht, zieht Wallenstein den Vorhang vor die Bilder.)
Wallenstein. Graf. Terzky.
TERZKY
(tritt ein).
Vernahmst dus schon? Er ist gefangen, ist40
Vom Gallas schon dem Kaiser ausgeliefert!
WALLENSTEIN
(zu Terzky).
Wer ist gefangen? Wer ist ausgeliefert?
TERZKY.
Wer unser ganz Geheimnis weiß, um jede
Verhandlung mit den Schweden weiß und Sachsen,
Durch dessen Hände alles ist gegangen –45
WALLENSTEIN
(zurückfahrend).
Sesin doch nicht? Sag nein, ich bitte dich.
TERZKY.
Grad auf dem Weg nach Regenspurg zum Schweden
Ergriffen ihn des Gallas Abgeschickte,
Der ihm schon lang die Fährte abgelauert.
Mein ganz Paket an Kinsky, Matthes Thurn,50
An Oxenstirn, an Arnheim führt er bei sich,
Das alles ist in ihrer Hand, sie haben
Die Einsicht nun in alles, was geschehn.
Vorige. Illo kommt.
ILLO
(zu Terzky). Weiß ers?
TERZKY.
Er weiß es.
ILLO
(zu Wallenstein). Denkst du deinen Frieden
Nun noch zu machen mit dem Kaiser, sein55
Vertraun zurückzurufen? wär es auch,
Du wolltest allen Planen jetzt entsagen,
Man weiß, was du gewollt hast. Vorwärts musst du,
Denn rückwärts kannst du nun nicht mehr.
TERZKY.
Sie haben Dokumente gegen uns60
In Händen, die unwidersprechlich zeugen –
WALLENSTEIN.
Von meiner Handschrift nichts. Dich straf ich Lügen.
ILLO.
So? Glaubst du wohl, was dieser da, dein Schwager,
In deinem Namen unterhandelt hat,
Das werde man nicht dir auf Rechnung setzen?65
Dem Schweden soll sein Wort für deines gelten,
Und deinen Wiener Feinden nicht!
TERZKY.
Du gabst nichts Schriftliches – Besinn dich aber,
Wie weit du mündlich gingst mit dem Sesin.
Und wird er schweigen? Wenn er sich mit deinem70
Geheimnis retten kann, wird ers bewahren?
ILLO.
Das fällt dir selbst nicht ein! Und da sie nun
Berichtet sind, wie weit du schon gegangen,
Sprich! was erwartest du? Bewahren kannst du
Nicht länger dein Kommando, ohne Rettung75
Bist du verloren, wenn dus niederlegst.
WALLENSTEIN.
Das Heer ist meine Sicherheit. Das Heer
Verlässt mich nicht. Was sie auch wissen mögen,
Die Macht ist mein, sie müssens niederschlucken,
– Und stell ich Kaution für meine Treu,80
So müssen sie sich ganz zufrieden geben.
ILLO.
Das Heer ist dein; jetzt für den Augenblick
Ists dein; doch zittre vor der langsamen,
Der stillen Macht der Zeit. Vor offenbarer
Gewalt beschützt dich heute noch und morgen85
Der Truppen Gunst; doch gönnst du ihnen Frist,
Sie werden unvermerkt die gute Meinung,
Worauf du jetzo fußest, untergraben,
Dir einen um den andern listig stehlen –
Bis, wenn der große Erdstoß nun geschieht,90
Der treulos mürbe Bau zusammenbricht.
WALLENSTEIN.
Es ist ein böser Zufall!
ILLO.
O! einen glücklichen will ich ihn nennen,
Hat er auf dich die Wirkung, die er soll,
Treibt dich zu schneller Tat – Der schwedsche Oberst –95
WALLENSTEIN.
Er ist gekommen? Weißt du, was er bringt?
ILLO.
Er will nur dir allein sich anvertraun.
WALLENSTEIN.
Ein böser, böser Zufall – Freilich! Freilich!
Sesina weiß zu viel und wird nicht schweigen.
TERZKY.
Er ist ein böhmischer Rebell und Flüchtling,100
Sein Hals ist ihm verwirkt; kann er sich retten
Auf deine Kosten, wird er Anstand nehmen?
Und wenn sie auf der Folter ihn befragen,
Wird er, der Weichling, Stärke gnug besitzen? –
WALLENSTEIN
(in Nachsinnen verloren).
Nicht herzustellen mehr ist das Vertraun.105
Und mag ich handeln, wie ich will, ich werde
Ein Landsverräter ihnen sein und bleiben.
Und kehr ich noch so ehrlich auch zurück
Zu meiner Pflicht, es wird mir nichts mehr helfen –
ILLO.
Verderben wird es dich. Nicht deiner Treu,110
Der Ohnmacht nur wirds zugeschrieben werden.
WALLENSTEIN
(in heftiger Bewegung auf und ab gehend).
Wie? Sollt ichs nun im Ernst erfüllen müssen,
Weil ich zu frei gescherzt mit dem Gedanken?
Verflucht, wer mit dem Teufel spielt! –
ILLO.
Wenns nur dein Spiel gewesen, glaube mir,115
Du wirsts in schwerem Ernste büßen müssen.
WALLENSTEIN.
Und müsst ichs in Erfüllung bringen, jetzt,
Jetzt, da die Macht noch mein ist, müssts geschehn –
ILLO.
Wo möglich, eh sie von dem Schlage sich
In Wien besinnen und zuvor dir kommen –120
WALLENSTEIN
(die Unterschriften betrachtend).
Das Wort der Generale hab ich schriftlich –
Max Piccolomini steht nicht hier. Warum nicht?
TERZKY.
Es war – er meinte –
ILLO.
Bloßer Eigendünkel!
Es brauche das nicht zwischen dir und ihm.
WALLENSTEIN.
Es braucht das nicht, er hat ganz Recht –125
Die Regimenter wollen nicht nach Flandern,
Sie haben eine Schrift mir übersandt,
Und widersetzen laut sich dem Befehl.
Der erste Schritt zum Aufruhr ist geschehn.
ILLO.
Glaub mir, du wirst sie leichter zu dem Feind,130
Als zu dem Spanier hinüberführen.
WALLENSTEIN.
Ich will doch hören, was der Schwede mir
Zu sagen hat.
ILLO
(pressiert). Wollt Ihr ihn rufen, Terzky?
Er steht schon draußen.
WALLENSTEIN.
Warte noch ein wenig.
Es hat mich überrascht – Es kam zu schnell –135
Ich bin es nicht gewohnt, dass mich der Zufall
Blind waltend, finster herrschend mit sich führe.
ILLO.
Hör ihn fürs Erste nur. Erwägs nachher.
(Sie gehen.)
WALLENSTEIN
(mit sich selbst redend).
Wärs möglich? Könnt ich nicht mehr, wie ich wollte?
Nicht mehr zurück, wie mirs beliebt? Ich müsste140
Die Tat vollbringen, weil ich sie gedacht,
Nicht die Versuchung von mir wies – das Herz
Genährt mit diesem Traum, auf ungewisse
Erfüllung hin die Mittel mir gespart,
Die Wege bloß mir offen hab gehalten? –145
Beim großen Gott des Himmels! Es war nicht
Mein Ernst, beschlossne Sache war es nie.
In dem Gedanken bloß gefiel ich mir;
Die Freiheit reizte mich und das Vermögen.
Wars unrecht, an dem Gaukelbilde mich150
Der königlichen Hoffnung zu ergötzen?
Blieb in der Brust mir nicht der Wille frei,
Und sah ich nicht den guten Weg zur Seite,
Der mir die Rückkehr offen stets bewahrte?
Wohin denn seh ich plötzlich mich geführt?155
Bahnlos liegts hinter mir, und eine Mauer
Aus meinen eignen Werken baut sich auf,
Die mir die Umkehr türmend hemmt! –
(Er bleibt tiefsinnig stehen.)
Strafbar erschein ich, und ich kann die Schuld,
Wie ichs versuchen mag! nicht von mir wälzen;160
Denn mich verklagt der Doppelsinn des Lebens,
Und – selbst der frommen Quelle reine Tat
Wird der Verdacht, schlimmdeutend, mir vergiften.
War ich, wofür ich gelte, der Verräter,
Ich hätte mir den guten Schein gespart,165
Die Hülle hätt ich dicht um mich gezogen,
Dem Unmut Stimme nie geliehn. Der Unschuld,
Des unverführten Willens mir bewusst,
Gab ich der Laune Raum, der Leidenschaft –
Kühn war das Wort, weil es die Tat nicht war.170
Jetzt werden sie, was planlos ist geschehn,
Weitsehend, planvoll mir zusammenknüpfen,
Und was der Zorn, und was der frohe Mut
Mich sprechen ließ im Überfluss des Herzens,
Zu künstlichem Gewebe mir vereinen,175
Und eine Klage furchtbar draus bereiten,
Dagegen ich verstummen muss. So hab ich
Mit eignem Netz verderblich mich umstrickt,
Und nur Gewalttat kann es reißend lösen.
(Wiederum still stehend.)
Wie anders! da des Mutes freier Trieb180
Zur kühnen Tat mich zog, die rau gebietend
Die Not jetzt, die Erhaltung von mir heischt.
Ernst ist der Anblick der Notwendigkeit.
Nicht ohne Schauder greift des Menschen Hand
In des Geschicks geheimnisvolle Urne.185
In meiner Brust war meine Tat noch mein:
Einmal entlassen aus dem sichern Winkel
Des Herzens, ihrem mütterlichen Boden,
Hinausgegeben in des Lebens Fremde,
Gehört sie jenen tückschen Mächten an,190
Die keines Menschen Kunst vertraulich macht.
(Er macht heftige Schritte durchs Zimmer, dann bleibt er wieder sinnend stehen.)
Und was ist dein Beginnen? Hast du dirs
Auch redlich selbst bekannt? Du willst die Macht,
Die ruhig, sicher thronende erschüttern,
Die in verjährt geheiligtem Besitz,195
In der Gewohnheit festgegründet ruht,
Die an der Völker frommem Kinderglauben
Mit tausend zähen Wurzeln sich befestigt.
Das wird kein Kampf der Kraft sein mit der Kraft,
Den fürcht ich nicht. Mit jedem Gegner wag ichs,200
Den ich kann sehen und ins Auge fassen,
Der, selbst voll Mut, auch mir den Mut entflammt.
Ein unsichtbarer Feind ists, den ich fürchte,
Der in der Menschen Brust mir widersteht,
Durch feige Furcht allein mir fürchterlich –205
Nicht was lebendig, kraftvoll sich verkündigt,
Ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz
Gemeine ists, das ewig Gestrige,
Was immer war und immer wiederkehrt,
Und morgen gilt, weils heute hat gegolten!210
Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht,
Und die Gewohnheit nennt er seine Amme.
Weh dem, der an den würdig alten Hausrat
Ihm rührt, das teure Erbstück seiner Ahnen!
Das Jahr übt eine heiligende Kraft,215
Was grau für Alter ist, das ist ihm göttlich.
Sei im Besitze und du wohnst im Recht,
Und heilig wirds die Menge dir bewahren.
(Zu dem Pagen, der hereintritt.)
Der schwedsche Oberst? Ist ers? Nun, er komme.
(Page geht. Wallenstein hat den Blick nachdenkend auf die Türe geheftet.)
Noch ist sie rein – noch! Das Verbrechen kam220
Nicht über diese Schwelle noch – So schmal ist
Die Grenze, die zwei Lebenspfade scheidet!
Wallenstein und Wrangel.
WALLENSTEIN
(nachdem er einen forschenden Blick auf ihn geheftet).
Ihr nennt Euch Wrangel?
WRANGEL.
Gustav Wrangel, Oberst
Vom blauen Regimente Südermannland.
WALLENSTEIN.
Ein Wrangel wars, der vor Stralsund viel Böses225
Mir zugefügt, durch tapfre Gegenwehr
Schuld war, dass mir die Seestadt widerstanden.
WRANGEL.
Das Werk des Elements, mit dem Sie kämpften,
Nicht mein Verdienst, Herr Herzog! Seine Freiheit
Verteidigte mit Sturmes Macht der Belt,230
Es sollte Meer und Land nicht einem dienen.
WALLENSTEIN.
Den Admiralshut risst Ihr mir vom Haupt.
WRANGEL.
Ich komme, eine Krone drauf zu setzen.
WALLENSTEIN
(winkt ihm, Platz zu nehmen, setzt sich).
Euer Kreditiv. Kommt Ihr mit ganzer Vollmacht?
WRANGEL
(bedenklich).
Es sind so manche Zweifel noch zu lösen –235
WALLENSTEIN
(nachdem er gelesen).
Der Brief hat Händ und Füß. Es ist ein klug,
Verständig Haupt, Herr Wrangel, dem Ihr dienet.
Es schreibt der Kanzler: er vollziehe nur
Den eignen Einfall des verstorbnen Königs,
Indem er mir zur böhmschen Kron verhelfe.240
WRANGEL.
Er sagt, was wahr ist. Der Hochselige
Hat immer groß gedacht von Euer Gnaden
Fürtrefflichem Verstand und Feldherrngaben,
Und stets der Herrschverständigste, beliebt’ ihm
Zu sagen, sollte Herrscher sein und König.245
WALLENSTEIN.
Er durft es sagen.
(Seine Hand vertraulich fassend.)
Aufrichtig, Oberst Wrangel – Ich war stets
Im Herzen auch gut schwedisch – Ei, das habt ihr
In Schlesien erfahren und bei Nürnberg.
Ich hatt euch oft in meiner Macht und ließ250
Durch eine Hintertür euch stets entwischen.
Das ists, was sie in Wien mir nicht verzeihn,
Was jetzt zu diesem Schritt mich treibt – Und weil
Nun unser Vorteil so zusammengeht,
So lasst uns zueinander auch ein recht255
Vertrauen fassen.
WRANGEL.
Das Vertraun wird kommen,
Hat jeder nur erst seine Sicherheit.
WALLENSTEIN.
Der Kanzler, merk ich, traut mir noch nicht recht.
Ja, ich gestehs – Es liegt das Spiel nicht ganz
Zu meinem Vorteil – Seine Würden meint,260
Wenn ich dem Kaiser, der mein Herr ist, so
Mitspielen kann, ich könn das Gleiche tun
Am Feinde, und das eine wäre mir
Noch eher zu verzeihen, als das andre.
Ist das nicht Eure Meinung auch, Herr Wrangel?265
WRANGEL.
Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung.
WALLENSTEIN.
Der Kaiser hat mich bis zum Äußersten
Gebracht. Ich kann ihm nicht mehr ehrlich dienen.
Zu meiner Sicherheit, aus Notwehr tu ich
Den harten Schritt, den mein Bewusstsein tadelt.270
WRANGEL.
Ich glaubs. So weit geht niemand, der nicht muss.
(Nach einer Pause.)
Was Eure Fürstlichkeit bewegen mag,
Also zu tun an Ihrem Herrn und Kaiser,
Gebührt nicht uns, zu richten und zu deuten.
Der Schwede ficht für seine gute Sach275
Mit seinem guten Degen und Gewissen.
Die Konkurrenz ist, die Gelegenheit
Zu unsrer Gunst, im Krieg gilt jeder Vorteil,
Wir nehmen unbedenklich, was sich bietet;
Und wenn sich alles richtig so verhält –280
WALLENSTEIN.
Woran denn zweifelt man? An meinem Willen?
An meinen Kräften? Ich versprach dem Kanzler,
Wenn er mir sechzehntausend Mann vertraut,
Mit achtzehntausend von des Kaisers Heer
Dazuzustoßen –
WRANGEL.
Euer Gnaden sind285
Bekannt für einen hohen Kriegesfürsten,
Für einen zweiten Attila und Pyrrhus.
Noch mit Erstaunen redet man davon,
Wie Sie vor Jahren, gegen Menschendenken,
Ein Heer wie aus dem Nichts hervorgerufen.290
Jedennoch –
WALLENSTEIN.
Dennoch?
WRANGEL.
Seine Würden meint,
Ein leichter Ding doch möcht es sein, mit nichts
Ins Feld zu stellen sechzigtausend Krieger,
Als nur ein Sechzigteil davon – (Er hält inne.)
WALLENSTEIN.
Nun, was?
Nur frei heraus!
WRANGEL.
Zum Treubruch zu verleiten.295
WALLENSTEIN.
Meint er? Er urteilt wie ein Schwed und wie
Ein Protestant. Ihr Lutherischen fechtet
Für eure Bibel, euch ists um die Sach;
Mit eurem Herzen folgt ihr eurer Fahne. –
Wer zu dem Feinde läuft von euch, der hat300
Mit zweien Herrn zugleich den Bund gebrochen.
Von all dem ist die Rede nicht bei uns –
WRANGEL.
Herr Gott im Himmel! Hat man hier zu Lande
Denn keine Heimat, keinen Herd und Kirche?
WALLENSTEIN.
Ich will Euch sagen, wie das zugeht – Ja,305
Der Österreicher hat ein Vaterland,
Und liebts, und hat auch Ursach, es zu lieben.
Doch dieses Heer, das kaiserlich sich nennt,
Das hier in Böheim hauset, das hat keins;
Das ist der Auswurf fremder Länder, ist310
Der aufgegebne Teil des Volks, dem nichts
Gehöret, als die allgemeine Sonne.
Und dieses böhmsche Land, um das wir fechten,
Das hat kein Herz für seinen Herrn, den ihm
Der Waffen Glück, nicht eigne Wahl gegeben.315
Mit Murren trägts des Glaubens Tyrannei,
Die Macht hats eingeschreckt, beruhigt nicht.
Ein glühend, rachvoll Angedenken lebt
Der Gräuel, die geschahn auf diesem Boden.
Und kanns der Sohn vergessen, dass der Vater320
Mit Hunden in die Messe ward gehetzt?
Ein Volk, dem das geboten wird, ist schrecklich,
Es räche oder dulde die Behandlung.
WRANGEL.
Der Adel aber und die Offiziere?
Solch eine Flucht und Felonie, Herr Fürst,325
Ist ohne Beispiel in der Welt Geschichten.
WALLENSTEIN.
Sie sind auf jegliche Bedingung mein.
Nicht mir, den eignen Augen mögt Ihr glauben.
(Er gibt ihm die Eidesformel. Wrangel durchliest sie, und legt sie, nachdem er gelesen, schweigend auf den Tisch.)
Wie ists? Begreift Ihr nun?
WRANGEL.
Begreifs, wers kann!
Herr Fürst! Ich lass die Maske fallen – Ja!330
Ich habe Vollmacht, alles abzuschließen.
Es steht der Rheingraf nur vier Tagemärsche
Von hier, mit funfzehntausend Mann, er wartet
Auf Ordre nur, zu Ihrem Heer zu stoßen.
Die Ordre stell ich aus, sobald wir einig.335
WALLENSTEIN.
Was ist des Kanzlers Foderung?
WRANGEL
(bedenklich).
Zwölf Regimenter gilt es, schwedisch Volk.
Mein Kopf muss dafür haften. Alles könnte
Zuletzt nur falsches Spiel –
WALLENSTEIN
(fährt auf). Herr Schwede!
WRANGEL
(ruhig fortfahrend). Muss demnach
Darauf bestehn, dass Herzog Friedland förmlich,340
Unwiderruflich breche mit dem Kaiser,
Sonst ihm kein schwedisch Volk vertrauet wird.
WALLENSTEIN.
Was ist die Foderung? Sagts kurz und gut.
WRANGEL.
Die spanschen Regimenter, die dem Kaiser
Ergeben, zu entwaffnen, Prag zu nehmen,345
Und diese Stadt, wie auch das Grenzschloss Eger,
Den Schweden einzuräumen.
WALLENSTEIN.
Viel gefodert!
Prag! Seis um Eger! Aber Prag? Geht nicht.
Ich leist euch jede Sicherheit, die ihr
Vernünftgerweise von mir fodern möget.350
Prag aber – Böhmen – kann ich selbst beschützen.
WRANGEL.
Man zweifelt nicht daran. Es ist uns auch
Nicht ums Beschützen bloß. Wir wollen Menschen
Und Geld umsonst nicht aufgewendet haben.
WALLENSTEIN.
Wie billig.
WRANGEL.
Und so lang, bis wir entschädigt, 355
Bleibt Prag verpfändet.
WALLENSTEIN.
Traut ihr uns so wenig?
WRANGEL
(steht auf).
Der Schwede muss sich vorsehn mit dem Deutschen.
Man hat uns übers Ostmeer hergerufen;
Gerettet haben wir vom Untergang
Das Reich – mit unserm Blut des Glaubens Freiheit,360
Die heilge Lehr des Evangeliums
Versiegelt – Aber jetzt schon fühlet man
Nicht mehr die Wohltat, nur die Last, erblickt
Mit scheelem Aug die Fremdlinge im Reiche,
Und schickte gern mit einer Handvoll Geld365
Uns heim in unsre Wälder. Nein! wir haben
Um Judas’ Lohn, um klingend Gold und Silber,
Den König auf der Walstatt nicht gelassen,
So vieler Schweden adeliches Blut,
Es ist um Gold und Silber nicht geflossen!370
Und nicht mit magerm Lorbeer wollen wir
Zum Vaterland die Wimpel wieder lüften,
Wir wollen Bürger bleiben auf dem Boden,
Den unser König fallend sich erobert.
WALLENSTEIN.
Helft den gemeinen Feind mir niederhalten,375
Das schöne Grenzland kann euch nicht entgehn.
WRANGEL.
Und liegt zu Boden der gemeine Feind,
Wer knüpft die neue Freundschaft dann zusammen?
Uns ist bekannt, Herr Fürst – wenngleich der Schwede
Nichts davon merken soll – dass Ihr mit Sachsen380
Geheime Unterhandlung pflegt. Wer bürgt uns
Dafür, dass wir nicht Opfer der Beschlüsse sind,
Die man vor uns zu hehlen nötig achtet?
WALLENSTEIN.
Wohl wählte sich der Kanzler seinen Mann,
Er hätt mir keinen zähern schicken können.385
(Aufstehend.)
Besinnt Euch eines Bessern, Gustav Wrangel.
Von Prag nichts mehr.
WRANGEL.
Hier endigt meine Vollmacht.
WALLENSTEIN.
Euch meine Hauptstadt räumen! Lieber tret ich
Zurück – zu meinem Kaiser.
WRANGEL.
Wenns noch Zeit ist.
WALLENSTEIN.
Das steht bei mir, noch jetzt, zu jeder Stunde.390
WRANGEL.
Vielleicht vor wenig Tagen noch. Heut nicht mehr.
– Seit der Sesin gefangen sitzt, nicht mehr.
(Wie Wallenstein betroffen schweigt.)
Herr Fürst! Wir glauben, dass Sies ehrlich meinen;
Seit gestern – sind wir des gewiss – Und nun
Dies Blatt uns für die Truppen bürgt, ist nichts,395
Was dem Vertrauen noch im Wege stünde.
Prag soll uns nicht entzweien. Mein Herr Kanzler
Begnügt sich mit der Altstadt, Euer Gnaden
Lässt er den Ratschin und die kleine Seite.
Doch Eger muss vor allem sich uns öffnen,400
Eh an Konjunktion zu denken ist.
WALLENSTEIN.
Euch also soll ich trauen, ihr nicht mir?
Ich will den Vorschlag in Erwägung ziehn.
WRANGEL.
In keine gar zu lange, muss ich bitten.
Ins zweite Jahr schon schleicht die Unterhandlung,405
Erfolgt auch diesmal nichts, so will der Kanzler
Auf immer sie für abgebrochen halten.
WALLENSTEIN.
Ihr drängt mich sehr. Ein solcher Schritt will wohl
Bedacht sein.
WRANGEL.
Eh man überhaupt dran denkt,
Herr Fürst! Durch rasche Tat nur kann er glücken.410
(Er geht ab.)
Wallenstein. Terzky und Illo kommen zurück.
ILLO.
Ists richtig?
TERZKY.
Seid ihr einig?
ILLO.
Dieser Schwede
Ging ganz zufrieden fort. Ja, ihr seid einig.
WALLENSTEIN.
Hört! Noch ist nichts geschehn, und – wohl erwogen,
Ich will es lieber doch nicht tun.
TERZKY.
Wie? Was ist das?
WALLENSTEIN.
Von dieser Schweden Gnade leben!415
Der Übermütigen? Ich trüg es nicht.
ILLO.
Kommst du als Flüchtling, ihre Hilf erbettelnd?
Du bringest ihnen mehr, als du empfängst.
WALLENSTEIN.
Wie wars mit jenem königlichen Bourbon,
Der seines Volkes Feinde sich verkaufte,420
Und Wunden schlug dem eignen Vaterland?
Fluch war sein Lohn, der Menschen Abscheu rächte
Die unnatürlich frevelhafte Tat.
ILLO.
Ist das dein Fall?
WALLENSTEIN.
Die Treue, sag ich euch,
Ist jedem Menschen wie der nächste Blutsfreund,425
Als ihren Rächer fühlt er sich geboren.
Der Sekten Feindschaft, der Parteien Wut,
Der alte Neid, die Eifersucht macht Friede,
Was noch so wütend ringt, sich zu zerstören,
Verträgt, vergleicht sich, den gemeinen Feind430
Der Menschlichkeit, das wilde Tier zu jagen,
Das mordend einbricht in die sichre Hürde,
Worin der Mensch geborgen wohnt – denn ganz
Kann ihn die eigne Klugheit nicht beschirmen.
Nur an die Stirne setzt’ ihm die Natur435
Das Licht der Augen, fromme Treue soll
Den bloßgegebnen Rücken ihm beschützen.
TERZKY.
Denk von dir selbst nicht schlimmer als der Feind,
Der zu der Tat die Hände freudig bietet.
So zärtlich dachte jener Karl auch nicht,440
Der Öhm und Ahnherr dieses Kaiserhauses,
Der nahm den Bourbon auf mit offnen Armen,
Denn nur vom Nutzen wird die Welt regiert.
Gräfin Terzky zu den Vorigen.
WALLENSTEIN.
Wer ruft Euch? Hier ist kein Geschäft für Weiber.
GRÄFIN.
Ich komme, meinen Glückwunsch abzulegen.445
– Komm ich zu früh etwa? Ich will nicht hoffen.
WALLENSTEIN.
Gebrauch dein Ansehn, Terzky. Heiß sie gehn.
GRÄFIN.
Ich gab den Böhmen einen König schon.
WALLENSTEIN.
Er war darnach.
GRÄFIN
(zu den andern). Nun, woran liegt es? Sprecht!
TERZKY.
Der Herzog will nicht.
GRÄFIN.
Will nicht, was er muss? 450
ILLO.
An Euch ists jetzt. Versuchts, denn ich bin fertig,
Spricht man von Treue mir und von Gewissen.
GRÄFIN.
Wie? da noch alles lag in weiter Ferne,
Der Weg sich noch unendlich vor dir dehnte,
Da hattest du Entschluss und Mut – und jetzt,455
Da aus dem Traume Wahrheit werden will,
Da die Vollbringung nahe, der Erfolg
Versichert ist, da fängst du an zu zagen?
Nur in Entwürfen bist du tapfer, feig
In Taten? Gut! Gib deinen Feinden Recht,460
Da eben ist es, wo sie dich erwarten.
Den Vorsatz glauben sie dir gern, sei sicher,
Dass sies mit Brief und Siegel dir belegen!
Doch an die Möglichkeit der Tat glaubt keiner,
Da müssten sie dich fürchten und dich achten.465
Ists möglich? Da du so weit bist gegangen,
Da man das Schlimmste weiß, da dir die Tat
Schon als begangen zugerechnet wird,
Willst du zurückziehn und die Frucht verlieren?
Entworfen bloß, ists ein gemeiner Frevel,470
Vollführt, ists ein unsterblich Unternehmen;
Und wenn es glückt, so ist es auch verziehn,
Denn aller Ausgang ist ein Gottes Urtel.
KAMMERDIENER
(tritt herein).Der Oberst Piccolomini.
GRÄFIN
(schnell). Soll warten.
WALLENSTEIN.
Ich kann ihn jetzt nicht sehn. Ein andermal.475
KAMMERDIENER.
Nur um zwei Augenblicke bittet er,
Er hab ein dringendes Geschäft –
WALLENSTEIN.
Wer weiß, was er uns bringt. Ich will doch hören.
GRÄFIN
(lacht).
Wohl mags ihm dringend sein. Du kannsts erwarten.
WALLENSTEIN.
Was ists?
GRÄFIN.
Du sollst es nachher wissen.480
Jetzt denke dran, den Wrangel abzufertgen.
(Kammerdiener geht.)
WALLENSTEIN.
Wenn eine Wahl noch wäre – noch ein milderer
Ausweg sich fände – jetzt noch will ich ihn
Erwählen, und das Äußerste vermeiden.
GRÄFIN.
Verlangst du weiter nichts, ein solcher Weg485
Liegt nah vor dir. Schick diesen Wrangel fort.
Vergiss die alten Hoffnungen, wirf dein
Vergangnes Leben weg, entschließe dich