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Zwischen 1885 und 1932 wurden von deutschen und österreichischen Journalisten acht umfangreiche Intellektuellenbefragungen zu den Themen Judentum und Antisemitismus durchgeführt. Sie ermöglichen es, nachzuvollziehen wie sich im Bildungsbürgertum die Haltung zum Antisemitismus und die Vorstellungen vom Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik veränderten.
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Seitenzahl: 104
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Die Sprache der Tiere – oder von der Kunst, aneinander vorbei zu reden
Soziologische Grundalgen: Assimilation und ethnischer Pluralismus
Die Intellektuellenbefragungen als Quellengattung
Intellektuelle im Meinungsstreit über Judentum und Antisemitismus
Umfragen im Kaiserreich
Die Intellektuellenbefragungen Isidor Singers (1885) und Carl Klopfers (1891)
Die Intellektuellenbefragung von Hermann Bahr 1893-94
Die Intellektuellenbefragung von Julius Moses 1906-07
Die Intellektuellenbefragung Arthur Landsbergers und Werner Sombarts von 1912
Umfragen in der Weimarer Republik
Die Intellektuellenbefragung Bruno Willes von 1920
Die Intellektuellenbefragungen Ernst Johannsens und Hermann Bahrs von 1932
Fazit: Von der integrationalistischen Assimilation zum ethnischen Pluralismus
Epilog: Tiere können nicht sprechen
Glossar
Danksagung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Schema Assimilation und ethnischer Pluralismus
Berufsstruktur der Umfrageteilnehmer (%)
Religionsangehörigkeit der Umfrageteilnehmer (%)
Bevorzugte „Lösungen der Judenfrage“ 1885-94 und 1907-12
Bevorzugte „Lösungen der Judenfrage“ 1932
„Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, dass man da mit Vernunft überhaupt etwas machen kann. (…) Was ich Ihnen sagen könnte, das sind doch immer nur Gründe, logische und sittliche Argumente. Darauf hört doch kein Antisemit.“
Theodor Mommsen (1893)
„Es gab damals (um 1912) unter den einfachen Leuten, d.h. in der mittleren Bürgerschaft, der Arbeiterschaft und der Bauernschaft, keinen Antisemitismus. Der kam von oben, vom Studienrat aufwärts.“
Wolfgang Meyer-Michael (undatiert, nach 1945)
„Die Bewegung, die man aktuell unter dem Namen des Nationalsozialismus zusammenfasst und die eine so gewaltige Werbekraft bewiesen hat, vermischt sich mit der Riesenwelle exzentrischer Barbarei und primitiv-massendemokratischer Jahrmarktsrohheit, die über die Welt geht. (…) Entlaufen scheint die Menschheit wie eine Bande losgelassener Schuljungen aus der humanistisch-idealistischen Schule des neunzehnten Jahrhunderts, gegen dessen Moralität (…) unsere Zeit einen weiten und wilden Rückschlag darstellt.“
Thomas Mann (1930)
„Unter den Einsichten von Sigmund Freud (…) scheint mir eine der tiefsten die, dass die Zivilisation ihrerseits das Antizivilisatorische hervorbringt.“
Theodor W. Adorno (1966)
Der Historiker und Literaturnobelpreisträger Theodor Mommsen warnte in einem Interview von 1893 vor einer Überschätzung der Vernunft bei der Auseinandersetzung mit Vorurteilen. Das war eine unbequeme Botschaft, die am neuhumanistischen Selbstverständnis rüttelte, Bildung könne einer überlegenen Ethik zum Durchbruch verhelfen. Auch heute stößt sie auf taube Ohren. Im Angesicht des aktuellen Wiederauflebens völkischen Gedankenguts1, das durch die Alternative für Deutschland erstmals seit 1945 eine parteipolitische Massenbasis gefunden hat, wird in der Öffentlichkeit reflexartig nach Aufklärung und politischer Bildung gerufen. Deren Wirkung auf vorurteilsbehaftete Menschen ist allerdings extrem gering, da es ihnen nie um angemessene Sachaussagen geht, sondern ausschließlich um die Selbstaufwertung durch die Abwertung anderer. Dieser sozialpsychologische Mechanismus erlaubt es, Deprivationserfahrungen projektiv auszugleichen. Er lässt sich durch gesellschaftliche Ächtung eindämmen, nicht aber durch eine inhaltliche Auseinandersetzung. Jede widerlegende „Aufklärung“ spielt den Vorurteilsbehafteten ungewollt in die Hände, da sie sich ihren Themensetzungen unterwirft und für Publizität sorgt.2 Politik und Medien haben diese Kommunikationssituation, die die Völkischen automatisch zu Gewinnern macht, nicht ansatzweise durchschaut. Sie unterliegen nach wie vor dem tragischen Missverständnis, Vorurteile würden auf einem Mangel an Kenntnis und unzulässigen Verallgemeinerungen beruhen. Da Vorurteilsbehaftete jedoch die Regeln eines aufgeklärten Diskurses wissentlich und willentlich missachten, folgt auf den Nachweis von Irrtümern nie eine Bekehrung, so dass die Diskussionsparteien notwendigerweise aneinander vorbeireden. Nicht erst seit dem Internetzeitalter beziehen vorurteilsbehaftete Menschen ihr Weltwissen aus abgeschotteten Resonanzkammern. Sie erfinden hermetisch geschlossene Weltanschauungen und wenden diese auf die Fakten an. Und wenn dies nicht erfolgreich ist, erfinden sie auch die Fakten selbst. Aufklärung und politische Bildung mögen in der Prävention Erfolge erzielen. Doch der Vorurteilsbehaftete hat sich bereits für den Hass entschieden. Die Diskussion mit ihm erinnert daher an den Versuch, „einem Tier das Sprechen beizubringen“3, wie es der polnische Philosoph Leszek Kołakowski formulierte.
Zudem impliziert die Forderung nach Aufklärung und politischer Bildung die falsche Annahme, nur ungebildete Menschen seien für Vorurteile anfällig. Völkisches Gedankengut auf eine affektgesteuerte „Zornpolitik“4 zurückzuführen, überschätzt die Rolle von Emotionen und scheut die kritische Auseinandersetzung mit brisanten sozial- und ideengeschichtlichen Fakten. Weltanschauungen, die Menschen gegeneinander aufhetzen, sind keine Hervorbringungen des Straßenpöbels, sondern Kopfgeburten der bildungsbürgerlichen Studierstube. Gerade der Antisemitismus, dessen Ausbreitung häufig einseitig mit dem Sozialneid der „zu kurz gekommenen“ erklärt wird5, fand im 19. und frühen 20. Jahrhundert seine fanatischsten Anhänger nicht in den Unterschichten, sondern in den gebildeten Eliten.6 Doch selbst dort etablierte er sich nicht im Konsens, sondern im Konflikt. Auch die zivilgesellschaftliche Gegenwehr formierte sich im Bildungsbürgertum. In den Debatten über die so genannte „Judenfrage“ verlief die Frontlinie nicht zwischen Christen und Juden, sondern zwischen Befürwortern und Gegnern des Antisemitismus.7 Noch komplexer wird das Bild, wenn man einen Blick auf die Lösungsvorschläge wirft, wie das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit zu organisieren sei. Denn sie deckten sich nicht zwangsläufig mit den beiden genannten Lagern.
Obwohl die Grenzen der Aufklärung schon damals mehr als deutlich zu Tage traten, waren die Gebildeten im Kaiserreich und in der Weimarer Republik immerhin noch in der Lage, kontroverse Standpunkte auf gemeinsamen medialen Plattformen auszutauschen. Dies darf man sich allerdings nicht als einen voraussetzungslosen und herrschaftsfreien Diskurs vorstellen. Vielmehr ging es um einen Wettbewerb um Lesergunst und die Beeinflussung der öffentlichen Meinung in der einen oder anderen Richtung. Wer sich heute über gesellschaftspolitische Stimmungslagen informieren will, wirft einen Blick auf Meinungsumfragen. Wenig bekannt ist, dass Meinungsumfragen schon Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, wenn auch nicht im Sinne einer quantifizierenden Sozialforschung. Dazu fehlte es am methodischen Werkzeug und im 19. Jahrhundert wohl auch am Interesse, etwas über die Einstellungen bildungsferner Schichten zu erfahren. Daher ist die sozialgeschichtlich korrekte Einordnung der Umfragen wichtig. Sie erlauben Aussagen über das Bildungsbürgertum, spiegeln aber nicht die Mentalität der breiten Masse. Sie dürfte dem Thema „Judenfrage“, abgesehen von zeitlich begrenzten Phasen antisemitischer Hochkonjunktur, eine viel geringere Bedeutung beigemessen haben als die Gebildeten.8 Damit lagen die Ungebildeten viel näher an der Wirklichkeit. Um 1900 machten die Juden ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus, und in 95 Prozent aller Orte des Reiches gab es keine jüdische Gemeinde.9 Zudem waren die Juden keineswegs die einzige ethnische Minderheit auf deutschem Boden. In den preußischen Ostprovinzen lebten 3,5 Millionen Polen, deren Germanisierung kläglich scheiterte.10 Dennoch diskutierte man nur selten über eine „Polenfrage“. Die Intensität der Debatten um die „Judenfrage“ lässt sich also nicht aus dem Verhalten der Juden erklären, sondern allein aus der politischen und weltanschaulichen Überfrachtung dieses Themas.
Als typische Umfrageform etablierte sich die serielle Intellektuellenbefragung, die politischen, journalistischen, aber auch schon wissenschaftlichen Zwecken diente. Dabei wurden schriftliche (selten auch mündliche) Antworten von ausgewählten Intellektuellen auf ihnen vorgelegte Fragen erbeten. Die Aussagen wurden dann in einem Sammelband gebündelt und veröffentlicht. Wenn man bedenkt, dass der aktuelle Trend der Forschung von quantifizierenden Fragebogenstudien zu qualifizierenden Korpusanalysen übergewechselt ist11, wirkt die Methodik der Umfragen – gerade bezüglich der Eröffnung weitgehend freier Artikulationsmöglichkeiten – überraschend modern. Dennoch ist eine systematische Analyse dieser Quellen, die für die Themenbereiche Judentum und Antisemitismus in einer erstaunlichen Dichte vorliegen, bis heute nicht vorgenommen worden. Sie sind für Antisemitismusforschung und deutsch-jüdische Geschichte weitgehend Neuland geblieben.12
Methodisch orientiert sich die hier durchgeführte Auswertung der Umfragen an einer Sozialgeschichte der Ideen wie sie vor allem von angloamerikanischen Historikern praktiziert wird. Sie wendet sich zum einen gegen einen sozioökonomischen Reduktionismus, der Ideen entweder kein Eigengewicht in der Geschichte zubilligt oder sie als Ausdruck von Mentalitäten missversteht. Die Sozialgeschichte der Ideen grenzt sich aber auch scharf gegen die „neue Kulturgeschichte“ ab, die den Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Gesellschaftskrise negiert und durch die schwach fundierte Behauptung einer anlasslosen diskursiven Selbstradikalisierung ersetzt. Der tautologische Versuch, Antisemitismus aus antisemitischen Diskursen, Mentalitäten und Emotionen erklären zu wollen, überschätzt die Eigendynamik antisemitischer Propaganda und unterschätzt die Rahmenbedingungen ihrer Wirksamkeit. Außerdem neigt diese Forschungstradition zu einer einseitig auf sprachliche Oberflächenstrukturen fixierten Hermeneutik, die den anti-antisemitischen Gegendiskurs entwertet, sobald sich in ihm Judenstereotype ausmachen lassen. Damit werden unreflektiert Sprachregelungen politischer Korrektheit, die nach dem Holocaust entstanden, auf eine Zeit übertragen, in der sie keine Geltung hatten. In historischer Perspektive lässt sich Antisemitismus nicht allein am Sprachgebrauch (d.h. an Stereotypen) messen, sondern ist als ein Ideensystem zu verstehen, das durch bestimmte Diskursregeln (d.h. Anordnungen von Argumentationsmustern) hergestellt wird. Ziel muss es daher sein, die Entwicklung konkurrierender antisemitischer und antiantisemitischer Ideensysteme unter Beachtung des historischen Kontexts, der Akteure, ihrer Interessenlagen und der medialen Verfasstheit der Debatten nachzuvollziehen. Dabei ist das radikalkonstruktivistische Dogma von der sprachlichen Verfasstheit aller Wirklichkeit als neoidealistische Wiedervereinigung von Idee und Wirklichkeit zurückzuweisen. Ideen treten in Diskursen nicht als sprachliches Konstrukt von Wirklichkeit in Erscheinung, sondern transzendieren die sozialgeschichtlich ermittelbaren „hard facts“ durch das weltanschaulich Erwünschte. In den Umfragebeiträgen wurde niemals um Fakten gestritten, sondern ausschließlich um Meinungshegemonie und die Grenzen des Sagbaren gerungen. So wird zu zeigen sein, dass sich die Brisanz der „Judenfrage“ gerade aus der Entkopplung von Ideen und empirischer Evidenz ergab.13
Im Folgenden soll zunächst auf die Relevanz der Umfragen zum einen für die Zeitgenossen, zum anderen als Quelle für die historische Forschung eingegangen werden. Anschließend werden die Akteure in den Blick genommen: Wer veranlasste die Befragungen, und wer wurde befragt? Dann werden acht Intellektuellenbefragungen, die zwischen 1885 und 1932 erschienen (fünf zur Zeit des Kaiserreichs, drei in der Weimarer Republik), in chronologischer Reihenfolge vorgestellt und in den historischen Kontext eingeordnet. Im abschließenden Fazit wird nach Kontinuität und Wandel bildungsbürgerlicher Einstellungsmuster in der „Judenfrage“ Ausschau gehalten: 1. bezüglich der Haltung zum Antisemitismus, 2. über die erwünschte Ordnung des Zusammenlebens zwischen Mehrheit und Minderheit. Zu diesem Punkt sind vorab einige soziologische Begriffsdefinitionen nötig, um die Aussagen der Zeitgenossen einordnen zu können.
1 Samuel Salzborn, Angriff der Antidemokraten. Die völkische Rebellion der neuen Rechten, Weinheim 2017.
2 Klaus Ahlheim (Hg.), Die Gewalt des Vorurteils. Eine Textsammlung, Schwalbach 2007.
3 Leszek Kołakowski, Die Antisemiten, in: Ders., Der Mensch ohne Alternative. Von der Möglichkeit und Unmöglichkeit Marxist zu sein, München 1967, S. 161.
4 Uffa Jensen, Zornpolitik, Berlin 2017.
5 So u.a. Götz Aly, Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800-1933, Frankfurt a.M. 2011.
6 Der wichtigste Multiplikator war seit den 1880er Jahren die studentische Jugend. Vgl. Norbert Kampe, Studenten und „Judenfrage“ im deutschen Kaiserreich. Die Entstehung einer akademischen Trägerschicht des Antisemitismus, Göttingen 1988.
7 Ulrich Wyrwa, Gesellschaftliche Konfliktfelder und die Entstehung des modernen Antisemitismus. Das deutsche Kaiserreich und das liberale Italien im Vergleich, Berlin 2015.
8 Wer nach einem Antisemitismus „von unten“ fragt, muss auf andere Quellen zurückgreifen. Vgl. Richard Evans (Hg.), Kneipengespräche im Kaiserreich. Stimmungsberichte der Hamburger politischen Polizei 1882-1914, Reinbek 1989, S. 302-321; Armin Owzar, „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Konfliktmanagement im Alltag des wilhelminischen Obrigkeitsstaates, Konstanz 2006, S. 162-186; Werner Plücker, Propaganda und öffentliche Meinung im Dritten Reich. Erfolg und Misserfolg der nationalsozialistischen Meinungssteuerung, Saarbrücken 2007.
9 Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 34 (1913), S. 11; Neumanns Ortslexikon, Leipzig (4.Aufl.) 1905.
10 Witold Molik, Die preußische Polenpolitik im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Hans Henning Hahn/ Peter Kunze (Hg.), Nationale Minderheiten und staatliche Minderheitenpolitik in Deutschland im 19. Jahrhundert, Berlin 1999, S. 29-39.
11 So u.a. Monika Schwarz-Friesel/ Jehuda Reinharz, Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert, Berlin 2013.
12 Ideengeschichtliche Studien zitieren oft nur einzelne Beiträge, ignorieren aber den Kontext der Umfrage. Vgl. Thomas Vordermayer, Bildungsbürgertum und völkische Ideologie, Berlin 2016; Stefan Vogt, Subalterne Positionierungen. Der deutsche Zionismus im Feld des Nationalismus in Deutschland 1890-1933, Göttingen 2016; Friedemann Spicker, Wer hat zu entscheiden, wohin ich gehöre? Die deutsch-jüdische Aphoristik, Göttingen 2017. Besonders unverständlich ist die Missachtung dieser Quellengattung in Hans-Joachim Hahn/ Olaf Kistenmacher (Hg.), Beschreibungsversuche der Judenfeindschaft. Zur Geschichte der Antisemitismusforschung vor 1944, Berlin 2015. Im Handbuch des Antisemitismus, hrsg. von Wolfgang Benz, Berlin 2008ff. ist nur die Umfrage von Hermann Bahr mit einem Artikel vertreten.
13 Zur Methodik: Gräfe, Die Antisemitismusumfrage Hermann Bahrs, S. 38f; Samuel Salzborn, Kampf der Ideen. Die Geschichte politischer Theorien im Kontext, Baden-Baden (2.Aufl.) 2017, S. 11-42. Zur Antisemitismusforschung: Thomas Gräfe, Antisemitismus in Deutschland 1815-1918. Rezensionen – Forschungsüberblick – Bibliographie, Norderstedt (3.Aufl.) 2016, S. 100-118.
Wenn von der „Judenfrage“ oder gar ihrer „Lösung“ die Rede ist, muss man sich klar machen, dass im 19. und frühen 20. Jahrhundert diese Begriffe keineswegs durchgängig antisemitisch besetzt waren. Eine „Endlösung“ im Sinne des nationalsozialistischen Völkermordes bewegte sich jenseits der Vorstellungswelt der meisten Zeitgenossen. Unter der Rubrik „Judenfrage“ diskutierte man eher, wie das Zusammenleben von Mehrheit und Minderheit beschaffen sein sollte, was antisemitische und anti-antisemitische Meinungen gleichermaßen einschloss.14