Was sind meine Stärken? - Svenja Hofert - E-Book

Was sind meine Stärken? E-Book

Svenja Hofert

4,9

Beschreibung

Wir kennen die Frage aus jedem Vorstellungsgespräch: Was sind Ihre Stärken? Auch beim Thema Berufswunsch fragen wir uns, was optimal zu uns passt und uns erfüllt. Meist tun wir uns schwer damit, klar zu benennen, was wir gut können. Doch nur wer seine Stärken kennt, kann seine Chancen und Möglichkeiten ausloten. Nur wer seine Stärken kennt, kann sie weiterentwickeln und nutzen. Erfolgsautorin Svenja Hofert unterstützt Sie mit diesem Buch dabei, sich Ihrer Stärken bewusst zu werden. Sie bietet Ihnen 50 bildhaft beschriebene Stärken aus fünf Bereichen an und gibt zu jeder Stärke Tipps für den richtigen Job, für Ihre Rolle im Team und für die Weiterentwicklung Ihrer Stärke. Unsere Stärken sind der größte Schatz, den wir Menschen haben, denn er macht uns einzigartig und besonders. Dazu müssen wir sie jedoch kennen und benennen können. Dieses Buch bietet Ihnen dazu eine übersichtliche Anleitung.

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Inhaltsverzeichnis
Finden Sie Ihre starken Seiten!
TEIL 1: Die Welt der Stärken
Wie Sie Stärken bei sich und anderen aufspüren
Wann ist eine Stärke eine Stärke?
Stärken und Talente
Stärken und Schwächen
Stärken psychologisch betrachtet
Warum wir unsere Stärken oft falsch bewerten
Wie Stärken mit Selbstbewusstsein zusammenhängen
Der Fischteicheffekt oder warum Stärken immer relativ sind
Wie Sie Ihre Stärken entwickeln
Stärken-Entwicklung – eine wunderbare Entdeckungsreise
Die Formel für Ihre Veränderung nutzen
So »ist« es: Stärken vermessen
So »soll« es sein: die nächste Entwicklungsstufe
Lassen Sie sich bei der Stärken-Suche anregen
Den StärkenNavigator nutzen
Ihre Fokusstärke finden
Ihr individuelles Stärken-Mosaik
StärkenNavigator fürs Coaching und Selbstcoaching
TEIL 2: Ihre Stärken-Entdeckungsreise
Denker
Analytiker
Erfinder
Entwickler
Helikopter
Futurist
Kritiker
Schöngeist
Stratege
Querdenker
Wahrheitssucher
Lenker
Aktivierer
Bewegungsmensch
Leader
Fokussierer
Fürsorger
Gestalter
Handwerker
Idealist
Regisseur
Strukturgeber
Kommunikatoren
Coach
Geschichtenerzähler
Lehrer
Moderator
Redner
Netzwerker
Teamgestalter
Verkäufer
Vermittler
Visionär
Manager
Alltagsmanager
Koordinator
Ordnungsmensch
Planer
Prüfer
Schwachstellenfinder
Spezialist
Qualitäter
Verwalter
Graf Zahl
Künstler
Architekt
Artist
Genussmensch
Designer
Komponist
Menschenkenner
Schauspieler
Schreibtalent
Spiritualist
Stilist
ANHANG
Worklifestyle® StärkenNavigator
Literaturverzeichnis
Die Autorin
Impressum

Finden Sie Ihre starken Seiten!

Liebe Leserin, lieber Leser,

erinnern Sie sich an Steve Jobs? »Er fühlt nicht, was heute cool ist, er fühlt, was cool sein wird«, sagte Pamela Kerwin über den Apple-Gründer. Seine Stärke war es, in die Zukunft zu sehen, genaue Vorstellungen von etwas zu entwickeln und diese präzise und hartnäckig am Ball bleibend zu realisieren und zu kommunizieren. Er schaffte es dabei, dass die Besten ihr Bestes gaben. Er hatte eindeutige, klar nach außen sichtbare Stärken. »Ich bin nicht wie ein Steve Jobs«, werden Sie jetzt vielleicht sagen. »Ich bin ganz normal und habe keine besonderen Stärken. Fragt man mich im Vorstellungsgespräch nach meinen Stärken, so fällt mir nicht wirklich etwas ein. Und neulich, da wollte jemand sogar fünf Stärken von mir wissen. Nein, da muss ich passen.«

Für Leute wie Sie habe ich dieses Buch geschrieben. Nicht für die großen Genies dieser Welt, sondern für Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich selbst und ihre Stärken richtig zu verorten. Die sich fragen: Was kann ich eigentlich wirklich? Welchen Mehrwert stifte ich mit meinen Stärken? Was bringe ich meinem Team? Und ganz praktisch: Wie antworte ich auf diese furchtbare Frage nach meinen Stärken und Schwächen im Vorstellungsgespräch? Dieses Buch ist aber auch für Menschen, denen bei dieser Frage nicht wirklich viel einfällt außer:

1. kommunikationsstark

2. Organisationstalent

3. Teamplayer

4. analytisch

5. empathisch

6. kreativ

7. zuverlässig

Diese sieben Stärken führen meine inoffizielle deutschsprachige Hitliste an. Sie treffen auf jeden mehr oder weniger zu. Und deshalb sagen sie nichts. Es ist nicht nur mein Eindruck: Neunzig Prozent hielten sich in einer amerikanischen Umfrage unter Studenten zum Beispiel für empathisch. Neunzig Prozent! Eine Stärke sollte schon ausgefallener sein. Und sie sollte stimmen. Wenn neunzig Prozent sich für empathisch halten, so ist Empathie der Normalzustand.

Irrtum nicht ausgeschlossen: Auch Menschen, die meinen zu wissen, was ihre Stärken sind, möchte ich anregen, tiefer darüber nachzudenken, ob sie richtig liegen.

Der erste Teil des Buches leitet Sie an, Stärken zu orten, zu messen und weiterzuentwickeln. Der zweite Teil schickt Sie auf eine Entdeckungsreise zu eigenen Stärken und denen Ihres Partners, der Kollegen oder Ihres Kindes. Um das gängige Stärkenrepertoire zu erweitern, enthält er fünfzig bildhaft beschriebene Stärken aus fünf Bereichen. Daraus ergeben sich 50x50, also 2500 Kombinationsmöglichkeiten. Ermitteln Sie mit dem StärkenNavigator-Test im Anhang fünf Stärken aus diesen fünfzig, so erhalten Sie ein individuelles Stärken-Profil. Dieses gibt Ihnen einen tieferen Einblick, auch in die Welt Ihrer Nicht-Stärken, die andere Schwächen nennen …

Ihre Svenja Hofert

TEIL 1: Die Welt der Stärken

Wie Sie Stärken bei sich und anderen aufspüren

Denken Sie jetzt bitte an drei Menschen, die Sie gut kennen. Fallen Ihnen zu diesen Menschen Stärken ein? Können Sie spontan beschreiben, was diese Leute besonders macht, wertvoll, anders als andere? Ich wette, Sie können das. Und ich wette, Sie müssen nicht lange überlegen, wenn Sie Stärken von anderen Menschen, von Vertrauten, benennen sollen. Ich arbeite seit Jahrzehnten mit Menschen und habe immer wieder festgestellt, dass fünf plus/minus zwei Stärken immer sehr leicht zu benennen sind – eben sofern es um andere Menschen geht. Das geht frei, spontan, unverkrampft. Je dichter Sie an jemandem dran sind, desto leichter fallen Ihnen sieben plus/minus zwei Stärken dieses Menschen ein.

Zu meinem Sohn kommen mir schnell in den Sinn:

• Kritiker

• Genießer

• musikalisch

• fürsorglich

• Schreibtalent

• clever

• kocht kreativ

Wenn Ihnen doch mehr Stärken eingefallen sind: Meist lassen diese sich clustern, weil sie eine ähnliche Aussage treffen.

Je weiter entfernt Sie zu einer Person stehen, desto schwieriger wird es, sieben plus/minus zwei Stärken zu finden, aber mit etwas Nachdenken geht auch das. Probieren Sie es aus: Was sind die Stärken der Kollegin aus der Finanzabteilung, was die des Hausmeisters, des Fitnesstrainers, des Lehrers Ihres Kindes? Zählen Sie mal. Ich wette, es fallen Ihnen nicht mehr als sieben minus zwei ein. Das ist der Grund, aus dem ich in diesem Buch von fünf Leitstärken sprechen werde. Es sind die fünf führenden Stärken. Jene Stärken, die vorangehen und die Kutsche Ihres Lebens und Ihrer Karriere ziehen. Die Zahl Fünf ist dabei nicht einmal magisch. Fünf Dinge lassen sich leicht merken. Nach Hermann Ebbinghaus brauchen Menschen nur eine Wiederholung, um fünf bis sieben Items zu lernen. Verschiedene Studien bestätigten diese sogenannte Gedächtnisspanne von sieben plus/minus zwei Begriffen. Aus diesem Grund ist meine persönliche Erfahrung, dass sich fünf Leitstärken zu einer Person leicht abrufen lassen, durch psychologische Mechanismen gestützt. Für mich gibt es folgende fünf Leitstärken mit diversen Differenzierungen, die ich im zweiten Teil ausführlich erläutere:

• denken (Denker)

• steuern (Lenker)

• sprechen (Kommunikator)

• organisieren (Manager)

• kreieren (Künstler)

Kommen wir zu Ihnen. Was sind Ihre Stärken? Wenn ich Menschen frage, was sie als ihre Stärken ansehen, behaupten die meisten anfangs, diese nicht zu kennen. Selten stimmt das. Fast jeder hat eine Ahnung, aber nicht immer die passenden Worte. Fast jeder ist unsicher: Ist es auch das Richtige? Sehe ich alles? Und wie sehen das andere?

Aber wenn man einmal einen Zettel zur Hand nimmt und einen Stift, dann fallen einem auch sieben plus/minus zwei Stärken ein, ziemlich sicher. Vielleicht müssen Sie nachdenken, aber dann wird es klappen. Sie werden vielleicht zögern, unsicher sein, sich hinterfragen. Aber es wird funktionieren.

Bevor Sie weiterlesen, machen Sie doch mal die Probe aufs Exempel. Schreiben Sie Ihre Stärken auf einem Blatt Papier auf. Könnte es sein, dass einer oder mehrere der folgenden Begriffe daraufstehen, die Sie bereits aus dem Vorwort kennen?

1. kommunikationsstark

2. Organisationstalent

3. Teamplayer

4. analytisch

5. empathisch

6. kreativ

7. zuverlässig

Hier wirken zwei Phänomene: Wenn wir uns selbst fragen, werden wir oft Stärken benennen, die eher pauschal und allgemein klingen. Wenn uns überhaupt welche einfallen, denn für uns selbst sehen wir Stärken oft nicht oder wir drehen uns im Kreis um die immer selben Dinge. Das erste Phänomen hat mit der Verfügbarkeitsheuristik zu tun. Wir erinnern uns leichter an Begriffe, die uns vertraut sind und die wir oft hören und gehört haben. Den Begriff »Teamplayer« hören wir sehr oft, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Vorstellungsgespräch. Wir lesen das Wort wieder und wieder in Stelleninseraten. Was sagt es uns?

Kennen Sie Menschen, die nicht teamfähig sind? Gut, einige wenige. Aber die meisten werden irgendwie einen Weg gefunden haben, mit anderen zusammenzuarbeiten. Kennen Sie Menschen, die nicht kommunikationsstark sind? Gut, auch einige wenige. Aber was heißt das schon – kommunikationsstark? Zuhören können? Reden können? Auf den anderen eingehen? Worte finden? Sie sehen: In dem Wort steckt sehr viel mehr. Eine Stärke, die eigentlich nichts aussagt, weil sie zu wenig konkret ist, ist wenig wert. Konkretisieren Sie also wann immer möglich. Bringen Sie Aussagen eine Ebene tiefer. Kommunikationsstärke ja, aber welche? Schauen Sie genauer hin. Zum Beispiel auf das, was passiert, wenn Sie Ihre Stärke leben. Stärken sind Fähigkeiten und Fertigkeiten, die uns meist leichtfallen; sie sind nicht anstrengend. Sie sind fruchtbar und nützen auch anderen, oft jedenfalls. Wenn ich ein toller Erzähler bin, profitiert mein Zuhörer! Das ist auch kommunikationsstark, aber viel spezifischer.

Stärken sind immer die Übertreibung von etwas Normalem. Jemand, der eine Stärke hat, besitzt mehr von etwas als andere. In der Gauß’schen Normalverteilung, das ist die Glockenkurve mit dem großen Bauch in der Mitte, liegt er außerhalb des Zweidrittelbereichs des Durchschnitts. Er kann zum Beispiel besser strukturieren, schreiben oder erzählen als die Menschen in seinem Umfeld. Stärken entstehen immer aus dem Vergleich. Und ein Vergleich ist nur möglich, wenn wir uns in Beziehung zu anderen setzen.

Eine Stärke, die jeder hat, ist keine Stärke. Tschüs, »Kommunikationsstark«.

► Also, was meinen Sie genau, wenn Sie von der Stärke X sprechen?

Wann ist eine Stärke eine Stärke?

Ist das nun eine Stärke? Es fällt mir doch so leicht! Viele Menschen haben kein Gespür für eigene Stärken, weil sie glauben, dass etwas, das einfach ist, keine Stärke sein kann. Das Gegenteil ist der Fall. Suchen Sie Stärken dort, wo Ihnen etwas leicht von der Hand geht und nicht anstrengend ist. Jedenfalls nicht negativ anstrengend. Anstrengung kann ja auch positiv sein – siehe Marathon-Laufen. Viele Stärken sind Übungsstärken. Offensichtlich ist das bei Klassik-Musikern. Wer nicht früh anfängt und etwa ab zwölf Jahren mehrere Stunden am Tag übt, wird es als Musiker nicht weit bringen. Auch ein guter Kunstmaler wird nicht durch wenige Pinselstriche, sondern oft erst über die Jahre »geboren«.

Selbst Schreiben kostet viel, viel Übung – in keinem Metier wird das so unterschätzt. Ich erzähle hier gern meine eigene Geschichte, wenn mir angeborenes Talent unterstellt wird. Ich habe mit zwölf Jahren angefangen zu schreiben, mit fünfundzwanzig begann ich das durch Artikel und später durch eigene Bücher zu professionalisieren. Damals habe ich für einen Text von 5000 Zeichen ein bis zwei Tage gebraucht. Heute schreibe ich meine etwa ebenso lange Kolumne bei Spiegel Online in einer Stunde. Natürlich hat sich auch die Qualität verbessert. Ich kann Texte heute zum Beispiel besser strukturieren. Daran sieht man nicht nur, dass Stärken wachsen, sondern auch, dass jede Stärke Teilstärken hat. Eine Stärke wie Schreibtalent lässt sich weiter zerlegen. Egal, um welche Stärke es geht, es gibt mindestens einen Teilbereich, an dem jemand weiter wachsen kann. Hat der Cellomusiker endlich einen feinen Strich, so kann er am künstlerischen Ausdruck arbeiten.

Ob dabei der Weg immer zu einer perfekt ausgereiften Stärke führen muss? Eine zu starke Stärke könnte unauthentisch und starr wirken, die kleine Schwäche, das Unperfekte zwischendurch, macht menschlich. In meinem Blog werden Sie einige Fehler finden. Ich könnte daran arbeiten und mich auf den Weg in den Perfektionismus begeben. Ich könnte Reden so ausfeilen, bis alles sitzt. Oder ich entscheide, es sein zu lassen. Ich bin jemand, der es sein lässt. Meine Entscheidung. Ihre kann anders ausfallen.

Eine Stärke ist also eine Stärke, wenn

• sie charakteristisch für Sie ist,

• Sie sie gern mögen,

• Sie sie gern wachsen lassen wollen – bis zu einem Entwicklungsgrad, den Sie bestimmen.

► Fällt Ihnen jetzt ein, was eine wahre Stärke sein könnte?

Stärken und Talente

Der Talentbegriff wird vielfach missbraucht, weshalb ich ihn nicht besonders mag. Es gibt zum Beispiel Talent-Management in Unternehmen, was assoziiert, dass sich Talente managen lassen wie ein Betrieb. Das geht natürlich nicht. Nein, das ist sogar ein Widerspruch. In diesem Sinn ist das Talent ein Mensch mit einer besonderen Begabung. Dabei interessieren sich Unternehmen ausschließlich für kognitive Begabungen, also solche, die mit Intelligenz zu tun haben. Musische und andere künstlerische Talente sind in diesem Kontext wenig wert. Das Talent ist eine Produktivkraft. Es zählt nur, wenn es wirtschaftlichen Nutzen bringt. Diese Entwicklung missfällt mir sehr. Sie ist nicht gut für unsere Gesellschaft.

Deshalb führe ich den Talentbegriff hier einfach zurück auf das, was er ursprünglich bedeutet. Der Duden schreibt: »Eine bestimmte große Fähigkeit für etwas, die jemand nicht durch Lernen oder Ausbildung erworben hat, sondern bereits von Geburt an besitzt.« Wer besitzt schon etwas von Geburt an? Es ist vielmehr so, dass bestimmte Dinge einem eher zufallen als andere. Das hat manchmal auch körperliche Gründe. Dass ich nach einer Stunde Ballett das Handtuch geschmissen habe, hat vielleicht auch damit zu tun, dass mein Körperbau nicht so zierlich war, dass ich es hier weit hätte bringen können. Andere haben Rhythmus im Blut und wieder andere einfach ein Auge für Formen. In der Klasse meines Sohnes ist ein Mädchen, das schon früh unheimlich beeindruckend malen konnte. Man kann es nicht erklären. Es kommt nicht von der Übung. Es ist da. »Das Analytische ist mir – anders als meinen Geschwistern – immer zugefallen«, sagt die Mathematikerin. »Ich konnte Melodien schon früh aus dem Gedächtnis wiedergeben«, erzählt der Musiker.

Einigen wir uns darauf: Talente sind Veranlagungen eines Menschen, in bestimmten Feldern besser zu sein als andere – sie müssen nicht entwickelt sein. Stärken dagegen sind entwickelte Talente, aber auch durch Übung entstandene andere Fähigkeiten und Fertigkeiten. Stärken fallen nicht vom Himmel. Jemand mag ein kreatives Talent haben. Aber Kreativität erfordert Wissen. Wenn Sie keine Ahnung von Medizin und Medizintechnik haben, können Sie keine innovativen Geräte erfinden und entwickeln. Nur Talent zu haben reicht also nicht.

► Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie Stärken, die auf einem Talent basieren?

Stärken und Schwächen

Wenn Sie an Ihre Stärken denken, fallen Ihnen gleich Schwächen ein? Wenn das so ist, sind Sie wahrscheinlich ein selbstkritischer Mensch. Viele Menschen denken zuerst an ihre Schwächen, wenn sie über Stärken lesen. Und nicht wenige sind sich nicht sicher, ob etwas, das sie bei sich wahrnehmen, Stärke oder Schwäche ist. Nehmen wir den Perfektionismus. Die eine Seite der Medaille ist eine hohe Genauigkeit, die andere eine übertriebene Detailorientiertheit.

Schwächen treten in zwei Formen auf. Die eine Form der Schwäche verhindert das Besserwerden und den Erfolg. Diese Schwächen stehen den eigenen Stärken als Hürden im Weg. Ich sage bewusst – den eigenen Stärken! Schwächen sind nur dann Schwächen, wenn sie Stärken behindern. Wenn die begnadete Mathematikerin schlechte Präsentationen macht und dies ihrem von ihr selbst gewünschten beruflichen Erfolg als Professorin im Weg steht, dann ist das Präsentieren eine Schwäche, an der sie arbeiten könnte. Wenn der Musiker nur deshalb Zuhörer nicht begeistert, weil er das Mimikspiel auf der Bühne nicht beherrscht, dann lohnt es sich, diese kleine Schwäche auszubügeln.

Es gibt noch eine weitere Art von Schwächen: Das sind ins Negative übertriebene Stärken. Wenn jemand witzig ist, ist das eine Stärke, während Albernheit nervt. Offenheit ist wunderbar, blinder Fortschrittsglaube nicht. Im Grunde handelt es sich bei diesen Schwächen um schlecht dosierte Stärken, einer versalzenen Suppe vergleichbar. Ich habe einmal einen Redner beobachtet, der zwanzig Minuten richtig genial war, witzig und unterhaltsam, das Salz in der Suppe. Dreißig Leute im Raum waren absolut begeistert – doch dann redete und redete er, bis sich der Effekt ins Gegenteil verkehrte. Er hatte unsere Suppe versalzen. Max kann sehr ordentlich oder ein übertriebener Ordnungsfetischist sein. Peter kann ein toller Redner sein oder aber andere »zulabern«. Wir wollen also daran arbeiten, ein richtiges Gefühl für den positiven Wirkungskreis einer Stärke zu entwickeln.

► Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie »überdosierte« Stärken? Was können Sie tun, um diese auszubalancieren?

Schwächen, die keine sind

Gestern sprach ich mit einer Kundin, die sich selbst überwunden hatte. Fünfundzwanzig Jahre ihres Lebens glaubte sie etwas nicht zu können – frei zu reden. Dann tat sie es, und es war wie eine Befreiung. Sie konnte frei reden, das Publikum unterhalten, die Aufregung kontrollieren. Es war ein bombastisches Gefühl. Wahrscheinlich so wie bei mir damals, als ich das erste Mal live im Radio gesprochen habe vor zwanzig Jahren.

Wir sehen oft Schwächen, die keine sind. Bei der Kundin war es so, dass sie einmal frei geredet hatte und das zum Desaster wurde. Oft sind es solche Erlebnisse, die uns glauben lassen, Dinge nicht zu können, die wir eigentlich könnten. Wir scheitern in der Matheprüfung, versagen beim Bockspringen, werden ausgelacht, belächelt oder verhöhnt. Danach gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wir stellen uns den Situationen wieder oder wir meiden sie. Die meisten werden sie meiden – ohne zu ahnen, was sie dabei verpassen. Das ist mir ein besonderes Anliegen. Wenn Sie sich mit Stärken und Schwächen beschäftigen, dann lernen Sie zu unterscheiden, was Sie wirklich nicht können und was Sie aufgrund eines Misserfolgs aufgegeben haben.

Wie viele Autoren haben Dutzende Bücher geschrieben, bevor sie eins verkauften! Erfolg hat mit Wiederholung, Dranbleiben, Frustrationstoleranz und Willenskraft zu tun.

► Sind Sie wirklich drangeblieben? Oder haben Sie oft zu früh aufgegeben?

Stärken psychologisch betrachtet

Vielleicht ist es überraschend für Sie, aber Stärken existierten lange weder in der traditionellen Psychologie noch in der Pädagogik. Man sprach vielmehr von Persönlichkeitseigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Kompetenzen. Erst in letzter Zeit finden die »personal strengths«, die persönlichen Stärken, Eingang in die Fachliteratur, vor allem über die positive Psychologie, die an Einfluss gewinnt. Dieser Zweig der Psychologie sucht eine Abkehr von der defizitorientierten Sicht auf die Persönlichkeit des Menschen. Stärken sollen gestärkt werden – nicht Schwächen beseitigt. Wie viel Unheil wir anrichten, wenn wir uns auf Defizite konzentrieren, konnte ich neulich im Orchester meines Sohnes beobachten. Ein Mädchen bricht immer wieder in Tränen aus, wenn andere, die jünger sind als sie, besser Cello spielen. Sie hat nicht so ein großes Talent, aber die Eltern zwingen sie in einem übersteigerten Ehrgeiz in ein Spiel, das sie so nicht gewinnen kann. Wie viel leichter wäre ihr Leben, wenn sie einfach die Musik genießen und sich sagen könnte, dass nicht jeder ein großer Musiker werden muss, der ein Instrument spielt. Die Stärke ist dann nicht Cello spielen, sondern Freude an der Musik empfinden können. Das ist eine Umdeutung, die im Kopf beginnt.

Die Persönlichkeitspsychologie zielt auf die Vermessung des Menschen. Sie ist darauf ausgerichtet, die Persönlichkeit und deren kognitive Fähigkeiten, also die Intelligenz und die Charaktereigenschaften, zu erfassen. Dabei ging und geht es vor allem darum, einen Menschen im Vergleich zu anderen einzuordnen. Dem liegt ein weitgehend statisches Menschenbild zugrunde: Der Mensch ist so, wie er ist, seine Intelligenz und seine Eigenschaften sind angeboren und entwickeln sich mehr oder weniger automatisch in eine weitgehend vorbestimmte Richtung.

Dabei bleibt bis zum Alter von etwa dreißig Jahren noch Spielraum, während sich die Persönlichkeit mit Richtung auf das fünfzigste Lebensjahr verfestigt. Das wurde in Studien ermittelt, die in der westlichen Welt oft auf den sogenannten Big Five beruhen. Diese Big Five beschreiben die Eigenschaften von Menschen in fünf Hauptkategorien:

Sie sehen schon, dass in diesen Begriffen einige Fallstricke liegen. Die eine Seite (rechts) wird als positiv gekennzeichnet, die andere (links) als »Mangel« und zumindest implizit als negativ. In der Tat werden introvertierte Menschen in wissenschaftlichen Studien als »E-« bezeichnet. Dabei können Introvertierte ganz besondere Stärken hervorbringen, etwa eine für kreative Prozesse sehr fruchtbare Nachdenklichkeit. Sie können durch ihr ruhigeres Tempo sehr ausgleichend wirken.

Hinzu kommt: Konzentrierte man sich auf die Beschreibung des Menschen mit den Big Five, dann hätten danach die meisten Menschen keine besonderen Stärken, denn sie liegen irgendwo in der Mitte. Dabei ist auch die Mitte eine besondere Stärke, erreicht man aus dieser doch leichter das Extrem. Ich habe viele Menschen über einen längeren Zeitraum beobachtet, deren Big-Five-Profil ich gut kenne. Immer wieder stellte ich fest: Es wird ihnen nicht gerecht, es gibt nur grobe Einblicke und zeigt Tendenzen. Vor allem aber motiviert es nicht zu einer positiven Stärken-Entwicklung, da die Big Five ein statisches Bild zeichnen.

Viele der fünfzig in diesem Buch vorgestellten Stärken stehen dennoch mit diesen Big Five in einer Beziehung. Ein »Futurist« in meinem Modell hat eine hohe Offenheit für Neues, ein »Schöngeist« ist mit großer Wahrscheinlichkeit introvertiert. Ich habe meine fünfzig Stärken aber ganz bewusst davon losgelöst, weil mich das Mangeldenken stört. Darüber hinaus gibt es Stärken, die in diesem und anderen Persönlichkeitsmodellen keine Rolle spielen. Dies gilt vor allem für künstlerische Stärken und jene, die mit körperlichem Können oder einer bestimmten Art, zu denken und zu handeln, zu tun haben.

► Wo würden Sie sich in den Big Five verorten? Und was sagt das über Ihre Stärken (nicht)?

Warum wir unsere Stärken oft falsch bewerten

Stärken-Fehlsichtigkeit ist weit verbreitet. Das liegt daran, dass Stärken eng mit unserem Selbstbild verzahnt sind. Dieses wiederum beruht auf Einstellungen, Werthaltungen und tief verankerten kulturellen Glaubenssätzen. Jemand in Asien bewertet »mach dein Ding« ganz anders als ein Amerikaner. Der Asiat betont Bescheidenheit und Zugehörigkeit zur Gruppe, der Amerikaner das Gegenteil.

Wie viele Menschen haben für dieselbe Sache positives und negatives Feedback bekommen? Was eine Stärke ist, liegt also auch im Auge des Betrachters. Nicht jedem gefällt das Gleiche. Meist mögen wir, was wir selbst verstehen und kennen, während wir ablehnen, was uns fremd ist. Das ist kulturell sehr unterschiedlich. Ist ein Verhalten direkt, offen, mutig oder einfach grenzüberschreitend? Die Bewertungen unseres Umfelds können sehr weit auseinandergehen. Gehen wir woanders hin – in ein anderes Unternehmen oder ein anderes Land –, werden wir oft anders wahrgenommen. Damit verändert sich auch unsere Sicht auf Stärken.

Unterschiedliche innere und äußere Maßstäbe und Werthaltungen beeinflussen das Bild der Stärke. Nehmen wir ein Beispiel – Entscheidungen. Entscheiden zu können wird oft als Stärke gesehen. Manch einer glaubt, dass es gut sei, schnell zu entscheiden, weil Führungskräfte rasch entscheiden sollten. Die Führungskraft wird ihre Entscheidungsfähigkeit allein deshalb anders bewerten. Entscheidet sie schnell, wird sie sich für einen guten Manager halten, zaudert sie oft, könnten Zweifel an den eigenen Fähigkeiten aufkommen.

Aber ist schnelles Entscheiden überhaupt gut? Wer schnell entscheidet, durchdenkt die Entscheidung nicht gut genug. Es könnte also sein, dass ein langsamer Entscheider viel bessere Entscheidungen trifft, ergo hinsichtlich der Entscheidungsqualität ein besserer Manager ist. Dafür sprechen die neueren Erkenntnisse aus der Wirtschaftspsychologie, vor allem von Daniel Kahnemann, der »System 1« und »System 2« unterscheidet.

Eine Rolle spielt auch verzerrte Wahrnehmung. So glauben Menschen, dass sie etwas richtig tun, wenn sie kein Feedback erhalten, das »stopp« signalisiert. Feedback, negatives wie positives, führt normalerweise zur Selbstkorrektur, wenn es angemessen ist und fair verteilt wird. Wer kein Feedback erhält, neigt dazu, sich in seinem Verhalten festzufahren. Er hält sich dann beispielsweise für einen großartigen Verkäufer. Seine Verkaufserfolge gehen aber möglicherweise zum Teil zurück auf Zufall und Marktsituation. Die in uns allen wirksame Selbstbestätigungstendenz sorgt dafür, dass er das ausblendet. Die Folge ist, dass etwas als Stärke gesehen wird, das keine ist.

Es gibt auch eine Stärken-Fehlsichtigkeit durch eine ungenaue Begriffsinterpretation. Fragen Sie beispielsweise einmal, wer sich für kreativ hält. Psychologisch gesehen ist Kreativität die Fähigkeit, ungewöhnliche Ideen zu entwickeln. Viele der Menschen, die den Finger heben, interpretieren Kreativität aber ganz anders.

Das alles hat mich dazu geführt, die fünfzig Stärken in diesem Buch exakt zu definieren und wenig Interpretationsspielraum zu lassen.

► Kennen Sie Beispiele für Stärken-Fehlsichtigkeit?

Wie Stärken mit Selbstbewusstsein zusammenhängen

Stärken sind relativ zum Selbstbewusstsein. Je geringer Ihr Selbstbewusstsein, desto weniger Stärken werden Sie sich zuschreiben und desto vorsichtiger werden Sie auf Fragen dazu antworten. Sie trauen sich die Dinge einfach nicht zu. Das führt oft dazu, dass Sie sie auch nicht machen. Wer sich nicht traut, Matheaufgaben zu lösen, stellt sich ihnen nicht. Stellen Sie sich eine komplizierte Zahlenreihe vor. Jemand mit Mathe-Selbstbewusstsein sagt: »Ja, das löse ich«, und investiert Zeit. Jemand ohne Mathe-Selbstbewusstsein sagt eher von vornherein: »Das kann ich sowieso nicht.« So geht auch der Übungseffekt verloren. Dies erklärt, warum weniger selbstbewusste Mädchen in einem geschützten Raum ohne Jungen plötzlich besser in Mathe werden.

Wie stark ist Ihr Selbstbewusstsein?

Fehlendes Selbstbewusstsein wirkt aber auch auf andere Stärken negativ. Wenn Sie sich nicht zutrauen, eine Reise gut zu planen, sagen Sie: »Kann ich nicht.« Wenn Sie nicht daran glauben, auf der Bühne eine freie Rede halten zu können, passiert dasselbe. Deshalb habe ich hier einen kleinen Selbstbewusstseins-Check für Sie. Die Skala reicht von »stimme völlig zu« bis »stimme gar nicht zu«.

Stimme völlig zu = 4 · Stimme zu = 3 · Teils, teils = 2 · Stimme etwas zu = 1 · Stimme gar nicht zu = 0

Haben Sie Werte zwischen 0 und 4 erzielt, so sollten Sie an Ihrem Selbstbewusstsein arbeiten. Oft erklären sich sehr niedrige Werte durch ein Stärken entziehendes Umfeld. Wenn Sie von Ihrem Chef immer wieder hören, dass Sie nicht gut sind, wenn Sie ständig kritisches Feedback erfahren oder auch gar keines, so verändert dies Ihr Selbstbewusstsein. Auch wenn Sie gegen Ihre Stärken arbeiten müssen, erreichen Sie diesen Effekt. Wenn Sie also den ganzen Tag Kalkulationen erledigen müssen, dies aber weder können noch mögen, leidet der Selbstwert. Mir hat mal jemand gesagt, er sei nach zehn Jahren reiner Computerarbeit entgegen seiner eher extravertierten und auf Kontakt bezogenen Stärken »zwangsintrovertiert« geworden. So etwas kann passieren, aber es kann auch andersherum sein. Jemand, der gerne öfter für sich sein will, wird durch Großraumbüros und ein einseitiges Verständnis von Teamarbeit in den Kontakt gezwungen. In solchen Situationen ist die Beschäftigung mit den Stärken nur ein Impuls, Sie müssen dann Ihre Situation ändern. Stärken-Entwicklung ist nur da möglich, wo Sie Stärken nutzen können.

Umgekehrt kann ein hohes Selbstbewusstsein auch einen falschen Eindruck erwecken. Jemand, der selbstbewusst sagt: »Klar, stimmt, kann ich«, hat damit noch nicht den Beweis erbracht. Das Selbstbewusstsein kann übersteigert sein. Dann neigt diese Person zur Selbstüberschätzung. Das ist zwar grundsätzlich gut, denn sie wird sich eher etwas zutrauen und es auch eher schaffen, nur gibt es einen Punkt, an dem die Überschätzung zum Entwicklungshemmnis wird. So glauben sehr selbstbewusste Menschen schneller, etwas zu können. Ihr Englisch ist schneller fließend, ihre Rhetorik schneller ausgereift, ihre Planungsfähigkeiten sind eher besser. Auch im Menschenkontakt, etwa der Führung, trauen sich diese Personen schneller mehr zu. Bekommen sie kein oder wenig Feedback, verfestigt sich die Überzeugung, richtig zu liegen. Sie sprechen und schreiben dann Englisch, aber voller Fehler. Da sie niemand korrigiert, wähnen sie sich auf dem richtigen Weg. Sie führen Mitarbeiter auf ihre Art, sehen aber nicht, dass diese unzufrieden sind.

Wie gut kennen Sie sich?

Am letzten Beispiel sehen Sie, dass neben dem Selbstbewusstsein ein weiterer Punkt mitspielt – die Selbstkenntnis: Kennen Sie sich gut? Gute Selbstkenntnis ist nur möglich, wenn Sie über sich reflektieren. Je weniger wir uns selbst kennen, über uns nachdenken und uns von anderen einschätzen lassen, desto unklarer sind uns unsere Stärken, desto niedriger die Selbstkenntnis. Zu guter Selbstkenntnis gehört auch ein Verständnis, wie andere einen sehen.

Hier ein weiterer kleiner Test, den Sie ebenso auswerten:

Stimme völlig zu = 4 · Stimme zu = 3 · Teils, teils = 2 ·Stimme etwas zu = 1 · Stimme gar nicht zu = 0

Gute Selbstkenntnis ist vorhanden, wenn Ihre Werte zwischen 16 und 20 liegen. Holen Sie sich Feedback von anderen ein, sollten diese Werte niedriger liegen. Das baut auf!

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