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Geteilte Verantwortung bei der Erziehung der Kinder. Väter, die Erziehungsurlaub nehmen. Und Mütter, die arbeiten. Svenja Hofert legt das erste Buch vor, das sich mit vertauschten Rollen und den Folgen für Kind(er) und Partnerschaft auseinandersetzt: Ein Beziehungs-, Eltern- und Erziehungsratgeber zugleich.
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Seitenzahl: 301
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Ein Ratgeber zum Rollentausch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen: [email protected]
Nachdruck 2013© 2007 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbHNymphenburger Straße 86D-80636 MünchenTel.: 089 651285-0Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Vermittelt durch: Agentur Gorus, Engen und BerlinRedaktion: wortvollendet, Pia Gelpke, WiesbadenUmschlaggestaltung: Münchner Verlagsgruppe GmbHSatz: J. Echter, Redline GmbHDruck: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN Print 978-3-86882-340-0ISBN E-Book (PDF) 978-3-86415-106-4
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unterwww.mvg-verlag.deBeachten Sie auch unsere weiteren Verlage unterwww.muenchner-verlagsgruppe.de
Für Leander, für den Mama die beste Mama und Papa der beste Papa ist.
Vorwort
Die neuen Papas: Backen, Waschen, Windeln wechseln
Warum mein Mann die beste Mama ist
Wie Papas heute leben
Mappis
Haumäs
Fairpas
Mopas
Allies
Testos
Meine ideale Lebensform – Was will ich eigentlich?
Die Bedeutung des Papas in Familie und Gesellschaft – wissenschaftlich betrachtet
Männlich, weiblich, androgyn
Papa und Mama als Team
Kompetenzen für „Sie“ und „Ihn“
Papas und Mamas Lebensmotive
Was treibt uns an?
Eigene Motive und die des Partners ermitteln
So ein Ärger: Wenn es beim Rollentausch kracht
Das bisschen Haushalt
Das liebe Geld
Die gute Erziehung
Zuständigkeiten klären und Gebiet abstecken
Gemeinsam erziehen
Mehr Zeit fürs Kind
Bindungsforschung und die Konsequenzen
Familienrat für mehr Demokratie
Selbstmanagement für Papas
Die traute Zweisamkeit
Die Partnerin/den Partner positiv sehen
Was ist der Partnerin/dem Partner wichtig
Miteinander reden
Der böse Streit, die gute Trennung
Konflikte und ihre Ursachen
Gegen Konflikte
Konflikte und Kinderleid
Paartherapie
Wo finde ich einen Paartherapeuten?
Wann trennen?
Trennung ohne Trennung
Kindesentziehung
Mediation
Familie bleiben, getrennt leben
Alleinerziehend als Vater
Papa im Job
Papas Ausstieg, Stress und Doppelbelastung
Papas Ausstieg und der finanzielle Aspekt
Papas Ausstieg und welche Berufe dazu passen
Der beruflicher Wiedereinstieg
Fördermöglichkeiten für Berufsrückkehrer
Berufliche Weiterbildung und Neuorientierung
Wie lange darf die Auszeit dauern
Bewerbungsstrategie: Welche Unternehmen eignen sich für den beruflichen Wiedereinstieg
Argumentation im Anschreiben
Lücken und Löcher im Lebenslauf
Die Familienfrage
Die Teilzeitfrage
Zurück in den alten Job
Teilzeitanspruch
Degradierung und Mobbing
Papas willkommen: Familienfreundliche Unternehmen
Porträt Commerzbank
Porträt BASF Coatings
Porträt DKB Immobilien
Porträt Vaude
Fremdbetreuung: Praxis und Theorie
Wann eignet sich welche Kinderbetreuung?
Was ist eine gute Kinderbetreuung?
Alles Recht für Väter
Elterngeld für Papas
Elternzeit und Arbeitgeber
Scheidung
Wer sorgt für das Kind?
Wenn Mütter Väter versorgen müssen
Gemeinsam erziehen
Hausmannrechtsprechung
Wenn das Kind unehelich ist …
Unterhaltsbedarf ermitteln
Die Sicht des Papas: Über Haushalt, Erziehung und Job
Informationen im Internet
Literatur
Stichwortverzeichnis
Über die Autorin
Liebe Männer und Väter,einigen von Ihnen gefiel der Titel meines Buches gar nicht gut. Deshalb rücke ich es lieber gleich gerade – damit Sie sich trotzdem für den Kauf entscheiden oder, wenn Sie sich schon entschieden haben, sicher sein können, dass Sie die richtige Entscheidung getroffen haben: Der Titel Papa ist die beste Mama bezieht sich keinesfalls pauschal auf alle Männer und auch nicht etwa direkt auf Sie – denn das kann ich ja gar nicht beurteilen. Die Rede ist hier eigentlich nur von meinem eigenen Mann: Er kauft ein, bäckt, organisiert und erzieht unseren Sohn sehr viel konsequenter als ich. Ich dagegen mache viel von dem, was sonst eher Vätern zugeschrieben wird, zum Beispiel samstags allein ins Fitnessstudio gehen, wilde und unwahre Geschichten erzählen oder um der lieben Ruhe willen Schokoriegel austeilen.
Der Titel dieses Buches ist also keine These, sondern lediglich eine individuelle Erfahrung. Allerdings haben mir einige Interviews, die ich mit Frauen zu diesem Thema führte, gezeigt, dass ich nicht die Einzige bin, die sich bisweilen so verhält, wie man es eigentlich nur von Männern gewöhnt ist. Und ich habe auch erfahren, dass es eine ganze Reihe überzeugter Väter gibt, die gerne auch die Rolle der Mama übernehmen und nichts dagegen haben, wenn der Nachwuchs denkt, er sei in Papas und nicht in Mamas Bauch herangewachsen. Andere gehen in Elternzeit oder arbeiten Teilzeit, sie bekennen sich zur Erziehung ihrer Kinder, wollen dabei aber bitte schön auch „Mann“ bleiben. Auch das ist ein Thema dieses Buches: Bleibt der Mann, der seine Kinder (mit-)erzieht, ein Mann?
Klar ist: Wir leben in einer Gesellschaft mit vielen verschiedenen Lebensmodellen. Doch ganz gleich wie das eigene Modell aussieht, es entwickelt sich ein mächtiger Trend: Die Väter kehren in Scharen in die Familien zurück. Es gibt eine regelrechte Väterbewegung, die einem Befreiungsschlag gleichkommt, denn jahrelang waren Väter nur für ihre Arbeit, den Gelderwerb und die Ernährung der Familie zuständig. Viele Männer, die heute selbst Papa sind, haben die eigenen Väter nur als abwesend und – im Vergleich zu den Müttern – unwichtig erfahren. Ihre Väter kannten sie nur als Menschen, die Geld nach Hause brachten, aber ansonsten kaum eine Rolle spielten – eine sehr schmerzliche Erfahrung. Die Männer von heute sind anders: Wer ein Kind will, möchte es auch erleben. Ob Hausmann oder Teilzeitvater, Vater mit weiblichen oder männlichen Eigenschaften: Erziehung ist nicht mehr Frauensache, Männer wollen dabei sein.
Die neue Vielfalt schafft aber auch neue Herausforderungen. So hinkt die Jobwelt den Anforderungen weit hinterher und der Antrag auf Elterngeld bedeutet sehr oft auch einen Karriereknick. Trotzdem haben einige Unternehmen die derzeitige Wende im Bewusstsein der Gesellschaft erkannt und sehen nicht mehr nur in der Frau den erziehenden Elternteil. In manchen Betrieben reift bereits die Erkenntnis dieser Realität zu immer mehr Gewissheit heran und es setzt ein Umdenken ein – flexible Arbeitszeiten zum Beispiel sind eine Maßnahme, die der neuen Rolle der Väter Rechnung trägt. In diesem Buch werden auch Konzepte einiger in diesem Sinne fortschrittlicher Unternehmen wie Commerzbank oder BASF Coatings vorgestellt.
In der Partnerschaft erfordert das gemeinsame Erziehen intensive Kommunikation und genaue Abstimmung – es entstehen Konflikte rund um die Themen Geld, Haushalt und Erziehung. Meine These ist: Aus häuslichen (Mütter-)Diktaturen werden Demokratien – so eine Umstellung vollzieht sich nicht konfliktfrei. Aber Umdenken ist notwendig in einer Zeit, in der alte Modelle nicht mehr funktionieren.
Der Ratgeber Papa ist die beste Mama begleitet Sie auf diesem demokratischen Weg; er gibt Ihnen Einblick in das Leben, Empfinden und in Lösungsmodelle anderer Väter und Mütter, die teilweise oder ganz die Rollen getauscht haben. Er soll Ihnen helfen, das für Sie perfekte Modell zu finden und sich über eigene Motive und Bedürfnisse bewusster zu werden. Sie erhalten viele praktische Tipps und Ratschläge zu allen relevanten Themen.
Liebe Frauen und Mütter,einige von Ihnen haben mir gesagt: „Ja, mein Mann ist wirklich die bessere Mama.“ Sie sprachen davon, dass es langsam Zeit sei, die Rollen zu tauschen, schließlich seien die Männer ja lange genug am Zug gewesen und hätten in der Vergangenheit im Gegensatz zu den Frauen in Ruhe ihre beruflichen Karrieren vorantreiben können. Und dabei, so betonten viele, könnten manche Männer genauso gut erziehen und oft sogar noch besser kochen. Das lässt vor allem einen Schluss zu: Der Hausmann ist mega-in – ganz anders als sein weibliches Pendant.
Der Hausmann verhält sich aber, Gott sei Dank, auch anders. Er zieht sich nicht auf sein familiäres Umfeld zurück: Die allermeisten Papas, die sich aktiv an Haushalt und Erziehung beteiligen, tun dies nur vorübergehend, für ein oder zwei Jahre oder in Teilzeit. Ihr Instinkt verhindert das vollkommene Abtauchen ins Privatleben. Glücklicherweise, denn: Ich habe zu viele frustrierte Hausfrauen erlebt, die nach fünf oder sechs Jahren Erziehung völlig aus dem Beruf gekickt waren und deren Selbstbewusstsein dadurch dramatisch abgenommen hatte. Ich halte das neue Modell der Männer für psychisch gesünder. Job und Kind – beides lässt sich kombinieren, wenn beide daran beteiligt sind. Entweder jeweils zur Hälfte oder im zeitlichen Wechsel.
Uns Frauen macht es das Leben aber nicht leichter. Wir sind nicht mehr die Familiendiktatoren, sondern leben plötzlich in einer Demokratie, in der alle mitreden. Wir müssen uns abstimmen, Termine koordinieren und den Mann an allen Entscheidungen beteiligen. Wir müssen den Erziehungsstil des Mannes zulassen und uns mit seinen Vorstellungen von Ordnung arrangieren (so wie er sich mit unseren). Ein Minenfeld!
Um es zu entschärfen, habe ich diesen Ratgeber geschrieben. Ich entführe Sie in die Erlebniswelt und die Konfliktlösungsstrategien von Männern und Frauen, präsentiere Expertenmeinungen und biete guten Rat für alle Bereiche, die das Zusammenleben mit Partner und Kind betreffen: Haushalt, Geld, Erziehung, Zusammenleben, Trennung. Und nicht zuletzt unterstütze ich Sie beim Finden Ihres ganz individuellen Lebensmodells sowie dabei, sich Ihrer persönlichen Motive bewusst zu werden.
Und, psst, wenn Sie noch keinen modernen Mann haben … vielleicht erhalten Sie hier Anregungen für eine Umerziehung.
Viel Spaß beim Lesen und einige Aha-Erlebnisse wünscht Ihnen
Svenja Hofert
„Mama?“, fragt der kleine Mann, der mein Sohn ist. Das aktiviert den Fürsorgeinstinkt des großen Mannes. Er horcht auf und fragt: „Ja?“ Immer noch fühlt mein Mann sich angesprochen, wenn unser Sohn mich meint, immer noch verwechselt unser Sohn Papa und Mama: „äh, Ma … Papa“. Passend dazu war eines der ersten Worte nach „mömömöm“ und „papapapap“, die Leander sprach, das geschlechtervereinende „Pappmam“. Da muss er etwa anderthalb Jahre alt gewesen sein.
Lange her – geändert hat sich wenig. Für Leander, inzwischen sechs, sind wir beide gleich. Befragt nach einem Unterschied fällt ihm nur ein, dass Papa größer ist als Mama und nicht ganz so viel esse. Ansonsten kann auch Mama Fußball spielen. Und Papa Wäsche waschen. Beide kochen, beide streicheln, beide halten im Arm, beide trösten und beide schimpfen. Nur einen kleinen Unterschied gibt es aus meiner Sicht doch: Nachts ruft der kleine Held immer lieber nach Mama, jedenfalls seitdem er sich entschieden hat, im eigenen Zimmer zu schlafen, und mindestens einmal in der Nacht aufwacht und dies bereut. Ich frage mich, ob dies schon in den ersten Babymonaten so war, und muss zugeben, dass meine Erinnerung da nicht mehr treffsicher ist. War ich es, die nachts öfter aufstand? Vermutlich ja. Wenn dies so ist, dann ist das möglicherweise ein Unterschied zwischen uns. Doch ob dieser wirklich angeboren ist? Mit dem Testosteronspiegel des Mannes zusammenhängt? Persönlichkeitsbedingt ist, also geschlechtsunabhängig? Oder ganz einfach einen praktischen Grund hat: Mama wacht schneller auf, Papa schläft tiefer – also ist es Mama, die nachts kommt. Wenn ich auf Seminaren unterwegs bin, so schwört mein Mann, gebe es auch kein nächtliches Mama-Rufen. Es hat also doch mit mir zu tun. Oder doch damit, dass mein Mann so fest schläft? Auf manche Fragen gibt es keine Antworten.
Wenn wir Leander in fünf Jahren noch einmal fragen, wird er das bestimmt ganz anders sehen. Er wird Mama und Papa persönliche Eigenschaften zuordnen können. Er wird sich vielleicht fragen, was männlich ist, und nach Begriffen suchen, die das „Weibliche“ beschreiben. Im Moment erfolgt diese Unterscheidung eher in Form von erlernter Zuordnung. So wie eins und eins zwei ist und das nicht weiter hinterfragt wird, bringt ihm seine Umwelt bei, dass Jungs nicht Ballett tanzen und besser kein Rosa tragen, auch wenn sie es noch so sehr mögen. Das ist eine Regel. Mit fünf Jahren war es deshalb auch vorbei mit dem Ballett, das er gemeinsam mit seinem Freund Peer einige Jahre lang besucht hatte. Reiner Gruppenzwang – eine Erkenntnis steht nicht dahinter. Oder würde er sonst so begeistert erzählen, dass Mama – ein großes Mädchen, wenn man so will – am Sonntag mit ihm Fußball spielt?
Wenn ich in fünf Jahren mit Leander spreche, wird er bemerkt haben, dass es in anderen Familien sogenannte „Familienernährer“ gibt. Das sind Väter, die abends um 21 Uhr nach Hause kommen und sich nicht weiter bemerkbar machen. Freitags kehren sie etwas früher von der Arbeit zurück, verschwinden dann aber – ab einem bestimmten Alter auch mit dem Sohn – zum Sport. Sie lassen sich von ihren Frauen bedienen, rühren keinen Finger im Haushalt und halten sich auch aus der Erziehung völlig heraus. Das macht das Leben natürlich einfach, sowohl für die Männer als auch für die Frauen. Diese Männer können sich ganz dem Lustprinzip zuwenden: Mache das, was dir Spaß macht, und zwar dann, wenn es dir Spaß macht. Leider hat der Spaß im Job in den letzten Jahren stark abgenommen. Es ist nicht mehr so lustig, sich jeden Tag durchzukämpfen. Die Arbeit ist umfangreicher, anspruchsvoller und stressiger geworden als früher und am Ende kann man doch nie sicher sein, ob man den Job behält. Das lässt die Front der Familienernährer bröckeln. Männer wollen nicht mehr allein die Verantwortung tragen. Deshalb wird mein Sohn bei seinen Freunden, die Alleinernährerväter haben, oft Männer mit aschgrauen Gesichtern und heruntergezogenen Mundwinkeln sehen, Männer mit wenig Freude und Energie. Sie werden ihm gestresst erscheinen, weil ihre Frauen – von anderen aufgescheucht – immer fordernder werden und sich das Dienen und Bedienen nicht mehr gefallen lassen. Familienernährer brauchen Frauen, die ihre Erfüllung allein in der Kindererziehung sehen. Und davon gibt es ganz einfach immer weniger.
Leander wird dann aber auch Familien kennengelernt haben, bei denen es so ist wie bei uns oder wo der Mann sogar ganz zu Hause bleibt. Selbst in Leanders Waldorfkindergarten, einem traditionell konservativ-alternativ geprägten Umfeld also, gibt es einige Teilzeit-Hausmänner – allerdings außer mir keine anderen Vollzeit arbeitenden Mütter. Wir leben aber auch etwas außerhalb der Stadt, in Hamburg selbst trifft man dagegen recht häufig auf Frauen und Mütter mit Acht-Stunden-Plus-Arbeitstagen.
Auf der anderen Seite wird Leander vielleicht im Laufe der Zeit auch die eine oder andere dumme Bemerkung mitbekommen, zum Beispiel darüber, dass sein Vater leidenschaftlich gern Kuchen bäckt.
Für uns war es nie eine Frage, dass mein Mann und ich uns beide um Haushalt und Erziehung kümmern. Dass er zeitweise den Löwenanteil übernahm, hat mit meinem – nun ja – frauenuntypischen fehlenden Talent für die praktischen Dinge des Alltags zu tun. Es war indes klar, dass er sich nur für einen begrenzten Zeitraum beruflich einschränken würde. Ebenso wenig wollte ich ganz aus meinem Beruf aussteigen. Beruflich ausgelastet waren wir beide immer, aber es gab für jeden von uns auch unterschiedliche Hochphasen. Für ihn etwa während des Schleswig-Holstein-Musikfestivals, über das er schrieb; für mich vor der Abgabe eines Buches oder wenn sehr viele Trainings anstanden.
Weil meinem Mann klar war, dass ich weiter arbeiten wollte, musste das Thema des Alleinernährers erst gar nicht diskutiert werden. Er wusste, dass ich mich nicht zum Hausmütterchen eignete. Und ich habe die leise Vermutung, dass ihm das so auch ganz recht war.
Wir haben also nicht über die Rollenverteilung gesprochen, weil es von vornherein klar war, dass wir die meisten Aufgaben untereinander aufteilen würden. Heute würde ich viele Dinge früher ansprechen. Denn wenn Papa und Mama beide an allem beteiligt sind, ist Kommunikation das Wichtigste.
„Ich glaube nicht, dass deine These stimmt. Papas können keine besseren Mamas sein. Dein Mann ist einfach anders. Das muss mit seiner Erziehung zu tun haben. Hm … die meisten Männer sind dann wohl falsch erzogen“, sagt Sabine.
„Er hat zwei Körbe mit Einkäufen hier abgestellt – in der Mittagspause! Zwei Körbe, hier! So ein Mann, du weißt ja gar nicht, was du da hast“, sagt Roya, die weltbeste Tagesmutter.
„Dass Ihre Frau nicht ausreichend zu schätzen weiß, wie viel Sie im Haushalt tun, liegt wahrscheinlich daran, dass sie keine anderen Männer kennt“, vermutet unsere Haushaltshilfe Laetitia, als mein Mann wieder einmal klagt, dass ich alles, was er macht, für selbstverständlich halte.
Letztere Aussage muss ich gleich korrigieren: Ich kenne andere Männer – aus der Ferne und auch aus der Nähe. Meine erste Liebe erwartet gerade das vierte Kind und hat fünf Jahre Erziehungsurlaub genommen. Meine zweite Liebe nähte sich die Hosen selbst, die dritte war ein Spanier, der sich zwar von Mama bekochen ließ, aber von mir nichts dergleichen erwartete. Und Nummer vier war ein Fehlschlag, der erste und einzige Macho in meinem Leben, der sich nicht einmal die Pizza selbst bestellen konnte. Er war viel jünger und hatte ein Faible für erfolgreiche Frauen. Mir ermöglichte sein Desinteresse an einem Familienleben allerdings, mich erst einmal auf meine Karriere zu konzentrieren. Ein fürsorglicherer Mann hätte wahrscheinlich Kinder gewollt. Für Kinder war es mir mit Anfang 30 jedoch noch zu früh.
Meine Partnerwahl zeigt also erstens: Es gibt Männer, die gar nicht auf die Idee kommen, eine Frau per se mit Haushaltsführung zu assoziieren. Und zweitens: Ob eine Frau sich einen Mann mit Talent zur Haushaltsführung und Kindererziehung angelt, hat sie selbst im Griff. Ich behaupte, dass manche Frauen einen Hang zur Selbstquälerei haben. Sie suchen Männer nach dem Prinzip aus: Bloß keiner, der unkompliziert ist – her mit dem faulen Hund, her mit dem Ärger. Möglicherweise spielt auch die Hoffnung, den Mann noch umerziehen zu können, eine Rolle …
Ich kannte also andere Männer, bevor ich Christoph kennenlernte. Er war mein Auftraggeber bei einer Zeitschrift, für die ich parallel zu meinem Hauptjob schrieb. In ihn verliebte ich mich, weil er so eine wunderbar tiefe Bassstimme am Telefon hat. Er schrieb mir lange, feinfühlige E-Mails, telefonierte Stunden mit mir, fragte viel und hörte oft lange einfach nur zu. Er strahlte etwas Vernünftiges, Verlässliches, Konstantes, Langsames und Sensibles aus. Ich kann ähnlich sein und erfahre oft lieber etwas von anderen, als dass ich von mir selbst erzähle. Doch da gibt es eben noch die andere, impulsive und unruhige Seite: Ich bin auch oft wechselhaft, ideengetrieben und schnell im Denken und Handeln. Damals war ich in einer beruflichen Stressphase, nebenbei selbstständig und plante darüber hinaus noch die Gründung eines Internetunternehmens – manchmal telefonierte ich auf zwei Handys gleichzeitig. Mein Energiepegel zu der Zeit war enorm hoch. Und ein ruhender Pol war einfach faszinierend für mich, diese Eigenschaft meines Mannes war und ist ein Gegensatz, der mich nach wie vor stark anzieht.
Schon vor Leanders Geburt erkannte ich seine Fürsorgequalitäten: Er sorgte sich sehr um meine Ernährung – ich war lange ein Schoko-und-Pasta-Typ und habe erst in letzter Zeit die Vorzüge von Dinkel-Rosinenmuffins entdeckt. Selbstverständlich ging er später mit zu den Vorsorgeuntersuchungen und war natürlich auch bei der Auswahl von Babyeinrichtung und -kleidung mit dabei. Einmal schleppte er mich in das vegetarische Restaurant Green’s, wo wir gemeinsam Möhren, Kohlrabi und Sellerie in nährstoffreiche Soßen dippten. Er kontrollierte auch meinen Weinkonsum, auch noch im letzten Schwangerschaftsdrittel, in dem ein Gläschen laut neueren Forschungen nicht mehr schadet.
Er plädierte für eine natürliche Geburt, während ich im Grunde meines Herzens immer einen Kaiserschnitt gewollt habe, mich damals aber nicht wirklich traute, dies offen zu bekennen. Er war es, der mich ins Krankenhaus brachte, als ich im Babyzubehörgeschäft zusammenbrach, aber an meinen Auftrag dachte, der fertig werden musste, und deshalb nicht etwa ins Krankenhaus, sondern nach Hause wollte. Es stellte sich heraus, dass ich eine Infektion hatte, die den ersehnten, aber nie vereinbarten Kaiserschnitt dann ganz natürlich nötig machte.
Nach der Geburt machte Christoph alles, was auch eine Mutter macht: Er badete das Baby, wechselte die Windeln, tröstete es, wiegte es, gab das Fläschchen und ging stundenlang mit dem Kind im Arm durch die Wohnung, weil dieses mehr als andere schrie. Er wusch die Wäsche und kümmerte sich ums Essen. Mir blieb höchstens das Bügeln, das Saubermachen hatten wir delegiert.
Sein Sohn war und ist für ihn klare und unbestrittene Priorität Nummer eins. Zum Geburtstag bäckt er bis drei Uhr morgens Kuchen und zu Ostern färbt er Eier. Im Waldorfkindergarten, in den Leander geht, gibt es ein Ritual. Die Kinder basteln vor Ostern ein Körbchen, das mit Ostergras bepflanzt wird. Darin hockt ein selbst gefilzter Hase. Am Rand steckt eine Schnecke aus Wachs. In die Mitte dieses Körbchens legt der Osterhase am Ostersonntag ein rotes Ei. Nun hatte Christoph Ökofarben gekauft, bei denen sich das Rot als Gelb entpuppte. Das stellte er am Samstagabend um 23 Uhr fest. Noch in der Nacht setzte er sich ins Auto und holte richtiges Rot bei seinem Vater. Ich hätte mir wahrscheinlich eine weniger stressige Aktion ausgedacht, zum Beispiel das Ei mit Filzstift gerötet. Ich wäre den leichteren Weg gegangen.
Mein Mann ist es, der mit Leander zum Arzt geht. Unsere Kinderärztin hat sich an ihn gewöhnt – er ist ihr Ansprechpartner, nicht ich. Einmal musste ich ihn vertreten, weil er selbst krank war. Ich meide Ärzte und denke, dass Erkältungen mit und ohne medizinische Unterstützung gleich schnell vergehen. Ich ging also einfach, weil es mir aufgetragen worden war. Die Kinderärztin begrüßte mich schon mit den Worten: „Sieht man Sie auch einmal und wo ist denn Ihr Mann?“ Sie instruierte mich mit einer Schritt-für-Schritt-Anweisung für die medizinische Behandlung mit Inhalationsgerät und schrieb Zettelchen, damit ich alles an meinen Mann weitergeben konnte. In diesem Moment fühlte ich mich, wie sich vielleicht mancher Mann bisweilen fühlt: Wie ein Trottel, den keiner ernst nimmt und der bestenfalls Botendienste übernehmen kann, nicht aber Verantwortung.
Im Winter achtet mein Mann darauf, dass Leander immer schön warm eingepackt ist und auch seine Regenjacke und -hose zum Spielen mitnimmt. Kein Besuch findet ohne Leanders Hauspantöffelchen statt, an die mein Mann immer und überall denkt. Während ich mir sage: „Er kann auch auf Socken spielen“, geht für Christoph die Welt unter, wenn sein Kind lediglich bestrumpft durch fremde Wohnungen tobt. Selbstverständlich vergesse ich regelmäßig, die kleinen Schühchen wieder mitzunehmen, wenn ich Leander dann abhole … Ich muss mich regelrecht ermahnen, um mich auf diese alltäglichen Dinge konzentrieren zu können, damit ich beispielsweise das Obst im Wanderrucksack, die Taschentücher oder das Händewaschen nicht vergesse. Naturgegeben ist mir das alles nicht.
Regelmäßigkeit! Ein Kind braucht Regelmäßigkeit, mahnt mein Mann immer wieder. Ich zwinge mich dazu, lerne immer mehr, dass nicht nur Abwechslung und Unberechenbarkeit ein Gewinn sind. An meinem Mann schätze ich diese konsequente Haltung – genau aus diesem Grund wollte ich ihn ja. Aber angeboren, nein, angeboren ist mir dieser Instinkt zu Ordnung, Fürsorge und Regelmäßigkeit nicht. Auch Kindererziehung liegt mir nicht im Blut. Ich muss lesen, mich informieren – mein Mann handelt ohne eine Zeile Literatur natürlich, aber instinktiv genau so, wie es in den Büchern steht. „Gesunder Menschenverstand“ nennt er es. „Gute Erziehung durch seine Mutter“, sage ich, denn sie ermunterte ihn, im Haushalt mitzuhelfen, was er wohl auch sehr gerne tat.
Ist es also doch die Erziehung des Mannes, die bestimmt, ob dieser häuslich wird oder nicht? Nun, gezwungen haben seine Eltern ihn nie. Und sein Bruder kocht zwar auch, ist aber ansonsten ein ganz anderer Typ. Das spricht wiederum gegen Erziehung und für eine genetische Veranlagung.
Viele reden vom „Mythos Mutter“, was darunter zu verstehen ist, ist allerdings nicht so eindeutig definiert. Ich höre immer wieder, Mütter seien fürsorglich, zärtlich, hellhörig. Sie sorgten sich um andere, seien kommunikativ. Männer dagegen strebten nach Unabhängigkeit, Leistung, Individualismus, Macht. Ich muss offen zugeben, dass ich zwar einige der weiblichen Eigenschaften habe, mich aber auch mit fast allen männlichen identifiziere, am wenigsten allerdings noch mit dem Streben nach Macht. Das alles hat nichts mit feministischen Beweggründen zu tun, die habe ich nicht, sondern schlicht und ergreifend damit, dass es mein Bedürfnis ist, unabhängig zu sein, gute Leistungen zu erbringen und Dinge zu tun, die mir Freude machen – wer auch immer mir dies alles eingepflanzt oder anerzogen hat. Ergo: Ich bin keine gute Mutter im herkömmlichen Sinn. Ich versorge nur notdürftig und drücke mich zeitweise gern um die Erziehung, weil ich Kuscheln besser (und stressfreier!) finde als Maßregeln.
Mein Kind hat aus mir kein Riesenorganisationstalent oder gar eine Familienmanagerin gemacht, es hat mich ungemein bereichert, aber gar nichts an meinen Eigenschaften und Talenten verändert. Ich entspreche eher dem Papa-Klischee in unserem Familienteam, ich bin der schusselige, vergessliche Teil, der nie streng ist und immer sagt: „Lass das Kind doch, das wird schon.“ Und Leanders Papa ist für mich die bessere, ja die beste Mama, die er haben kann.
„Er ist einfach fürsorglicher als ich“Anne hat auch einen Mann, der die bessere Mama ist. Deshalb will ich sie treffen. Es ist laut in dem Stadtcafé, als Anne den Kinderwagen hereinschiebt. Darin sitzt Timo, acht Monate alt. Sie platziert den Wagen in der Nähe des Ausgangs. „Ich weiß nicht, wie lange er mich reden lässt“, sagt sie. Das Kind sitzt aufrecht und fixiert mich. „Wenn ich ihn ab und zu anlächle und ein paar Faxen machen, wird er vielleicht ruhig sein“, denke ich.
Ich frage sie, wie sie auf den Gedanken kommt, dass ihr Mann die bessere Mama sei. Sie denkt nicht lange nach: Es sei dieses Fürsorgliche – etwas, das ihr ein bisschen fehle. Sie hat gleich ein Beispiel und zitiert ihren Mann Jochen: „Sollen wir dem Kind nicht lieber einmal frische Kartoffeln kochen?“, hat er neulich Mittag gesagt. „Immer diese Gläschen, das muss doch nicht sein.“
Jochen ist Fotograf von Beruf und er kocht, hält die Wohnung sauber und die Familie zusammen. Gleichzeitig hat er den besseren Sinn für das Schöne, die Deko etwa. „Er ist definitiv die bessere Mama“, sagt deshalb Anne Otto, Diplom-Psychologin und Journalistin. „Ich glaube wirklich, dass er seinen Familienjob in vielerlei Hinsicht besser macht als ich.“
Dass eine Frau den Papa als Mustermama empfindet, bedeutet, dass sie die eigenen Mutter-Qualitäten entweder nicht so hoch schätzt oder einen Unterschied zu anderen Müttern feststellt. Oder auch beides.
Anne hat vor allem einen Unterschied zu andern Müttern und Vätern festgestellt. „Natürlich muss man sich immer die Frage stellen, was der Maßstab in dem eigenen persönlichen Umfeld ist“, erwähnte einst eine Freundin, die vom Land in die Stadt gezogen war. „Und es ist einfach ein Riesenunterschied, ob du dich in einer Großstadt oder einem kleinen Ort befindest. In der Großstadt arbeiten viele Mütter, das allein ist nichts Besonderes mehr“, fügte sie erklärend hinzu.
Annes Maßstab ist Hamburg, der Stadtteil Ottensen. Dort gehen die meisten Mütter spätestens nach einem Jahr wieder arbeiten, dort haben immerhin 17 Prozent der Unterdreijährigen einen Kindergartenplatz. Dass Frauen Mütter sind und gleichzeitig arbeiten, ist also gar nicht so ungewöhnlich.
Es sind vielmehr die mütterlichen Gefühle ihres Mannes und ihre eigenen väterlichen Gefühle, die von denen mancher anderer Eltern abweichen. Oder einfach die Tatsache, dass sich männlich und weiblich nicht mehr anhand der Fürsorgequalitäten messen lässt. Natürlich liebt Anne ihr Kind, selbstverständlich freut sie sich, es zu sehen – aber das alles ist nicht annähernd so bedingungslos und uneingeschränkt, wie es bei vielen anderen Müttern zu sein scheint. Nach wie vor zieht die Journalistin mehr Anerkennung aus dem Beruf, profiliert sich im Job und nicht zu Hause. Wie schon vor der Geburt redet sie auch jetzt ungern über Kindererziehung, -ernährung und die kindliche Entwicklung – eindeutig die Lieb lingsthemen anderer Mütter, auch wenn sie arbeiten. „In unserer Bürogemeinschaft haben die meisten Frauen Kinder. Aber die anderen reden sehr viel mehr über ihr Kind. Sie haben mehr Spaß daran, Details über Entwick lungssprünge zu berichten – und ich finde sie manchmal auch ein bisschen besorgter, als ich es bin.“
Während der Fürsorglichkeitsreflex anderer Mütter be reits aktiviert wird, bevor das Baby den ersten Pups gemacht hat, allerspätestens aber beim Verziehen der Mundwinkel in Richtung Boden, braucht Anne deutli chere Zeichen. Sie gibt auch zu, nicht immer zu wissen, was ihr Sohn gerade will. Und als er den Löffel, den sie ihm zum Spielen gegeben hat, mehrmals auf den Boden wirft, macht ihr das Aufheben offenbar nur begrenzten Spaß. Geduldig bleibt sie dabei aber trotzdem.
Woran liegt es also, dass so manche Männer die Mutter rolle übernehmen? Als Psychologin hat Anne dafür eine gute Erklärung. Ihre eigene Mutter war Hausfrau, hat die Mithilfe im Haushalt aber nie von ihr verlangt. Jochens Mutter dagegen war berufstätig. Für ihn war es ganz selbstverständlich, zu Hause zu helfen und die jüngeren Geschwister zu versorgen.
Von Anfang an war es Anne und Jochen klar, dass sie beide arbeiten und sich zu gleichen Teilen um den Sohn kümmern würden. Halbe-halbe – das gilt in ihrem Fall auch für das erste Lebensjahr, in dem es selbst in Hamburg schwer ist, einen Kita-Platz zu bekommen. Zudem sprach auch für Jochen und Anne aus pädagogi scher Sicht einiges gegen eine so frühe Vollzeit-Außer-hausbetreuuung.
So arbeitet Anne meistens vormittags, während Jochen nachmittags seinem Job nachgeht. Jochen kocht Kartoffeln, während sie das schnelle Gläschen erwärmt. Eine Rabenmutter? „Weit entfernt!“, findet Anne. Dem Kind geht es bestens, es hat ja Vater UND Mutter. Und selbst wenn es nur den Vater als Bezugsperson hätte und die Mutter das Geld heranschaffte – was spräche dagegen? Die Bindungsforschung weiß längst, dass es keinen Unterschied macht, ob sich ein Mann oder eine Frau um das Kind kümmert, und dass das Fläschchengeben durch den Vater genauso für ganz intensive Nähe und Körperkontakt sorgt wie das Stillen.
Und: War es nicht jahrhundertelang so, dass Frauen sich um alles gekümmert haben, während Männer von früh bis spät außer Haus dem harten Broterwerb nachgingen? Ist es also für Männer nicht auch eine Befreiung, endlich einmal auch familiäre Pflichten übernehmen zu können, anstatt nur Geld zu verdienen? „Die könnten sich doch wirklich einmal sagen: Mensch, mein Vater hat doch schon so viel geschuftet – ist doch klasse, wenn ich jetzt einmal mit meiner Frau die Rollen tausche“, sagt Anne, lacht und rauscht mit dem Kinderwagen um die Ecke.
Von den italienischen Männern hätte ich das nun am allerwenigsten erwartet! Ausgerechnet in Sizilien hat sich eine Hausmanninitiative gegründet, die sogar eine deutsche Übersetzung ihrer Satzung im Internet anbietet (www.uominicasalinghi.it):
„Der Hausmann ist ein potenzierter Mann, der sich auch oder nur den Hausarbeiten widmet: In beiden Fällen handelt es sich um eine wertgeladene Wahl. Das bedeutet, dass man in behauptender Weise einen epochalen Wandel mitgestaltet, eine Welt, in der sich auch der Mann der Wohnpflege annimmt und die gesamte Verantwortung dafür übernimmt, wenn die Frau beruflich tätig ist.“ Der italienische Hausmann ist auch Pazifist und … „lehnt jedwede Kriegskultur ab. Er ersetzt den Krieg mittels Waffen durch die Waffe des Dialogs. Sein Ziel ist es nicht, die ganze Welt zu ändern, sondern die eigene Welt und die der Personen, die ihm nahe sind, zu verbessern.“
Ich finde das natürlich gut. Klar würde ich mit Kusshand einen engagierten Hausmann gegen meinen bockigen Teilzeitselbstständigen eintauschen, der mir ständig mit seinen Terminen ins Gehege kommt und Forderungen stellt wie „Freitagnachmittag musst du aber dann zu Hause bleiben“. Es wäre einfach herrlich, in eine aufgeräumte Wohnung zu kommen und die Pasta stünde dampfend auf dem Tisch. Und die Sache mit dem Pazifismus ist auch super: Ich war schon immer gegen Krieg und finde ein Programm zur Senkung des Aggressionspegels bei Männern natürlich richtig gut.
Aber nun stellen Sie sich einmal vor, eine Frau oder Hausfrau würde solche Forderungen stellen, Eva Herman etwa. Was hier in Bezug auf Männer äußerst modern, ja sogar – verzeihen Sie – ein wenig humorvoll rüberkommt, würde man bei einer Frau wohl eher als reaktionär bezeichnen. Wir schauen uns die Welt also mit zwei verschiedenen Brillen an, je nachdem, welches Geschlecht wir ins Visier nehmen: Vollzeit- Hausmänner sind „cool“, Vollzeit-Hausfrauen „uncool“. Meiner Ansicht nach sind beide Lebensformen in Ordnung, solange alle Beteiligten damit rundum zufrieden sind und niemand sich „aufopfern“ muss.
Vollzeit-Hausmänner, die länger als ein Jahr pro Kind aus dem Job aussteigen, sind allerdings auch äußerst selten. Ich glaube auch nicht, dass ihnen die Zukunft gehört. Die Interviews für dieses Buch haben mir gezeigt, dass das häufigste und zukunftsträchtigste Modell keineswegs der radikale Rollentausch auf Dauer ist, sondern ein zeitlich versetzter Rollenwechsel oder eine gleichberechtigte Aufteilung der häuslichen Pflichten. Es gibt nur sehr wenige Männer, die über einen längeren Zeitraum ganz aus dem Beruf aussteigen und sich allein um Haushalt und Familie kümmern. Überall dort, wo Menschen ihren Beruf lieben, ist dies aber auch keine Alternative. Da ist vielmehr die wichtigste Frage: Wie teilen wir uns die neuen Aufgaben und wie können wir beide gleichzeitig weiterhin unseren jeweiligen Beruf ausüben? Vor allem dort, wo die Gehaltsunterschiede nur noch gering ausfallen, sind deshalb ganz andere Modelle gefragt – Modelle, die es beiden Partnern ermöglichen, zeitweise aus dem Beruf auszusteigen oder dauerhaft weniger zu arbeiten. Die berufliche Flexibilität, die sich Selbstständige nehmen können, die Freiheit, auch einmal abends zu arbeiten und nachmittags in den Zoo zu gehen, diese Freiheit müssen auch Angestellte haben.
Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach wollen 80 Prozent der befragten Männer weniger arbeiten, trauen sich aber im Moment noch nicht, dies aktiv einzufordern. In meiner Karriereberatungspraxis erfahre ich, dass viele Familienväter, die noch traditionell als Alleinernährer für die Familie verantwortlich sind, sich sehr wünschen, Teilzeit zu arbeiten. Sie sind aber voller Ängste und fürchten die Reaktionen auf diesen Wunsch, wenn sie ihn laut artikulieren würden. Das tiefe Bedürfnis und die Sehnsucht, mehr an der Erziehung des Kindes beteiligt zu sein, sind aber auf jeden Fall vorhanden. Dahinter verbirgt sich das Bemühen, auch der Frau zu ermöglichen, weiterhin beruflich aktiv zu sein. Dies fordern einige Frauen, vor allem die jüngeren, sehr aktiv ein. Andere werden mit der Zeit unglücklich, wenn sie nur zu Hause sind, das spürt natürlich auch der Mann und es hat Konsequenzen für die Beziehung. Die Partnerschaft leidet unter dem traditionellen Rollenmodell in dem Moment, wo einer von beiden damit nicht hundert Prozent zufrieden ist.
Der Wandel im Kopf hat längst stattgefunden: Nach einer Studie des Münchner Familienforschers Wassilios Fthenakis sehen sich Väter nur noch zu einem Drittel in der Rolle des Alleinernährers, aber zwei Drittel fühlen sich bereits in der Rolle des Erziehers. Ein Großteil davon ist im Denken weiter als im Handeln, doch mit einem veränderten Bewusstsein fängt ja bekanntlich jeder Wandel an. Laut verschiedenen Studien, meinen Beobachtungen und Interviews kristallisieren sich derzeit unterschiedliche Lebensmodelle für Väter heraus.
„Mappa“ ist oft das erste Wort des modernen Babys, wenn es vom Windeltisch aufschaut und in vier Augenpaare blickt. „Mappi“ dagegen ist ein wissenschaftlicher Begriff. Er besagt, dass Väter (zunächst) versuchen, eine bessere „Mutter“ als die leibliche zu sein. In Gesprächen sagen sie beispielsweise: „Ich muss mich mehr um die Kinder kümmern und versuchen, die Mutter zu ersetzen.“
„Mappis“ finden sich beispielsweise unter den 312 000 alleinerziehenden Vätern in Deutschland, die oft am Anfang versuchen, beiden Rollen gerecht zu werden. Dies geht laut Expertenmeinung oft gründlich in die Hose, da niemand sich zweiteilen oder seine Östrogen- und Testosteronanteile beeinflussen kann. So wie Mütter sich nicht bemühen sollten, „Pamas“ zu werden, sollten alleinerziehende Väter auch Väter bleiben – mit ihren ganz individuellen Eigenschaften. Kinder brauchen Eindeutigkeit und Klarheit. Sie müssen wissen, was ihr Papa tut und was nicht. Die Konturlosigkeit einer Mappi schadet dem Kind, das nicht nur Liebe, sondern auch Orientierung braucht.
Bei einer Trennung sollte der alleinerziehende Vater dem Kind die Beziehung zu seiner Mutter ermöglichen – auch wenn diese aus seiner Sicht keine optimale Mutter ist oder vielleicht auch gar nicht in der Lage ist, die Erziehung zu übernehmen. Nur 19 Prozent der Mütter, die nicht mit ihrem Kind zusammenleben, zahlen überhaupt Unterhalt für dieses, fand Michael Matzner in seiner Studie „Vaterschaft heute“ heraus. Kaum eine Frau zahlt auch für den Mann. Gleichzeitig ist nur ein geringer Teil der alleinerziehenden Väter Arbeitslosengeld-II-Empfänger (rund vier Prozent) – bei den alleinerziehenden Müttern sind es 21 Prozent. Das bedeutet, dass Mappis oft unter einer erheblichen Doppelbelastung leiden und Karriere und Kind nicht nur unter einen Hut bringen wollen, sondern auch müssen.
So sind 81 Prozent der alleinerziehenden Väter nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums aus dem letzten Jahr berufstätig, 92 Prozent arbeiten mehr als 30 Stunden. Eine deutlich größere Belastung: Von den Müttern arbeiten nur 70 Prozent, davon lediglich 50 Prozent mehr als 30 Stunden.
Was Mappis fehlt: Alleinerziehende Väter machen rund zehn Prozent aller Ein-Elternteil-Familien aus – Tendenz steigend. Unterstützung haben sie kaum. Andere Mütter trauen ihnen oft nicht zu, die Kinder „richtig“ zu erziehen, und vermuten beispielsweise häufiger Vernachlässigung. Die Folge ist soziale Isolation – viel öfter als dies bei alleinerziehenden Müttern der Fall ist. Für alleinerziehende Elternteile existiert lediglich der Interessenverband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (www.vamv.de), auch hier dominieren jedoch Mütterthemen.
Beruflich ist für Alleinerziehende oft keine große Karriere mehr möglich, beispielsweise kommen verantwortungsvolle Jobs, die regelmäßige Geschäftsreisen notwendig machen, kaum noch infrage. Mappis verdienen somit im Durchschnitt auch deutlich weniger als ihre verheirateten Kollegen. Unter anderem deshalb bin ich auch dafür, dass Alleinerziehende, männlich wie weiblich, ein doppeltes Kindergeld erhalten sollten.