Waschbären, die im Dunkeln leuchten - Dan Schreiber - E-Book

Waschbären, die im Dunkeln leuchten E-Book

Dan Schreiber

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Beschreibung

Dies ist kein Buch über Fakten, es ist ein Buch über »Fakten«. Worüber auch immer Sie sich Gedanken machen, Sie können darauf wetten, dass es da draußen jemanden (oder etwas) gibt, der es schon untersucht hat. Die Ergebnisse dieser Mühen sehen wir hier – und sie könnten oft absurder nicht sein. Aber Vorsicht, es besteht Ansteckungsgefahr! Wenn Sie am Ende glauben, dass wir die dominante Spezies auf der Erde geworden sind, weil Raubtiere uns zu stinkend fanden, oder dass die Nachfahren von Jesus Christus als Knoblauchbauern in Japan leben – Sie wurden gewarnt!

Was hat ein leuchtender Waschbär mit dem PCR-Test zu tun?

Werden wir jemals mit Tieren (oder sogar Pflanzen) sprechen?

Wie wären Delfine beinahe zum Beweis für außerirdisches Leben geworden?

Das perfekte Buch für alle, die gerne einmal über den Tellerrand denken.

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Die Welt ist voll von verrückten Ideen und absurden Theorien. Die meisten davon möchte man schon auf den ersten Blick kopfschüttelnd abtun, um dann nie wieder an sie zu denken.

Ein großer Fehler, denn in ihnen steckt oft genug der Schlüssel zu einer faszinierenden Welt jenseits unseres Vorstellungsvermögens. Man muss sich nur darauf einlassen!

Wie können Topfpflanzen bei der Aufklärung von Mordfällen helfen?

Warum können wir von Glück reden, dass wir so schlecht riechen?

Und was haben leuchtende Waschbären mit einem Impfstoff zu tun?

Auf keine dieser Fragen haben Sie eine Antwort?

Gut!

Dann sind Sie hier genau richtig.

Dan Schreiber ist Autor, Podcaster und Moderator und hat es sich zur Aufgabe gemacht, faszinierende Fakten mit Comedy zu kombinieren. Er ist der Produzent und Co-Moderator des meistgestreamten Podcasts Großbritanniens, No Such Thing As A Fish, der über 400 Millionen Mal heruntergeladen wurde. Außerdem ist er Co-Moderator des Podcasts The Cryptid Factor und Mitgestalter der mit der Rose d’Or ausgezeichneten BBC Radio 4-Panelshow The Museum Of Curiosity. Er lebt in London und weiß inzwischen selbst nicht mehr so genau, woran er glauben soll.

DANSCHREIBER

WASCHBÄREN, DIEIMDUNKELNLEUCHTEN

und andere absurde Theorien, seltsame Ideen und skurrile Experimente

übersetzt aus dem Englischen von Dejla Jassim, Daniel Müller und Karolin Viseneber

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel The Theory of Everything Else. A Voyage into the World of the Weird bei HarperCollins Publishers Ltd.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe 09/2024

© Text by Dan Schreiber 2022

© Illustrations by Sam Minton 2022

© der deutschsprachigen Ausgabe 2024 by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Silvia Kinkel

Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN: 978-3-641-31714-0V001

www.heyne.de

Für Fenella, Wilf, Ted und Littlestfoot

Meine vier Lieblingsspinner

Inhalt

Vorwort: Die wilde Ecke

Haftungsausschluss: Eine Warnung

Einleitung: Grüße von der etwas anderen Seite

TEIL I: Warum es wichtig ist, ein klein wenig durchgeknallt zu sein

1 Der Spinner, der die Welt gerettet hat

2 Der Wissenschaftler, der alles in die Luft jagte

3 Die unwahrscheinliche Geschichte von Youyou Tu

4 Der Exorzismus von Ringo Starr

5 Wie schön, so viel wirst du sehn … im nächsten Leben

6 Der weiche Stein

TEILII: Die Universität der abgelehnten Wissenschaften

7 Wo sind all die Filzläuse hin?

8 Werden wir jemals Delfinesisch sprechen?

9 Sollten Büropflanzen in Mordfällen ermitteln?

TEILIII: Es kann nicht für alles eine Theorie geben und für manches dann doch nicht

10 Wie man die wütenden Zwillinge des Mars entdeckt

11 Der Mann, der nicht vom Himmel fiel

12 Das Geheimnis der Weltherrschaft

13 Ein Kreationist auf dem Mond

14 Auf den Spuren der Scharlatane

Fazit: Wir dürfen alle Spinner sein

Danksagung

Bibliografie

Bildquellen

Vorwort

DIE WILDE ECKE

Bei den Zen-Gärtnern gibt es die Vorstellung einer »wilden Ecke«. Dahinter verbirgt sich das Konzept, dass in jedem gut gepflegten Garten ein Stückchen Erde vollkommen unberührt, urwüchsig und ungeordnet belassen werden sollte, damit der Gärtner daran erinnert wird, wie das Universum die Natur vorgesehen hatte.

Ich glaube, wir alle sollten in unseren Köpfen eine wilde Ecke kultivieren. Eine winzige Nische irgendwo ganz hinten in unserem Gehirn, die dafür sorgt, dass wir bei völlig abwegigen Ideen immer eine Gänsehaut bekommen, wie abgedreht diese auch sein mögen. Es ist wichtig, diese wilde Ecke so natürlich und frei wachsen zu lassen, wie die Natur es vorgesehen hat, denn große Dinge werden von denen geschaffen, die an verrückte Ideen glauben.

Haftungsausschluss

EINE WARNUNG

Der Autor dieses Werkes übernimmt keine Haftung für überbordende wilde Ecken, die sich aufgrund der Lektüre dieses Buches bei den Lesern entwickeln könnten.

Alle hier vorgestellten Theorien wollen, dass man an sie glaubt. Denken Sie nicht mal dran! Studieren Sie die Theorien gründlich. Diskutieren Sie mit Freunden darüber. Lehnen Sie sich zurück und lassen Sie ruhig zu, wie diese Ideen für ein paar Sekunden Ihre Welt verändern. Aber hüten Sie sich um Himmels willen davor, auch nur eine dieser Theorien zu glauben.

Natürlich liegt es nicht in meiner Hand, was Sie von diesen Theorien halten, ganz egal, wie viele Warnungen ich ausspreche. Aber jede Idee, die Ihnen dabei hilft, sich in diesem Universum zurechtzufinden, kann schnell eine Eigendynamik entwickeln.

In gewissem Maße haben all diese Theorien ein Eigenleben – jedenfalls kommt es einem so vor. Sie wurden in etliche Sprachen übersetzt und werden just in diesem Augenblick an Frühstückstischen und Partybuffets auf der ganzen Welt diskutiert. Sie werden in Klassenzimmern behandelt, von den brillantesten Köpfen an den renommiertesten Universitäten analysiert und rauben Tüftlern und Hobby-Detektiven regelmäßig den Schlaf. Sie haben eigene Websites, Social-Media-Accounts und Netflix-Specials. Eine dieser Theorien hat es sogar zu einem eigenen Soundtrack gebracht, geschrieben und eingespielt von Stevie Wonder.

All diese Theorien haben es geschafft, dass man über sie spricht, und sie werden nichts unversucht lassen, um auch Sie zu überzeugen. Aber denken Sie bitte daran: Das vorliegende Buch basiert nicht auf Fakten. Es basiert auf »Fakten«. Keine der Theorien in diesem Band ist wahr.1 Vielmehr handelt es sich um Ideen, Spekulationen, Annahmen und Behauptungen, die gern als Wahrheiten gelten würden. Wenn Sie also nach der Lektüre glauben, dass wir nur die dominante Spezies dieses Planeten geworden sind, weil wir für prähistorische Raubtiere zu sehr stanken; oder dass die Nachfahren von Jesus Christus Knoblauchbauern in Japan sind; oder dass Büropflanzen als Polizeibeamte eingesetzt werden sollten … nun ja, dann ist das allein Ihre Sache.

1Noch nicht, jedenfalls.

Einleitung

GRÜSSE VON DER ETWAS ANDEREN SEITE

1956 stapfte der Archäologe George Michanowsky durch eine abgelegene Gegend im bolivianischen Urwald, als er plötzlich auf ein paar Einheimische traf, die ein Fest mit Tanz, Drinks und den dazugehörigen Ausschweifungen2 veranstalteten. Michanowsky hörte sich um und verstand bald, dass es sich um ein jährlich stattfindendes Event handelte, zu dem seit Tausenden von Jahren die Menschen aus Hunderte von Meilen entfernt liegenden Dörfern anreisten, um gemeinsam zu feiern.

»Was wird denn gefeiert?«, fragte der Archäologe.

»Das wissen wir nicht mehr«, antworteten die Bolivianer. Irgendwann im Laufe der Zeit hatten sie vergessen, warum sie dieses Fest veranstalteten.

Da sie sich jedoch nicht von kleinen formalen Fehlern wie diesem die Laune verderben lassen wollten, trafen sie sich weiterhin jedes Jahr, um gemeinsam zu gedenken … wem oder was auch immer.

*

Dieses anthropologische Rätsel begegnete mir zum ersten Mal vor einigen Jahren in einem antiquarischen Buchladen in London, als ich dort in einer Ausgabe des TimeMagazine von 1973 blätterte. Seitdem habe ich viel darüber nachgedacht. Auch wenn es sich platt anhören mag, das Geheimnis um die bolivianischen Tänzer zeigt auf beeindruckende Weise eine der zentralen Ideen dieses Buches: Wo man auch hinschaut, irgendetwas Seltsames, Kurioses und Unerklärliches findet sich überall. Noch wichtiger ist vielleicht jedoch, dass sich immer irgendjemand (oder irgendetwas) der Auflösung dieses Geheimnisses widmet, wie unwichtig es auf den ersten Blick auch wirken mag.

Gerade in diesem Augenblick versuchen Wissenschaftler im Silicon Valley herauszufinden, ob das Universum nur ein riesiges Videospiel ist; in Australien wollen Ornithologen ihre Theorie bestätigen, dass es eine Vogelart gibt, die in der Wildnis Popsongs aus den 1930er-Jahren trällert, und in Polen gibt es einen Geisterjäger, der uns davor warnt, dass die Geister so verärgert über die zunehmende Skepsis hinsichtlich ihrer Existenz sind, dass sie mit Streik drohen. »Wenn ihr euch so verhaltet, geistern wir eben nicht mehr umher«, lautet wohl ihre Botschaft.

Mir scheint, als wollte jeder irgendeine Theorie beweisen – sei es über etwas Großes wie den Sinn des Lebens oder etwas Kleines wie die Frage, warum Australier so sprechen, wie sie es tun.3 Es gibt einfach viel zu viele Dinge, über die wir viel zu wenig wissen. Warum sind wir hier? Gibt es Geister? Werden wir von Außerirdischen besucht? Empfinden Pflanzen etwas? Und warum wölbt sich der Duschvorhang immer in der Dusche zu einem hin?4

Wir kennen die Antworten auf diese Fragen nicht, aber ich werde in diesem Buch ein paar Leute vorstellen, die meinen, sie könnten sich darauf einen Reim machen. Außerdem werden Sie das Wort für »Danke« auf Pflanzensprache von einem führenden Botaniker lernen; Sie werden dazu eingeladen, Naturschützer dabei zu unterstützen, eine vom Aussterben bedrohte Art vor der Ausrottung durch Shampoo zu bewahren, und Sie werden erfahren, warum Sie es vermeiden sollten, einen Nobelpreis in Naturwissenschaften zu gewinnen. Vor allem aber werden Sie erfahren, dass jeder Mensch auf dieser Welt ein kleines bisschen durchgeknallt5 ist.

Selbst die Leute, von denen man es am wenigsten erwartet, haben seltsame Theorien. Nehmen wir einmal den BBC-Korrespondenten Nicholas Witchell, der praktisch alle wichtigen Nachrichten über das britische Königshaus von 1998 bis 2024 kommentiert hat – wer hätte wohl gedacht, dass dieser seriöse, distinguierte Journalist früher Monsterjäger am Loch Ness gewesen ist?

1972 lebte der damals 19-jährige Witchell sechs Monate lang in einem selbst gebauten Holzunterschlupf am Ufer des Loch Ness und starrte tagein, tagaus mit Fernglas, Kamera und Teleobjektiv bewaffnet aufs Wasser.

Nessie ist ein wichtiger Teil von Witchells Leben. Dank Nessie begann er sogar seine Karriere als Journalist. Nachdem er sechs Monate lang nach dem Monster Ausschau gehalten hatte, sollte er eigentlich nach Leeds gehen, um Jura zu studieren, aber als sich die Möglichkeit auftat, ein Buch über Nessie zu schreiben, überlegte er es sich anders. Zwei Jahre später veröffentlichte er das Buch The Loch Ness Story, das bis heute als eines der besten Bücher seines Genres gilt.

Nicholas Witchell, BBC-Korrespondent und früherer Nessie-Jäger.

Da ich selbst den Loch Ness vor einigen Jahren besucht habe, kann ich mir gut vorstellen, welche Verlockung das Wasser auf Witchell ausübte. Sobald man darauf schaut, kann man gar nicht anders, als nach Nessie zu suchen. Ich fand es echt schwer, den Blick abzuwenden, weil ich befürchtete, Nessie könnte sich genau in dem Augenblick an der Oberfläche zeigen.

»Yeah. Im ersten Jahrzehnt ist es auf jeden Fall am schlimmsten«6, erzählte mir der langjährige Nessie-Jäger Steve Feltham kürzlich bei einem Zoomgespräch. »Aber nach zehn Jahren gewöhnt man sich daran.« Feltham, der seit 31 Jahren am Ufer des Sees lebt und von seinem Wohnwagen aus nach Nessie sucht, wurde mit einem Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde als der am längsten Wache haltende Nessie-Jäger geehrt.

AN WAS GLAUBEN SIE DENN SO?

Also, bevor es richtig losgeht, noch eine wichtige Frage: An welche durchgeknallten Sachen glauben Sie? An Geister? Oder daran, es spüren zu können, wenn jemand in Ihrem Rücken sie anstarrt? Sind Sie abergläubisch? Denken Sie, Zufälle hätten irgendwelche Bedeutungen? Haben Sie schon einmal ein UFO gesehen?

Vielleicht wissen Sie gar nicht genau, was Ihr ganz persönlicher Spleen ist? Während ich an diesem Buch saß, habe ich festgestellt, dass die meisten Menschen nicht in der Lage sind, auf Anhieb sagen zu können, an welche seltsamen Dinge sie glauben. Vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil diese seltsamen Dinge ihnen überhaupt nicht seltsam vorkommen, sondern Teil ihrer alltäglichen Realität sind. Aber keine Sorge, wenn man nur lang genug darüber nachdenkt, findet man sie.

Aber vielleicht wissen Sie ja auch genau, an welche seltsamen Dinge Sie glauben, trauen sich jedoch nicht, diese auszusprechen? Auch das verstehe ich natürlich – manche Leute können gnadenlos zu jemandem sein, der Dinge sagt wie: »Ich glaube an den mongolischen Todeswurm7!« Es könnte das berufliche Leben, die Beziehung, ja einfach alles beeinflussen.

Während der Arbeit an diesem Buch bin ich drei Personen begegnet, die von sich glaubten, den Sinn des Lebens entdeckt zu haben: Ein Freund hat mich allen Ernstes gebeten, meine Tarnung aufzugeben und zu bestätigen, dass ich ein Schauspieler in seiner eigenen Version von Die Truman Show sei; ich habe mit jemandem Bier getrunken, der von sich selbst behauptete, zur Hälfte ein Reptil zu sein; und ich habe einer Frau dabei zugehört, wie sie erzählte, sie sei eines Morgens ganz früh aufgewacht und habe die Jungfrau Maria am Fußende ihres Bettes stehen sehen. Diese Frau war meine Frau: Fenella.

Fenella zieht seltsame Dinge geradezu magisch an, deshalb wird sie auch immer wieder in diesem Buch auftauchen. Ganz anders als bei mir – der ich unzählige Stunden in versteckten Buchläden stöbere, nach verschollenen Dokumentarfilmen suche und zu merkwürdigen Bühnenshows und Konferenzen gehe – kommen die seltsamsten Dinge einfach so zu Fenella. Aus mir unerklärlichen Gründen vertrauen Menschen, die sie gerade erst kennengelernt haben, ihr die seltsamsten Dinge an.

Erst kürzlich hatten wir einen Installateur im Haus, um eine undichte Stelle im Badezimmer reparieren zu lassen. Nachdem ich ihn kurz begrüßt hatte, ging ich in die Küche, um ihm einen Tee zu machen, während Fenella ihm die Stelle zeigte. Wenige Minuten später kam sie zu mir in die Küche.

»Ein total interessanter Typ«, sagte sie. »Er hat mir eben erzählt, dass er als Baby in Kasachstan in einem Feld saß und plötzlich ein Adler vom Himmel auf ihn zugeschossen kam, ihn gepackt und mitgenommen hat.«

Die meisten hätten diese Geschichte sicher als das Gefasel eines verrückten Installateurs mit reger Fantasie abgetan. Aber wie der Zufall so wollte, hatte ich Jahre zuvor einen Experten kennengelernt, der sich mit dem Phänomen der von Adlern entführten Kinder beschäftigt hatte. Also warf ich den Installateur nicht aus dem Haus, sondern bat ihn, das Werkzeug beiseitezulegen, damit ich seine Geschichte aufschreiben konnte.

»Glücklicherweise«, beschrieb er mir den Tag des Ereignisses, »schaffte es der Vogel wegen meines Gewichts nicht sofort, an Höhe zu gewinnen, sodass meine Mutter hinter uns herlaufen und den Adler mit einem Stock traktieren konnte, bis er mich fallen ließ.«

Fenella war im achten Monat schwanger mit unserem zweiten Kind, als sie die Jungfrau Maria am Ende unseres Bettes stehen sah. Gerechterweise muss man hinzufügen, dass sich diese Begegnung im März 2020 ereignete und das Land gerade in den ersten Lockdown ging. Am Abend vor diesem göttlichen Besuch hatten wir mit weit aufgerissenen Augen vor dem Fernseher gesessen und dem ungewohnt ernsthaften Premierminister dabei zugeschaut, wie er uns erzählte, es sei von nun an gefährlich, das Haus zu verlassen, und schwangere Frauen wären einem besonders großen Risiko ausgesetzt. Fenella war entsetzt.

Maria erschien ihr nur kurze Zeit später. Zuerst bekam es Fenella mit der Angst zu tun und fürchtete, sie wäre gekommen, um unser ungeborenes Kind zu holen. Bei einer ausführlichen Google-Suche lernte sie jedoch, dass Maria gekommen war, um ihr mitzuteilen, dass alles gut werden würde. Ich war nicht wach und habe Maria nicht gesehen, aber Fenella schwört darauf, dass sie ihr wirklich erschienen ist.

Viele unserer Sonderlichkeiten erben wir von unseren Familien, da bin ich mir ganz sicher. Fenella stammt aus einer religiösen Familie, und bei vielen ihrer Angehörigen löste es Begeisterung aus, dass Fenella die Jungfrau Maria erschienen war. Auch ich konnte mich dem Einfluss meiner Eltern nicht entziehen und halte sie für den Grund meines Interesses an wilderen Dingen. Alles begann, als ich 13 Jahre alt war. Nachdem ich meine Kindheit in Hongkong verbracht hatte, entschieden meine Eltern, ihren Friseursalon zu schließen und mit der gesamten Familie in ein verschlafenes Nest an den Northern Beaches von Sydney in Australien zu ziehen. Das Nest hieß Avalon, nach dem mythischen Aufenthaltsort von König Artus, und verströmt, wie Sie sich vorstellen können, heftige New-Age-Vibes.

Mir wurde klar, dass wir an einem etwas anderen Ort angekommen waren, als unsere Nachbarin Sharon meine Eltern um Hilfe bat. Sie hatte ein technisches Problem: Sie wollte jemanden auf Facebook entfreunden, wusste aber nicht, wie man das macht. Als meine Eltern bei ihr ankamen, erzählte Sharon ihnen, sie habe kürzlich bei einem Geisterheiler gelernt, dass ihre sogenannte »Freundin« sie in einem früheren Leben im alten Ägypten ermordet habe. »Ich möchte in diesem Leben nicht mit jemandem auf Facebook befreundet sein, der mich in einem vorherigen Leben umgebracht hat«, erklärte sie ihnen.

Oder auch unsere Freunde, Mike und Rebecca, die ihr Haus verkauften und 60 Meilen weiter ins Landesinnere zogen, weil Rebecca in einem Traum gesehen hatte, dass die Küste Avalons in nicht allzu ferner Zeit von einem Tsunami getroffen würde. Zwei Jahrzehnte später ist noch immer nichts passiert.

Genau wie Fenella ziehen auch meine Eltern Seltsames geradezu magisch an, sodass ich wunderbare Abende damit verbrachte, Gästen meiner Eltern beim Philosophieren über esoterische Dinge zu lauschen – von Geistern über UFOS war alles dabei –, bevor sie mir heimlich Bücher von pseudowissenschaftlichen Theoretikern wie etwa Erich von Däniken zusteckten und schließlich durch die Tür hinaustorkelten.

Während dieses faszinierende Leben in Avalon förderlich war, um meine wilde Ecke zu kultivieren, machte ich den echten Sprung in die Welt des Sonderbaren erst, als ich an meine neue Highschool kam. 

DIE FEHLGELEITETE ERZIEHUNG DAN SCHREIBERS

Ein Nachfahre von der Insel Atlantis hat meine Schule gegründet. Davon wusste ich nichts, bis ich für dieses Buch zu recherchieren begann, und auch für meine Eltern war diese Information neu.

Die Glenaeon Rudolf Steiner School befindet sich in einer Seitenstraße eines winzigen Vororts sieben Meilen nördlich der Sydney Harbour Bridge.

Rudolf Steiner, Philosoph und Atlantis-Theoretiker.

Umgeben von viereinhalb Morgen Buschland war diese Schule für uns wie ein mythischer Zufluchtsort. Das kann man sich ungefähr so vorstellen, als hätte der Autor von Die Prophezeiungen von Celestine ein eigenes Hogwarts eröffnet und Rhonda Byrne, die Autorin von The Secret – Das Geheimnis, zur Schulleiterin erklärt.

Meine Schule war die erste Institution in Australien, die auf den Lehren Rudolf Steiners fußte. Der österreichische Philosoph und Architekt, übrigens ein echt schräger Typ, hatte sich vorgenommen, eine Schule zu gründen, die nicht auf Wettbewerb und Leistung beruhte; deren Räume durch den weitestgehenden Verzicht auf rechte Winkel einen organischen Charakter aufwiesen; und die eine Umgebung bot, in der Schüler weniger auf akademische, sondern vielmehr auf kreative Weise lernen. Das zumindest war die offizielle Position. Erwähnt wurde jedoch nicht, dass Steiner ein weltbekannter Okkultist, Mystiker, ganzheitlicher Arzt, Hellseher und Atlantis-Anhänger war.

Steiner gehörte nicht zu den Guten, das habe ich im Podcast Behind the Bastards gelernt. Er vertrat rassistische Überlegenheitsideen und gilt außerdem als Begründer der anthroposophischen Medizin, die behauptet, Krankheit könne von der Lebensführung beeinflusst sein und in manchen Fällen – Pech gehabt – solle keine Medizin verschrieben werden, weil das Schicksal beziehungsweise das Karma es so vorsehe. Auch heute werden in anthroposophischen Krankenhäusern Krebspatienten noch mit einer Mistel-Therapie behandelt und Patienten mit Covid-19 bekommen Globuli verabreicht, die Berichten zufolge Sternschnuppenstaub enthalten sollen.

Ich jedoch genoss, nachdem ich eine stark akademisch geprägte Grundschule in Hongkong besucht hatte, jede Sekunde an der Steiner-Schule. Wie es heutzutage in der Steiner-Schule ist, kann ich nicht sagen, aber vor 20 Jahren war das Sonderbare und Seltsame dort ständig spürbar und geradezu unvermeidlich. Während meiner ersten Monate an dieser Schule war mein Klassenlehrer nicht da, weil er wegen einer Krebserkrankung behandelt wurde. Seine Behandlung basierte nicht auf Chemotherapie oder irgendeiner anderen westlichen Medizin, stattdessen hatte er sich dafür entschieden, seinen Weg zurück in ein gesundes Leben durch Meditation zu erreichen. Unterstützt wurde er dabei von einer Gruppe Mönche. Es funktionierte. Mitten im ersten Halbjahr kam er zurück, und dank seiner Erfahrung begannen wir von da an die Tage mit einer Viertelstunde Gruppenmeditation, gefolgt von zehn Minuten Musik von den Beatles und von Simon & Garfunkel.

Die Lerninhalte waren mit denen anderer Schulen in etwa vergleichbar, allerdings waren die Lehrkräfte etwas exzentrisch, wenn es ums Benoten ging. Ich bekam einmal die Bestnote für ein Referat in Geschichte über die Geheimgänge unter den Pyramiden von Gizeh, von denen behauptet wird, dass es dort alte Kristallcomputer von der verschollenen Insel Atlantis geben soll. (Mittlerweile verstehe ich, warum es damals so gut lief.)

Nachdem ich an der Steiner-Schule meinen Abschluss gemacht hatte, traf ich die Entscheidung, nach London umzuziehen, um dort Karriere als Comedian zu machen. Zu jener Zeit begann ich alles abstoßend zu finden, was mit Verschwörungstheorien zu tun hatte, und verliebte mich unsterblich in die Welt der Wissenschaft (in der die Theorien und Annahmen häufig noch wilder und aufregender waren als die in pseudowissenschaftlichen Kreisen). Ich wollte mir eine Karriere aufbauen, die auf Fakten beruhte und nicht auf »Fakten«. Auch wenn ich gern sagen würde, dass mich die letzten Jahre verändert haben, ich mehr und mehr zu einem Verfechter wissenschaftlichen Wissens geworden bin und meine frühe fehlgeleitete Erziehung abgestreift habe, muss ich doch zugeben, dass mein Herz nach wie vor auch für die Sonderlinge und ihre abstrusen Theorien schlägt.

HARTNÄCKIGKEIT, HARTNÄCKIGKEIT, HARTNÄCKIGKEIT

Dieses Buch handelt von Menschen, die große Fragen stellen und nach Lösungen forschen, ganz egal, wie lächerlich sie sich dadurch machen. Zahlenmäßig sind das gar nicht so wenige – sie sind überall. Sehen Sie sich nur um. Um uns herum existiert eine Vielzahl von Wirklichkeiten. Jeden Tag, wenn Sie Ihrem ganz normalen Leben nachgehen, gibt es überall um Sie herum Menschen, die ganz anders denken als Sie. Wenn Sie das nächste Mal nachts zum Mond hinaufschauen, stellen Sie sich einfach einmal vor, dass manche Leute ihn für einen natürlichen Satelliten der Erde halten, während andere glauben, er sei durch und durch künstlich, von Außerirdischen gemacht. Manche glauben, dass Menschen darauf gelandet sind, andere, dass Stanley Kubrick die Landung in einem Hollywoodstudio vorgetäuscht hat. Manche denken, der Mond beeinflusse die Gezeiten, andere glauben hingegen, dass er Menschen Fell wachsen lässt und diese ihn dann anheulen. Ab und zu kommt es vor, dass einem dieser Menschen, die etwas Ungewöhnliches für wahr halten, recht gegeben wird. Dann zahlt sich ihre Hartnäckigkeit aus, nicht alles so zu nehmen, wie es scheint.

Und genau darum geht es: Hartnäckigkeit. Hartnäckig zu bleiben, wenn man etwas richtig durchschauen will – egal, wie lange es dauert, und selbst wenn es nur eine banale Wahrheit offenbart –, ist das oberste Gebot. Nehmen wir das Radioteleskop im Parkes-Observatorium in Australien als Beispiel, eine ziemlich wichtige Schüssel. Dieses Teleskop hat es ermöglicht, dass die Welt TV-Signale von Neil Armstrong empfangen konnte, während dieser auf dem Mond stand. Momentan wird es als Teil des Forschungsprojekts Breakthrough Listen eingesetzt, dem bisher umfassendsten Versuch, außerirdische Kommunikation einzufangen. Gleichzeitig ist es der Ort, an dem hinter den Kulissen Astronomen hartnäckig daran gearbeitet haben, ein lange ungelöstes Rätsel zu entschlüsseln.

Das Problem bestand darin, dass 17 Jahre lang über das Radioteleskop im Parkes-Observatorium seltsame Interferenzen empfangen wurden, die sich die Wissenschaftler einfach nicht erklären konnten. Im Laufe der Jahre wurden die unterschiedlichsten Theorien dazu aufgestellt. 2011 erschien ein wissenschaftlicher Artikel, in dem darüber spekuliert wurde, ob als Ursache Blitzschläge oder Sonneneruptionen infrage kämen, weitere Untersuchungen verwarfen jedoch beide Ideen.

Die beinahe zwei Jahrzehnte andauernde Lektion, warum sich Hartnäckigkeit auszahlt, endete schließlich damit, dass die hauseigenen Astronomen den Verantwortlichen entlarvten: die Mikrowelle in der Küche des Observatoriums. Siebzehn Jahre der Spekulation – und dann stellt sich heraus, dass die rätselhaften Signale ein Zeichen dafür sind, dass die Reinigungskräfte ihre Lasagne erhitzten. Geheimnis gelüftet.

Aber das war nicht das einzige Geheimnis, in dem ein australisches Observatorium eine Rolle spielte. Als ein Pulsar in einer weit entfernten Konstellation entdeckt wurde, bemerkten die Astronomen des Molonglo-Observatoriums ein seltsames Etwas aus Gas. Es sah aus wie die Überreste eines explodierten Sterns. Wenn es sich dabei wirklich um einen Stern handelte, in nur 1500 Lichtjahren Entfernung, wäre es die von unserem Planeten aus gesehen nächste Supernova-Explosion aller Zeiten gewesen, die unseren Himmel für Monate Tag und Nacht erleuchtet hätte – 100-mal heller als die Venus und vermutlich auch heller als der Mond. (Eine Theorie behauptet sogar, dass der Einfluss noch gewaltiger gewesen wäre. Als Resultat hätte die Erde von einer derart gefährlichen Strahlung getroffen werden können, dass es dadurch starke Mutationen der Lebensformen auf der Erde gegeben haben müsste.) Also fragten sich die Astronomen, warum es davon keine historischen Berichte gab.

Bis zu diesem Zeitpunkt seien nur vier weitere Supernovae vermerkt worden, darunter eine in China, von der wir dank der damaligen Astronomen wissen, dass diese im Jahr 1054 beobachtet worden war. Wissenschaftler wollten die Supernova, die vom Molonglo-Observatorium entdeckt worden war, datieren, aber ohne historische Aufzeichnungen war dies unmöglich – sie konnte sich zu jedem Zeitpunkt innerhalb der letzten 15000 bis 6000 Jahre ereignet haben. Also veröffentlichte 1972 die Zeitschrift Archaeology einen ungewöhnlichen Aufruf dreier NASA-Astronomen. Archäologen wurden um Mithilfe bei der zeitlichen Einordnung dieses Gaswolken-Himmelskörpers gebeten. Es musste doch sicher, so ihre Annahme, irgendeinen Zeugen gegeben haben, der dieses Ereignis auf einem Stein oder an einer Wand verewigt haben könnte. Die Hoffnung bestand also darin, irgendein Kunstwerk zu finden, anhand dessen es möglich wäre, die Supernova zu datieren.

Der Aufruf wurde von einem Mitglied des Explorers Club in New York entdeckt: dem exzentrischen, umstrittenen und langjährigen Archäologen George Michanowsky. Dieser erinnerte sich an ein interessantes Bild auf einem großen, flachen Felsen, das er auf einer seiner vielen Abenteuerreisen entdeckt hatte. Es bestand aus vier Kreisen, von denen drei, wie Michanowsky bemerkt hatte, die hellsten Sterne am Nachthimmel abbildeten. Der vierte und größte Kreis jedoch, der in den Felsen gemeißelt war, hatte nirgendwo am Himmel eine Entsprechung.

Dieser seltsame Felsen wiederum gehörte einer ungewöhnlichen Gruppe indigener Einwohner Boliviens, die, aus einem ihnen selbst unbekannten Grund, einmal pro Jahr zusammenkamen, um gemeinsam zu tanzen. Michanowsky fragte sie also, ob dieser Fels in irgendeiner Weise mit dem Tanzen verbunden sei. Ja, antworteten sie. Ob sie denn wüssten, wofür die Bilder auf dem Stein stünden? Nein. Keine Ahnung. Auch das hatten sie vergessen.

Michanowsky ließ sich davon nicht beirren und forschte weiter. Seine Nachforschungen führten ihn zu den Bibliotheken Mesopotamiens, für die er sogar Keilschrift lernte. Als er eine der Tontafeln in Keilschrift las, entdeckte Michanowsky einen Hinweis auf einen riesigen Stern in einem Teil des Himmels, in dem es keine Sterne gibt. Dieser passte zu der Beschreibung. Die Koordinaten, bemerkte Michanowsky, entsprachen genau dem Ort der Supernova. So kam er zu seiner Hypothese. Diese lautet, dass in den Jahrtausenden, die auf die Supernova folgten, der Einfluss dieses unglaublichen Ereignisses in Kulturen auf dem gesamten Globus gefunden werden könne. Michanowskys Meinung nach waren die Sumerer Zeugen dieses himmlischen Wunders, woraufhin sie Astronomie, Mathematik und Schrift entwickelten und Geschichtsbücher anlegten. Die Supernova und das damit zusammenhängende, bewusstseinserweiternde Wunder, so vermutet Michanowsky darüber hinaus, könnten gar der Katalysator gewesen sein, der zur Geburt der Zivilisation geführt habe.

Warum also tanzten die bolivianischen Einheimischen? Nachdem er 16 Jahre darüber nachgedacht hatte, war sich Michanowsky sicher, die Antwort gefunden zu haben. Sie gedachten mit ihrem Tanz dem vermutlich wichtigsten Ereignis der Menschheitsgeschichte, einem Moment, der unsere Aufmerksamkeit auf die Herrlichkeit des Universums richtete und unser Bewusstsein in diesem Prozess schärfte, vielleicht sei es sogar der »wichtigste Stern in der Geschichte der Menschheit« gewesen. Was die bolivianischen Einheimischen vergessen hatten, war also, dass sie tanzten, um einen unvergesslichen Moment zu feiern. So zumindest die Theorie …

2Orgien.

3Niemand weiß genau, wie sich das australische Englisch entwickelt hat. Eine Theorie lautet: Wegen der großen Fliegenpopulation waren Australier gezwungen, mit aufeinandergepressten Zähnen zu sprechen, um nicht den Mund voller Fliegen zu haben.

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