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Wendy ist glücklich auf Rosenborg, doch der Reiterhof ist in Gefahr! Um den Verkauf von Rosenborg zu verhindern, will Wendy am großen Sommerturnier teilnehmen. Aber Zirkuspferd Dixie will einfach nicht springen! Glücklicherweise bekommt Familie Thorsteeg ein edles Springpferd geschenkt und Wendys Turnierteilnahme steht eigentlich nichts mehr im Weg. Doch Penny verweigert jedes Hindernis! Während Wendy versucht, Penny zu helfen, fühlt sich Dixie zunehmend vernachlässigt … Kann Wendy ihre Freundschaft retten und Pennys Angst heilen, um mit ihr das Turnier zu gewinnen? Das Buch zum zweiten Wendy-Film
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Seitenzahl: 149
Das Buch zum Film
Ein verhängnisvoller Brief
Wendy strahlte vor Glück. Sie galoppierte mit Dixie über die Wiesen bei Rosenborg, dem alten Gutshof ihrer Oma Herta, und fühlte sich pudelwohl. Schnell wie der Wind waren die beiden unterwegs. Wendy hatte kaum Zeit, ihren Freunden Merle, Bianca und Mücke ein Hallo zuzurufen. Die drei hatten es sich auf ihren Badetüchern unten am See gemütlich gemacht.
„Hallo, Wendy!“, riefen sie ihr und Dixie hinterher.
Das Leben ist einfach herrlich, dachte Wendy.
Sie ließen den See hinter sich, überquerten den Bach und galoppierten über die Hügel und entlang der Felder zur alten Apfelwiese. Keine Schule, herrliches Wetter und nachher vielleicht noch ein Bad mit Dixie im See … Was wollte man mehr?
Unter einem alten Apfelbaum machten die beiden schließlich Rast.
„Geht doch nichts über Ferien“, sagte Wendy.
Dixie saß neben ihr im Gras und kaute gemächlich einen Apfel. Wendy zupfte ihm zärtlich die Mähne. Es kam ihr so vor, als seien sie schon immer zusammen. Dabei war es erst ein Jahr her, dass sie und ihre Familie nach Rosenborg gekommen waren. Kaum zu glauben. Damals war sie nach ihrem Unfall traurig und ängstlich gewesen. Erst Dixie, das ehemalige Zirkuspony, hatte ihr neuen Lebensmut gegeben, nachdem sie ihn gerade noch den Fängen von Metzger Röttgers entrissen hatte. Doch das war weit weg in der Vergangenheit …
Plötzlich wurde Wendy aus ihren Gedanken gerissen. Hatte sie da nicht ein Wiehern gehört? Doch, da war es wieder. Es kam von jenseits der Wiese.
Neugierig sprang Wendy auf, während sich Dixie seelenruhig weiter mit den Äpfeln beschäftigte. Wer konnte das sein? Wendy hielt Ausschau, doch es war nichts zu sehen.
Jetzt kam auch noch Hufgetrappel dazu – und nur einen Augenblick später tauchte der blonde Schopf eines Jungen hinter dem Hügel auf. Er ritt einen stattlichen braunen Hengst. Mit einem gekonnten Sprung setzten die beiden über einen alten Baumstamm, galoppierten in einem weiten Kreis um den Baum, unter dem Wendy mit Dixie lagerte, und hielten dann vor ihr an.
Der Junge trug einen Reiterhelm, Sporen und Reitgerte. Sein Pferd war mit einer Kandare gezäumt. Neugierig ließ Dixie von seinen Äpfeln ab und begutachtete die Neuankömmlinge.
Der Junge nickte Wendy freundlich zu. Er hielt sein Pferd ruhig, das ab und zu nervös tänzelte.
„Hey, hallo“, sagte er. „Kannst du mir sagen, wo ich hier bin? Ich hab mich wohl verirrt.“ Er lächelte etwas verlegen, was ihm außerordentlich gut stand.
Wendy war immer noch überrascht und wunderte sich selbst darüber. Normalerweise war sie nicht gerade auf den Mund gefallen. Aber das plötzliche Erscheinen des Jungen, der saubere Sprung mit anschließender Parade und sein nettes Lächeln hatten sie offenbar sehr beeindruckt.
„Äh … auf Rosenborg“, stotterte sie schließlich.
Der Junge runzelte die Stirn, als müsste er nachdenken. Dann zog er plötzlich die Augenbrauen hoch.
„Ach, cool“, rief er. „Dann bist du bestimmt Wendy, oder? Ich bin Daniel und wohne den Sommer über bei Vanessa und ihrer Mutter Ulrike auf St. Georg. Ich trainiere mit Ambassador hier für das Turnier.“
Wendy blickte überrascht auf.
„Welches Turnier?“, fragte sie.
Bei der Erwähnung von St. Georg und Vanessas Mutter Ulrike war Wendy kurz zusammengefahren. Vanessa mochte ja ganz okay sein, aber ihre Mutter war ein echtes Biest. Ihr waren unter anderem die Schwierigkeiten zu verdanken, die Omas Hof letztes Jahr an den Rand des Ruins gebracht hatten. Wenn Ulrike auftauchte, bedeutete das selten etwas Gutes.
„Das große Sommerturnier auf St. Georg.“ Jetzt war Daniel sichtlich überrascht. Er wunderte sich offensichtlich, dass Wendy nichts von dem Turnier wusste. Schließlich hatte sie sich als Springreiterin ja schon einen Namen gemacht.
„Reitest du denn nicht mit?“
„Nee.“ Wendy schüttelte den Kopf. „Turniere sind nicht so mein Ding. Also, nicht mehr … Und Dixie ist auch nicht gerade das Super-Springpferd.“ Sie streichelte Dixie die Mähne. „Was, Dicker?“
Bei der Erwähnung seines Namens sah Dixie auf, als wolle er sagen: Wie bitte? Ich, kein Springpferd? Ha. Er bleckte die Zähne und wieherte laut.
„Der ist ja putzig.“ Daniel lachte, wurde aber gleich wieder ernst. „Also, ich will das Turnier unbedingt gewinnen. Der Sieger kommt in den Landeskader …“
Wendy zögerte einen Augenblick.
„Cool“, sagte sie dann und lächelte. „Viel Glück.“
„Na ja.“, Daniel winkte ab, fast so, als ob er das nicht nötig hätte. „Tja, ich muss dann wieder. Sag mal, wie komme ich denn jetzt wieder zurück nach St. Georg?“
Wendy zeigte nach links in Richtung Straße.
„Also, hier links runter, bis du zur Straße kommst“, erklärte sie. „Und dann nach Waldneuburg. Das ist der kürzere Weg. Oder du reitest hier vorn über die Felder und am Fluss entlang. Das kostet zwar mehr Zeit, ist aber der schönere Weg.“
Daniel grinste.
„Na, dann nehme ich doch mal die schönere Mädchenstrecke“, sagte er schelmisch. Wendy musste unwillkürlich lächeln.
„Wir sehen uns“, rief Daniel. Mit einem Schnalzen wendete er Ambassador auf der Hinterhand, winkte kurz und galoppierte den Hügel hinauf in Richtung Felder.
Wendy sah ihm nach. Dixie schnaubte, stieß sie an und schüttelte unwirsch den Kopf, dass die Mähne nur so flog.
„Was denn?“, fragte Wendy erstaunt und gab ihm einen Knuff. „Der war doch ganz nett.“
Dixie war eindeutig anderer Meinung. Noch einmal schüttelte er energisch den Kopf.
„Du musst nicht eifersüchtig sein.“ Wendy zog ihn am Ohr und lachte. „Und jetzt los. Wir beide brauchen jedenfalls weder Sporen noch Kandare.“ Damit schwang sie sich auf Dixies Rücken und galoppierte über die Wiese zurück nach Rosenborg.
Auf dem Hof von Oma Herta herrschte das übliche Tohuwabohu. Die Hühner und Gänse rannten aufgeregt durcheinander, immer auf der Suche nach einem übrig gebliebenen Korn; Gunnars Jungpferde genossen die Sonne und kratzten sich gegenseitig den Rücken; und Schwein, das Hausschwein von Rosenborg, lag an seinem Lieblingsplatz vor der Treppe zur Haustür.
In einer Ecke des Hofs stand ein alter, ausrangierter Zirkuswagen, den sich Wendys Bruder Tom als Wohn- und Schlafwagen ausgebaut hatte. Die beiden Fensterläden an der Seite waren noch geschlossen, woraus man schließen konnte, dass Tom noch schlief, obwohl es schon Mittag war.
Auf der anderen Seite des Hofs waren die Pferdeboxen. Die meisten davon standen leer, aber über zwei oder drei Türen erschienen Pferdeköpfe, als Wendy auf Dixie durchs Tor ritt. Über dem Torbogen hing ein großes Schild mit der Aufschrift Gut Rosenborg – Reitschule und Pensionsstall.
Herta stand neben der Garage, in der jede Menge Gerümpel gelagert wurde. Einiges davon – einen alten Bauernschrank, antikes oder einfach nur zu Bruch gegangenes Geschirr und eine altersschwache Registrierkasse – hatte Heike, Wendys Mutter, angeschleppt, um es zu restaurieren. An der Wand lehnte ein altes Schild mit der Aufschrift Hofladen. Und daneben hatte Herta sich eine Art Freiluftküche eingerichtet, die zum Einkochen von Marmelade gedacht war. Überall stapelten sich Einmachgläser und Obstkisten. Auf einem alten Gasherd brodelte ein riesiger Topf mit Marmelade vor sich hin. Von seinem Platz behielt Schwein das ganze Geschehen aufmerksam im Auge.
Der Hofladen war Hertas und Heikes neuestes Projekt, um die etwas angeschlagenen Finanzen von Rosenborg wieder auf Vordermann zu bringen. Herta war dabei, das Familienrezept für die berühmte Kirsch-Vanille-Marmelade zu entziffern, und Wendys Mutter saß mit der Post neben Schwein auf der Vortreppe.
„So“, murmelte Herta. „Wie viel Zucker muss denn da jetzt rein?“
Sie studierte das Rezept, das sie an der Hauswand neben ihrer provisorischen Küche befestigt hatte. „Wo ist denn nur meine Brille?“ Zerstreut tastete sie ihre Taschen ab. Keine Brille.
Schwein blinzelte und grunzte, als wollte es sagen: Wenn du die Brille suchst, steckt sie normalerweise in deinen Haaren. Und genauso war es. Doch Oma Herta dachte nie daran. Sie suchte und suchte …
Wendy sprang von Dixies Rücken und gab ihm einen Klaps.
„Tag, Mama“, sagte sie und: „Tag, Oma. Tag, Schwein.“
Heike warf ihr eine Kusshand zu und öffnete einen der Briefe.
„Ach, was soll’s“, rief Herta ungeduldig, gab ihre Suche auf und schüttete einfach nach Gefühl ordentlich Zucker in die brodelnde Masse.
„Na, Oma.“ Wendy grinste. „Wie läuft die Produktion?“
„Bombig“, meinte Herta. Sie nahm das Rezept in die Hand und versuchte erneut, es zu entziffern. „Heißt das jetzt vier oder vierzig? Wo ist nur diese verflixte Brille?“ Sie legte einen Deckel auf den Topf.
„Ähm …“ Wendy zeigte auf Hertas Haare, auf der die Brille thronte. Doch ihre Oma hatte sich schon wieder umgewandt.
„Hast du etwas gesagt, Schätzchen?“, fragte sie zerstreut.
Ein Klappern lenkte Wendy ab. Die Marmelade brodelte immer stärker, und der Deckel hob sich bedrohlich.
„Oma …“, rief Wendy alarmiert. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis die ganze Bescherung in die Luft ging.
Heike sah von ihrem Brief auf, in den sie sich vertieft hatte, wobei ihre Miene immer finsterer geworden war. Doch bevor sie oder Herta etwas unternehmen konnten, gab es einen lauten Knall, der Deckel flog vom Topf, und die gesamte Marmelade wurde hoch in die Luft geschleudert.
Wendy kreischte entsetzt auf und ging in Deckung. Zu spät: Die Marmelade ergoss sich über alle drei und sprenkelten ihre Kleider, den Hof und sogar ein Stück von der Wiese. Wendy sah entsetzt an sich hinunter. Dann musste sie plötzlich lachen. Sie nahm einen Fingervoll von ihrem einstmals karierten, jetzt gesprenkelten Hemd ab und probierte.
„Mhhh, Voll lecker, Oma.“
Herta und Heike starrten sie eine Schrecksekunde lang an. Dann mussten auch sie lachen, und Heike vergaß für einen Moment den Brief in ihren Händen.
„Kirsch-Vanille“, rief Herta, als sie wieder zu Atem kam. „Ein altes Familienrezept.“
Die Marmeladenkleckse auf dem Hof mussten ebenfalls nicht lange auf einen Abnehmer warten. Schwein und Dixie stürzten sich nach der Explosion mit Begeisterung auf die süßen Überreste und schleckten sie genüsslich auf.
Nachdem sich alle notdürftig gesäubert hatten, deckte Herta den Tisch fürs Mittagessen. Heike trat zu ihr und zeigte ihr den Brief. Er war von der Waldneuburger Bank.
„Sie mal“, sagte sie. „Die machen jetzt Ernst. Das hier kam heute Morgen mit der Post.“
Herta setzte glücklich ihre wiedergefundene Brille auf und nahm den Brief in die Hand.
„Kreditprüfung?“, flüsterte sie ungläubig. „Wieso will die Bank denn schon wieder einen Prüfer vorbeischicken?“
„Herta, wir haben dreimal nicht pünktlich bezahlt.“ Heike sah sie eindringlich an. „Das macht die misstrauisch.“
„Ach ja?“, fragte Herta und winkte ärgerlich ab. „Diese Korinthenkacker. Man kann doch mal ein Auge zudrücken.“
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie Wendys Vater Gunnar, der mit einem jungen Pferd an der Leine durchs Hoftor kam. „Hast du es ihm schon gesagt?“
„Mach ich nachher“, sagte Heike eilig. Sie hatte Gunnar ebenfalls gesehen und ließ den Brief unauffällig unter ihrem Pullover verschwinden. Sie mussten sich ja nicht beide noch vor dem Mittagessen über die Bank ärgern.
Gunnar brachte das Pferd in den Stall und kam dann zu ihnen hinüber.
„So“, sagte er und rieb sich die Hände. „Was gibt’s denn zu essen?“
Herta räusperte sich.
„Gemüselasagne“, erwiderte sie.
Als hätten sie sich abgesprochen, eilte Wendy im gleichen Moment aus der Haustür, als Tom in seinen Shorts, seinem Schlafshirt und mit verstrubbelten Haaren aus der Tür seines Zirkuswagens trat und sich ordentlich streckte.
„Endlich Essen. Ich hab voll Hunger“, rief Wendy und flitzte an ihrer Mutter und Oma Herta vorbei zum Tisch.
Tom schlurfte über den Hof und gähnte herzhaft.
„Frühstück?“, fragte er.
„Nee. Mittagessen“, erwiderte Gunnar. Er war ebenfalls an den Tisch in der improvisierten Freiluftküche getreten und inspizierte Heikes Schüsseln.
„Auch gut“, meinte Tom und setzte sich.
Gunnar warf ihm einen missbilligenden Blick zu und schüttelte den Kopf.
„Nun esst mal“, rief Herta eilig, bevor sich Vater und Sohn noch in die Haare bekommen hätten. „Guten Appetit.“
Gunnar verzog mürrisch den Mund und nahm einen Bissen.
„Wie läuft denn die Produktion in eurem Hofladen?“, fragte er und schmunzelte. „Ob wohl ein Glas oder vielleicht auch zwei Gläser Marmelade übrig bleiben?“
„Das wird schon“, gab Herta schnippisch zurück. „Gut Ding will Weile haben.“
„Deine Jungpferde sind ja auch nicht nach einem halben Jahr ausgebildet“, fügte Heike hinzu und sah ihn vorwurfsvoll an.
Gunnar hob abwehrend die Hände.
„Also, ich finde die Idee mit dem Hofladen super“, meinte Wendy zwischen zwei Bissen. „Dann kommen vielleicht endlich mal mehr Leute hierher.“
„Genau“, stimmte Tom zu. Sein Kopf hing tief über dem Teller. Er schaufelte mehr, als dass er aß, aber jetzt sah er kurz auf. „Irgendwie weiß ja keiner, dass es uns überhaupt gibt.“
Ein Springpferd namens Penelope
So glühend und prächtig, wie sie am Abend untergegangen war, erschien die Sonne am nächsten Morgen wieder am Himmel. Während auf Rosenborg noch alles schlief, herrschte auf den weitläufigen Weiden von St. Georg, Ulrike Immhofs Pferdehof, schon geschäftiges Treiben.
Auf dem Spring-Parcours wurde bereits fleißig trainiert. Kein Wunder, schließlich war es nicht mehr lang bis zum großen Sommerturnier. Und wenn man Ulrike Immhof eines ganz sicher nicht nachsagen konnte, dann war es mangelnder Ehrgeiz. Sie wollte das Turnier unbedingt gewinnen. Beziehungsweise, sie verlangte von ihrer Tochter Vanessa, es zu gewinnen.
Doch was Ulrike Immhof beim morgendlichen Training sah, war eine Katastrophe.
Vanessa saß auf einer wunderschönen Schimmelstute, die vor einem Oxer abrupt abstoppte, mit einem total verängstigten Blick auf das Hindernis starrte und hoch in die Luft stieg. Vanessa konnte sich mit Müh und Not gerade noch am Hals der Stute festhalten.
„Nein, nein, nein!“, schrie Ulrike wütend und stampfte mit dem Fuß auf. „So wird das nichts!“ Sie schüttelte den Kopf, dass ihre blonden Haare nur so flogen.
Vanessa konnte die Stute etwas beruhigen. Daniel, der die Szene von der Bande aus beobachtet hatte, atmete erleichtert auf.
„Etwas mehr Konsequenz, Vanessa“, rief Ulrike Immhof unerbittlich, als wäre ihre Tochter gerade eben nicht beinahe vom Rücken eines sichtlich verängstigten Pferdes gestürzt. „Das hier ist kein Stil-Springreiten. Reite noch mal an und dieses Mal bitte nicht so lasch. Nimm Penelope mal so richtig in die Zange. Zeig ihr, wer die Chefin ist. Na, los!“
Vanessa verdrehte die Augen. Wie stellte ihre Mutter sich das vor? Sie hatte ja schon alle Hände voll damit zu tun, die nervöse Stute einigermaßen im Zaum zu halten.
„Das mach ich doch“, rief sie zurück. „Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr.“
Ulrike runzelte ärgerlich die Stirn.
„Du hast da 30.000 Euro unterm Hintern“, schimpfte sie. „Streng dich gefälligst ein bisschen an!“
Vanessa atmete tief durch. Penelope hatte sich wenigstens so weit beruhigt, dass sie wieder auf ihre Kommandos reagierte. Vanessa nahm sie am kurzen Zügel, ritt einen Bogen und mit hohem Tempo auf das Hindernis zu. Daniel hielt den Atem an. Zuerst sah es so aus, als würde alles gut gehen. Doch im letzten Moment stoppte die Stute wieder abrupt ab. Und dieses Mal war die Geschwindigkeit zu hoch. Vanessa konnte sich nicht mehr halten. Sie wurde aus dem Sattel geschleudert und flog über den Hals des Pferdes direkt in den Oxer hinein. Eine der Stangen brach, und Vanessa blieb einen Augenblick regungslos liegen.
Daniel schrie entsetzt auf. Er eilte auf den Platz und half Vanessa, sich aufzusetzen. Besorgt untersuchte er ihr Gesicht. Vanessa weinte und blutete aus der Nase, aber es schien nichts gebrochen.
„Vanessa“, sagte er leise. „Alles klar?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Meine Nase“, flüsterte sie schniefend.
Ulrike schien sich um den Sturz ihrer Tochter überhaupt nicht zu kümmern.
„Ach“, machte sie wütend. „Ich fasse es nicht!“ Sie zückte ihr Handy und wählte eine Nummer. Ungeduldig wartete sie, während Vanessa sich den Staub aus der Kleidung klopfte.
„Ja, Immhof hier“, knurrte Ulrike ins Telefon, als sich auf der anderen Seite anscheinend endlich jemand gemeldet hatte. Sie wartete einen Moment, bevor sie ärgerlich fortfuhr: „Wie Penelope springt? Ja – eben gar nicht. Was glauben Sie, warum ich anrufe? Das Pferd ist platt, komplett sauer. Das taugt höchstens noch als Hundefutter und kommt jetzt zum Abdecker. Und Sie Betrüger hören von meinem Anwalt, darauf können Sie Gift nehmen.“
Ohne ihrem Gesprächspartner am anderen Ende Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, beendete Ulrike das Gespräch und ging zu Vanessa und Daniel hinüber.
Bei dem Wort „Abdecker“ hatte Vanessa den Schreck und die Schmerzen kurz vergessen. Entsetzt blickte sie ihre Mutter an, doch die kümmerte sich nicht darum.
„So, lass mal sehen“, sagte sie forsch und hob Vanessas Kinn grob nach oben, um ihre Nase zu begutachten.
„Aua, Mama, nein!“, rief Vanessa. Die Tränen stiegen ihr wieder in die Augen.
„Halb so wild.“ Ulrike winkte ab. „Das ist nur geprellt, nicht gebrochen. Damit kann man wunderbar weiterreiten.“
Vanessa starrte sie entgeistert an. Das sollte wohl ein Scherz sein?
„Auf keinen Fall setze ich mich noch mal da drauf“, sagte sie und deutete auf Penelope, die immer noch unruhig über den Parcours tänzelte. „Das ist doch Quälerei.“
Ulrike betrachtete einen Moment lang das nervöse Pferd.
„Stimmt“, meinte sie nüchtern. „Das ergibt auch irgendwie keinen Sinn. Dann reitest du eben doch wieder Tornado.“ Sie sah Vanessa streng an. Ein gefährliches Glitzern trat in ihre Augen. „Du bist meine Tochter. Du wirst dieses Turnier reiten.“
Daniel, der die ganze Zeit neben den beiden gestanden hatte, sah Ulrike mit einer Mischung aus Grusel und Bewunderung an. Diese Frau war wirklich unerbittlich. Aber sie hatte früher große Erfolge gehabt. Und die wollte er auch …
Vanessa war schon wieder den Tränen nahe.
„Ich hab es so satt!“, sagte sie leise. „Mir reicht es.“
Ulrike runzelte die Stirn. Solche Widerreden war sie nicht gewohnt.
„Gut“, erwiderte sie schließlich tief enttäuscht und wandte sich an Daniel: „Dann musst du zur Ehrenrettung von St. Georg antreten. Ich erwarte, dass die Ehre und das Preisgeld auf St. Georg bleiben.“
„Ja“, sagte Daniel gehorsam.
Stehenden Fußes wandte Ulrike sich um.
„Und Vanessa … Fang bitte dieses unnütze Vieh da hinten wieder ein“, rief sie über die Schulter und marschierte vom Platz. Auf halbem Weg blieb sie stehen. „Daniel? Komm.“
Daniel sah sie überrascht an. Er warf Vanessa einen besorgten Blick zu. Vanessa verzog bitter den Mund und winkte ab.
„Geh schon, bevor sie dich frisst“, sagte sie leise.
Daniel nickte, erhob sich und folgte Ulrike.
Vorsichtig ging Vanessa hinüber zu Penelope und beruhigte sie.
„Keine Angst“, flüsterte sie, als sie die Stute schließlich am Zügel zu fassen bekam. „Du kommst nicht zum Abdecker. Ich weiß einen guten Platz für dich, okay?“ Sie streichelte ihr sanft über die Stirn.
Penelope schnaubte leise.