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Einfühlsam, bewegend und sehr gefühlvoll: Der Liebesroman »Wenn mein Herz dich findet« von Romance-Queen Sandra Henke jetzt als eBook bei dotbooks. Sie hat immer davon geträumt, die große Liebe zu finden – doch inzwischen glaubt Stella nicht mehr, dass irgendwo dort draußen das Glück auf sie wartet. Erst als sie in Cornwall dem Maler Simon begegnet, fühlt sie neue Hoffnung: Wird sein unwiderstehliches Lächeln ihr gebrochenes Herz heilen können? Langsam, ganz langsam beginnt Stella, den Schutzpanzer zu lockern, den sie um sich aufgebaut hat. Aber dann findet sie heraus, dass Simon ein dunkles Geheimnis hütet. Sie weiß, sie sollte ihn vergessen … oder kann sie doch einen Weg finden, die Schatten genau so zu lieben wie das Licht? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das mitreißende Romantik-Highlight »Wenn mein Herz dich findet« von Sandra Henke, ursprünglich veröffentlicht unter dem Titel »Mein Herz ist ein Chamäleon«. Wer liest, hat mehr vom Leben! dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 294
Über dieses Buch:
Sie hat immer davon geträumt, die große Liebe zu finden – doch inzwischen glaubt Stella nicht mehr, dass irgendwo dort draußen das Glück auf sie wartet. Erst als sie in Cornwall dem Maler Simon begegnet, fühlt sie neue Hoffnung: Wird sein unwiderstehliches Lächeln ihr gebrochenes Herz heilen können? Langsam, ganz langsam beginnt Stella, den Schutzpanzer zu lockern, den sie um sich aufgebaut hat. Aber dann findet sie heraus, dass Simon ein dunkles Geheimnis hütet. Sie weiß, sie sollte ihn vergessen … oder kann sie doch einen Weg finden, die Schatten genau so zu lieben wie das Licht?
Über die Autorin:
Sandra Henke, geboren 1973, gehört zu den Autorinnen, die sich nicht auf ein Genre beschränken, sondern ihre Leserinnen auf die unterschiedlichste Art begeistern – mit großen Liebesgeschichten, mit »Paranormal Romance« und erotischer Literatur. Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlicht Sandra Henke außerdem erfolgreich Thriller. Sie lebt, glücklich verheiratet, in der Nähe von Köln. Mehr Informationen finden sich auf den Websites der Autorin (www.sandrahenke.de), auf Facebook (www.facebook.com/sandra.henke.autorin) und auf Instagram (www.instagram.com/sandra.henke.liebesromane).
Bei dotbooks veröffentlichte Sandra Henke die Hot-Romance-Romane »London Lovers – Die Kunst der Unterwerfung«, »Jenseits aller Tabus«, »Flammenzungen«, »Die Maske des Meisters«, »Opfer der Lust«, »Loge der Lust«, »Lotosblüte« und »Gebieter der Dunkelheit«
und die Contemporary-Romance-Highlights »Wo mein Herz dich sucht«, »Wer mein Herz gefangen nimmt« und »Was mein Herz sich wirklich wünscht«
sowie den Sammelband »Fürstenkuss«, der die romantischen Romane »Verbotene Küsse«, »Prinzessin unter falschem Namen« und »Obwohl ich dich nicht lieben wollte« vereint.
Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlichte Sandra Henke bei dotbooks die Thriller »Leiden sollst du«, »Nr.13« und »Opfere dich«.
Gemeinsam mit Kerstin Dirks verfasste Sandra Henke außerdem die erotische Trilogie über die Vampirloge Condannato, die ebenfalls bei dotbooks erschienen ist: »Die Condannato-Trilogie – Erster Band: Begierde des Blutes«, »Die Condannato-Trilogie – Zweiter Band: Zähmung des Blutes« und »Die Condannato-Trilogie – Dritter Band: Rebellion des Blutes«.
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Originalausgabe September 2019
Copyright © der Originalausgabe 2019 dotbooks GmbH, München
Die Autorin hat diesen Roman ursprünglich unter dem Titel »Mein Herz ist ein Chamäleon« im Selfpublishing veröffentlicht.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von shutterstock/wavebreakmedia, Lucasz Pajor, Anna Kraynova, jakkapan, NYS und chainarong06
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)
ISBN 978-3-96148-774-5
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Sandra Henke
Wenn mein Herz dich findet
Roman
dotbooks.
»Welche Farbe würdest du für deinen Leinwandkörper auswählen?« Meine Stimme zittert.
»Blau.«
»Wegen deiner Augen?«
»Die gefallen dir, Stella, nicht wahr?«
In meinen Wangen ist die Hitze, die er angekündigt hat, bereits angekommen. »Wie kommst du denn darauf?«
»Du schaust sie dir oft intensiv an.«
»Jetzt lenkst du ab, Simon.«
»Wenn ich blau wäre«, langsam fließen seine Hände über meinen Oberkörper höher, »würde ich mit deinem gelben Leinwandkörper verschmelzen, denn zusammen würden wir Grün ergeben, grün, wie die Hoffnung.«
Ich frage mich, ob ich sterben will.
Aufmerksam horche ich in mich hinein. Es ist nicht das erste Mal in einundzwanzig Jahren und es wird vermutlich auch nicht das letzte Mal sein. Ich bekomme keine Antwort. Früher habe ich mit meiner inneren Stimme regelmäßig Zwiegespräche geführt. Jetzt hat sie mich verlassen, wie alle anderen auch.
Selbst in einer Menschenmenge fühle ich mich allein. Ich muss an die Redewendung denken: sich wie eine Insel fühlen. Doch sie passt nicht zu mir. Vielmehr komme ich mir kalt und erstarrt vor wie eine Eisscholle, die immer weiter raus aufs Meer getrieben wird. Weg vom Festland, weg vom Leben.
Man hat mich aus dem sicheren Hafen weggeschickt, mehrfach, sodass ich ihn nicht mehr als Anlegestelle betrachte. Kein Ort zum Ankern. Jetzt schwimme ich ziellos umher.
Ich werde mir bewusst, dass die schroffe Umgebung des ehemaligen Distrikts Penwith meine Gedanken formt und lenkt. Das herbstliche Cornwall gleicht meiner Stimmung. Tristesse.
Meine Schuhspitzen ragen über die Kante der Klippe hinaus. Dort unten in der Tiefe krachen die Wellen gegen die Felswände und erinnern mich an meine düsteren Träume in den Nächten vor den jeweiligen Abreisetagen. Immer wieder habe ich meine Eltern angefleht, bleiben zu dürfen, doch sie blieben unnachgiebig. Matthew und Maureen, wie ich meinen Vater und meine Mutter nur noch nenne, haben mich mit all meinen Ängsten, meiner Empfindsamkeit und meiner Liebe abgeschmettert wie die Felsen aus Granit und Schiefer die Fluten. Kein Halt. Nichts zum Festkrallen.
Gischt spritzt zu mir hoch. Die tänzelnden Schaumkronen beginnen mich zu hypnotisieren. Das Rauschen der wilden Brandung verschmilzt mit dem Säuseln des Windes zu einer naturgewaltigen Todesmelodie.
Möwen kreischen über meinem Kopf und reißen mich aus dem Bann. Ich spähe zu ihnen auf. Könnte ich doch nur ebenso wegfliegen! Denn während mein Geist abdriftet, wird mein Körper mehr und mehr zum absterbenden Ballast. Aber wohin sollte ich ziehen? In meinen Augen habe ich nichts und niemanden. Wenn man keinerlei Bindung mehr hat, verliert der Wunsch, vogelfrei zu sein, seinen Reiz.
Mir wird schwindelig, darum richte ich meinen Blick auf den Horizont, wo die schweren grauen Wolken mit dem schwarzblauen Meer verschmelzen. Dort draußen mache ich ein einzelnes Boot aus, klein wie eine Nussschale. Doch die Distanz täuscht, es muss sich um einen Frachter oder etwas ähnlich Großes handeln. Einsam fährt es dahin und ich verspüre eine traurige Verbundenheit.
Warum friere ich nicht? Weil die Außentemperatur immer noch wärmer ist als die Kälte in mir?
Ein bittersüßes Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. Kurioserweise empfinde ich Freude dabei, mich in dunklen Gedanken zu verlieren, also ist wohl doch noch nicht alles verloren. Allerdings liegt genau darin die Gefahr. Ich gebe mich dem Seelenschmerz hin. Er ist alles, was ich noch habe. Durch ihn fühle ich mich noch ein Stückchen lebendig und gleichzeitig zieht er mich weiter runter.
Ich habe mich schon am Rand des Dachs meiner ehemaligen Universität wiedergefunden, bin über eine vierspurige Hauptstraße spaziert und im Yorkshire Wildlife Park über die Absperrung ins Gehege der Eisbären geklettert. Jedes Mal bin ich rechtzeitig wieder umgekehrt.
Heute prüfe ich mich erneut. Die Angst, die mich vom letzten Schritt abhält, verliert sich bei jedem Test mehr. An diesem Tag am Abgrund nehme ich sie kaum noch wahr. Überhaupt spüre ich kaum noch etwas, nicht einmal den Wunsch nach Endgültigkeit. Ich erfriere innerlich, ich fühle mich leer. In mir befindet sich nur noch ein großes schwarzes Loch. Ein Vakuum umgibt mich und umschließt still mein Herz.
Vielleicht bin ich schon tot, denke ich sarkastisch, zumindest ein Teil von mir. Ich sterbe immer weiter, von innen nach außen. Wenn ich so weitermache wie bisher, werde ich dann vollkommen zu Stein erstarren? Ein langer qualvoller Weg zu sterben. Wie viel einfacher und schneller wäre es, hier und heute zu springen?
Erneut sehe ich hinunter zu dem Meer, das so unruhig wirkt, als könnte es kaum erwarten, mich zu verschlingen. Seufzend trete ich einen Schritt zurück.
Nicht jetzt. Aber bald.
Die Tür schließt sich für heute. Dieser Weg wird mir morgen wieder zur Verfügung stehen. Und übermorgen. Es ist keine Eile notwendig. Der Abgrund wird auf mich warten. Zudem glaube ich nicht an das Paradies. Es zieht mich nicht auf die andere Seite. Alles, was ich suche, ist Wärme. Im Tod werde ich nur Kälte finden, aber eben auch Friede. Das Ende ist das Ende. Endgültig. Vorbei. Aus. Noch sehe ich nicht die Erlösung in dieser Flucht, sondern die totale Resignation.
Nicht an diesem Nachmittag.
Als Kind war ich traurig, als Jugendliche zornig. Der Schmerz darüber, dass Matthew und Maureen mich immer wieder wegschicken, hat sich hochgeschraubt, bis er nahezu unerträglich wurde. Doch als ich vor einem halben Jahr kurz davor stand, daran zu verzweifeln, dass die Menschen, die ich am meisten liebe, nicht mit mir zusammen sein wollen, verschwand er plötzlich. Geplatzt wie ein Luftballon. Hatte dadurch ein Loch in mein Herz gerissen, in dem seither Leere herrscht.
Seitdem wandele ich durch die Welt wie ein Zombie. Die Ärzte sprechen von einem Schutzmechanismus. Meine Eltern geben sich ratlos. Mich dagegen verwundert ihre Verwunderung, da sie es doch selbst sind, die die Leinen zu mir immer wieder gekappt haben.
Aus scheinheiliger Fürsorge haben sie mich hierher gebracht. »An den Arsch der Welt«, murmele ich. Ich höre die Worte kaum, denn die steife Brise trägt sie fort. An den südwestlichsten Zipfel Englands, den zu der Jahreszeit weder Touristen noch Wassersportler aufsuchen. Die Halbinsel ist leergefegt wie mein Inneres.
Aber man schickt jemanden, um den man sich sorgt, nicht weg, sondern umarmt ihn, küsst seine Tränen fort und sagt ihm, dass man immer für ihn da ist. Stattdessen haben Matthew und Maureen einmal mehr Fremde beauftragt, mich im Auge zu behalten, als wäre ich gemeingefährlich.
Über die Schulter hinweg spähe ich zu dem elisabethanischen Herrenhaus in der Senke, dort unten vor den Toren der Gemeinde St. Just-in-Penwith. Ob man meine Flucht bereits bemerkt hat? Nichts regt sich. Ich bin zu unauffällig, werde oft übersehen mit meinen weißblonden Haaren, der fast durchsichtigen Haut und so dünn wie ich bin, knochig wie ein Skelett. Manchmal glaube ich, bereits gestorben zu sein, da ich geisterhaft blass aussehe und von meiner Umwelt kaum wahrgenommen werde. Doch ich bin dazu verdammt, weiter zu leben, bis ich den letzten Schritt endlich wage – oder gerettet werde.
Spöttisch lache ich über das Aufbäumen meines Lebenswillens. Genau genommen will ich ja gar nicht ins Jenseits, aber es hält mich auch nichts im Diesseits.
Plötzlich sagt eine tiefe männliche Stimme neben mir: »Du solltest nicht so nah am Abgrund stehen. Das ist riskant.«
Erschrocken fahre ich herum. Als ich sehe, wer unbemerkt an mich heran getreten ist, taumele ich rückwärts. Ich reiße die Augen auf. Wie kann das sein? Unmöglich!
Ich spüre keinen Boden mehr unter den Füßen. Verzweifelt rudere ich mit den Armen. Jetzt bräuchte ich doch Flügel wie ein Vogel. Stattdessen werde ich in die Tiefe fallen und von den tosenden Fluten verschluckt werden. Welch eine Ironie!
Mein Schrei gellt durch die Luft. Er geht im Kreischen der Möwen unter. Sie lachen mich, Stella Carmichael, aus.
Plötzlich schnellt der Fremde mit grimmiger Miene auf mich zu, die Hände zum Stoß erhoben.
Ein Ruck geht durch mich hindurch. Er presst mir die Luft aus den Lungen. Durch den kräftigen Zug werde ich nach vorne gerissen. Ich stolpere über ein Grasbüschel auf der Klippe, schwanke vorwärts und lande in den Armen des Fremden. Seine Faust umklammert noch immer meinen dünnen Baumwollhoodie.
Schwer atmend sehe ich zu ihm auf. Ist er es wirklich? Steht wahrhaftig Paul Gold vor mir? Meine Knie werden wieder weich, kaum dass ich von ihm auf die Füße gezogen wurde. Fasziniert starre ich ihn an. Ich lege den Kopf schräg und mustere ihn ausgiebig.
Wenn der Typ lächelt, wie jetzt gerade, geht selbst in dieser Tristesse die Sonne auf. Er nimmt mich wahr, konzentriert sich vollkommen auf mich, ist ganz bei mir – das passiert mir höchst selten. Normalerweise sieht man eher durch mich hindurch, als wäre ich aus Pergament. Meine Wangen brennen.
Nein, das ist nicht Paul Gold. Als Jugendliche habe ich ihn angeschmachtet, weil er umwerfend aussieht und weil ich mich der Illusion hingegeben habe, ein Magier könnte Matthew und Maureen in liebevolle Eltern verwandeln.
Wie ähnlich der junge Mann, in dessen Armen ich noch immer liege, Paul sieht! Aber seine Haare sind nur gefärbt, nicht echt blond, das verrät mir der dunkle Ansatz. Seine Augen leuchten zwar ebenfalls blau, allerdings viel heller, hell wie Eiskristalle. Kleine, aber feine Unterschiede, allerdings ist die hypnotische Wirkung auf mich dieselbe. Ich will mich aus seiner Umarmung befreien, bin jedoch unfähig mich zu bewegen.
Nun begreife ich, dass sein grimmiger Gesichtsausdruck von vorhin kein Zeichen von Wut, sondern von Entschlossenheit war. Durch den Schreck hatte ich das falsch gedeutet. Ich bin es einfach nicht gewohnt, dass Menschen mir helfen, weil sie sich üblicherweise verhalten, als wäre ich nicht da.
Er fasst meine Schultern an und schiebt mich etwas von sich fort. Prüfend mustert er mich. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
Der Schock sitzt mir noch in den Gliedern, aber ich nicke.
»Entschuldige! Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Ich hatte dich nicht kommen hören.« Er kann ja nichts dafür, dass er Ähnlichkeit hat mit meinem Teenagerschwarm Paul Gold, bekannt durch seine Las Vegas-Auftritte und Zaubershows im Fernsehen. Ich habe aufgehört, ihn anzuschmachten, als ich endlich wahrhaben wollte, dass sein Zauber nur Illusion ist und nicht einmal der Magier meine Welt in ein Märchen verwandeln könnte. Mit der Schwärmerei für ihn erloschen auch die Hoffnungen auf eine Verbesserung meiner Situation. Noch immer hängt ein Poster von ihm an der Innenseite meiner Kleiderschranktür. Ich habe mich nie lange genug zuhause aufgehalten, um es abzuhängen.
Eindringlich blickt der Mann mich an. »Du solltest dich von der Kante fernhalten. Sie könnte abbrechen oder du könntest abrutschen.«
»Ich bin das erste Mal in Cornwall.«
»Besuchst du Verwandte?«
Ich schüttele den Kopf.
»Wohnst du im Seaside Hotel?«
»Nein, dort unten.« Mit einem Kopfnicken deute ich auf das Herrenhaus in der Senke.
»Dem Sanatorium?«
»Es ist eine psychiatrische Einrichtung.«
Seine Brauen heben sich. »Ich dachte, es würde sich um eine Kurklinik handeln.«
»Das ist nur Fassade. Reiche tauchen hier unter, um sich behandeln zu lassen. Oder sie werden von ihren Familien in diese Einöde abgeschoben, damit niemand merkt, dass sie gaga sind.«
»Du bist nicht gaga.«
»Woher willst du das wissen?«
»Du machst einen netten Eindruck.« Erneut schenkt er mir ein gewinnendes Lächeln.
Paul ist nicht halb so attraktiv wie dieser Typ vor mir, denke ich. Während Gold eher kühl wirkt, ganz der mysteriöse Showmagier, bringt der Unbekannte mit seinem Schmunzeln Stein zum Schmelzen. Verwirrt mache ich mich von ihm los. Ich habe nicht gewusst, dass ich noch zu solchen Gedanken fähig bin. Ist das nun gut oder schlecht?
In den vergangenen Jahren hat sich mein Standpunkt dem Leben gegenüber gefestigt: Ich mag es nicht! Es meint es nicht gut mit mir. Darum gibt es keinen Grund, an ihm festzuhalten. Gerade schmilzt das Ausrufezeichen hinter dieser Meinung zu einem Fragezeichen, als würden wegen dem Fremden sogar Satzzeichen zerfließen.
»Simon.« Der Name zerreißt die Stille des Schweigens wie ein Paukenschlag.
Seine warme Bariton-Stimme holt mich aus meinen Grübeleien. Scheu sehe ich unter langen Wimpern zu ihm auf. »Wie bitte?«
»So heiße ich.« Er zwinkert.
»Mein Name ist Stella.«
»Du hast ja Gänsehaut.« Erneut tritt er dicht an mich heran. Er streichelt über meinen Hals.
Ich nehme die Berührung kaum wahr, denn meine Empfindungen drohen genauso abzusterben wie mein Innerstes. Aber das erste Mal seit einer Ewigkeit bedauere ich das.
Simon zieht seine Jacke aus und hängt sie über meine Schultern. Regentropfen fangen sich in den Wollfäden seines schwarzen Norwegerpullovers. Erst jetzt bemerke ich, dass es regnet.
»Du bist ja ganz durchnässt!« Behutsam fährt er mit den Fingern durch meine feuchten Haare. »Du musst aus den Klamotten raus, sonst wirst du noch krank.«
»Ich will noch nicht zurück.« Das Sanatorium ist zwar keine geschlossene Einrichtung, dennoch befürchte ich, dass man mich in Zukunft bewachen könnte, weil ich nach dem Aufnahmegespräch und der Rundführung am Nachmittag gegangen bin, ohne Bescheid zu geben.
»Wenn du möchtest, kannst du dich bei mir aufwärmen. Siehst du das Haus dort hinten auf der Klippe? Es ist nicht weit.«
Mein Blick folgt seinem Zeigefinger in die entgegengesetzte Richtung des Sanatoriums zu einem zweistöckigen Steingebäude. Die Rundbauweise erinnert entfernt an eine Burg, als hätte der ständige Küstenwind die Ecken rund geschliffen. Die Solarzellen auf dem Dach lassen jedoch erahnen, dass es modern ausgestattet ist.
»Es hat sogar einen Kamin. Genug Feuerholz ist auch da.« Er reibt über seinen Dreitagebart und wirkt ungeduldig. »Also?«
Ich zögere, denn ich bin nicht hier, um Freundschaften zu schließen. Genau genommen vermeide ich inzwischen sogar jegliche Art von Beziehungen. Bindungen tun weh. Man freundet sich an, wird auseinander gerissen und hört nie wieder von einander. An einem neuen Ort fängt man von vorne an, bis sich der nächste Abschied ankündigt. Aber ich habe den schmerzhaften Kreislauf durchbrochen, indem ich alleine bleibe.
»Tee ist im Service inbegriffen.« Sein Lächeln wird geradezu sexy. »Oder Wein, ganz wie du magst.«
Bevor ich ablehnen kann, legt er den Arm um mich und führt mich vom Abgrund weg. Ich will protestieren, doch meine Lippen zittern zu sehr, um Worte zu formen. Zumindest schiebe ich mein Schweigen darauf.
Seite an Seite spazieren wir den Küstenwanderweg entlang – weg vom Sanatorium, das für mich trotz der Plüschsessel, der geräuschdämpfenden Teppiche und des vordergründig stets gutgelaunten Personals ein kalter Ort ist, und hin zu dem außergewöhnlichen Gebäude, das mich immer neugieriger macht, je näher ich ihm komme. Genau genommen bezieht sich meine Neugier eher auf Simon. Was verschlägt einen jungen Mann an diesen öden Ort?
»Wie alt bist du?« Ich tue mich schwer darin, sein Alter zu schätzen. Sein jungenhaftes Lächeln steht im Gegensatz zu seiner männlichen Ausstrahlung.
»Fünfundzwanzig.«
Der Wind peitscht mir die Haare ins Gesicht. Simon schiebt sie fürsorglich hinter meine Ohren und hält sie als Zopf in meinem Nacken zusammen. Geduldig zähle ich bis zehn, dann platze ich heraus: »Willst du nicht wissen, wie alt ich bin?«
»Ich bin davon ausgegangen, dass du es mir von selbst sagst.«
»Und wenn nicht?«
»Hätte ich gefragt.«
»Ich bin mir da nicht sicher.« Vielleicht reicht sein Interesse an mir nicht so weit.
»Jetzt wirst du es nie erfahren.« Mit seinem Körper schirmt er mich vom Sturm ab. »Verrätst du mir dein Alter trotzdem?«
»Rate!«
»Hm«, macht er, bleibt stehen und mustert mein Gesicht. Während er nachdenkt, wuschelt er durch seinen zotteligen Haarschnitt, der irgendwo zwischen Rocker- und Surfer-Style liegt. »Siebzehn.«
»Was?«
Sachte zieht er mit dem Finger einige Linien in meinem Gesicht nach. »Achtzehn höchstens.«
»Das kann nicht dein Ernst sein.« Eingeschnappt versuche ich, mich von ihm loszureißen, doch er hält mich fest.
»Es tut mir leid, wenn ich dich beleidigt habe.«
»Ob du’s glaubst oder nicht, ich bin einundzwanzig!«
»Selbstverständlich glaube ich dir.« Mit dem Arm um meine Schultern schiebt er mich voran und bricht meinen Widerstand binnen Sekunden. »Du bist sehr dünn, vielleicht lässt dich das mädchenhafter aussehen. Freu dich doch. Andere Frauen wären froh, wenn man sie jünger schätzen würde.«
»Wenn ich vierzig bin und man mich für dreißig hält, werde ich so denken, aber doch nicht ...« Abrupt verstumme ich. Habe ich gerade gesagt, ich werde vierzig Jahre alt werden? Noch am Morgen hätte ich nicht darauf gewettet, dass ich diesen Tag überleben werde. Verunsichert schaue ich zu Simon auf. Er bringt mich von meinem Kurs ab. Das macht mir Angst, weil ich mich hinter meiner Abneigung gegen alles und jeden verbarrikadiert habe, um nicht wieder verletzt zu werden. Aber dass er solche Auswirkungen auf mich hat, fasziniert mich auch. Vielleicht ist er doch ein Zauberer.
»Warte!« An der Haustür bleibt er stehen. Während er den Schlüssel aus der Tasche holt, sagt er mehr zu sich selbst als zu mir: »Ich werde für dich kochen. Genau, das werde ich tun. Damit du etwas auf die Rippen bekommst und so alt aussiehst, wie du bist. Diese Rundumbetreuung biete ich nicht jedem Gast an.«
Etwas erwacht in meinem Bauch, zaghaft wie die ersten Flügelschläge eines frisch geschlüpften Vogels. Vielleicht habe ich wirklich Hunger. »Hast du denn oft Besuch?«
»Nein.« Er lacht. »Ich lebe sehr zurückgezogen.«
»Warum solltest du das für mich tun? Wozu die Mühe?«
»Das kannst du dir doch denken.« Als er das sagt, wirkt er ein wenig verlegen auf mich.
Regentropfen rinnen ihm über die Wangen. Sie erinnern an Tränen. In diesem Moment strahlt er eine Verwundbarkeit aus, die mich zutiefst berührt. Liegt darin womöglich eine Gemeinsamkeit?
Beiläufig wischt er das Wasser weg, schließt auf und schenkt mir über die Schulter hinweg ein verklärtes Lächeln. Sekundenlang verschmilzt sein Blick mit meinem. Dann dreht er sich zur Seite, um mir den Vortritt zu lassen.
Als ich an ihm vorübergehe, spüre ich ein Ziehen im Unterleib. Darum suche ich als Erstes das Gäste-WC im Erdgeschoss auf, doch ich muss gar nicht, stelle ich fest.
Simons nasse Turnschuhe quietschen auf den Fliesen. An der Garderobe streift er sie ab. Er schüttelt die Haare wie ein Hund das nasse Fell und lacht, weil ich in Deckung vor den umherfliegenden Tropfen gehe. Wann bin ich das letzte Mal so unbefangen gewesen wie er? Ich kann mich nicht entsinnen. Eigentlich habe ich mit der Vergangenheit ... mit allem abgeschlossen, doch plötzlich vermisse ich diese Zeit.
Er nimmt mir seine Jacke ab und hängt sie auf. Ausgiebig betrachtet er mich von der geröteten Nase bis zu den matschigen Schuhen. »Zieh dich aus!«
Ich bin etwas benommen von der Wärme im Haus. Und von Simon. Darum dringen seine Worte erst mit Verzögerung zu mir durch.
Meine Augen weiten sich.
Träume ich?
Vielleicht bin ich dort auf der Klippe, wo ich minutenlang in die tosenden Fluten gestarrt habe, ohnmächtig geworden und habe jetzt einen Fiebertraum. Oder bin ich doch in den Abgrund gesprungen? Möglicherweise treibe ich gerade im eiskalten Meer und fantasiere über meine Rettung? Nicht durch einen Ritter in glänzender Rüstung – den Glauben an Märchen habe ich durch Paul Gold verloren –, sondern durch einen mysteriösen Fremden, der sich Hals über Kopf in mich verguckt und es daher kaum abwarten kann, mir so nahe zu kommen wie niemand sonst. In der Realität hätte ich ihm eine runtergehauen. Im Traum jedoch bin ich dazu bereit, etwas Verrücktes zu tun und mich ihm hinzugeben, ohne ihn wirklich zu kennen und ohne Erwartungen.
Unauffällig zwacke ich mich in den Handrücken. Die Kälte, die mein Körper absorbiert hat, dämpft den Schmerz zwar, doch es tut weh. Schade, ich träume nicht.
»Oben im Badezimmer kannst du dich umziehen.« Simon steigt die Treppe hinauf und winkt mir, damit ich nachkomme. »Komm, ich zeig es dir.«
Ach, das hat er gemeint. Nachdem ich die Schuhe am Eingang abgestreift habe, folge ich ihm ins Obergeschoss. Mit weichen Knien trete ich in den ersten Raum auf der linken Seite. »Aber ich kann doch nicht ...«
»Häng deine Kleidung über den Handtuchwärmer.« Er stellt ihn auf volle Leistung. »Dann sind sie trocken, bevor du wieder gehst.«
»Das wird Stunden dauern.«
Lächelnd blinzelt er mich an. »Dann musst du eben so lange bei mir bleiben.«
In seinen Worten liegt ein verheißungsvolles Versprechen. Ich kümmere mich um dich. Ich werde dir das Warten so angenehm wie möglich machen. Du wirst gar nicht mehr wegwollen. Benommen von der ungewohnten Fürsorge beginne ich mich zu entkleiden, noch bevor Simon die Tür zugezogen hat.
Ich will nur kurz unter die Dusche springen, um Simons Gastfreundlichkeit nicht auszureizen, doch dann stehe ich eine gefühlte Ewigkeit unter dem heißen Wasserstrahl. Meine Schultern röten sich immer mehr, doch die Kälte in meinem Inneren bleibt. Was sich jahrelang aufgestaut und verhärtet hat, lässt sich nicht so einfach wegspülen.
Ich bin so langweilig, hart und glatt geworden wie die weißen Fliesen, denke ich betrübt beim Verlassen der Kabine.
Gedankenverloren trockne ich mich ab. Was findet Simon nur an mir? Warum hat er mich zu sich eingeladen, obwohl ich ihm vom Sanatorium erzählt habe? Er muss doch merken, dass ich ein Freak bin, schräg und kaputt, dass ich dort am Abgrund, wo wir uns getroffen haben, überlegt hatte zu springen.
Jetzt bin ich froh, es nicht getan zu haben. Gleichzeitig frage ich mich, wozu dieser Aufschub gut ist. Es ist doch so, dass Simon nur einen Umweg darstellt. Also warne ich mich selbst davor, das Pflänzchen der Hoffnung zu wässern.
Ich nehme den Haarfön aus der Wandhalterung über dem Handtuchhalter und stocke. Welcher Mann kauft ein Haushaltsgerät in Lachsrosa?
Plötzlich komme ich mir naiv vor. Vielleicht hat Simon ja eine Freundin oder ist sogar verheiratet. Dieser Umstand sollte mich nicht stören, schließlich werden wir uns vermutlich nie wiedersehen – tut es aber! Sollte er hier mit einer Frau wohnen, ist es besser, sofort zu gehen.
Aufgewühlt sehe ich mich im Raum um. Kein Anzeichen für eine weibliche Bewohnerin ... bis auf den Fön.
Ohne zu zögern öffne ich den Badezimmerschrank über dem Waschbecken. Darin reihen sich ein Trockenrasierer, ein Männerparfüm und ein Nageletui aneinander. Minimalistisch. Keine Medikamente, nicht einmal ein Mittel gegen Kopfschmerzen. Was aber wichtiger ist: Ich stoße auf keinen Hinweis, dass Simon mit jemandem zusammenlebt.
Erleichtert schließe ich den Schrank. Möglicherweise stammt der lachsfarbene Haarfön von einer Ex oder er ist ein Geschenk seiner Mutter oder Simon hat sich das Haus von einer Innenarchitektin einrichten lassen oder er hat das Handgerät gekauft, weil es im Angebot war oder ...
Stopp!, ermahne ich mich. So schnell hast du den Vorsatz, dir keine Hoffnungen zu machen, also schon wieder vergessen.
Während ich meine Haare trocken föne, betrachte ich mein Spiegelbild. Das erste Mal sehe ich mich mit den Augen anderer, mit Simons Augen. Dünnhäutig, verschlossen und traurig. Und leichenblass. Ich kneife in meine Wangen, bis sie rot leuchten und toupiere die Ansätze meiner Haare, damit sie mehr Volumen bekommen.
Erst zaghaft, dann immer mutiger probiere ich freundlichere Gesichtsausdrücke aus. Ich gebe die nette Nachbarin von nebenan, gucke mädchenhaft unschuldig, versuche mich vergeblich an einem gewinnenden Hollywood-Lächeln und spitze die Lippen zu einem Schmollmund.
Erschrocken über die immer lasziver werdenden Posen, wende ich mich ab. Was ist nur los mit mir?
Ich kuschele mich in den einzigen Bademantel, Simons Bademantel. Ich bilde mir sogar ein, seinen Duft daran wahrzunehmen. Tief vergrabe ich meine Nase in dem Stoff. Weißes Frottee, einfach und schnörkellos. Wie man es oft in Hotels findet.
Zu meiner Überraschung entdecke ich eine Gravur: Little castle on the cliff. Wie süß!, denke ich und streiche darüber, als würde ich einen Liebhaber streicheln. Geschwungene Buchstaben auf der rechten Brustseite. Lachsfarbig!
Simon hat sein Nest zweifelsohne liebevoll eingerichtet. An eine Innenarchitektin glaube ich nicht mehr, denn das Interieur wirkt nicht durchgestylt, sondern mit seiner bunten und gleichzeitig stimmigen Mischung aus geraden Linien, hellen Farben, modernem Dekor und Landhausstilmöbeln gemütlich.
Als ich die Treppe hinabsteige, fallen mir jedoch beim aufmerksameren Hinschauen einige Gegenstände auf, die ich Simon nicht zugetraut hätte. Der Regenschirmständer, eine mit Gänseblümchen bemalte Milchkanne aus Emaille und der Wandteppich mit Jagdmotiv am Eingang wollen nicht recht zu dem Bild, das ich mir von Simon bisher gemacht habe, passen. Aber was weiß ich schon von ihm?
Kaum habe ich mich auf den Hocker an einer Seite des Arbeitsblocks gesetzt, gießt er mir auch schon einen Becher Tee ein. Er reicht ihn mir und schaut mich dabei länger an, als es notwendig ist.
Auf den ersten Blick wirkt er jungenhaft unbeschwert, auf den zweiten meine ich hinter seinen Iriden einen Abgrund zu erkennen. Unweigerlich stelle ich mir zwei Eisschollen vor, unter denen die blauschwarze Tiefsee lauert. Das sollte mich warnen, doch es macht mich nur noch neugieriger auf ihn.
Auch er hat sich umgezogen. Er trägt frische Jeans und ein türkisfarbenes Hemd, wodurch seine Augenfarbe noch mehr leuchtet. Wie arktisches Eis! Die Ärmel hat er hochgekrempelt. Seine nackten Füße machen leise Geräusche auf den Bodenfliesen, wenn er zum Kühlschrank geht oder sich zum Herd umdreht, um in den Töpfen und Pfannen zu rühren. Augenscheinlich hat er versucht, seine Haare trocken zu rubbeln, aber sie schimmern hier und da immer noch feucht. Dieser leicht zerzauste Promenadenmischung-Look lässt ihn verwegen erscheinen, wie ein Weltenbummler, ein Abenteurer, ein Freigeist. Sexy!
Während ich die Hände an dem heißen Gefäß vor mir wärme, beobachte ich Simon. Großgewachsen und breitschultrig wirkt er fehl am Platz in der Küche. Ich kann ihn mir eher bei Highland Games vorstellen. Doch er hackt so geschickt Gemüse und brät den Fisch so behutsam, dass ich mir sicher bin, dass er oft kocht.
Verwöhnt zu werden, ist mir neu. Wärme breitet sich in mir aus und lässt die Kälte weiter schwinden, nur der harte Kern zeigt sich resistent. Ich schiebe diese Glut auf den Tee, bis mir bewusst wird, dass ich noch gar nicht getrunken habe.
»Seit wann wohnst du hier?« Ohne ihn aus den Augen zu lassen, blase ich in die dampfende Flüssigkeit.
»Seit sechs Monaten.«
»Ein schönes Haus!«
»Danke.«
»Ungewöhnlich.« Wie deine Augen. »Hast du es nach deinen Vorstellungen bauen lassen oder schon so gekauft?«
Er braucht eine Weile, bis er antwortet. Erst nachdem er die Kartoffeln abgeschüttet hat, murmelt er: »Letzteres.«
»Wohnt deine Familie im Ort?«
»Genug Fragen!« Umständlich trocknet er sich die Hände ab, die Stirn gerunzelt. Er hat wohl vor, das Tuch neben das Schneidebrett zu werfen, überlegt es sich in letzter Sekunde anders und legt es sachte ab. Die ungewohnte Ernsthaftigkeit verfliegt, die Falten in seinem Gesicht glätten sich. Er zwinkert. »Ich komme mir schon vor wie bei einem Polizeiverhör.«
»Offenbar kennst du dich damit aus.« Es gefällt mir, ihn aus dem Konzept zu bringen. Vielleicht zeigt er dabei versehentlich sein wahres Gesicht, das hinter dem charmanten Sam-Heughan-Lächeln steckt.
»Womit?«
»Verhören von der Polizei.«
Er schnaubt. »Gott bewahre, nein! Ich hoffe ...«
»Was hoffst du?«
»Nie in die Situation zu kommen.« Noch während er das sagt, wendet er sich ab und nimmt zwei Teller aus dem Oberschrank. Er wühlt so lange in dem Besteckkasten, dass ich befürchte, er sucht nach einer Ausrede, weil er keine einzige saubere Gabel mehr hat.
»Du stehst wohl auf Wicken«, sage ich scherzhaft, um die angespannte Situation aufzulockern.
Über die Schulter hinweg sieht er mich kurz an. »Wie bitte?«
»Im Treppenhaus hängen drei eingerahmte Fotos. Selbst geschossen?«
»Ich habe das Haus samt Einrichtung erstanden.«
Daher also das Lachsrosa!, schießt es mir in den Sinn. Irgendwo stößt jemand laut Luft aus. Ach, das bin ja ich. »Und in einem halben Jahr noch keine Zeit gehabt, es nach deinem Geschmack umzuändern?«, stichele ich weiter.
»Ich hatte Wichtigeres zu tun.«
»Und zwar?«
Er dreht sich um, zwei Gabeln und zwei Messer erhoben, als müsste er sich damit verteidigen – oder zum Angriff schreiten. »Würdest du die Wahrheit aufdecken, müsste ich dich töten.«
Vor Schreck verbrenne ich mir die Zunge am Tee.
»Das war ein Scherz, bleib locker.« Simon senkt die Hände. Messer und Gabeln sehen nicht länger aus wie Waffen. Verschwörerisch dämpft er seine Stimme und neigt sich zu mir herüber. »Aber wenn du lange genug bleibst, bis ich mir Mut angetrunken habe, verrate ich dir mein Geheimnis womöglich.«
Lachend richtet er sich wieder auf. Er schaltet die Dunstabzugshaube aus. Stille senkt sich über die Küche. Die Geräusche klingen plötzlich lauter als zuvor. Er deckt den quadratischen Eichentisch in der Essecke und trägt die Speisen auf.
Vor dem Fenster dämmert es bereits. Das Grau wird zu Schwarz. Der Sturm nimmt weiter zu, sodass nicht einmal mehr die Möwen Lust haben, auf den Windböen zu reiten. Das Meer wütet stärker, kein Schiff ist zu erspähen. Nichts und niemand scheint dort draußen zu sein.
Man könnte meinen, Simon und ich sind allein auf der Welt. Ich setze mich an den Tisch und rutsche behaglich im Stuhl tiefer.
Ich habe recht gehabt. Er ist nicht nur ein Sonnyboy. In ihm lauert ein Abgrund. Doch statt sicheren Abstand zu suchen, verspüre ich den Sog, näher heranzutreten.
»Woher kommst du?«, fragt er, während er vier Gläser füllt, zwei mit Wasser aus einer Karaffe und zwei mit Pinot Grigio. Die Flasche stellt er in einen Weinkühler zwischen uns. In den Ton geritzt steht in geschwungenen Buchstaben: Little castle on the cliff.
Wie bezaubernd! Ich lächele Simon an. Nun stehen drei Getränke vor mir, denn bisher habe ich meinen Tee kaum angerührt. Kannst du nicht einmal normal sein? »Leeds.«
»Vermisst du dein Zuhause?«
»Ich habe keins.«
»Aber du hast doch gerade gesagt«, der Küchenstuhl knarrt, als Simon sich setzt, »dass du in Leeds wohnst.«
»Du wolltest wissen, woher ich gekommen bin, das ist ein Unterschied.«
»Du bist kleinlich.«
»Ich bin genau.«
Er lehnt sich zurück. Seine Mundwinkel zucken. »Auf jeden Fall scheinst du amüsant zu sein.«
»Mit der Meinung stehst du allein da.«
»Mit dir wird es bestimmt nie langweilig. Man hat immer etwas, über das man reden kann, auch wenn es Spitzfindigkeiten sind.«
Wie er über seinen Bartschatten reibt, ist geradezu sinnlich, finde ich. »Den Spaß wirst du bald nervig finden.«
»Um das herauszufinden, müssten wir lange genug zusammen sein. Ich hoffe darauf.«
Ich spüre ein Glühen in mir. Ich greife mir an den Brustkorb. Vielleicht ist es schon zu spät, wahrscheinlich ist das ein erstes Erkältungsanzeichen. Um mich abzulenken, trinke ich den Tee in großen Schlucken aus. Die warme Flüssigkeit heizt mir jedoch noch mehr ein. Mir bricht der Schweiß aus.
Unvermittelt steht Simon auf. Er dimmt das Licht und verlässt die Küche. Mit einem Windlicht in der Hand kehrt er zurück. Er zündet die Kerze darin an und stellt es auf den Tisch. Zufrieden grinsend setzt er sich wieder. »Wo wohnst du denn nun? Ernsthaft, es interessiert mich. Du interessierst mich.«
Ich beobachte, wie er geschickt den Fisch entgrätet. Fast schon zärtlich schiebt er ein wenig Filet auf die Gabel. »Was ist nun mit Leeds?«
»Meine Eltern leben dort.«
»Du bist ausgezogen?«
»Man hat mich weggeschickt.« Obwohl mein Magen knurrt, stochere ich nur im Gemüse herum.
»Warum?«
»Erst auf ein Schulinternat in Reading. Das machen Eltern in ihren Kreisen so. Unter Tränen habe ich die Zeit durchgezogen. Schon damals brachten sie mich zu einem Therapeuten. Aber der konnte mein Heimweh nicht heilen.« Um Simon nicht zu beleidigen, tunke ich ein Stück Kartoffel in die Soße und esse es. Der Zitronenbuttergeschmack explodiert in meinem Mund. »Du hast ja keine Ahnung, wie froh ich war, als ich endlich heimkehren durfte. Aber kaum war ich wieder zuhause, teilten Matthew und Maureen mir mit, dass sie eine kleine Wohnung in Sussex für mich angemietet hatten. Ich sollte dort auf die Universität gehen. Für eine bessere Uni waren meine Noten zu schlecht. Mit ihrer Enttäuschung hielten sie nicht hinterm Berg. Hab’s versucht – hab abgebrochen. Die Uni entpuppte sich als schrecklich und die Fächer als langweilig. Es waren die Pläne meiner Eltern, nicht meine.«
»Wieso hast du nie protestiert?«
»Hab ich doch.«
»Aber?«
»Sie waren zu zweit.« Ich erinnere mich an die Hilflosigkeit angesichts dieser Übermacht. Ein Psychotherapeut hat Matthew und Maureen mal als dominante Persönlichkeiten bezeichnet. Wenn das stimmt, warum sind die beiden dann nicht in Therapie, sondern ich? »Als die Seelenklempner in Leeds mich nicht auf Erfolgskurs bringen konnten, meldeten mich meine Eltern hier im Sanatorium an.«