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Weihnachtszeit – friedliche Zeit? Von wegen. Bei Familie Trautwein geht es drunter und drüber. Tante Traudl liegt mit Grippe im Bett, dabei wird doch extra für sie jedes Jahr ein richtiger Weihnachtszauber veranstaltet, mit Gänsebraten und echten Kerzen am Baum. Wie soll Mama sonst die schöne Biedermeierkommode erben, mit der sie schon seit Jahren liebäugelt? Hannes dagegen hat ein ganz anderes Problem: Er hält einen Wellensittich versteckt, von dem niemand etwas wissen darf, denn Mama ist allergisch gegen alle Tiere. Dummerweise kann er nicht gut lügen und seine Schwester Luzie erst recht nicht. Und dann ist da noch der misstrauische Vermieter, der überall rumschnüffelt. Als Tante Traudl schließlich doch eintrifft, schlägt für alle die Stunde der Wahrheit ...
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Seitenzahl: 102
Sabine Ludwig
Weihnachtszeit – friedliche Zeit?
Von wegen. Bei Familie Trautwein geht es drunter und drüber. Tante Traudl liegt mit Grippe im Bett, dabei wird doch extra für sie jedes Jahr ein richtiger Weihnachtszauber veranstaltet, mit Gänsebraten und echten Kerzen am Baum. Wie soll Mama sonst die schöne Biedermeierkommode erben, mit der sie schon seit Jahren liebäugelt? Hannes dagegen hat ein ganz anderes Problem: Er hält einen Wellensittich versteckt, von dem niemand etwas wissen darf, denn Mama ist allergisch gegen alle Tiere. Dummerweise kann er nicht gut lügen und seine Schwester Luzie erst recht nicht. Und dann ist da noch der misstrauische Vermieter, der überall rumschnüffelt. Als Tante Traudl schließlich doch eintrifft, schlägt für alle die Stunde der Wahrheit ...
Weitere Informationen finden Sie unter www.fischerverlage.de/kinderbuch-jugendbuch
Sabine Ludwig ist überaus erfolgreiche Autorin zahlreicher Kinderbücher sowie Übersetzerin englischsprachiger Kinder- und Jugendbücher.
2010 wurde sie als «Lesekünstlerin des Jahres» geehrt.
Ute Krause ist vielfach ausgezeichnete Illustratorin von über 250 Bilder- und Kinderbüchern sowie erfolgreiche Kinderbuchautorin.
[Widmung]
1. Kapitel Ein Schlüssel zum Glück
2. Kapitel Heimliche Nacht und unheimliche Geräusche
3. Kapitel Wellensittich im Schinkenmantel
4. Kapitel Leise rieseln die Nadeln
5. Kapitel Einen Kracher in Ehren kann niemand verwehren
6. Kapitel Wo bekommen wir einen Baum her?
7. Kapitel Ein Riesen-Bonsai
8. Kapitel Ein Vogel mit Glatze ist doof
9. Kapitel Grüner Rotkohl und ein pinkes Einhorn
10. Kapitel Die Wahrheit kommt ans Kerzenlicht
11. Kapitel Ein Vogel kommt selten allein
Für Felicitas und Johannes.
*
Und für Bubi natürlich.
Bei uns auf dem Balkon steht ein Weihnachtsbaum.
Eigentlich ist das ja nichts Besonderes, bei vielen Leuten steht vor Weihnachten ein Baum auf dem Balkon und wartet darauf, dass er reingeholt und geschmückt wird. Aber unseren Baum kann man nicht reinholen, er passt nämlich nicht mehr durch die Tür. Außerdem ist bald Frühling, und bis wieder Weihnachten ist, dauert es noch eine Ewigkeit.
Von Weihnachten haben wir auch erst einmal genug. Papa meint, wir hätten so viel Weihnachten gefeiert, dass es für die nächsten drei Jahre reicht. Und wenn Mama das Wort Weihnachten nur hört, bekommt sie Pickel, sagt sie.
Und daran ist nur Tante Traudls Biedermeierkommode schuld, auf die Mama immer so scharf war. Und natürlich Herr Dobelmann, der seinen Baum in Einzelteile zerlegt hat; nicht zu vergessen eine gewisse Frau Putenkötter mit dem grausamsten Geschmack der Welt. Aber angefangen hat alles mit einem hustenden Vogel …
Es war der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien, und obwohl wir in der sechsten Klasse sind und eigentlich viel zu alt für so einen Quatsch, wollte Frau Weichbrodt, unsere Klassenlehrerin, unbedingt mit uns Julklapp machen. Natürlich bekam ich mal wieder das ätzendste Geschenk von allen: einen Becher mit rosa Herzen und einem Bärchen drauf, das einen Luftballon hält und Kusshändchen wirft. Und unter dem Bärchen stand: Du liegst mir am Herzen.
Das konnte mir nur eins der Mädchen geschenkt haben – aber welches? Ich hatte Mara im Verdacht, denn die wurde knallrot, als ich zu ihr rüberschaute, aber das wird sie eigentlich immer, wenn ich sie angucke. Ich habe den Becher hochgehalten, draufgezeigt und mein Gesicht zu einem Fragezeichen verzogen. Mara wurde nur noch röter und guckte schnell woandershin.
«Bilde dir bloß nichts ein», sagte Tom. «Der Becher ist von Lukas, die haben zu Hause eine Trödelkiste, die ist voll mit dem Zeug.»
Jetzt fand ich den Becher noch hässlicher und beschloss, ihn meiner kleinen Schwester Luzie weiterzuschenken, für die hatte ich nämlich noch nichts.
Tom hatte Glück, in seinem Päckchen war ein Kinogutschein, das nenne ich mal ein sinnvolles Geschenk.
«Wenn du magst, gehen wir zusammen», sagte Tom auf dem Heimweg und biss in sein Pausenbrötchen. Er isst es immer erst auf dem Weg nach Hause, damit seine Mutter nicht meckert, wenn er es wieder mitbringt.
«Aber bitte in einen Film ab zwölf», sagte ich. «Sonst müssen wir womöglich Luzie mitnehmen.»
«Was glaubst du denn? Dass ich mit dir in einen Barbiefilm gehe?» Tom hat laut gelacht, und ich hab mitgelacht. Dabei war Luzie über Barbies längst hinaus, nur ihr Barbiepferd hatte sie behalten, weil sie sich von keinem ihrer Tiere trennen kann.
«Es geht aber erst nach den Ferien», sagte Tom. «Wir fahren in Skiurlaub.»
«Du hast es gut», sagte ich. «Weihnachten ohne Schnee ist nur halb so schön.»
Es war richtiges Matschwetter und so warm, dass in den Vorgärten noch die Rosen blühten. In den Bäumen zwitscherten die Vögel. Wie sollte man da bloß in Weihnachtsstimmung kommen?
Tom blieb stehen und warf ein paar Spatzen den Rest von seinem Brötchen zu.
«Vielleicht fahren wir ja auch nicht», sagte er. «Wir müssen nämlich erst Bubi loswerden.»
«Bubi? Du meinst den Wellensittich von deinem Opa?»
Tom besaß seit ein paar Wochen einen Vogel. Bubi hatte seinem Großvater gehört, aber der war ins Altersheim gekommen, und da waren Haustiere verboten.
«Wollt ihr ihn denn nicht behalten?», fragte ich.
Tom schüttelte den Kopf. «Meine Mutter mag keine Vögel. Sie kreischt jedes Mal wie am Spieß, wenn Bubi ihr auf den Kopf fliegt. Und außerdem wissen wir ja auch nie, wohin mit ihm, wenn wir verreisen.»
Tom verreist oft mit seinen Eltern, er hat auch keine Geschwister. Darum war er echt zu beneiden. Und um den Wellensittich auch. Was hätte ich darum gegeben, ein Haustier zu haben.
Als ob Tom meine Gedanken erraten hätte, sagte er: «Du könntest ihn doch nehmen.»
«Das geht nicht.»
«Du bekommst auch den Käfig mit dazu, und die Dinger sind echt teuer. Und Futter. Du musst ihm nur ab und zu etwas frische Petersilie geben, das mag er. Und weißt du, er ist wirklich lustig, er kann sogar sprechen und –»
Ich hielt mir die Ohren zu. «Hör auf! Ich würde Bubi sofort nehmen, aber meine Mutter hat eine Allergie.»
«Was für eine Allergie?», fragte Tom. «Eine Allergie gegen Wellensittiche?»
«Keine Ahnung, eine Allergie gegen Tiere eben. Und außerdem sind Haustiere bei uns verboten.»
«So einen kleinen Vogel merkt doch keiner», sagte Tom.
«Unser Hausbesitzer schon. Der würde es sogar merken, wenn ich mir eine Ameise als Haustier anschaffen würde!»
Herr Dobelmann, unser Vermieter, wohnt ein Stockwerk tiefer, und er hat seine Augen und Ohren wirklich überall. Egal, wie leise Luzie und ich uns die Treppe hochschleichen, er reißt jedes Mal die Tür auf und meckert, wenn wir unsere Schuhe nicht abgetreten haben.
An der Ecke blieb Tom stehen. Hier musste er linksrum und ich geradeaus.
«Tja, dann wird das wohl nichts», sagte er. «Schade, jetzt kommt der Vogel zu fremden Leuten. Meine Mutter hat schon eine Anzeige aufgegeben. Tschüs, Hannes.»
«Tschüs und schöne Ferien», sagte ich.
«Wenn du es dir noch anders überlegst, melde dich!», rief Tom mir hinterher.
Ziemlich schlecht gelaunt kam ich zu Hause an, und meine Laune wurde auch nicht besser, als mir oben auf der Treppe unsere Nachbarin Frau Moll mit einem Paar Skier über der Schulter entgegenkam. Anscheinend fuhren alle in den Schnee, nur wir nicht.
«Hannes, du kommst wie gerufen!», sagte sie. «Ich wollte gerade Herrn Dobelmann meinen Schlüssel geben, damit der meine Pflanzen gießt, wenn ich weg bin, aber ehrlich gesagt möchte ich das nicht so gern.» Sie zwinkerte mir verschwörerisch zu. «Du kennst ihn ja, neugierig wie ein altes Waschweib, sag ich immer, nachher schnüffelt er bloß in meiner Wohnung rum.»
Ich verstand nur Bahnhof. Aber wenn Frau Moll spricht, versteht man immer nur Bahnhof, sie ist etwas umständlich. «Verschroben» nennt Papa das.
«Komm, ich zeig dir alles, du bekommst auch was dafür.» Sie wedelte mit einem Fünf-Euro-Schein vor meiner Nase herum.
Geld konnte ich gut gebrauchen, ich war nämlich ziemlich pleite, was kurz vor Weihnachten ja nicht gerade günstig ist.
Frau Moll stellte die Skier ab und schloss ihre Wohnung auf. Ich war noch nie in Frau Molls Wohnung gewesen, und das Erste, was mir auffiel, war der komische Geruch.
Es roch wie … ja, es roch wie in einem Treibhaus: feucht und grün. Kein Wunder, überall in der Wohnung standen Pflanzen. Große, kleine, mit Blättern, mit Stacheln, manche hatten sogar Blüten.
«Die Orchidee hier bekommt nur abgekochtes Wasser, bei der Bromelie gießt du von oben in die Blätter, und der Ficus kriegt alle zwei Tage ganz wenig in den Untersetzer und …»
Frau Moll redete und redete, und ich nickte höflich, dabei hörte ich nicht hin, denn mir kam plötzlich eine Idee – eine geradezu geniale Idee: Jetzt, wo ich den Schlüssel zu Frau Molls Wohnung hatte, konnte ich da nicht den Wellensittich hierherbringen und so lange verstecken, bis ich meine Mutter überredet hatte, ihn zu behalten?
«Ich komme am 6. Januar zurück», hörte ich Frau Moll sagen. Ich hatte also etwas über zwei Wochen, um Mama zu bearbeiten. Das musste reichen!
«Hast du alles genau verstanden, Hannes? Hannes!»
«Na klar, Sie können sich ganz auf mich verlassen, ich werde Ihre Pflanzen hüten wie meinen Augapfel», sagte ich. Dann nahm ich den Schlüssel und die fünf Euro und wünschte Frau Moll einen schönen Urlaub.
Hoffentlich hatte sich auf die Anzeige von Toms Mutter noch keiner gemeldet! Ich stellte schnell meine Mappe vor unserer Wohnungstür ab, sauste los – und schaffte es gerade noch rechtzeitig.
«Es war schon eine Frau da, die wollte Bubi für ihre kranke Mutter, damit die eine Ablenkung hat», sagte Tom, als ich völlig außer Puste bei ihm ankam. «Aber es hat sie gestört, dass der Vogel immer hustet.»
«Hustet?»
«Mein Opa hat Husten, das kommt vom vielen Rauchen, und Bubi macht immer alles nach, auch das Husten. Klingt echt nicht schön.»
Mir war egal, ob der Vogel hustete oder nieste oder rülpste. Ich würde ihm schon noch andere Sachen beibringen.
Bubi saß im Käfig, legte den Kopf schief und sah mich mit seinen dunklen Äuglein neugierig an. So, als ob er prüfen wollte, ob ich auch das richtige Herrchen für ihn bin.
Ich hatte einen Wellensittich noch nie aus der Nähe gesehen. Bubis Stirn war weiß, sein Hinterkopf hatte schwarz-weiße Wellenlinien, die Nasenlöcher über dem spitzen gelben Schnabel waren dunkelblau umrandet, und er trug eine Art Kragen aus weißen Federn mit schwarzen Tupfen um den Hals, seine Brust war leuchtend blau. Sogar seine Krallen waren blau.
«Er ist superschön», flüsterte ich.
«Soll ich ihn dir als Geschenk verpacken?», fragte Tom und grinste.
Er ging mit mir in die Küche, um das Vogelfutter zu holen, da hörte ich etwas. Es klang wie die Übertragung von einem Fußballspiel.
Komisch, es gab doch gar kein Spiel heute …
«Klasse gehalten, stark gespielt», ertönte es etwas knarzend aus dem Wohnzimmer. «Ein Traumpass!»
Ich muss wohl ziemlich verwirrt ausgesehen haben, denn Tom sagte: «Das ist bloß Bubi. Mein Opa hustet nämlich nicht nur, er hört im Radio auch immer die Bundesliga.»
«Tor! Tooor!», krächzte Bubi. Und ich hätte zu gern gewusst, welches Spiel das wohl gewesen war.
Toms Mutter lud mich und den Käfig in ihr Auto und brachte uns nach Hause. Unterwegs sagte Bubi nichts, denn Tom hatte eine dunkle Decke über den Käfig gelegt.
«Er denkt dann, es ist Nacht, und hält den Schnabel.»
«Und deine Eltern sind auch wirklich einverstanden?», fragte Toms Mutter, als sie mir half, den Käfig aus dem Auto zu heben.
«Ja, natürlich, meine Mutter liebt Wellensittiche!» Das Letzte hätte ich lieber nicht sagen sollen, denn bei dieser faustdicken Lüge wurde ich knallrot. Aber Toms Mutter merkte es nicht; sie schaute auf die Uhr und rief: «Himmel, ich muss ja noch die Skianzüge in die Reinigung bringen, hoffentlich schaffen die das bis morgen!»
Dann war sie weg, und ich stand mit Bubi auf der Straße. So leise wie möglich schloss ich die Haustür auf und ging auf Zehenspitzen die Treppe hoch. Bubi gab keinen Mucks von sich.
Ich war schon fast an Herrn Dobelmanns Wohnungstür im ersten Stock vorbei, da ging die auch schon auf, und Herr Dobelmann sah erst mich und dann den Käfig misstrauisch an. «Was hast du denn da, Junge?»
«Ach das … das ist ein Weihnachtsgeschenk für meine Mutter. Ein … ein Vogelhaus.»
«Bisschen groß für ein Vogelhaus», sagte Herr Dobelmann.
«Wir haben es in der Schule gebaut, und irgendwie ist es größer geworden, als ich wollte», hab ich gesagt